Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=17115
Politische Skrupellosigkeit
29. September 2023
Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=17115
Politische Skrupellosigkeit
Von Evelyn Hecht-Galinski
Erstveröffentlichung am 05.09.2023 im Blog Sicht vom Hochblauen
Mit Fassungslosigkeit beobachte ich die aktuelle deutsche Politik und
ihre Akteure. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass wir
nochmals gegen Russland Krieg führen. Ja, wir führen Krieg gegen
Russland! Wir – unsere Politiker wollen uns zwar Glauben machen, dass
wir nicht im Krieg gegen Russland stehen, sondern Russland gegen die
Ukraine. Aber kann man sich freisprechen von Kriegsteilnahme, wenn man
so aktiv wie wir die Ukraine mit Waffen und Milliarden unterstützt? Was
unterscheidet uns denn noch von Krieg, stehen wir nicht schon an der
Schwelle zu einem weit schlimmeren Krieg? Wie lange kann und wird
Russland und Putin noch zusehen, wenn die Ukraine dank westlicher
Unterstützung immer mehr nach Russland eindringt und auch vor
terroristischen Aktivitäten nicht zurückschreckt?
Deutsch-russische Beziehungen ruiniert
Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass eine grüne, „russophobe“
Außenpolitik unter Leitung von Annalena Baerbock die deutsch-russischen
Beziehungen so ruiniert. Hatte AA Baerbock nicht schon früh von
Ruinierung Russlands gesprochen und auch schon im Mai 2022 vor
„Kriegsmüdigkeit“ gewarnt? Wollte sie nicht Putin für „Urverbrechen“
bestrafen? Ist es wirklich eine Verteidigung der Ukraine und ihr
„verbrieftes Recht in der UN-Charta, sein Land und seine Menschen zu
verteidigen“, wie Baerbock das vollmundig erklärt? Sie schreckte auch
nicht davor zurück, „Drohnen auf Moskau“ zu befürworten, als
ukrainisches Recht auf Verteidigung.
Unter ihrer und Ampel-Führung wird Deutschland voll unter „US-Kommando“
gebracht. Diese Ampel tut alles dafür, dass die Ukraine zu einem
militärischen Vorposten der USA und der Nato ausgebaut wird. Es scheint,
dass man es hier in der Regierung und auch der Opposition als
„Befreiungsschlag“ sieht, sich von Russland zu „befreien“ und sich voll
unter US- und Nato-Führung zu begeben. Was das für die deutsche
Bevölkerung bedeutet, erleben wir jetzt. Eine teure und ungewisse
Zukunft, voller grün-rot-gelb-schwarzer Versprechungen, die mitnichten
nachvollziehbar sind.
Ja, es ist diese politische Skrupellosigkeit mit der diese „Zeitenwende“
durchgezogen wird, mit falschen Aussagen, Vorhersagen und einseitig auf
Ukraine-Unterstützung und Krieg gebracht. Was sich schon vor Jahren
abzeichnete, nämlich „eine Braunfärbung der grünen Partei“, wie ich
einen meiner Kommentare titelte, ist mittlerweile zur „Modefarbe“
deutscher Kriegs-Unterstützungs-Politik geworden.
Doppelstandards westlicher Sanktionen
In „guter deutscher Tradition“ und Dreistigkeit warf AA Baerbock Putin
vor, „Hunger als Waffe“ einzusetzen, während sie strenge Sanktionen
gegen Länder wie aktuell Niger befürwortet und damit genau das
unterstützt, nämlich Hunger als Waffe zu benutzen. Diese Doppelstandards
westlicher Sanktionen und Bestrafungen gegen ärmste Länder hat
ebenfalls Tradition – alles, um weiteren Einfluss zu verlieren und Gier
nach fehlenden Rohstoffen zu befriedigen. Während also Putsche, die
nicht unter eigener westlicher Regie stattfanden, geahndet werden
sollen, wenn möglich auch durch Kriege, werden „Westliche-Werte“-Putsche
zu demokratischen Willensäußerungen „hochgeschönt“.
Hat AA Baerbock eigentlich eines der schlimmsten deutschen
Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs – die Leningrader Blockade
zwischen September 1942 und Januar 1944 – vergessen? Hitler persönlich
hatte diese Blockade angeordnet, die Leningrad fast zweieinhalb Jahre
blockierte. In dieser Zeit starben und verhungerten über eine Million
Menschen in Leningrad. Hitler und sein Oberkommando der Wehrmacht
beschlossen: Leningrad wird nicht erobert, sondern nur eingeschlossen
und ausgehungert. So war sein Kalkül, 2,5 Millionen Russen nicht
ernähren zu müssen und stattdessen ausgehungert zu eliminieren und die
Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Das war ein Genozid – offiziell so
eingestuft – und der von Putins Familie erlebt und erlitten wurde und
ihn für sein Leben geprägt hat.
Wenn also AA Baerbock leichtfertig und völlig einseitig von
Kriegsverbrechen und Genoziden spricht, aber z.B. ukrainische Morde an
Russen im Donbass unerwähnt lässt. Sieht also die deutsche
„Werte“-Außenpolitik so aus, Waffenlieferungen und gute Beziehungen zu
fragwürdigen Diktaturen und Faschisten zu fördern, dann ist das rot-grün
verlogen, dass es mir die Scham- und Wut-Röte ins Gesicht treibt.
Hass gegen Russland
Hatten wir nicht gerade den 1. September – den Anti-Kriegstag? In
Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall der
deutschen Wehrmacht auf Polen? Erlebten wir an diesem Tag ein
offizielles Gedenken von den Spitzen des Staates – Bundespräsident und
Bundeskanzler? Scholz besuchte lieber das DLR und ESA und stand neben
Astronauten in der Raumstation. Während Steinmeier in Paris weilte und
mit Macron dinierte.
Umso politisch skrupelloser erscheint es mir, wenn nur 84 Jahre nach dem
so genannten Unternehmen Barbarossa – einem Raub- und Vernichtungskrieg
gegen die UDSSR, der erst mit der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945
und etwa 27 Millionen sowjetischen Kriegstoten endete – erneut
Sanktionspakete und medialer und politischer Hass gegen Russland
geschürt wird. Ein Konflikt der durch einen Putsch im Jahr 2014 begann
und erneut mit den „ideologischen Nachfahren der deutschen Nazis“
(Patrick-Lawrence) fortgeführt wird.
Schon einmal arbeiteten deutsche Faschisten mit ukrainischen
Nationalisten (OUN) zusammen, die tatkräftig den Deutschen Faschisten
bei der Ermordung vieler Tausend Juden halfen. Vergessen wir niemals,
dass von den insgesamt 6 Millionen im Holocaust ermordeter Juden 1,5
Millionen Juden aus der Ukraine kamen. Umso unverständlicher erscheint
es mir, dass es Juden gibt, die die Ukraine unterstützen und die
Befreier von Auschwitz, Rotarmisten und Russen bekämpfen.
Gemeinsame Sache mit Nazikollaborateuren und Massenmördern
Während seit dem Putsch 2014 Nazikollaborateure und Massenmörder wie
Bandera, sowie Nazi-Asow-Bataillone wieder Straßen und Denkmäler
bekommen, soll Russlands Kultur und alles Russische in der Ukraine
vernichtet werden. Ja, es macht mich fassungslos, mit welcher
politischen Skrupellosigkeit über alles „Nazi-verdächtige“
hinweggegangen wird und wir diese Ukraine unterstützen, diesen korrupten
Nazi-Staat, in dem mitnichten „unsere Freiheit verteidigt wird“. (1)
Wir brauchen wieder eine unideologische Außenpolitik, die wieder zu
einem guten und nachbarschaftlichen Verhältnis mit Russland führt –
nicht als US-Vasall und Anhängsel einer Macht und Hegemoniepolitik, die
uns Verarmung und endgültigen Verlust aller Selbstbestimmung bringt.
Fassungslos macht mich eine Ampelpolitik, die dank ihres Dilettantismus
und Doktrinität eine AfD fördert, die nichts außer Kritik, aber keine
Lösungen anbietet. Mit völkischem Denken ist weder Deutschland noch
Russland gedient. Das hat uns schon einmal ins Elend geführt.
Wenn allerdings diese Ampel inklusive der Union weiter auf diese
„Zeitenwende“ mit Ukraine-Unterstützung, Russlandhass und
Wirtschaftsdesaster abfährt, dann sehe ich tatsächlich eine düstere
Zukunft für uns alle voraus.
Wahlkampf in Bayern mit „Geschmäckle“
Auch brauchen wir einen anderen Umgang mit Politikern wie Hubert
Aiwanger, der mit einem antisemitischen Flugblatt in der Tasche vor 36
Jahren, einem Mann, der – wie es scheint – seinen Bruder benutzt, der
auch eilfertig half, sich als Schreiber ausgab, obwohl er nie laut
Aussagen dem Gedankengut dieses ekelhaften Flugblatts, im Gegensatz zu
Bruder Hubert nahe stand, aber schließlich bleibt es in der Familie. Die
Wahrheit wird man leider nie erfahren mit dieser Art der
„Erinnerungskultur“ (2)
Ekelhaft wie Hubert Aiwanger sich selbst als unschuldig und Opfer zu
stilisieren und zu inszenieren versucht. Er, der weder Reue zeigt, kann
unter seinen Bierzelt-Anhängern Honig saugen und sich als Popstar feiern
lassen, aber er ist untragbar für eine politische Arbeit. (3) Warum
zeigt er nicht den Anstand zurückzutreten. Weil er skrupellos politisch
handelt und mit „Nicht Erinnerung“ versucht durchzukommen, nach Vorbild
von deutschen „Blackout“-Kanzlern und -Politikern, die es mit der
Wahrheit nicht so genau nahmen. Schließlich weiß er einen
CSU-Koalitionspartner hinter sich, der ihn nicht entlässt. (4)
Ja, es ist Wahlkampf in Bayern. Und den grün-roten Kontrahenten kommt
dieses schmierigste aller Flugblätter gerade gelegen, kam es doch zur
rechten Zeit. Alles hat ein „Geschmäckle“ – was allerdings Aiwanger ganz
und gar nicht von Schuld oder Reue befreit. Aiwanger ist der
Oberpopulist einer populistischen Einmannpartei. Man sollte ihm nicht
noch medial begleitete Auftritte in KZ-Gedenkstätten oder bei jüdischen
Funktionären geben. Im Deutschland der Opportunisten sind wir 2023 von
Aufrichtigkeit weiter entfernt denn je zuvor. Es ist ein Land, in dem
die politische Skrupellosigkeit regiert.
Evelyn Hecht-Galinski ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes
Fußnoten:
(1) https://www.jungewelt.de/artikel/443425.wir-werden-nicht-vergessen.html
(2) https://www.sueddeutsche.de/bayern/aiwanger-soeder-fragenkatalog-antworten-dokumentation-1.6190239
(3) https://www.t-online.de/region/muenchen/id_100236512/hubert-aiwanger-triumph-und-das-ekelhafte-butterbrotpapier-.html
(4) https://www.sueddeutsche.de/politik/luegner-und-wahrheitsverdreher-bis-sich-die-balken-biegen-1.278093
Auch veröffentlicht in der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ), Ausgabe 818
vom 06.09.2023 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28763
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