“Den Kampf gegen den Imperialismus können wir nur vereint mit den unterdrückten Völkern der Welt führen”
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 27. SEPTEMBER 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Vom 6. – 8. Oktober findet in Berlin der zweite Kommunismus-Kongress der
Kommunistischen Organisation (KO) statt. Die LZ hat dazu Anna von der
KO befragt.
Ihr bereitet aktuell den zweiten Kommunismus-Kongress vor, der dieses
Jahr unter dem Titel „Antiimperialismus! Klassenkämpfe und nationale
Befreiung heute“ steht. Worum wird es dabei gehen und was ist der
aktuelle Bezug?
Wir befinden uns in einer Situation, in der der Deutsche Imperialismus,
gemeinsam mit den anderen NATO Imperialisten, Krieg gegen Russland
führt. Doch eine wirkliche Gegenbewegung dazu bleibt hierzulande aus.
Gewerkschaften und linke Kräfte sind gut integriert in den Kriegskurs
der Regierung. In der Friedensbewegung und leider auch bei großen Teilen
der Kommunistischen Kräfte machen sich äquidistante Positionen breit,
wodurch diese Kräfte defacto ins NATO Lager übergewandert sind. Durch
das Hervorheben einer vermeintlich imperialistischen Politik Russlands
und des Kampfes gegen Russland wird die Rolle der NATO im Krieg
kleingeredet und der Kampf gegen den Deutschen Imperialismus
abgeschwächt. Zwar gibt es Widerspruch in der Bevölkerung gegen die
Kriegsführung, doch der ist unorganisiert und die Lücke, die
kommunistische Kräfte lassen, wird beispielsweise von rechten Kräften
gefüllt, denen es eigentlich nur um einen Aufstieg des Deutschen
Imperialismus geht.
Gleichzeitig erleben wir außerhalb der imperialistischen Zentren viel
Bewegung. Dass Russland sich der NATO in der Ukraine entgegenstellte,
scheint Gegenbewegungen zur G7 Dominanz zu verstärken – wie erst vor
kurzem der BRICS Gipfel zeigte. Auch antiimperialistische Kämpfe in der
Welt nehmen zu: Z.B. in Westafrika, wo immer mehr korrupte,
pro-westliche Regierungen gestürzt werden und Widerstand gegen den
fortlaufenden Neokolonialismus Form annimmt. Auch in Palästina
organisiert sich der Widerstand gegen das siedlerkoloniale
Apartheidsregime wieder zunehmend stärker – die dritte Intifada ist in
vollem Gang. Wenn die Kämpfe in den unterdrückten Ländern zunehmen, dann
wird sich die Situation hier weiter zuspitzen. Schließlich profitieren
die imperialistischen Staaten von den Extraprofiten aus der Ausbeutung
der unterdrückten Länder. Mit diesen Extraprofiten wird auch die
Arbeiterklasse hierzulande bestochen. Wenn das nicht mehr so stark
möglich ist, wird das auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragen. Die
soziale Situation wird sich verschärfen und die Schuld wird auf andere
Länder geschoben. Rassistische Hetze wird zunehmen, um die Zustimmung
der deutschen Bevölkerung zum Kriegskurs hochzuhalten. Doch den Kampf
gegen den Imperialismus können wir nur vereint mit den unterdrückten
Völkern der Welt führen. Es ist also zentral, über die Kämpfe dieser
Völker Bescheid zu wissen, sie einordnen zu können und sie mit dem Kampf
hier zu verbinden. Auch brauchen wir ein besseres Verständnis davon,
wie antiimperialistische Kämpfe mit dem Kampf um Sozialismus verbunden
werden können. Darum wird es auf dem Kongress gehen.
Kannst du ein paar Beispiele nennen, welche Themen ihr in eurem Programm
angehen wollt und welche Referenten ihr eingeladen habt?
Das Programm hangelt sich an drei Hauptpodien entlang: Von der
Veränderung der Weltordnung, zur Internationalen Strategie der
Arbeiterklasse, zur Situation und Kampfperspektive in Deutschland. Von
Fragen darüber, inwiefern die USA wirklich absteigen, wie es um ihre
Herrschaftsinstrumente steht und wie Kräfte wie die BRICS einzuschätzen
sind, kommen wir zu den Fragen, wie die antiimperialistischen Kämpfe in
der Welt miteinander verbunden werden können und was die Aufgabe der
Kommunisten darin ist. Schließlich richten wir den Blick nach
Deutschland, fragen uns, was die Zeitenwende konkret bedeutet und wie
wir uns aufstellen können, um dieser zu begegnen. Dabei sollen brenzlige
Fragen, wie die nach möglichen Bündnispartnern, diskutiert werden. Für
alle drei Podien konnten wir Experten gewinnen. Auf Podium 1 wird neben
den erfahrenen Journalisten Arnold Schölzel (DKP, Rotfuchs) und Jörg
Kronauer (German Foreign Policy) auch Dimitrios Patelis, Mitglied der
World Antiimperialist Platform (WAP) und marxistischer
Philosophieprofessor aus Griechenland sprechen. Auf Podium zwei haben
wir versucht Vertreter verschiedener internationaler Organisationen mit
Einblick in internationale Kämpfe zusammenzubringen: Renate Koppe (DKP),
Joti Brar (WAP), Pawel Wargan (Progressiv International) und Willi
Langenthaler (Antiimperialistische Koordination) – sie alle haben
langjährige Erfahrung in der internationalen Organisierung. Für Podium 3
konnten wir verschiedene Stimmen aus oder um die Friedensbewegung herum
gewinnen: Klaus Hartmann (Freidenker Verband), Harri Grünberg von
Aufstehen, der für die Gründung einer Wagenknecht Partei wirbt, Rainer
Perschewski (DKP), der langjähriger Gewerkschafter ist und Susann
Witt-Stahl, die den Übergang der Linken ins pro-imperialistische Lager
schon lange dokumentiert.
Schon allein mit den Podien können wir uns also auf sehr spannende
Diskussionen freuen, aber auch drum herum hat der Kongress viel zu
bieten. Besonders freuen wir uns über unsere internationalen Gäste,
beispielsweise Alexey Albu von Borotba, der zur Situation der
Volksrepubliken referieren wird, Tings Chak von Dongsheng News, mit der
wir uns der Frage der nationalen Befreiung in China widmen werden oder
auch Zaid Abdulnasser von Samidoun, mit dem wir über den
palästinensischen Widerstand und die Repression in Deutschland sprechen.
Auch aus Deutschland haben wir spannende Gäste: Andreas Wehr wird zur
Rolle der EU für den deutschen Imperialismus referieren und Hans Bauer
erklärt, was Antiimperialismus in der DDR bedeutete. Damit sind nur
einige Beispiele aus dem umfangreichen Programm genannt, wer sich selbst
ein Bild machen will, findet das Programm auf unserer Website.
Wie unterscheidet sich der anstehende Kongress vom ersten, der sich ja auch zum Schwerpunkt Imperialismus war?
Wir schließen an die Diskussionen im Vorjahr an. Aus der Frage, wie der
Ukrainekrieg zu beurteilen ist, haben sich viele weitere Fragen ergeben.
Wir weiten unseren Blick bezüglich der Weltordnung und der Einschätzung
bestimmter Kämpfe mit dem klaren roten Faden des Antiimperialismus. So
diskutierten wir beispielsweise schon letztes Jahr um die Situation der
Volksrepubliken im Donbass, wollen die Diskussion aber nun vertiefen.
Auch sind viel mehr internationale Vertreter aus verschiedenen
internationalen Kämpfen als letztes Jahr anwesend. Gewissermaßen hat
sich jedoch der Fokus der Diskussion verschoben. Im letzten Jahr fand
der Kongress unter den Umständen tiefgreifender Auseinandersetzungen in
unserer Organisation statt, was produktive Diskussionen teils
erschwerte. Wir sind im letzten Jahr und auch mit der Planung dieses
Kongresses tiefer in die Fragen eingestiegen, inwiefern man überhaupt
von Multipolarität sprechen kann, wie genau sich die imperialistische
Konkurrenz ausdrückt und auch welche Kämpfe international überhaupt
stattfinden. Gleichzeitig wurde im letzten Jahr die Spaltung in der
internationalen Kommunistischen Bewegung immer deutlicher. Statt
wissenschaftlich begründeter, öffentlicher Diskussion, kam es vermehrt
zu Beschimpfungen und Etikettierungen als “Revisionisten”. Besonders
die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), um die sich der
sogenannten „Revolutionäre Pol“ formiert, nimmt dabei eine negative
Rolle ein, wie zuletzt ihre Auflösung der Europäischen Initiative der
kommunistischen und Arbeiterparteien zeigte. Auch wenn wir die
äquidistanten Positionen dieser Parteien ablehnen, wollen wir weiterhin
mit ihnen diskutieren und haben sie auch explizit zu unserem Kongress
eingeladen. Jedoch mussten wir feststellen, dass die
Diskussionsbereitschaft innerhalb dieses Teils der Kommunistischen
Bewegung sehr gering ist, wenn wir überhaupt Antworten bekamen, waren
sie ablehnend. So konnten wir keine Vertreter dieser Parteien für
Vorträge oder Podien gewinnen. Dadurch werden bestimmte Diskussionen von
Seiten der Referenten weniger präsent sein. Doch wir wollen weiterhin
eine offene und konstruktive Diskussion in der auch große Kontroversen
angepackt werden müssen.
Was erhofft ihr euch bzw. was ist das Ziel des Kongresses? Und an wen richtet er sich?
Uns geht es um die Entwicklung einer Kampfperspektive. Kampf und Klärung
gehört für uns zusammen. Wir führen die Diskussionen nicht um der
Diskussion willen, sondern weil wir es für notwendig halten, dass sowohl
die kommunistische als auch antiimperialistische, linke und
Friedensbewegung zusammenkommt und ihre Perspektive schärft. Einerseits
soll der Kongress den Raum für internationale Vernetzung geben, wir
wollen mehr über konkrete Kämpfe in anderen Ländern lernen. Andererseits
soll er scharfe Diskussionen ermöglichen, an dessen Ende wir
hoffentlich klarer sind, an welchen Fragen wir weiterarbeiten müssen und
das bestenfalls auch gemeinsam mit anderen Kräften tun können. Auch
unsere Kampflosungen hoffen wir dadurch schärfen zu können. Dazu laden
wir alle fortschrittlichen Kräfte, sowie alle, die sich für diese Themen
interessieren und Austausch suchen, lernen wollen oder beides, ein.
Diskussionen in der Kommunistischen Bewegung dürfen nicht hinter
verschlossenen Türen geführt werden.
Kannst du abschließend nochmal erklären, wer die KO eigentlich ist und
welchen Stellenwert der Kommunismus-Kongress für euch hat?
Als KO haben wir uns 2018 gegründet, mit der dem Anspruch, die
Zersplitterung der Kommunistischen Bewegung durch Klärung der zentralen
Fragen zu Strategie und Taktik, Imperialismus, Arbeiterbewegung etc. zu
überwinden und damit der Gründung einer revolutionären Kommunistischen
Partei näher zu kommen. Dabei haben wir erlebt, dass auch wir
selbstverständlich Teil der Krise der Kommunistischen Bewegung sind: In
den letzten Jahren deutete sich ein Dissens innerhalb unserer
Organisation zur Imperialismusfrage an, u.a. in Auseinandersetzungen zur
Einschätzung des Abzugs der westlichen Truppen aus Afghanistan oder der
Situation in Kasachstan Anfang 2022. Er manifestierte sich schließlich
mit der Militärintervention Russlands in der Ukraine. Während wir eine
Klärung dazu forcierten, versuchte ein anderer Teil der Organisation mit
unlauteren Mitteln ihre Position eines zwischenimperialistischen
Krieges zwischen Russland und dem Westen durchzusetzen. Dabei wich diese
Fraktion auch immer stärker von unserer Aktionsorientierung gegen den
Deutschen Imperialismus ab und es kam schließlich zur Spaltung und zur
Existenz von zwei KOs. Deshalb ist es wichtig auf unsere korrekte
Website hinzuweisen: Kommunistische-organisation.de
Für uns ist weiterhin klar: Wir müssen gegen den Deutschen Imperialismus
kämpfen, nicht gegen Russland. Dazu haben wir viele Aktionen auf die
Straße getragen, z.B. zu den Brüdern Kononovich, in Solidarität mit den
Völkern Westafrikas und gegen den Deutschen Kriegskurs. Dazu haben wir
eine klare Orientierung gegen die NATO. Aber wir sehen weiterhin viele
offene Fragen und Probleme in der Kommunistischen Bewegung, an denen wir
arbeiten wollen. Wir nehmen auch die Klärung ernst: Die durch die
Spaltung verzögerte Arbeit der Klärung zu Fragen zum Ukraine Krieg, die
die andere KO so nicht mehr durchführen wollte, haben wir fortgesetzt.
Dazu haben wir in thematischen Arbeitsgruppen an Fragen zu Deutschen
Kriegszielen, der US Strategie, dem Charakter Russlands und vielem mehr
gearbeitet. Teile der Ergebnisse werden wir auf dem Kommunismus Kongress
vorstellen, um sie einer kritischen Diskussion zu unterziehen. Der
Kongress insgesamt ist für uns ein zentraler Ankerpunkt der Klärung,
also auch unserer Arbeit insgesamt. Wir hoffen auf eine breite
Beteiligung und scharfe Diskussionen, um mit gestärkter und klarerer
Kampfperspektive aus dem Kongress herauszugehen. Es werden sich weitere
Themen abzeichnen, an denen die Diskussion fortgesetzt werden muss,
insofern orientiert der Kommunismus Kongress auch unsere weitere Arbeit.
https://kommunistische-organisation.de
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