Welche Rolle spielt Deutschland heute in der Welt? Und warum stagniert die gesellschaftliche Entwicklung?
Erstellt am 28. März 2023 von sascha313
Die Erde dreht sich weiter und Weltanschaungen verändern sich.
Alles ist in der Entwicklung begriffen. Wenden wir uns zunächst dem
zweiten Teil der Fragestellung zu: Warum stagniert gegenwärtig die
gesellschaftliche Entwicklung? Dies ist sozusagen der „gordische
Knoten“, den es zu lösen gilt, um uns – und damit die Produktivkräfte –
aus den Fesseln der kapitalistischen Gesellschaftsformation zu befreien
und eine neue, fortschrittlichere Gesellschaftsordnung zu errichten. Daß
diese Problematik unzweifelhaft mit der Beantwortung der Grundfrage der
Philosophie in Verbindung steht, zeigt sich schon daran, daß
bürgerliche Ideologen nichts Wichtigeres im Sinn haben, als jeglichen
Versuch einer Gesellschaftskritik oder gar den Gedanken einer
revolutionären Veränderung zur Abschaffung des Kapitalismus im Keim zu
ersticken. Dieser Dogmatismus im Denken ist vergleichbar mit der
Starrheit des ptolomäischen Weltbilds, wobei erst deren Überwindung
neuen Erkenntnissen zum Durchbruch verhalf.
Damit war für den Bereich der Mechanik erwiesen: 1. Es gibt objektive
Gesetze, 2. die Einheit der Welt besteht in ihrer Materialität und 3.
die aus der Naturnotwendigkeit selbst hervorgehenden Formen sind vom
Willen, von Politik usw. unabhängig. Es sind materielle Gesetze. Und nun
zur erstgenannten Frage: Welche Rolle spielt Deutschland in der Welt?
Das deutsche Dogma
Ein Beitrag von Arminius
1. Wir haben keine revolutionäre Situation…
Wie jeder andere westliche Rentnerstaat, so ist heute auch Deutschland
“mit einer Revolution” schwanger. Genauso wenig wie vor 110 und 90
Jahren wird auch heute keine noch so machtvolle Bewegung den nächsten
Krieg verhindern. Genauso wie vor 105 und 78 Jahren wird auch der
kommende Krieg in einer gesamtnationalen, d.h. revolutionären Krise
münden. Genauso wie zu Zeiten unserer Groß- und Urgroßväter mangelt es
an einer alle revolutionären Elemente im Volk organisierenden Einheit.
Genauso wenig wie wir eine revolutionäre Organisation haben, haben wir
eine revolutionäre Theorie praktikable Handlungsanweisung für eine
Revolution d.h.[N.G.]: Es gibt kein revolutionäres Programm, keine
revolutionäre Strategie! Und genau damit müßte erstmal angefangen
werden.
2. Wir haben eine träge und desinformierte Klasse von Lohnarbeitern…
Die Verklärung und Adressierung von 70-90% der Bevölkerung als
unterschiedslose Arbeiterklasse, wie es die meisten “ML” Organisationen
betreiben, führt, erkennbar seit 50 Jahren, ins Off. Wahllose
Verbalattacken gegen “den Kapitalismus” werden von den ostensiblen
Adressaten zurecht als leer-abstrakte, bestenfalls anachronistische,
schlimmstenfalls akademische Pose wahrgenommen, hinter welcher sich im
letzteren Fall tatsächlich Liebedienerei und virtue signalling mit dem
Ziel, Anklang bei und Zutritt zu bestimmten Teilen der urbanen, den
Globalisten hörigen, angestellten und verbeamteten Mittelschichten zu
finden.
3. Wir leben in einer verworrenen und komplizierten Welt…
Tatsächlich leben wir im finanzialisierten Stamokap und zwar in einer
ganz besonderen, ganz konkreten Phase seiner allgemeinen Krise und haben
es außerdem mit einer ganz konkreten, hoch strukturierten
Arbeiterklasse zu tun, deren zahlenmäßig grösste Teil zum einen
zweifellos der Arbeiteraristokratie und in anderer Hinsicht (einem
anderen Querschnitt, einer anderen Dimension oder Sphäre) den
Dienstleistungen zuzurechnen ist. So aufgeschrieben sind das natürlich
tote Kategorien. Hinsichtlich ökonomischer Funktion, Alltagsbewusstsein,
politischem Aktivitätspotenzial muss man in jedem Einzelfall nochmals
ganz genau hingucken.
4. Wir vermissen die revolutionäre, kommunistische Führung…
Und da dies zähe theoretische Arbeit, d.h. ernsthaftestes Studium wie
auch hartnäckige und flexible praktische Arbeit, ganz nah am Volk, vor
allem an den “echten” Arbeitern (in Deutschland sind das eher 4 als 40
Millionen) erfordert, mehr aufmerksames Lernen und Zuhören als
Demonstrieren und Konferieren verlangt, macht es natürlich niemand.
Vielmehr halten unsere Kommunisten Konferenzen und Demonstrationen nach
wie vor für DIE Kampfformen anstatt bereits auf dieser sehr nahe
liegenden Ebene auch nur einmal ernsthaft auszuwerten, wie effektiv
diese Formen bisher über die letzten 30, bzw. über 50 Jahre tatsächlich
gewesen sind. An dieser Stelle werde ich unweigerlich an Einsteins
Definition des Wahnsinns erinnert.
5. Individuelle Interessen blockieren die gesellschaftliche Notwendigkeit
Ferner haben wir in Deutschland gewaltige Mittelschichten, “alte”
selbstständige und “neue” beamtete und angestellte. Die Beziehungen
innerhalb der einzelnen Sektoren sowie zu den unterschiedlichen
Schichten sowohl der Arbeiterklasse als auch der
finanzkapitalistisch-staatlichen Komplexe (zu denen zumindest die
Theorie bis in den 80er viel weiter war – heute fällt das “aus gutem
Grund” weitgehend aus der Betrachtung, sind die meisten “Linken”, wenn
es sich bei ihnen nicht um Arbeiterbürokraten handelt, doch in allen
unteren Hierarchieebenen der staatl.-sozialen, medizinischen,
naturwissenschaftlich-technischen, ideologischen etc. Komplexe
beschäftigt; der MIK, die Finanz- und Industriekomplexe sind
selbstredend gar nicht oder zumindest unterrepräsentiert). Darüber
hinaus gibt es zig nationale Minderheiten, jede mit unterschiedlichem
politischen Potenzial.
6. Die gesellschaftliche Entwicklung stagniert!
Man zeige mir eine Organisation, welche diese Umstände professionell,
d.h. mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Konsequenz angemessen auch
nur in der Theorie “bespielt”! Da das offensichtlich niemand tut, hat
sich die Frage nach einer Praxis – nicht irgendeiner Praxis wohlgemerkt!
sondern einer Praxis ausgehend vom revolutionären Standpunkt und mit
einem revolutionären Anspruch – von selbst erledigt.
Zwei Schlußfolgerungen:
1.Was wäre für eine Revolution erforderlich?
Einige Lehren, die jede Revolution bereithält und über die sich keiner
unser Feierabend-Revolutionäre mehr groß Gedanken zu machen scheint, die
jeder vergessen zu haben scheint: Eine Revolution, die
– nicht von der Masse der Soldaten und Polizisten getragen wird, findet nicht statt.
– nicht zuerst die nationale Souveränität zum Ziel hat, wird nicht die Sympathien der Massen erhalten.
– nicht von den Bauern unterstützt wird, wird verhungern.
– nicht den Hauptstoss gegen die einheimische Finanzoligarchie und deren
oberste Lakaien in Staat/Verwaltung, Akademie/Medien, Finanz und
Industrie richtet, wird vielleicht wie eine Revolution aussehen,
tatsächlich aber keine sein.
– sich nicht zuallererst auf Industrie-, Bau- und Transportarbeiter
stützt, wird in diesem Deutschland alles, nur keine proletarische
Revolution sein.
2. Wo müssen wir die Revolutionäre finden?
Die Organisation, die sich theoretisch auf der Höhe der Zeit befindet,
eine Organisation, die die engsten Verbindungen zu allen oppositionellen
Volksschichten (ja, das sind oftmals Nicht- oder AfD-Wähler) vor allem
aber den am kollektivsten arbeitenden, in großen Teilen multinationalen
Kernschichten* der Arbeiterklasse knüpft, eine Organisation die sich
nicht in die dem herrschenden System am loyalsten ergebenen
Volksschichten der Beamten, akademischen Angestellten usw. versenkt, die
nicht den Kontakt zu den Arbeitern über den Arbeiterbürokraten, ergo
den “linken” Gewerkschaftssekretär oder Betriebsrat sucht, sondern unter
den enttäuschten Arbeitern die wütenden, unter den wütenden die fähigen
und unter den fähigen die angesehensten ausfindig macht – diese
Organisation gibt es in Deutschland nicht. Gäbe es sie, so wüßte sie
dann auch den letztgenannten zu helfen eine selbstständige (!)
Arbeiterbewegung in Gang zu bringen, welche zum Kern und zur einzigen
denkbaren Führerin eines echten demokratisch-patriotischen Umschwungs
werden könnte.
* Wenn wir vom Großbetrieb reden, sind das nicht die Vorarbeiter, nicht
die Arbeiter in den indirekten Bereichen, oder überhaupt die besser
gestellten Arbeiter und erst recht nicht die Angestellten, es sind die
Produktions-, Montage- und Logistikarbeiter.
Quelle: Kommentar von „Arminius“ am 18. März 2023 (korrigiert und Zwischenüberschriften eingefügt. Vielen Dank, Arminius! N.G.)
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