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Ostdeutsche brüskiert
Von Egon Krenz
Wird den westlichen Armeen für ihre Kampfübungen fehlen: MiG-Kampfjet aus eigenen Beständen (Radom, Polen, 25.8.2013)
Egon Krenz war vom 17. Oktober bis zum 6. Dezember 1989 Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrats der DDR
Die Aussage von Mathias Döpfner, im Osten gebe es nur »Kommunisten oder
Faschisten« ist leider keine Einzelmeinung in der westdeutsch geprägten
»Elite« der Republik. In derart infamem Klartext oder in subtilerer
Schreibweise vorgetragen, ist die Medienlandschaft noch immer voll
davon. Arrogante Attacken, die die tatsächlichen Lebensleistungen der
Menschen in der DDR ignorieren und der Nation einreden wollen, dass die
systematische Benachteiligung der Ostdeutschen wegen ihrer
vermeintlichen Demokratiefeindlichkeit und kulturellen »Verzwergung«
begründet war und bleibt. Wer so redet, hat die deutsche Einheit bis
heute nicht vollzogen, und die herabgewürdigten Ostdeutschen dürfen sich
fragen, ob sie mit solchen Zeitgenossen vereint sein wollen?
Am selben Tag, als die Äußerung des Springer-Chefs veröffentlicht wurde,
genehmigte die Bundesregierung, dass Polen sowjetische Kampfflugzeuge
aus Beständen der DDR an die Ukraine liefern kann. Das ist in mehrfacher
Hinsicht boshaft: Es ist ein Schlag gegen jene Ostdeutschen, die sich
gegen Waffenlieferungen wehren. Es ist zugleich ein Abgehen der heutigen
Bundesrepublik von der gemeinsamen Formel der DDR und der BRD, dass von
deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Der Beschluss der
Bundesregierung bringt den Krieg näher nach Deutschland, auch wenn sich
die Regierenden das nicht eingestehen wollen. Die Entscheidung zeigt
ferner, dass auf die Zusage des Kanzlers, es werde keine Lieferungen von
Kampfflugzeugen in die Ukraine geben, kein Verlass ist. Es macht keinen
Unterschied, ob das vom Territorium der Bundesrepublik oder über Polen
erfolgt. Sowjetische Militärtechnik aus der DDR an den heutigen
NATO-Staat Polen zu liefern, ist zudem moralisch bedenklich. Es sind
Flugzeuge, die der DDR von ihrem Bündnispartner zu ihrer eigenen
Verteidigung geliefert wurden und jetzt von der NATO gegen den
Nachfolgestaat der UdSSR eingesetzt werden sollen. Das ist eine
Brüskierung jener Ostdeutschen, die sich mit gutem Gewissen an die
Friedenspolitik der DDR erinnern. Ins kollektive Gedächtnis des
russischen Volkes wird es als unfreundlicher Akt der Bundesrepublik
Deutschland eingehen
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