Mittwoch, 26. April 2023

Das Imperium und seine Friedensbewegung - NRhZ

 Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28569

Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44

Das Imperium und seine Friedensbewegung


Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Das Imperium und seine NATO setzen auf Schwächung der Friedensbewegung durch Desorientierung und Spaltung. Das zeigt sich in folgender am 17. März 2023 verschickten Warnung vor dem "Friedensbündnis NRW". Hier ihr Wortlaut: "Zunächst zum 11.2. und nun erneut zum 25.3. ruft ein selbsternanntes 'Friedensbündnis NRW' zu einer Demonstration in Düsseldorf auf. Die dabei erhobenen Forderungen decken sich zum großen Teil mit unseren, doch die Gruppen des Bündnisses sind solche, die sich quer zu den bestehenden Friedensinitiativen in ihren Städten gegründet haben. Sie sind häufig mit der Querdenkerszene verbandelt, wie z.B. 'APO Düsseldorf'. An anderer Stelle sind es Gruppen, die nicht mit den etablierten Friedensgruppen vor Ort zusammen arbeiten, wie z.B. 'Aachener für eine menschliche Zukunft' oder 'Friedensbündnis Mönchengladbach'. In Düsseldorf hat sich nach einem internen Streit jetzt leider auch eine umstrittene Mehrheit des Düsseldorfer Friedensforums dem Kreis angeschlossen. Auch die wegen ihrer Rechtslastigkeit fragwürdige Partei 'Die Basis' und das obskure 'Team Todenhöfer' sind dabei. Wir betrachten diese Entwicklung mit Sorge und lehnen eine Zusammenarbeit ab. Wir fragen, warum diese Kräfte eigene Strukturen aufbauen, anstatt bei den seit Jahren bestehenden Friedensgruppen vor Ort mitzuarbeiten. Die Antwort scheint zu sein, dass sie die Nähe zu Querdenker:innen und noch weiter rechts stehenden Gruppierungen suchen oder zumindest nicht ausschließen. Das stößt natürlich bei den meisten bestehenden Friedensgruppen auf deutliche Ablehnung. Vor diesem Hintergrund kann es aber auch keine Zusammenarbeit mit dem 'Friedensbündnis NRW' geben. Wir sehen in der Bildung dieses 'Friedenbündnisses' die Gefahr, die Friedensbewegung in NRW zu diskreditieren und zu spalten. Dagegen müssen wir uns entschieden zur Wehr setzen!" So schreiben – selber in extremer Weise Spaltung betreibend – Joachim Schramm (Landesgeschäftsführer der DFG/VK NRW) und Felix Oekentorp (Landessprecher der DFG/VK NRW) "an Gruppen und Einzelpersonen der Friedensbewegung in NRW".

Diese "Warnung" erinnert fatal an deren Schreiben vom 13. Dezember 2021, in dem sie – ähnlich wie Reiner Braun vom so genannten "International Peace Bureau" und Ekkehard Lentz vom "Bremer Friedensforum" – vor dem "Neuen Krefelder Appell" warnen. Darin heißt es: "Liebe Freundinnen und Freunde, aktuell wird für die Unterzeichnung eines sogenannten 'Neuen Krefelder Appells' (auch peaceappeal21) geworben. Wir möchten dringend von der Unterzeichnung abraten! In dem Appell wird ein Zusammenhang zwischen der aktuellen Kriegsgefahr und Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie hergestellt und die angebliche 'Strategie des Great Reset, des Forums der Superreichen, das sich Weltwirtschaftsforum nennt, mit dem der Kapitalismus über einen gezielten Zusammenbruch und einen Neustart auf eine noch perversere Stufe gehoben werden soll' an die Wand gemalt. Die reale Kriegsgefahr wird verbunden mit der Verschwörungstheorie aus der Querdenkerszene. Zu den Erstunterzeichner:innen gehören einige Friedenskräfte, die schon in der Vergangenheit mit abstrusen Positionen aufgefallen sind wie die Hauptakteure der ehemals linken Arbeiterfotografie Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann aus Köln, Ansgar Klein aus Würselen aber auch prominente Repräsentanten der Querdenkerszene wie deren Stuttgarter Initiator Michael Ballweg. Hinzu kommen auch Menschen aus der Mahnwachenszene wie Daniele Ganser oder der Musiker Wojna (Die Bandbreite). Leider sind auch einige angesehene Namen aus der Friedensszene dabei wie Prof. Dr. Norman Paech oder Eugen Drewermann. Offenbar soll hier ein Schulterschluss zwischen Friedensbewegung und Querdenkerbewegung vollzogen werden. Diese Versuche stellen eine deutliche Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Friedensbewegung dar. Daher raten wir von der Unterzeichnung des Appells eindringlich ab!"

Es ist also offensichtlich. Es geht den vom Imperium gesteuerten Teilen der Friedensbewegung um die Verhinderung eines breiten, kraftvollen Bündnisses. Die Machenschaften des großen Kapitals, wie sie sich insbesondere in der Corona-Operation und im NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland zeigen, sollen auf keinen nennenswerten Widerstand stoßen. Joachim Schramm (Landesgeschäftsführer der DFG/VK NRW) brachte es doch Anfang 2020 tatsächlich fertig zu sagen, die Proteste gegen das US-Manöver Defender Europe sollten sich nicht gegen die USA richten.

Helene und Ansgar Klein von der Initiative "Aachener für eine menschliche Zukunft" schreiben an die beiden DFG/VK-Funktionäre – insbesondere zum Vorwurf, sie wollten "nicht mit den etablierten Friedensgruppen vor Ort zusammen arbeiten": "Dass Ihr einfach den 'Spieß umdreht' und Ursache und Wirkung vertauscht, ist ungeheuerlich! Nicht wir, die 'Aachener für eine menschliche Zukunft' haben die Spaltung herbeigeführt, sondern die so genannten 'etablierten Friedensgruppen vor Ort', nämlich DFG-VK, VVN-BdA, pax christi und IPPNW, jeweils Aachen, haben uns sozusagen auf Lebenszeit ausgeschlossen, wie hieraus hervorgeht: 'Als friedensbewegte Organisationen in Aachen distanzieren wir uns daher eindeutig von den Demonstrationen der so genannten Querdenkerbewegung. Wir werden weder heute noch künftig mit Menschen dieser Bewegung zusammen arbeiten und wehren uns gegen eine evtl. Beteiligung aus diesen Reihen bei unseren Veranstaltungen oder Aktionen.' ... Diese 'Distanzierung' ist bis heute nicht zurückgenommen worden, obwohl wir... immer wieder die Zusammenarbeit gesucht haben."

Lackmustest "völkerrechtswidriger Angriffskrieg"

Welche Kräfte innerhalb der Friedensbewegung jeweils den Ton angeben, zeigt sich auch in so manchem Ostermarsch-Aufruf. Sie sind wie viele andere Aufrufe und Erklärungen eine Art Lackmustest. Wenn sie die Formulierung vom "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands" enthalten, wird damit Zeugnis abgelegt, dass die NATO ihre Hände im Spiel hatte. So heißt es – das NATO-Narrativ bedienend – im Ostermarsch-Aufruf Rhein-Ruhr 2023, bei dem die DFG/VK NRW eine führende Rolle spielt: "Hunderttausende Menschen bezahlten bisher den immer noch andauernden völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine mit dem Leben oder wurden verwundet." Gleichlautend ist diese Formulierung beim Ostermarsch der traditionellen Friedensbewegung in München zu finden. Ähnlich steht es im Aufruf zum Ostermarsch Baden-Württemberg in Stuttgart: "Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab und verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der seit dem 24. Februar 2022 zu unzähligen Toten und Verletzten sowie zu Millionen Geflüchteten geführt hat."

In keinem dieser Aufrufe werden die Forderungen nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags und Austritt aus NATO erhoben. Fee Strieffler und Wolfgang Jung, langjährige Herausgeber der LUFTPOST, mahnen eindringlich: "Jetzt wäre es wirklich an der Zeit, sich in der Friedensbewegung auf EINE Forderung zu konzentrieren: NATO raus – raus aus der NATO! Truppenstationierungsvertrag kündigen (Kündigungsfrist 2 Jahre), ein Jahr später Austritt aus der NATO erklären (Kündigungsfrist 1 Jahr). Jeder (!!!) Vertragspartei steht das Recht zu, diese Verträge zu kündigen – auch der Bundesrepublik Deutschland." Es komme auf die Kombination der beiden Forderungen an, denn wenn nur der Austritt aus der NATO erfolge, blieben "die US-Truppen dann immer noch im Land…, denn der Truppenstationierungsvertrag wäre dann ja immer noch in Kraft."

Die transatlantischen Kräfte können das Entstehen einer unabhängigen Friedensbewegung allerdings nicht verhindern – auch zu Ostern 2023 nicht. Im Aufruf des aus der Grundrechte- und Demokratie-Bewegung hervorgegangenen Münchener Bündnisses "Macht Frieden" heißt es zum Beispiel: "Wir protestieren mit einem zentralen Ostermarsch der Friedens- und Grundrechtebewegung gegen deutsche Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, gegen den suizidalen deutsch-russischen Wirtschaftskrieg und gegen die einseitige Parteinahme der deutschen Bundesregierung für die Interessen der NATO... Wir ergänzen die bundesweit stattfindenden dezentralen Ostermärsche lokaler Friedensgruppen mit einem großen Ostermarsch... Leider haben teilweise deutsche Regierungsparteien lokale Ostermarschgruppen für transatlantische Interessen gekapert und ihre Forderungen, Reden und Protestaktionen entsprechend weichgespült. Da machen wir nicht mit." Doch die von NATO-Kräften in der Friedensbewegung betriebene Ausgrenzung und Spaltung, wie sie sich in München als auch im Auftreten der DFG/VK in NRW zeigt, geht nach hinten los. Schon bei den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz wurden die Kräfteverhältnisse deutlich. Während die traditionelle Friedensbewegung weniger als 3000 Demonstranten auf die Straße brachte, waren es beim Protest von "Macht Frieden!" mehr als 20.000.

Die besonders wirkmächtige Forderung nach Neutralität durch Austritt aus der NATO und Verbannung von US- und NATO-Militäreinrichtungen, wie sie mit den Slogans "NATO raus – raus aus der NATO" oder "Europa NATO-frei!" auf den Punkt gebracht wird, steht allerdings auch hier noch nicht in einem Maße auf der Tagesordnung, wie es angemessen wäre.


Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44 (März 2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.


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