Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28569
Aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44
Das Imperium und seine Friedensbewegung
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Das Imperium und seine NATO setzen auf Schwächung der Friedensbewegung
durch Desorientierung und Spaltung. Das zeigt sich in folgender am 17.
März 2023 verschickten Warnung vor dem "Friedensbündnis NRW". Hier ihr
Wortlaut: "Zunächst zum 11.2. und nun erneut zum 25.3. ruft ein
selbsternanntes 'Friedensbündnis NRW' zu einer Demonstration in
Düsseldorf auf. Die dabei erhobenen Forderungen decken sich zum großen
Teil mit unseren, doch die Gruppen des Bündnisses sind solche, die sich
quer zu den bestehenden Friedensinitiativen in ihren Städten gegründet
haben. Sie sind häufig mit der Querdenkerszene verbandelt, wie z.B. 'APO
Düsseldorf'. An anderer Stelle sind es Gruppen, die nicht mit den
etablierten Friedensgruppen vor Ort zusammen arbeiten, wie z.B.
'Aachener für eine menschliche Zukunft' oder 'Friedensbündnis
Mönchengladbach'. In Düsseldorf hat sich nach einem internen Streit
jetzt leider auch eine umstrittene Mehrheit des Düsseldorfer
Friedensforums dem Kreis angeschlossen. Auch die wegen ihrer
Rechtslastigkeit fragwürdige Partei 'Die Basis' und das obskure 'Team
Todenhöfer' sind dabei. Wir betrachten diese Entwicklung mit Sorge und
lehnen eine Zusammenarbeit ab. Wir fragen, warum diese Kräfte eigene
Strukturen aufbauen, anstatt bei den seit Jahren bestehenden
Friedensgruppen vor Ort mitzuarbeiten. Die Antwort scheint zu sein, dass
sie die Nähe zu Querdenker:innen und noch weiter rechts stehenden
Gruppierungen suchen oder zumindest nicht ausschließen. Das stößt
natürlich bei den meisten bestehenden Friedensgruppen auf deutliche
Ablehnung. Vor diesem Hintergrund kann es aber auch keine Zusammenarbeit
mit dem 'Friedensbündnis NRW' geben. Wir sehen in der Bildung dieses
'Friedenbündnisses' die Gefahr, die Friedensbewegung in NRW zu
diskreditieren und zu spalten. Dagegen müssen wir uns entschieden zur
Wehr setzen!" So schreiben – selber in extremer Weise Spaltung
betreibend – Joachim Schramm (Landesgeschäftsführer der DFG/VK NRW) und
Felix Oekentorp (Landessprecher der DFG/VK NRW) "an Gruppen und
Einzelpersonen der Friedensbewegung in NRW".
Diese "Warnung" erinnert fatal an deren Schreiben vom 13. Dezember 2021,
in dem sie – ähnlich wie Reiner Braun vom so genannten "International
Peace Bureau" und Ekkehard Lentz vom "Bremer Friedensforum" – vor dem
"Neuen Krefelder Appell" warnen. Darin heißt es: "Liebe Freundinnen und
Freunde, aktuell wird für die Unterzeichnung eines sogenannten 'Neuen
Krefelder Appells' (auch peaceappeal21) geworben. Wir möchten dringend
von der Unterzeichnung abraten! In dem Appell wird ein Zusammenhang
zwischen der aktuellen Kriegsgefahr und Maßnahmen gegen die
Corona-Pandemie hergestellt und die angebliche 'Strategie des Great
Reset, des Forums der Superreichen, das sich Weltwirtschaftsforum nennt,
mit dem der Kapitalismus über einen gezielten Zusammenbruch und einen
Neustart auf eine noch perversere Stufe gehoben werden soll' an die Wand
gemalt. Die reale Kriegsgefahr wird verbunden mit der
Verschwörungstheorie aus der Querdenkerszene. Zu den
Erstunterzeichner:innen gehören einige Friedenskräfte, die schon in der
Vergangenheit mit abstrusen Positionen aufgefallen sind wie die
Hauptakteure der ehemals linken Arbeiterfotografie Anneliese Fikentscher
und Andreas Neumann aus Köln, Ansgar Klein aus Würselen aber auch
prominente Repräsentanten der Querdenkerszene wie deren Stuttgarter
Initiator Michael Ballweg. Hinzu kommen auch Menschen aus der
Mahnwachenszene wie Daniele Ganser oder der Musiker Wojna (Die
Bandbreite). Leider sind auch einige angesehene Namen aus der
Friedensszene dabei wie Prof. Dr. Norman Paech oder Eugen Drewermann.
Offenbar soll hier ein Schulterschluss zwischen Friedensbewegung und
Querdenkerbewegung vollzogen werden. Diese Versuche stellen eine
deutliche Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Friedensbewegung dar. Daher
raten wir von der Unterzeichnung des Appells eindringlich ab!"
Es ist also offensichtlich. Es geht den vom Imperium gesteuerten Teilen
der Friedensbewegung um die Verhinderung eines breiten, kraftvollen
Bündnisses. Die Machenschaften des großen Kapitals, wie sie sich
insbesondere in der Corona-Operation und im NATO-Stellvertreterkrieg
gegen Russland zeigen, sollen auf keinen nennenswerten Widerstand
stoßen. Joachim Schramm (Landesgeschäftsführer der DFG/VK NRW) brachte
es doch Anfang 2020 tatsächlich fertig zu sagen, die Proteste gegen das
US-Manöver Defender Europe sollten sich nicht gegen die USA richten.
Helene und Ansgar Klein von der Initiative "Aachener für eine
menschliche Zukunft" schreiben an die beiden DFG/VK-Funktionäre –
insbesondere zum Vorwurf, sie wollten "nicht mit den etablierten
Friedensgruppen vor Ort zusammen arbeiten": "Dass Ihr einfach den 'Spieß
umdreht' und Ursache und Wirkung vertauscht, ist ungeheuerlich! Nicht
wir, die 'Aachener für eine menschliche Zukunft' haben die Spaltung
herbeigeführt, sondern die so genannten 'etablierten Friedensgruppen vor
Ort', nämlich DFG-VK, VVN-BdA, pax christi und IPPNW, jeweils Aachen,
haben uns sozusagen auf Lebenszeit ausgeschlossen, wie hieraus
hervorgeht: 'Als friedensbewegte Organisationen in Aachen distanzieren
wir uns daher eindeutig von den Demonstrationen der so genannten
Querdenkerbewegung. Wir werden weder heute noch künftig mit Menschen
dieser Bewegung zusammen arbeiten und wehren uns gegen eine evtl.
Beteiligung aus diesen Reihen bei unseren Veranstaltungen oder
Aktionen.' ... Diese 'Distanzierung' ist bis heute nicht zurückgenommen
worden, obwohl wir... immer wieder die Zusammenarbeit gesucht haben."
Lackmustest "völkerrechtswidriger Angriffskrieg"
Welche Kräfte innerhalb der Friedensbewegung jeweils den Ton angeben,
zeigt sich auch in so manchem Ostermarsch-Aufruf. Sie sind wie viele
andere Aufrufe und Erklärungen eine Art Lackmustest. Wenn sie die
Formulierung vom "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands"
enthalten, wird damit Zeugnis abgelegt, dass die NATO ihre Hände im
Spiel hatte. So heißt es – das NATO-Narrativ bedienend – im
Ostermarsch-Aufruf Rhein-Ruhr 2023, bei dem die DFG/VK NRW eine führende
Rolle spielt: "Hunderttausende Menschen bezahlten bisher den immer noch
andauernden völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine mit
dem Leben oder wurden verwundet." Gleichlautend ist diese Formulierung
beim Ostermarsch der traditionellen Friedensbewegung in München zu
finden. Ähnlich steht es im Aufruf zum Ostermarsch Baden-Württemberg in
Stuttgart: "Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ab und verurteilen
den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der
seit dem 24. Februar 2022 zu unzähligen Toten und Verletzten sowie zu
Millionen Geflüchteten geführt hat."
In keinem dieser Aufrufe werden die Forderungen nach Kündigung des
Truppenstationierungsvertrags und Austritt aus NATO erhoben. Fee
Strieffler und Wolfgang Jung, langjährige Herausgeber der LUFTPOST,
mahnen eindringlich: "Jetzt wäre es wirklich an der Zeit, sich in der
Friedensbewegung auf EINE Forderung zu konzentrieren: NATO raus – raus
aus der NATO! Truppenstationierungsvertrag kündigen (Kündigungsfrist 2
Jahre), ein Jahr später Austritt aus der NATO erklären (Kündigungsfrist 1
Jahr). Jeder (!!!) Vertragspartei steht das Recht zu, diese Verträge zu
kündigen – auch der Bundesrepublik Deutschland." Es komme auf die
Kombination der beiden Forderungen an, denn wenn nur der Austritt aus
der NATO erfolge, blieben "die US-Truppen dann immer noch im Land…, denn
der Truppenstationierungsvertrag wäre dann ja immer noch in Kraft."
Die transatlantischen Kräfte können das Entstehen einer unabhängigen
Friedensbewegung allerdings nicht verhindern – auch zu Ostern 2023
nicht. Im Aufruf des aus der Grundrechte- und Demokratie-Bewegung
hervorgegangenen Münchener Bündnisses "Macht Frieden" heißt es zum
Beispiel: "Wir protestieren mit einem zentralen Ostermarsch der
Friedens- und Grundrechtebewegung gegen deutsche Waffenlieferungen in
Kriegsgebiete, gegen den suizidalen deutsch-russischen Wirtschaftskrieg
und gegen die einseitige Parteinahme der deutschen Bundesregierung für
die Interessen der NATO... Wir ergänzen die bundesweit stattfindenden
dezentralen Ostermärsche lokaler Friedensgruppen mit einem großen
Ostermarsch... Leider haben teilweise deutsche Regierungsparteien lokale
Ostermarschgruppen für transatlantische Interessen gekapert und ihre
Forderungen, Reden und Protestaktionen entsprechend weichgespült. Da
machen wir nicht mit." Doch die von NATO-Kräften in der Friedensbewegung
betriebene Ausgrenzung und Spaltung, wie sie sich in München als auch
im Auftreten der DFG/VK in NRW zeigt, geht nach hinten los. Schon bei
den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz wurden die
Kräfteverhältnisse deutlich. Während die traditionelle Friedensbewegung
weniger als 3000 Demonstranten auf die Straße brachte, waren es beim
Protest von "Macht Frieden!" mehr als 20.000.
Die besonders wirkmächtige Forderung nach Neutralität durch Austritt aus
der NATO und Verbannung von US- und NATO-Militäreinrichtungen, wie sie
mit den Slogans "NATO raus – raus aus der NATO" oder "Europa NATO-frei!"
auf den Punkt gebracht wird, steht allerdings auch hier noch nicht in
einem Maße auf der Tagesordnung, wie es angemessen wäre.
Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 44 (März
2023) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig –
streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
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