Rede an die Nation: Putin im O-Ton über die aktuelle Außenpolitik und den Westen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 22. APRIL 2021 ⋅
HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Thomas Röper –
http://www.anti-spiegel.ru
Am 21. April hat Putin seine jährliche Rede an die Nation
gehalten, die in diesem Jahr wegen der Zuspitzung des Konfliktes mit
dem Westen mit besonderem Interesse erwartet wurde. Hier übersetze
ich den Teil der Rede, in dem es um Außenpolitik ging,
komplett.
Putins Rede an die Nation ist jedes Jahr ein großes
Thema und die Medien im Westen sind dabei stets bemüht, alles
wegzulassen, was nicht ins gewollte Bild passt. So wird es auch
dieses Mal sein, weshalb ich in mehreren Artikeln ausführlich auf
die Rede eingehen und sie übersetzen werde. In diesem Artikel geht
es darum, was Putin zur Außenpolitik gesagt hat.
Die Rede hat
fast anderthalb Stunden gedauert und nur etwa zehn Minuten haben sich
um die Außenpolitik gedreht. Da die westlichen Medien sich aber
immer nur auf diesen Teil konzentrieren, werde ich die kleine Serie
über Putins Rede an die Nation damit beginnen. Die Rede war jedoch
dominiert von innenpolitischen Themen wie Familienförderung,
Gesundheitssystem und sozialen Fragen. Dazu werde ich auch Artikel
veröffentlichen.
Hier finden Sie den Teil der Rede zur
Außenpolitik und ich habe diesen Teil der Rede komplett übersetzt,
damit Sie ihn mit dem abgleichen können, was westliche
„Qualitätsmedien“ darüber heute und morgen berichten werden.
Dieser Teil kam erst ganz am Ende der Rede.
Beginn der
Übersetzung:
Am Ende möchte auch ein paar Worte über den
Sinn und den Inhalt der russischen Politik auf der internationalen
Bühne sagen. Sinn und Inhalt unserer Politik bestehen darin, Frieden
und Sicherheit für das Wohlergehen unserer Bürger und für die
stabile Entwicklung unseres Landes zu gewährleisten. Russland hat
natürlich Interessen, die wir im Rahmen des Völkerrechts
verteidigen und und für die wir einstehen werden, so wie es auch
andere Staaten der Welt tun. Und wenn jemand diese offensichtliche
Sache nicht verstehen, keinen Dialog führen will, sondern einen
egoistischen und arroganten Ton wählt, wird Russland immer einen Weg
finden, für seine Position einzustehen.
Gleichzeitig scheinen
sich alle auf dieser Welt leider an die Praxis politisch motivierter,
illegaler Wirtschaftssanktionen gewöhnt zu haben, an die groben
Versuche einiger, anderen ihren Willen mit Gewalt aufzuzwingen. Aber
heute wird diese Praxis in etwas viel Gefährlicherem wiedergeboren –
ich meine den jüngsten Versuch, einen Staatsstreich in Weißrussland
und die Ermordung des Präsidenten dieses Landes zu organisieren. Es
ist bezeichnend, dass der sogenannte kollektive Westen selbst solche
ungeheuerlichen Aktionen nicht verurteilt. Niemand dort hat davon
Kenntnis genommen. Jeder tut so, als sei ob überhaupt nichts
passiert.
Aber hören Sie, man kann zum Beispiel zum
Präsidenten der Ukraine Janukowitsch oder zu Maduro in Venezuela
stehen, wie man will. Ich wiederhole, man kann zu Janukowitsch, der
mit Hilfe eines bewaffneten Putsches von der Macht entfernt wurde und
der auch fast ermordet worden wäre, stehen, wie man will. Man kann
jede Meinung über die Politik des Präsidenten von Weißrussland,
Alexander Lukaschenko haben. Aber die Praxis, Putsche zu
organisieren, Pläne für politische Morde, einschließlich
hochrangiger Vertreter von Staaten – nun, das ist zu viel, es
wurden bereits alle Grenzen überschritten.
Und was alleine
die Geständnisse der inhaftierten Teilnehmer der Verschwörung
aussagen, dass sie die Blockade von Minsk geplant haben,
einschließlich der städtischen Infrastruktur und
Kommunikationsmittel, die vollständige Abschaltung des gesamten
Stromnetzes der Hauptstadt von Weißrussland! Das bedeutet übrigens,
dass in Wahrheit Vorbereitungen für einen massiven Cyberangriff
gelaufen sind. Wie denn sonst? Wissen Sie, man kann das nicht tun, in
dem man einfach einen Schalter umlegt.
Die westlichen Kollegen
lehnen die zahlreichen russischen Vorschläge zur Aufnahme eines
internationalen Dialogs auf dem Gebiet der Informationstechnik und
Cybersicherheit offenbar nicht ohne Grund ab. Wir haben das schon oft
vorgeschlagen. Aber sie alle weigern sich, über das Thema auch nur
zu reden.
Und was wäre passiert, wenn der Putschversuch in
Weißrussland wirklich durchgeführt worden wäre? Das wäre ja fast
geschehen. Wie viele Menschen wären verletzt worden? Wie hätte sich
das Schicksal von Weißrussland im Ganzen entwickelt? Darüber denkt
niemand nach.
So, wie auch niemand über das Schicksal der
Ukraine nachgedacht hat, als in dem Land der Putsch durchgeführt
wurde.
Gleichzeitig hören auch die unfreundlichen Aktionen
gegen Russland nicht auf. In einigen Ländern ist es ein
unerfreulicher Brauch geworden, bei jeder Gelegenheit, und meistens
grundlos, Russland anzugreifen. Das ist ein Sport geworden, eine neue
Sportart, wer die lautesten Erklärungen abgibt.
Wir verhalten
uns in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend, ich sage es direkt und
ohne Ironie, wir verhalten uns bescheiden. Oft reagieren wir
überhaupt nicht nur nicht auf unfreundliche Aktionen, sondern auch
nicht auf offene Unverschämtheiten. Wir wollen gute Beziehungen zu
allen Teilnehmern der internationalen Gemeinschaft haben. Aber wir
sehen, was in Wirklichkeit geschieht: Wie gesagt, wird Russland
grundlos hier und da angegriffen. Und natürlich sind um sie herum,
wie bei Shir Kahn alle kleinen Tabaqui, ganz wie bei Kipling, bereit,
ihrem Souverän zu dienen. Kipling war ein großartiger
Schriftsteller.
Wir wollen wirklich gute Beziehungen zu allen
Teilnehmern der internationalen Gemeinschaft haben, übrigens auch zu
denen, zu denen die Beziehungen zur Zeit – gelinde gesagt – nicht
so gut sind. Wir wollen wirklich keine Brücken abbrechen. Aber wenn
jemand unsere guten Absichten als Gleichgültigkeit oder Schwäche
wahrnimmt und beabsichtigt, diese Brücken vollständig abzubrechen
oder sogar in die Luft zu sprengen, sollte er wissen, dass Russlands
Antwort asymmetrisch, schnell und hart sein wird.
Die
Organisatoren jeglicher Provokationen, die die grundlegenden
Interessen unserer Sicherheit bedrohen, werden das Getane bedauern,
wie sie schon sehr lange nichts mehr bedauert haben.
Gleichzeitig
haben wir, das muss ich deutlich sagen, genug Geduld, Verantwortung,
Professionalität, Selbstvertrauen, Selbstsicherheit in die
Richtigkeit unserer Position und gesunden Menschenverstand, wenn es
darum geht, jedwede Entscheidungen zu treffen. Aber ich hoffe, dass
niemand darüber nachdenken wird, Russlands so genannten roten Linien
zu überschreiten. Und wo sie verlaufen, legen wir in jedem konkreten
Fall selbst fest.
Wie es in den jährlichen Reden an die
Nation üblich ist, muss ich auch heute wieder erwähnen, dass die
Verbesserung und qualitative Stärkung der russischen Streitkräfte
ständig weitergeht. Besondere Aufmerksamkeit widmen wir der
Entwicklung der militärischen Ausbildung, und zwar sowohl in den
Einrichtungen für militärische Ausbildung als auch auf der
Grundlage militärischer Ausbildungszentren an zivilen
Universitäten.
Bis 2024 wird der Anteil moderner Waffen und
Ausrüstung bei den Truppen bei fast 76 Prozent liegen, das ist ein
sehr guter Indikator. Und bei der nuklearen Triade wird er schon in
diesem Jahr über 88 Prozent liegen.
Die neuesten
interkontinentalen Hyperschallraketen vom Typ „Avangard“ und der
Laser-Kampfkomplex „Peresvet“ sind bereits in Dienst gestellt und
das erste Regiment, voll ausgestattet mit den schweren
Interkontinentalraketen vom Typ „Sarmat“, wird Ende 2022 nach
Plan einsatzbereit sein.
Die Zahl der Hyperschallraketen vom
Typ „Kinzhal“ wird erhöht. Die Zahl der Schiffe, die mit diesen
genannten Präzisions-Hyperschallwaffen und mit den Marschflugkörpern
„Kalibr“ ausgerüstet sind, nimmt weiter zu. In naher Zukunft
werden Hyperschallraketen vom Typ „Zirkon“ in Dienst gestellt.
Die Arbeit an anderen hochmodernen Systemen, darunter „Poseidon“,
„Burevestnik“ und andere Systeme, läuft nach Plan.
Als
führendes Land bei der Entwicklung von Kampfsystemen der nächsten
Generation, bei der Entwicklung moderner Nuklearstreitkräfte,
fordert Russland die Partner erneut auf, Fragen im Zusammenhang mit
der strategischen Rüstung zu erörtern, um die globale Stabilität
zu gewährleisten. Das Ziel solcher Verhandlungen könnte darin
bestehen, ein Umfeld konfliktfreier Koexistenz auf Basis gleicher
Sicherheit zu schaffen, das nicht nur traditionelle strategische
Waffen wie Interkontinentalraketen, schwere Bomber und U-Boote
abdeckt, sondern auch, wie ich betonen möchte, alle offensiven und
defensiven Systeme, die in der Lage sind, strategische Aufgaben zu
lösen, unabhängig von ihrer Ausrüstung.
Die fünf
Atomstaaten tragen hier eine besondere Verantwortung. Ich hoffe, dass
die russische Initiative zum persönlichen Treffen der Staats- und
Regierungschefs – der ständigen Mitglieder des
UN-Sicherheitsrates, das wir letztes Jahr vorgeschlagen haben –
umgesetzt wird, und dass es stattfinden wird, sobald die
epidemiologischen Bedingungen dies zulassen.
Russland ist
immer offen für eine breite zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Wir
haben uns konsequent für die Erhaltung und Stärkung der
Schlüsselrolle der Vereinten Nationen in der Weltpolitik eingesetzt,
wir sind entschlossen, zur Lösung regionaler Konflikte beizutragen,
und haben bereits viel getan, um die Lage in Syrien zu stabilisieren
und den politischen Dialog in Libyen zu beginnen. Russland hat, wie
Sie wissen, eine wichtige Rolle bei der Beendigung des bewaffneten
Konflikts in der Region Berg-Karabach gespielt.
Auf der
Grundlage gegenseitigen Respekts bauen wir Beziehungen mit der
überwiegenden Mehrheit der Nationen der Welt auf: in Asien,
Lateinamerika, Afrika und mit vielen europäischen Ländern.
Konsequent und vorrangig erweitern wir die Kontakte zu unseren
engsten Partnern in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit,
den BRICS, der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und den Verbündeten
der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.
Unsere
gemeinsamen Projekte im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion
zielen darauf ab, das Wachstum der Wirtschaft und das Wohlergehen der
Bürger zu gewährleisten. Gleichzeitig gibt es neue interessante
Richtungen, wie die Entwicklung von Transport- und
Logistikkorridoren. Ich bin sicher, dass sie zu verlässlichen
Infrastrukturrahmen der großen eurasischen Partnerschaft werden. Die
russischen Ideen dieser breiten offenen Vereinigung werden bereits in
der Praxis umgesetzt, unter anderem durch die Konsolidierung mit
anderen Integrationsprozessen.
All dies sind keine
spekulativen geopolitischen Konstruktionen, sondern praktische
Instrumente zur Lösung der Probleme der nationalen
Entwicklung.
Ende der Übersetzung
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