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Wie Deutschland gespalten wurde. Die Politik der KPD 1945 bis 1951
Wir drucken hier einen Auszug aus dem gleichnamigen
Buch von Ulrich Heyden mit einer aktuellen Einführung des Autors.
Heyden schildert in dem Buch eine Ausnahmesituation nach 1945, die
sich unter anderem darin niederschlug, dass Kommunisten mit Ministern
und Senatoren in fast allen westdeutschen Landesregierungen vertreten
waren. Von Redaktion.
Gerne
nimmt der Autor das Angebot der NachDenkSeiten-Redaktion an und
stellt sein Buch „Wie Deutschland gespalten
wurde. Die Politik der KPD 1945 bis 1951“ (Verlag
tredition, Hamburg, 2020) hier vor.
Mein Buch handelt von
einer Ausnahmesituation. Es geht um die unmittelbaren Nachkriegsjahre
in Deutschland, als das erlebte Grauen des Krieges zu einer
politischen Öffnung führte, Kommunisten mit Ministern und Senatoren
in fast allen westdeutschen Landesregierungen vertreten waren, die
SPD den Sozialismus forderte und der linke Flügel der CDU unter
Jakob Kaiser ein Parteiprogramm durchsetzte, in dem von einem
„Sozialismus aus christlicher Verantwortung“ die Rede war, dem
„kapitalistischen Gewinn- und Machtstreben“ eine Absage erteilt
und eine teilweise Vergesellschaftung der Großindustrie gefordert
wurde.
Die Linke hatte im Nachkriegs-Deutschland immer einen
schweren Stand. Doch immer wieder gab es Phasen, wo die reaktionären
Eliten unter Rechtfertigungsdruck standen und die progressiven Kräfte
die öffentliche Debatte maßgeblich mit beeinflussten. Historisch
gesehen waren es allerdings Ausnahmesituationen.
Angesichts
des Rechtstrends in Deutschland und der Unfähigkeit von linken
Parteien und Bewegungen, darauf angemessen zu reagieren, ist es gut,
sich immer mal wieder mit den deutschen Ausnahmesituationen zu
beschäftigen. Dabei wird man herausfinden, wie viel progressive
Energie in unserem Land steckt und welche Fehler man in Zukunft
vermeiden muss.
Welche Ausnahmesituationen meine ich? Anfang
der 1980er Jahre gab es eine politisch breite Friedensbewegung gegen
die Aufstellung von US-amerikanischen
Pershing-2-Mittelstreckenraketen. Mitte der 1970er Jahre gab es eine
mächtige Bewegung gegen Atomanlagen. Auch die Gefahr, dass
Atomanlagen zur Produktion von Atomwaffen genutzt werden können,
wurde in dieser Bewegung thematisiert. Ende der 1960er Jahre
erschütterte die Studentenbewegung den reaktionären Geist in der
deutschen Wohlstandsgesellschaft. Ende der 1950er Jahre gab es eine
breite Bewegung gegen die Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen
und Anfang der 1950er Jahre die Bewegung gegen die Wiederbewaffnung
Westdeutschlands. Außer an der Anti-AKW-Bewegung waren die KPD und
später die DKP an allen genannten Bewegungen beteiligt.
Grundstock
meines Buches ist meine Magisterarbeit, die 1990 von der Historischen
Fakultät in Hamburg angenommen wurde. Ich habe den Text überarbeitet
und durch neue Forschungsergebnisse aktualisiert.
Schon 1990
plante ich, meine Arbeit als Buch zu veröffentlichen. Doch das Thema
Kommunismus war nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik so wenig
gefragt, dass ich davon abließ.
Ich kann von Glück sagen,
dass, als ich meine Magisterarbeit schrieb, die DDR und die
Sowjetunion noch existierten. Damals war die Kommunismus-Forschung
noch ein wichtiger Bereich in der deutschen Geschichtswissenschaft.
Ich fand einen Professor, der meine Arbeit betreute.
2020, als
sich die deutsche Einheit das 30. Mal jährte, habe ich mich dann
doch noch entschieden, meine Arbeit zu veröffentlichen.
Ein
Grund war, dass bei den alljährlichen Einheitsfeiern immer so getan
wird, als ob die Bundesrepublik ohne Kommunisten aufgebaut wurde.
Völlig vergessen sind die Leistungen von KPD-Ministern und
-Senatoren bei der Lösung der dringendsten sozialen Probleme in den
Nachkriegsjahren und ihr Einsatz in den Entnazifizierung-Ausschüssen.
Verdrängt wird auch der Beitrag von Betriebsräten und
Gewerkschaftern, die der KPD angehörten, beim Wiederaufbau der von
den Nazis zerschlagenen Arbeitervertretungen.
Vorwort
Westdeutsche
Kommunisten von 1945 bis heute – kein leichter Weg
Jedes
Jahr am 3. Oktober wird der „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert.
An diesem Tag trat im Jahr 1990 der Vertrag in Kraft, mit dem die DDR
der Bundesrepublik beitrat.
Doch was da eigentlich gefeiert
wird immer unklarer. Ostdeutschland wurde befreit von SED-Herrschaft
und Stasi.
Freiheit wurde versprochen. Aber viele Deutsche
haben heute das Gefühl, dass öffentlich-rechtliche Medien und
private Zeitungskonzerne erneut versuchen, die Bürger in eine
bestimmte politische Richtung zu lenken. Eine zunehmend
anti-russische Berichterstattung löst bei vielen Menschen Unbehagen
aus.
Die Infrastruktur von Ostdeutschland wurde modernisiert.
Doch der Großteil der DDR-Industrie ist verschwunden. Neue
Industrieansiedlungen in Ostdeutschland gibt es nur
wenige.
Demokratie wurde versprochen. Doch fast alle
Führungsposten in ostdeutschen Betrieben, Verwaltungen und Medien
sind mit Personen aus Westdeutschland besetzt.
Dass die beiden
deutschen Staaten seit 1990 zusammenwachsen konnten, war nur möglich,
weil die Sowjetunion ihre Truppen aus der DDR komplett abzog. Doch
anstatt den Rückzug der Sowjetunion aus Ostdeutschland zu
honorieren, setzte die deutsche Politik auf eine Osterweiterung der
NATO, nach dem Motto: Russland ist schwach, wir nehmen uns noch
mehr.
Westdeutsche Politiker lobten Anfang der 1990er Jahre in
den höchsten Tönen die Möglichkeit ein Europa des Friedens
aufzubauen. Doch statt mehr Frieden leben wir seit 2014 in akuter
Kriegsgefahr. Mit dem Staatsstreich in der Ukraine kam der Kalte
Krieg zurück.
Warum kam es zur
Spaltung Deutschlands?
Um zu
verstehen, warum alles so gelaufen ist und warum es 1949 überhaupt
zur Gründung von zwei deutschen Staaten mit unterschiedlichen
Gesellschaftssystemen kam, muss man sich noch einmal die vier
Nachkriegsjahre angucken, als Deutschland in vier Besatzungszonen
aufgeteilt war, die sowjetische, die amerikanische, die britische und
die französische.
Die vorliegende Studie, die sich mit der
Politik der Kommunistischen Partei Deutschlands und besonders dem
Wirken der Hamburger Kommunisten in den Jahren 1945 bis 1951
beschäftigt, soll mehr Klarheit über die Frage schaffen, wer
Deutschland gespalten hat.
Kaum bekannt ist, dass die
westdeutsche KPD sich in den Nachkriegsjahren für die Einheit
Deutschlands einsetzte. Doch die westlichen Besatzungsmächte
beobachteten das Wirken der westdeutschen Kommunisten mit großer
Sorge. Alles was die Einbindung Westdeutschlands in westliche
Wirtschafts- und Verteidigungsbündnisse störte, verfolgten
sie.
Die herrschende Meinung im Westen Deutschlands ist, dass
sich die demokratische Bundesrepublik nicht mit der „Diktatur in
Ostdeutschland“ vereinigen konnte, wollte sie nicht die
Grundprinzipien Freiheit und Demokratie verraten. Doch diese
Sichtweise blendet aus, dass der Generalsekretär der KPdSU, Josef
Stalin, und der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow,
immer wieder Vorschläge für die Bildung eines geeinten Deutschlands
machten. Im geeinten Deutschland sollte es eine gesamtdeutsche
Regierung, ein Mehrparteiensystem, sowie Presse- und
Versammlungsfreiheit geben.
Der sowjetische Außenminister
Molotow schlug auf der Außenministerkonferenz der Siegermächte in
Paris am 10. Juli 1946 vor: „Deutschland wird als einheitlicher
friedliebender Staat, als demokratische Republik mit einem aus zwei
Kammern bestehenden gesamtdeutschen Parlament und einer
gesamtdeutschen Regierung wiederhergestellt.“[1]
Im März
1952 – drei Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik und der DDR
– kam von Stalin ein letzter Vorschlag für ein einiges
Deutschland, die sogenannte „Stalin-Note“. Der
KPdSU-Generalsekretär schlug den USA, Großbritannien und Frankreich
über einen Diplomaten vor, Deutschland zu vereinigen und einen
neutralen Status zu geben. Eine gesamtdeutsche Regierung sollte einen
Friedensvertrag mit den Siegermächten unterzeichnen. Spätestens ein
Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages sollten sämtliche
Streitkräfte der Besatzungsmächte aus Deutschland abgezogen werden.
Der damalige Bundeskanzler, Konrad Adenauer, lehnte Stalins Vorschlag
als „Störmanöver“ ab.
Das
Potsdamer Abkommen – eine ausgeschlagene Chance
Nach
dem Sturz des Hitler-Faschismus durch die Siegermächte waren die
Chancen für den Aufbau eines friedlichen Europas und die
Regierungsbeteiligung von Kommunisten eigentlich sehr günstig.
Kommunisten wurden in Italien und Frankreich an der Regierungsbildung
beteiligt. Auch in Deutschland wurden Kommunisten in die zunächst
ernannten Landesregierungen berufen.
Das Potsdamer Abkommen
vom August 1945 schaffte die Grundlage für eine völlige
Neugestaltung des politischen und wirtschaftlichen Lebens in
Deutschland. Im Potsdamer Abkommen hatten Stalin, Truman und
Churchill, die Vertreter der drei Siegermächte – Sowjetunion, USA
und Großbritannien – folgendes vereinbart. „In praktisch
kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu
dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden
übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt
insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere
Monopolvereinigungen.“ Die Entflechtung richtete sich gegen die
Industrie-Kartelle, welche Hitler und die NSDAP finanziert hatten.
Das Widerentstehen eines aggressiven Militarismus und Imperialismus
sollte verhindert werden.
Nicht nur SPD und KPD auch die CDU
orientierte sich in ihren Ahlener Programm vom Februar 1947 am
Potsdamer Abkommen. Das Ahlener Programm begann mit den Sätzen: „Das
kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen
Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach
dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur
eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.“
In Hessen wurden im
Dezember 1946 bei einer Volksabstimmung der Artikel 41 für die
Landesverfassung angenommen. Der Artikel sah die Vergesellschaftung
wirtschaftlicher Grundstoff- und Schlüsselindustrien und die
Beaufsichtigung oder Verwaltung von Großbanken und
Versicherungsunternehmen durch den Staat vor. Doch bei der Umsetzung
später haperte es. Der Artikel 41 wurden nicht umgesetzt, weil sich
die CDU und die amerikanische Besatzungsbehörde querstellten.
1947
– Abkehr vom Potsdamer Abkommen
Der
demokratisch-antifaschistische Impuls des Potsdamer Abkommens ging
schnell verloren. Die Entnazifizierung in den Westzonen Deutschlands
wurde nur halbherzig vollzogen. Am 12. März 1947 kündigte
US-Präsident Harry S. Truman in einer Botschaft an den US-Kongress
das freundliche Verhältnis zur Sowjetunion ganz offiziell auf. Die
USA – so Truman – würden von nun an alle „freien Völker“
gegen den Kommunismus unterstützen. Damit begann die Politik der
„Eindämmung“ der Sowjetunion. Staaten, die an die Sowjetunion
grenzten, sollten zu antirussischen Bollwerken aufgebaut werden.
Das
betraf auch Westdeutschland. Im März 1948 wurde von Frankreich,
Großbritannien und den Benelux-Staaten der Brüsseler Pakt
unterzeichnet. Mit dem Brüsseler Pakt wollte man die westlichen
Militärkapazitäten gegen die Sowjetunion bündeln.
1948
wurde unter Ludwig Erhard die Bizone und die Bank deutscher Länder –
eine Vorgängerin der Bundesbank – gegründet. Eine endgültige
Teilung Deutschlands in zwei Wirtschaftsräume erfolgte im Juni 1948
durch die Währungsreform in Westdeutschland und West-Berlin. Die
Sowjetunion reagierte im gleichen Monat mit der Blockade von
Westberlin.
Die einseitigen Schritte zu einer
Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik in den Westzonen
widersprachen dem Potsdamer Abkommen, in dem unmissverständlich
geschrieben stand: „Während der Besatzungszeit ist Deutschland als
eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten.“
Die
zwiespältige Rolle des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher
Der
Aufbau eines westdeutschen Separat-Staates ging zügig voran. Am 23.
Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in
Kraft. Erst vier Monate später, am 7. Oktober 1949 erklärt sich der
2. Deutsche Volksrat zur Provisorischen Volkskammer und setzt die
Verfassung der DDR in Kraft.
Nach der Gründung der
Bundesrepublik erklärte Bundeskanzler Adenauer, dass allein die
Bundesrepublik Deutschland das deutsche Volk vertrete, da es in
Ostdeutschland keine freien Wahlen gäbe.
Die immer stärker
werdende Verhärtung zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten
machte die Bedingungen für die Arbeit der KPD in Westdeutschland
immer schwieriger. Die Partei musste sich in den Westzonen nicht nur
mit revanchistischen Stimmungen in Teilen der Bevölkerung
auseinandersetzen, die ein Ende der Entnazifizierung und eine
Zurückgabe von Schlesien, Pommern und Ostpreußen forderten. Die
Kommunisten in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands mussten
auch zu Vorwürfen westdeutscher Medien und Politiker Stellung
nehmen, nach der die Vereinigung von KPD und SPD in der Sowjetischen
Besatzungszone unter Zwang erfolgt und die Bevölkerung von
Westberlin durch die „Berlin-Blockade“ der Sowjetunion in eine
Notlage gebracht worden war.
Zu dem ideologischen Druck von
Politikern und Medien kamen juristische Maßnahmen. In den westlichen
Besatzungszonen wurden immer wieder Zeitungen der KPD verboten oder
mussten wegen kritischer Äußerungen über die westlichen
Besatzungsmächte für Monate ihr Erscheinen einstellen[2]. So wurde
Ende August 1947 einem der Lizenzträger der Frankfurter Rundschau,
dem Kommunisten und Journalisten Emil Carlebach, die Lizenz
entzogen.
Alle Versuche der KPD auch in den Westzonen eine
Einheitspartei mit den Sozialdemokraten zu gründen, wurden von den
westlichen Militärbehörden und dem Führer der westdeutschen SPD,
Kurt Schumacher, hintertrieben oder administrativ unterbunden.
Die
deutschen Kommunisten bezeichnete Kurt Schumacher wortgewaltig als
“rotlackierte Nazis”. Die KPD sei verantwortlich für den
Zusammenbruch der Weimarer Republik. Auf ein Verhandlungsangebot der
DDR-Volkskammer antwortete Schumacher am 30. Januar 1951 im
Bundestag, „die deutschen Demokraten können nur mit Deutschen über
Deutschland verhandeln, aber nicht mit Gesinnungsrussen, deren
Deutschtum eine bloße Äußerlichkeit ist.“
Während
Schumacher sich von den Kommunisten mit viel Getöse abgrenzte,
äußerte er sich – im Gegensatz zu dem ersten deutschen
Bundeskanzler, Konrad Adenauer – zurückhaltend zu einer
Integration der westlichen Besatzungszonen in Wirtschafts- und
Verteidigungsbündnisse mit westlichen Staaten. Darin sah Schumacher
eine Gefährdung der Wiedervereinigung Deutschlands. Stalins
Vorschlag von 1952, Deutschland zu einem neutralen Staat zu machen,
hätte man nach Meinung des damaligen SPD-Vorsitzenden zumindest
prüfen müssen.[3] Dass Schumacher zunächst nicht zu den
Befürwortern der Westintegration gehörte, hatte auch damit zu tun,
dass sechs Millionen Deutsche, die aus den Ostgebieten nach
Westdeutschland geflüchtet waren, auf eine Rückkehrmöglichkeit in
ihre alte Heimat hofften. Mit seiner Rhetorik für die Einheit
Deutschlands wollte Schumacher diese Menschen für die SPD
gewinnen.
Antifaschisten der ersten
Stunde
Trotz ihrer Reputation als
mutige Kämpfer gegen Hitler, waren die führenden Politiker der KPD
einem Trommelfeuer westdeutscher Medien und Politiker ausgesetzt,
welche Kommunisten als Anti-Demokraten und Gefolgsleute von Stalin
verächtlich machten.
Führende Mitglieder der KPD waren
während des Hitler-Faschismus in Gefängnissen und
Konzentrationslagern eingekerkert.
Max Reimann, seit 1948
Vorsitzender KPD in den westlichen Besatzungszonen, war ab 1942 im
KZ-Sachsenhausen eingekerkert.
Kurt Müller, seit 1948
stellvertretender KPD-Vorsitzender in Westdeutschland, war sechs
Jahre Gefangener im Zuchthaus Kassel und danach im KZ
Sachsenhausen.
Harry Naujoks, 1946 Vorsitzender der KPD
Hamburg, war von 1933 bis 1945 Häftling in verschiedenen
Konzentrationslagern.
Wilhelm Prinz, von 1949 bis 1951
Landesvorsitzender der KPD Hamburg, war ab 1941 Häftling im KZ
Sachsenhausen.
Erich Otto Hoffman, von 1945 bis 1950
Chefredakteur des KPD-Organs „Hamburger Volkszeitung“, war drei
Jahre in Konzentrationslagern eingekerkert, zuletzt in
Buchenwald.
Einfluss in Betrieben
Die
KPD in Westdeutschland war keine reine Parlamentspartei. Sie hatte
auch starke Organisationen in Betrieben und Stadtteilen. In den
westdeutschen Betrieben hatte die KPD in den unmittelbaren
Nachkriegsjahren erheblichen Einfluss. 1947 beteiligten sich
Kommunisten führend an Demonstrationen und Streiks gegen Hunger und
schlechte Versorgung. Am Arbeitsplatz wog das persönliche Verhalten
der Kommunisten mehr, als die Frage, wie stehst du zur
Sowjetunion?
1946 waren die Betriebsräte der drei großen
Hamburger Werften – Blohm & Voss, Deutsche Werft, Howaldtswerke
– sowie der beiden mittelgroßen Werften – Norderwerft und
Stülckenwerft – mehrheitlich Mitglieder der KPD.[4] Im
westdeutschen Bergbau waren Ende 1946 38 Prozent der Betriebsräte
Mitglieder der KPD.[5]
Die Kommunisten in Westdeutschland
hatten in den ersten zwei Nachkriegsjahren beachtliche Erfolge bei
Wahlen und bei der Gewinnung von Mitgliedern. Der Faschismus war
zerschlagen. Der Krieg hatte ungeheure Verwüstungen und soziales
Elend angerichtet. Die Sowjetunion forderte zwar Reparationen aus
Ostdeutschland. Aber viele Deutsche verstanden, dass der Krieg von
deutschem Boden ausgegangen war und man froh sein konnte, dass dieser
Krieg, der viele deutsche Städte in eine Trümmerwüste verwandelt
hatte, beendet war.
Eine neue Ideologie gab es in
Westdeutschland noch nicht. Die Mitläufer der NSDAP mussten sich
politisch neu orientieren. In diese Lücke stieß die KPD mit ihrem
Programm zu einem Aufbau eines friedlichen, demokratischen
Deutschlands. Bis 1947 war die Partei – außer in
Schleswig-Holstein – in allen westdeutschen Landesparlamenten
vertreten. Die KPD stellte auch Minister und Senatoren in mehreren
Landesregierungen.
In Niedersachsen war das KPD-Mitglied Karl
Abel in den Jahren 1946 bis 1948 Minister für Gesundheit und
Minister ohne Geschäftsbereich.
In Bremen wurden 1945 zwei
KPD-Mitglieder zu Senatoren ernannt. Herrmann Wolters wurde Senator
für Ernährung und Arbeitseinsätze, Adolf Ehlers Senator für
Wohlfahrt. Nach dem Übertritt der beiden Politiker in die SPD,
bekamen 1946 zwei andere KPD-Mitglieder Senatoren-Posten. Die
KPD-Mitglieder Käthe Popall und Albert Häusler wurden Senatoren für
Gesundheit sowie Wohnraumbeschaffung und Brennstoffbeschaffung.
Auch
in Hamburg waren 1945/46 zwei Senatoren Mitglieder der KPD. Friedrich
Dettmann war Senator für Gesundheit und Franz Heitgres Senator für
Flüchtlingsfürsorge und Wiedergutmachung.
Hochburg
an der Elbe
Hamburg war vor und nach
dem Hitler-Faschismus eine Hochburg der KPD. Im April 1932, bei den
letzten freien Bürgerschaftswahlen vor dem Machtantritt der Nazis,
bekam die KPD in der Hansestadt 15 Prozent der Stimmen. Bei der
ersten Bürgerschaftswahl nach der Befreiung vom Faschismus, im
Oktober 1946, erhielt die KPD in Hamburg 10,4 Prozent der
Stimmen.
Doch der 1947 beginnende Kalte Krieg zwischen den
Westmächten und der Sowjetunion vergiftete das innenpolitische Klima
in den Westzonen. Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Oktober
1949 sank das Wahlergebnis der Kommunisten auf 7,4 Prozent und bei
den Bürgerschaftswahlen im November 1953 auf 3,2 Prozent der
Stimmen.
Die Zeit von Faschismus und Krieg war für die KPD
ein scharfer Einschnitt. 1933 hatte die Partei im Gebiet der späteren
Westzonen 150.000 Mitglieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen
sich in Westdeutschland etwa die Hälfte dieser Mitglieder wieder der
KPD an. Bis zum September 1947 konnte die KPD ihre Mitgliedschaft in
den Westzonen nach eigenen Angaben auf 324.000 Mitglieder mehr als
vervierfachen.[6]
Neue Verfolgung
Doch
ab 1947 sank der Einfluss der KPD kontinuierlich. Während die Partei
bei den ersten Bundestagswahlen im August 1949 5,7 Prozent der
Stimmen bekam – 1,3 Millionen Wähler hatten für die Kommunisten
gestimmt –, stimmten bei der Bundestagswahl 1953 nur noch 2,2
Prozent der Wähler für die Kommunisten.
Von Seiten der
Militärverwaltungen in den westlichen Besatzungszonen, der sich neu
bildenden westdeutschen Verwaltungen sowie von Seiten der
Gewerkschaftsführer waren KPD-Mitglieder zunehmend Repressionen
ausgesetzt.
Im November 1951 stellte die Bundesregierung einen
Verbotsantrag gegen die KPD. Der Antrag wurde begründet mit der
KPD-Parole vom „aktiven Widerstand“ gegen die Remilitarisierung
Westdeutschlands.
Am 17. August 1956 wurde die KPD dann vom
Bundesverfassungsgericht verboten. Zum Zeitpunkt ihres Verbots war
die KPD noch in den Landesparlamenten von Niedersachsen, Bremen und
dem Saarland vertreten. Deutsche Gerichte nahmen 125.000 Ermittlungen
gegen KPD-Mitglieder auf. 7.000 Personen wurden
verurteilt.
Austritte und
Ausschlüsse
Nicht nur die Verhärtung
des außen- und innenpolitischen Klimas, auch eine innerparteiliche
Verhärtung schwächte die KPD. In Bremen traten die beiden Senator
Wolters und Ehlers zur SPD über. Sie kritisierten die KPD für eine
nicht entschiedene sozialistische Politik und die Abhängigkeit der
SED von der Sowjetunion.[7]
In Bayern trat Heinrich Schmitt,
Minister für besondere Aufgaben, aus der KPD aus.
Die
zwischen 1949 bis 1952 durchgeführten „Säuberungen“ in der KPD
haben tiefe Spuren hinterlassen. Gegen die Bremer Sozialsenatorin
Käthe Popall eröffnete die KPD 1952 ein Ausschlussverfahren,
welches aber wegen dem Widerstand der Parteibasis nicht zum Vollzug
kam.[8]
Der bekannteste Fall der Partei-„Säuberungen“
sind die Maßnahmen gegen den stellvertretenden KPD-Vorsitzende Kurt
Müller. Er wurde 1950 von einem Beauftragten der SED nach Ost-Berlin
geholt und dort verhaftet. Nach fünfjähriger Haft in der DDR und
der Sowjetunion kehrte Müller nach Westdeutschland zurück. Er trat
in die SPD ein und wurde Mitarbeiter der
Friedrich-Ebert-Stiftung.
„Besonderer
deutscher Weg zum Sozialismus“
Die
Politik der KPD bewegte sich bis 1947 in dem vom Potsdamer Abkommen
gesteckten Rahmen. Die Partei forderte nicht den sofortigen Übergang
zum Sozialismus, sondern beschränkte sich auf demokratische
Forderungen wie die Entnazifizierung und die Zerschlagung der
Monopole. Es gab in der KPD-Führung die Hoffnung, man könne die
Großbetriebe nach einer Entnazifizierung gemäß dem Potsdamer
Abkommen zum Teil einer friedlichen Wirtschaft machen.
Die
ostdeutsche SED und die westdeutsche KPD arbeiteten bis 1947 noch mit
dem gleichen strategischen Ziel. Der SED-Theoretiker Anton Ackermann
hatte im Februar 1946 die These vom „besonderen deutschen Weg zum
Sozialismus“ vorgestellt und damit eine Beschränkung der
KPD-Politik auf antifaschistische und demokratische Forderungen
theoretisch begründet.
Nicht wenigen KPD-Mitgliedern war die
Absage an sozialistische Forderungen suspekt. Sie forderten eine
sofortige Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und den Übergang
zum Sozialismus. Die Parteiführung musste Überzeugungsarbeit
leisten, denn die SPD redete unaufhörlich vom Sozialismus. Warum
nicht auch die KPD?, fragten sich viele Kommunisten.
Auf dem
„1. Bezirksparteitag der KPD Wasserkannte[9]“ im Mai 1946
begründete der damalige Bezirksvorsitzende Erich Hoffmann die
Möglichkeit eines “unblutigen Übergangs zum Sozialismus” damit,
dass „in großen Teilen Deutschlands die alte reaktionäre
Staatsmaschinerie vollständig beseitigt ist“ und „die
kapitalistischen Kräfte (…) durch die Zerschlagung der Trusts
(besonders in der sowjetischen Zone) weitgehendst geschwächt“
sind. Im September 1946 erklärte der neue Vorsitzende des Bezirks
Wasserkante, Gustav Gundelach, wenn der Prozess der demokratischen
Erneuerung gelänge, sei „am Ende dieser Entwicklung ohne
Blutvergießen der Übergang zum Sozialismus“ möglich.
Abkehr
vom „besonderen deutschen Weg zum Sozialismus“
Da
sich die Widersprüche zwischen den Westalliierten und der
Sowjetunion ab 1947 zuspitzten, gab die KPD 1948 die These vom
„besonderen deutschen Weg“ auf. Anton Ackermann erklärte nun,
die These sei „zweifellos eine Konzession an die starken
antisowjetischen Stimmungen in gewissen Teilen der deutschen
Bevölkerung“ gewesen. „Die Theorie von einem besonderen
deutschen Weg zum Sozialismus lässt dem Antibolschewismus Raum,
statt ihn zu bekämpfen […] sie hindert schwankende und unklare
Elemente daran, die richtige Position zu finden […] Sie […] muss
[…] liquidiert und bis auf den letzten Rest ausgemerzt
werden.”
Dieser harte Kursschwenk hing mit der neuen
Generallinie der KPdSU zusammen. Ab 1948 wurden überall in den ost-
und westeuropäischen KPs angebliche „Agenten des Westens“,
„Titoisten“ und „Trotzkisten“ enttarnt. Es gab
Parteiausschlüsse und in Osteuropa sogar Haftstrafen und auch
Todesurteile gegen führende Kommunisten. In der Tschechoslowakei
wurden im sogenannten Slansky-Prozess 1951 elf führende Funktionäre
der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei als angebliche
Titoisten, Trotzkisten und westliche Agenten gehängt.
Viele
Opfer der Repressionen wurden in den Volksdemokratien Osteuropas nach
Stalins Tod stillschweigend „rehabilitiert“. In der SED/PDS
begann 1989 eine öffentliche Aufarbeitung der Verbrechen gegen
Parteimitglieder während der 1930er, 1940er und 1950er Jahre.
In
dem Hauptreferat[10] auf dem letzten Parteitag der SED im Dezember
1989 sprach der Hochschullehrer Michael Schumann über die Verbrechen
an Mitgliedern der Parteien des sozialistischen Lagers, ohne dass er
dabei den Sozialismus insgesamt verdammte. „Die Mehrzahl dieser
Menschen ist, obwohl sie schlimmen Drangsalen ausgesetzt war, ihren
sozialistischen und humanistischen Idealen treu geblieben. Soweit es
sich um Genossen unserer Partei handelt, haben sich die meisten nach
Wiedererlangung der Freiheit ohne zu zögern weiter in unseren Reihen
für eine sozialistische Zukunft eingesetzt, (Beifall) und das, liebe
Genossinnen und Genossen, obwohl ihre Rehabilitierung oft nur
halbherzig, verklausuliert oder gar nicht erfolgt ist. Vielen können
wir noch postum die Ehre zurückgeben.“
In der neuen Linken
in Westdeutschland wurde über den Stalinismus schon in den 1970er
Jahren hart diskutiert. Doch die im Zuge der Perestroika Ende der
1980er Jahre bekanntgewordenen Fälle lösten in Westdeutschland
erneute Debatte aus. Die neuen Fakten über den Stalinismus und der
wirtschaftliche Kollaps der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre
beschleunigten den Auflösungsprozess der verschiedenen
kommunistischen Parteien und Organisationen in Westdeutschland. Nicht
wenige „harte Kommunisten“ entdeckten plötzlich Vorzüge der
Marktwirtschaft. Mit dem Ende des „realen Sozialismus“ schien
eine Alternative zum Kapitalismus in unerreichbare Ferne
gerückt.
Für viele – auch undogmatische – Linke war das
Ende des „realen Sozialismus“ eine seelisch-moralische
Katastrophe. Eine ganze Generation der westdeutschen Linken war der
festen Überzeugung gewesen, Sozialismus sei auch in Westdeutschland
möglich. Man hatte sich in den 1960er Jahren politisiert. Damals
herrschte in der Linken Aufbruchstimmung. Begeistert sang man die
Lieder von Ernst Busch und Lieder vom Widerstand gegen die
Militärjunta in Chile. Viele westdeutsche Intellektuelle machten
nicht Karriere in ihrem Beruf, sondern gingen in Betriebe und
begannen mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit. Zahlreiche
Mitglieder der DKP und Aktivisten der Neuen Linken wurden zu
Betriebsräten und Jugendvertretern gewählt.
Linke Gedanken
waren im westdeutschen Kulturbetrieb seit dem Ende der 1960er Jahre
nicht mehr verpönt. Sie begannen wie Hefe in einem Teig die Jugend
zu infizieren. Die Konservativen reagierten zunächst unbeholfen und
repressiv. Erst ab Mitte der 1980er Jahre gelang es der politischen
Elite die rebellische Jugend über die Partei Die Grünen wieder in
das System zu integrieren.
1968 –
Wiederzulassung einer kommunistischen Partei
Die
Geschichte der Kommunisten in Westdeutschland ist äußerst
wechselhaft. Nachdem die Kommunisten 1956 mit dem KPD-Verbot aus dem
öffentlichen Leben ausgeschlossen worden waren, zeigte sich Ende der
1960er Jahre, dass dieser Ausschluss für die politische Elite mehr
Probleme brachte als Nutzen. 1968 wurde mit der DKP wieder eine
kommunistische Partei in Westdeutschland zugelassen. Für die
Zulassung gab es innen- und außenpolitische Gründe.
In
Westdeutschland entwickelte sich in den 1960er Jahren eine
Protestbewegung, die – für Herrschenden überraschend – alle
gesellschaftlichen Bereiche erfasste. Die Proteste richteten sich
gegen den Krieg in Vietnam, die Notstandsgesetze, gegen Faschismus,
Revanchismus (die NPD und CDU forderten die „Wiedergewinnung der
verlorenen Ostgebiete“) und gegen einen verknöchert-patriarchalen
Alltag, indem Frauen nichts zu sagen hatten und Homosexuelle sich
verstecken mussten.
Die deutsche Wirtschaft hoffte, angesichts
der wirtschaftlichen Rezession 1966 – der ersten in der
Nachkriegszeit -, ihre Position durch Geschäfte mit der Sowjetunion
zu verbessern.
Doch wie sollte das bewerkstelligt werden, war
doch die Ideologie des Antikommunismus zur tragenden Säule der
Bundesrepublik geworden. In den 1960er Jahren gehörte die
Bundesrepublik (mit Spanien, Portugal und Griechenland) zu den
Staaten in Westeuropa in denen die Kommunistische Partei verboten
war.
Italien – weniger belastet von der paranoiden Angst vor
allem Linken und Kommunistischem – war Deutschland bei seinen
Wirtschaftskontakten mit der Sowjetunion voraus. Fiat baute 1966 in
der Stadt Toljatti an der Wolga das große Lada-Autowerk. Der
Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens, Palmiro Togliatti,
persönlich hatte das Bauprojekt an der Wolga eingefädelt.
Für
Westdeutschland gab es ein Problem. Es konnte nicht so einfach
Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion aufnehmen. Die
Sowjetbürger hätten das, nur 25 Jahre nach dem deutschen
Vernichtungskrieg, nicht verstanden. Ausgerechnet Westdeutschland!
Dort feierte die NPD in den 1960er Jahren Wahlerfolge. Abgeordnete
der NPD saßen in den Landesparlamenten von Hessen, Bayern, Bremen,
Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Und die KPD
war immer noch verboten.
In dieser Situation entschied die
Bundesregierung die Neugründung einer kommunistischen Partei unter
dem Namen DKP zuzulassen. Das Parteiprogramm der DKP war weniger
scharf formuliert als das der KPD. Die Rede war nicht mehr von der
“Diktatur des Proletariats”, sondern von der “Macht der
Arbeiterklasse” und einer “antimonopolistischen Demokratie”.
Mit
der Zulassung der DKP hoffte die Bundesregierung wohl auch, ein
Abdriften von Teilen der linken Protestbewegung in den Untergrund zu
verhindern. Viele Linke meinten Ende der 1960er Jahre, die Gefahr
eines neuen Faschismus in Deutschland, sei nicht gebannt. Die im Mai
1968 vom Bundestag beschlossenen Notstandgesetze und ein
Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, welcher der NSDAP angehört
hatte, zeigten nach Meinung vieler Linker, dass die Bundesrepublik
noch nicht wirklich zur Demokratie entschlossen war.
Wie
wichtig es für die sowjetische Führung war, dass es in der
Bundesrepublik eine legale kommunistische Partei gab, zeigte sich im
September 1971 beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt
auf der Krim. Dort führte der westdeutsche Kanzler mit dem damaligen
KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew Gespräche über einen
Vertrag[11] zur Entspannung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion
und der Bundesrepublik Deutschland.
In seinen Erinnerungen
schreibt[12] Brandt: „Beiläufig fragte Breschnew, ob es den
Tatsachen entspreche, dass „die Partei von Herrn Bachmann[13]“
(die DKP) in der Bundesrepublik legal tätig sei. (Dies war sein Weg,
vom offensichtlich lästigen KPD-Thema wegzukommen.) Ich bestätigte,
die DKP sei aktiv und legal tätig. Sie könne konkurrieren wie jede
andere Partei. Mir gegenüber sei sie nicht freundlich, aber das
erwarte ich natürlich auch nicht. Bei uns gäbe es Kreise, die ein
Verbot wünschten, aber dies sei nicht meine Meinung.“
Für
Thälmann nur ein Stolperstein
In
keinem Land Westeuropas ist der Antikommunismus bis heute so
ausgeprägt wie in Deutschland. Das 1956 vom Bundesverfassungsgericht
verhängte KPD-Verbot ist immer noch in Kraft. Warum? Weil
Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg seine faschistische
Vergangenheit nur schleppend und widerwillig aufgearbeitet und sich
stattdessen als Frontstaat im Kalten Krieg eingerichtet hat.
Um
Tausende Kommunisten, die während der Nazizeit in deutschen KZs
gequält und ermordet wurden, trauert das offizielle Deutschland
heute nicht. Bei Gedenkveranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg und der
Hitler-Zeit werden sie nicht erwähnt.
Der im KZ Buchenwald
1944 ermordete Vorsitzende der KPD und Abgeordnete der Hamburger
Bürgerschaft, Ernst Thälmann[14], muss sich in Westdeutschland mit
einem „Stolperstein“ vor dem Hamburger Rathaus begnügen. Sein
Antifaschismus wiegt in der öffentlichen Debatte weniger schwer als
sein „Stalinismus“. Dass Thälmann von 1933 bis 1944 in
Einzelhaft saß, dass er bei Verhören mit einer Nilpferdpeitsche
misshandelt und ihm vier Zähne ausgeschlagen wurden, verschweigen
die großen deutschen Medien.
Dass man Thälmann nicht ehrt,
habe er selbst verschuldet, so die weitverbreitete Meinung unter
westdeutschen Intellektuellen. Warum hat er auch die KPD nach den
Stalinschen Prinzipien strenger Parteidisziplin aufgebaut und die SPD
vor dem Machtantritt Hitlers als den Hauptfeind bezeichnet? Dass die
gegen die SPD gerichtete Sozialfaschismus-These von den
Kommunistischen Parteien 1935 aufgegeben wurde, wird nur von Wenigen
zur Kenntnis genommen.
Aufschlussreich ist, dass sich die
großen deutschen Medien für ermordete Kommunisten dann
interessieren, wenn sie von den eigenen Leuten umgebracht wurden. Als
Ende der 1980er in der Sowjetunion – im Zuge der Perestroika unter
Gorbatschow – bekannt wurde[15], dass deutsche Kommunisten, die in
den 1930er Jahren vor Hitler in die Sowjetunion geflüchtet waren,
dem Terror von Stalin zum Opfer fielen, berichteten die deutschen
Medien ausführlich. Und Anfang der 2000er Jahre stellten[16] sich
die großen Medien dann wie selbstverständlich auf die Seite
derjenigen in der Partei Die Linke, die forderten, man müsse an der
Parteizentrale der Partei Die Linke in Berlin eine Gedenktafel für
die „Tausenden in der Sowjetunion verfolgten und ermordeten“
deutschen Kommunisten anbringen.
Wie
ein Witz der Geschichte
Die westlichen
Besatzungsmächte hatten der SED nach ihrer Gründung 1946 verboten,
sich in den Westzonen auszubreiten.
Doch es war wie ein Witz
der Geschichte, dass mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, die
SED-Nachfolgepartei PDS ganz legal in Westdeutschland politisch aktiv
wurde.
Ich erinnere mich noch gut an einen Auftritt von Gregor
Gysi 1990 im alten Hörsaal der Universität Hamburg. Die Stimmung
unter den Hamburger Linken war nach dem Zusammenbruch des realen
Sozialismus mau. Und da kam dieser Gysi, der in seiner humorvollen
Art ganz anders rüberkam als die bekannten Partei-Oberen aus
DDR.
Der PDS-Vorsitzende erzählte, fast wie in einem schönen
Märchen, die Geschichte des Sozialismus sei noch nicht zu Ende. Es
gäbe einen dritten Weg, jenseits von Stalinismus und
Kapitalismus.
Die Zuhörer in Hamburg waren fasziniert von
diesem Mann, für den das Ende des „realen Sozialismus“ kein
Grund für Trauer war, sondern Anlass, frohen Herzens neue Wege zu
beschreiten.
Doch nicht Wenige blieben skeptisch. Mit dem
„dritten Weg“ hatte doch schon Lenin in seinen Werken
abgerechnet. War diesem Gysi zu trauen?
Für die Medien war
der neue Polit-Star Gysi ein gefundenes Fressen. Einige Zeit konnten
sich Zeitungen und Fernseh-Sender nicht entscheiden, ist Gysi nun gut
und schlecht für Deutschland?
Dann begann man dem
Parteivorsitzenden aus Ost-Berlin und der PDS Steine in den Weg zu
legen. Es durfte einfach nicht sein, dass die Nachfolgepartei der SED
sich völlig gleichberechtigt am deutschen Politik-Betrieb
beteiligt.
Wieder und wieder wurde der Vorsitzende der PDS vom
„Spiegel“ ohne Beweise als informeller Mitarbeiter der Stasi
verdächtigt. Jahrelang hagelte es Vorwürfe, die PDS habe sich
ungesetzlich „Milliarden“ der SED angeeignet.
Das
Kuckucks-Ei, welches die DDR der BRD ins Nest gelegt hatte, wurde vom
Verfassungsschutz beobachtet. Im März 2014 teilte Innenminister
Thomas de Maizière dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi
mit, dass Bundestagsabgeordnete seiner Partei nicht mehr vom
Verfassungsschutz beobachtet werden.
Doch diese Erklärung war
unglaubwürdig. Ein Beispiel: Die Linke-Politikerin und
Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau, bekam zwar Einsicht in
ihre Akte, die der Verfassungsschutz über sie führte. Große Teile
der Akte waren jedoch geschwärzt[17].
Das Schwärzen von
Akten schürt Unsicherheit. Für ein Land, welches international für
Demokratie und Menschenrechte eintritt, ist so eine Praxis höchst
fragwürdig.
„Spiegel Online“
fordert von der Partei Die Linke Treue zur Nato
Bis
heute steht die Partei Die Linke unter strenger Beobachtung der
deutschen Medien. Immer wenn Jemand aus der Partei Die Linke direkte
Kritik an der NATO und der USA übt, kommt eine Gegenattacke von den
„Leitmedien“. Als der Linken-Abgeordnete Alexander Neu im
Bundestag am 10. März 2020 eine Veranstaltung[18] der
Linken-Fraktion zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen
organisierte, auf der eine der russischen Regierung nahestehende
russische Politologin ein Referat hielt, lief „Spiegel Online“
Sturm und drohte unterschwellig mit staatlichen Maßnahmen gegen die
Partei Die Linke.
Beim Lesen des Artikels[19] von
Spiegel-Online-Autor Jonas Schaible über die Linken-Veranstaltung
hat man den Eindruck, dass der Artikel nicht von einem unabhängigen
Journalisten, sondern von einem Pressesprecher des
Verfassungsschutzes geschrieben wurde. In dem Spiegel-Artikel heißt
es, „die Linke steht derzeit unter Beobachtung wie lange nicht.
Nach diesem Abend noch etwas mehr.“
Die Veranstaltung der
Linken mit einer russischen Politologin sei eine „heikle
Veranstaltung in einem heiklen Moment“, schreibt Spiegel-Online.
Warum heikel? Weil der Abgeordnete Neu „als Initiator einer
Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen des US-Drohnenmordes am
iranischen General Qassim Soleimani gerade erst den Zorn vieler in
Partei und Fraktion auf sich gezogen hat und jetzt ein Podium
bekommt.“
„Heikel“ ist also, wenn ein deutscher
Bundestagsabgeordneter Willkürakte der USA von deutschem Boden aus
unterbinden will und russische Politologen auf Veranstaltungen
sprechen lässt. Kaum zu glauben, dass solche Artikel heute als
„Journalismus“ anerkannt werden, wo sie doch eigentlich PR für
die Regierung sind.
SPON-Autor Schaible fordert von der Partei
„Die Linke“ absolute Treue zur Nato und zur USA. Er schreibt:
„Heikel ist die Veranstaltung, weil die Partei schon lange damit
ringt, dass immer wieder Linke Diktaturen und
Menschenrechtsverletzungen allenfalls halbherzig kritisieren, wenn es
um linke Regierungen wie in Kuba und Venezuela, oder eben um Russland
geht. Das aber wirft die Frage auf, ob man mit dieser Partei regieren
kann. Und mehr noch: ob alle in der Partei bedingungslos zur
liberalen Demokratie stehen.“
Dass die Dienste und
„Leitmedien“ gegen Linke Misstrauen schüren, ist seit 1945 eine
Konstante in der westdeutschen und Politik. Die Öffentlichkeit hat
sich an diesen Zustand gewöhnt, aber mit Demokratie hat das nichts
zu tun. Demokratie heißt, gleiche Chancen für alle, auch für die
kleineren Parteien.
Die folgende historische Untersuchung ist
eine überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die 1990 von der
Historischen Fakultät der Universität Hamburg angenommen
wurde.
Ulrich Heyden, August 2020
Wie
Deutschland gespalten wurde. Die Politik der KPD 1945 bis 1951,
Ulrich Heyden, Verlag tredition, Hamburg,
2020, 445 Seiten, mit Fotos und Faksimiles, Paperback, 19,99 €,
Unterm diesem Link kann das Buch beim Verlag bestellt werden. Dort
findet man auch das Inhaltsverzeichnis.
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