Samstag, 27. Februar 2021

ZUM TAG DER NVA - Persönliche Erinnerungen, H.P.

 

GRATULATION

zum 65. Jahrestag der Gründung der NVA am 1. März


AUSBRUCH AUS DER STILLE“

Persönliche Lebensbilder

(Autor: Harry Popow)


1.Textauszug


https://www.epubli.de/shop/buch/AUSBRUCH-AUS-DER-STILLE-Harry-Popow-9783748512981/83705


Götter-Ohren“ an Soldaten-Herzen


Im Juli 1964 schreibt Henry: Nicht zum ersten Mal haben wir den Eindruck, dass man Menschlichkeit im Umgang besonders in den oberen Etagen antrifft. Jüngstens waren beispielsweise Mitarbeiter des Zentralkomitees der SED in unserem Regiment im Einsatz. Was mich besonders freut: Nach einer Übung sind die Genossen vom ZK nicht allein zufrieden damit, dass die Soldaten gut geschossen haben, nein, sie wollen herausfinden, wie die jungen Leute denken und was deren Herz sagt. Und sie beraten sich mit uns Offizieren, wie man die Rechte der Soldaten noch besser sichern muss, wie man im Gespräch zu ihrem Inneren findet. Das ZK kritisiert u.a. jene Vorgesetzten, die die Nöte und Sorgen der Soldaten zu wenig kennen und dann manche Fehlentscheidungen treffen. Unter Feuer werden vor allem die mancherorts anzutreffende Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit gegenüber den Unterstellten genommen, (siehe z. B. Willkür bei den Festlegungen zum Urlaub und Ausgang und zur Freizeitgestaltung ). Nur ein Beispiel: Warum lässt man die Sonnabend-Ausgänger erst um 17 Uhr raus? Außerdem: Oft wissen die Soldaten nicht, wer am Wochenende Wache stehen muss, demzufolge sind auch Urlaub und Ausgang unklar. Oder: Waffenreinigen eine Stunde, am nächsten Tag zwei Stunden, ohne sie benutzt zu haben! Da greift sich doch jeder an den Kopf. Sinnlosigkeiten lassen Gleichgültigkeit aufkommen und ersticken jeden guten Willen. Aber: Wie leicht fällt es den Genossen von „oben“, zu bemängeln, sie ziehen ja wieder ab, und der Druck auf die Regimentsangehörigen, all die Termine, die Forderungen der höheren Stäbe – sie bleiben und halten sich zäh wie Teer in der Truppe. Man kann sich jedoch auf diese Genossen mit den mitfühlenden Herzen beziehen, das gibt ein wenig Halt.



2. Textauszug



Anfang Februar 1985 ringt sich Henry endgültig zu einem Entschluss durch. Im nächsten Jahr wird er fünfzig. Ist es nicht an der Zeit, den Dienst zu quittieren? Zumal es – das spürt er - nicht danach aussieht, dass die Armee noch sehr lange ihre Existenzberechtigung hat. Die NVA – so sieht es Henry – hat bisher mitgeholfen, an der Seite der Bruderarmeen einen kriegerischen Konflikt zu verhindern. Jetzt aber ist die Zeit reif für die weltweite Ächtung des Krieges, denn niemand würde ihn gewinnen, den atomaren Schlagabtausch. Sollte nicht endlich mal die Vernunft zum Zuge kommen? Vor allem aus der Sowjetunion sind neue Töne zu hören hinsichtlich grundlegender Veränderungen. Oberstleutnant Henry Popow hat sich als politischer Militärjournalist in diesem Zweikampf der Supermächte gesehen. Aber er wird älter, und Jüngere rücken nach. Sicher, die erheblichen Dienstbezüge (Gehalt) und Cleos gutes Verdienen in der Redaktion der Zeitschrift „Für Dich“ haben der Familie materielle Sicherheit garantiert ... Sie geben ihm aber nicht mehr Zeit für die Familie und nicht mehr Gesundheit ... Also: Er stellt den Antrag, zum Ende des Ausbildungsjahres 1985/86 aus dem aktiven Wehrdienst auszuscheiden.



3. Textauszug



"DER RUF DER TAUBE"



Harry Popow: "Der Ruf der Taube", Blüten im Kreuzfeuer. Sprache: Deutsch, ISBN: 9783746782256, Format: DIN A5 hoch, Seiten: 548, Erscheinungsdatum: 19.11.2018

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Auf nach Moskau


Ende September 1978. Im Ministerium für Verteidigung wurde es jetzt bestätigt: Henry fliegt nach Moskau. Auslandsdienstreise zur befreundeten Zeitung „Krasnaja Swesda“. Abflug am 2. Oktober von Schönefeld um 08.15 Uhr mit der IF 600, Ankunft in Moskau um 12.40 Uhr. Rückflug am 5. Oktober um 14.00 Uhr mit der IF 605, Ankunft in Berlin um 14.25 Uhr. Also bereitet er sich vor. Malt sich das reichlich zu recherchierende Material aus, eine Vielfalt von Themen. „Bringe soviel Artikel mit wie du kannst“, gab Oberst J. ihm mit auf den Weg. Henry ist allerdings auch für schnelle Änderungen der Lage dort in Moskau gewappnet, andere dienstreisende Reporter hatten ihm manchen Tipp gegeben. Dann Moskau, die Geburtsstadt seiner Mutter. Die breiten Straßen, der starke Autoverkehr, die Gastfreundlichkeit seiner Betreuer. Man besuchte die Offiziershochschule der Landstreitkräfte, die Kunpemirowkaer Panzerdivision und - natürlich – das Lenin-Mausoleum. Aber aus den sehr gründlichen Interviews wurde nichts. Mit einem Kompaniechef wollte Henry z. B. über Erfahrungen beim Gefechtsschießen sprechen. Doch viele Ohren- und Augenzeugen während des Gesprächs verunsicherten den sowjetischen Offizier offenbar. Henry konnte nur wenige Fakten notieren. Manches blieb auch recht unkonkret. Es war zum Haare ausreißen.


In Berlin musste er sich später aus eigener Anschauung ein Bild machen von den „Erfahrungen“ des sowjetischen Kompaniechefs, also flunkern was das Zeug hält. Privat wollte der Reporter in der Nähe des Alten Arbat auf Bitte seiner Mutter ihr ehemaliges Haus, in dem sie mit ihren Eltern gelebt hatte, ansehen. Sein Begleiter führte ihn zwar hin, aber wohl war diesem offensichtlich nicht zumute. Sollte Henry nicht, durfte er nicht? Machte der private Wunsch ihn verdächtig? Aber warum? Auch besuchte Henry mit seinen Begleitern auf die Schnelle Stanislaw, seinen sowjetischen Journalistenfreund aus Neubrandenburger und Potsdamer Zeiten. Er überreichte aber nur ein Geschenk, hielt sich nicht unnötig auf, er spürte, wie verlegen sowohl Stanislaw, als auch Henrys Betreuer waren. War ihnen privater Kontakt hier in der SU nicht erlaubt? Manches ist recht rätselhaft. Wer weiß, was deren Vorschriften diktieren? In einem Brief an seine Mutter beschreibt Henry Tage danach seine Eindrücke: „Moskau ist imposant. Viele interessante Bauten. Manches mutet an, als wäre es für die Jahrhunderte erbaut. Im krassen Gegensatz dazu die noch teilweise bewohnten alten Holzhäuser. Wie man mir sagte, wird Altes hier und da erhalten bleiben. So auch der alte Arbat. Die Kirche z. B., die ich fotografiert habe, trägt zur Zeit ein Baugerüst. Gaststätten, wie Du ja weißt, gibt es nur in den Hotels. Für die Jugend ist nichts da - tote Hose. Nur drei Diskotheken - für eine Achtmillionenstadt. Vor der Revolution hat es mehr Gaststätten, auch kleinere, gegeben. Danach wurde vieles liquidiert, so meine Begleiter. An diesen Zustand hat man sich wohl gewöhnt. Dafür herrscht ein feucht-fröhliches Treiben z. B. im Hotel Moskwa, in dem ich untergebracht war. Morgens aus dem Lautsprecher russische Lieder, ich fühle, die DDR, das mehr westliche Europa, ist so weit weg ...“


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