GRATULATION
zum 65. Jahrestag der Gründung der NVA am 1. März
„AUSBRUCH AUS DER STILLE“
Persönliche Lebensbilder
(Autor: Harry Popow)
1.Textauszug
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„
Götter-Ohren“ an Soldaten-Herzen
Im Juli 1964 schreibt Henry: Nicht zum ersten Mal haben wir den
Eindruck, dass man Menschlichkeit im Umgang besonders in den oberen
Etagen antrifft. Jüngstens waren beispielsweise Mitarbeiter des
Zentralkomitees der SED in unserem Regiment im Einsatz. Was mich
besonders freut: Nach einer Übung sind die Genossen vom ZK nicht allein
zufrieden damit, dass die Soldaten gut geschossen haben, nein, sie
wollen herausfinden, wie die jungen Leute denken und was deren Herz
sagt. Und sie beraten sich mit uns Offizieren, wie man die Rechte der
Soldaten noch besser sichern muss, wie man im Gespräch zu ihrem Inneren
findet. Das ZK kritisiert u.a. jene Vorgesetzten, die die Nöte und
Sorgen der Soldaten zu wenig kennen und dann manche Fehlentscheidungen
treffen. Unter Feuer werden vor allem die mancherorts anzutreffende
Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit gegenüber den Unterstellten genommen,
(siehe z. B. Willkür bei den Festlegungen zum Urlaub und Ausgang und
zur Freizeitgestaltung ). Nur ein Beispiel: Warum lässt man die
Sonnabend-Ausgänger erst um 17 Uhr raus? Außerdem: Oft wissen die
Soldaten nicht, wer am Wochenende Wache stehen muss, demzufolge sind
auch Urlaub und Ausgang unklar. Oder: Waffenreinigen eine Stunde, am
nächsten Tag zwei Stunden, ohne sie benutzt zu haben! Da greift sich
doch jeder an den Kopf. Sinnlosigkeiten lassen Gleichgültigkeit
aufkommen und ersticken jeden guten Willen. Aber: Wie leicht fällt es
den Genossen von „oben“, zu bemängeln, sie ziehen ja wieder ab, und der
Druck auf die Regimentsangehörigen, all die Termine, die Forderungen der
höheren Stäbe – sie bleiben und halten sich zäh wie Teer in der Truppe.
Man kann sich jedoch auf diese Genossen mit den mitfühlenden Herzen
beziehen, das gibt ein wenig Halt.
2. Textauszug
Anfang Februar 1985 ringt sich Henry endgültig zu einem Entschluss
durch. Im nächsten Jahr wird er fünfzig. Ist es nicht an der Zeit, den
Dienst zu quittieren? Zumal es – das spürt er - nicht danach aussieht,
dass die Armee noch sehr lange ihre Existenzberechtigung hat. Die NVA –
so sieht es Henry – hat bisher mitgeholfen, an der Seite der
Bruderarmeen einen kriegerischen Konflikt zu verhindern. Jetzt aber ist
die Zeit reif für die weltweite Ächtung des Krieges, denn niemand würde
ihn gewinnen, den atomaren Schlagabtausch. Sollte nicht endlich mal die
Vernunft zum Zuge kommen? Vor allem aus der Sowjetunion sind neue Töne
zu hören hinsichtlich grundlegender Veränderungen. Oberstleutnant Henry
Popow hat sich als politischer Militärjournalist in diesem Zweikampf der
Supermächte gesehen. Aber er wird älter, und Jüngere rücken nach.
Sicher, die erheblichen Dienstbezüge (Gehalt) und Cleos gutes Verdienen
in der Redaktion der Zeitschrift „Für Dich“ haben der Familie materielle
Sicherheit garantiert ... Sie geben ihm aber nicht mehr Zeit für die
Familie und nicht mehr Gesundheit ... Also: Er stellt den Antrag, zum
Ende des Ausbildungsjahres 1985/86 aus dem aktiven Wehrdienst
auszuscheiden.
3. Textauszug
"DER RUF DER TAUBE"
Harry Popow: "Der Ruf der Taube", Blüten im Kreuzfeuer. Sprache:
Deutsch, ISBN: 9783746782256, Format: DIN A5 hoch, Seiten: 548,
Erscheinungsdatum: 19.11.2018
https://www.epubli.de//shop/buch/RUF-DER-TAUBE-Harry-Popow-9783746782256/80635? utm_medium=email&utm_source=transactional&utm_campaign=Systemmail_PublishedSuccessfully
Auf nach Moskau
Ende September 1978. Im Ministerium für Verteidigung wurde es jetzt
bestätigt: Henry fliegt nach Moskau. Auslandsdienstreise zur
befreundeten Zeitung „Krasnaja Swesda“. Abflug am 2. Oktober von
Schönefeld um 08.15 Uhr mit der IF 600, Ankunft in Moskau um 12.40 Uhr.
Rückflug am 5. Oktober um 14.00 Uhr mit der IF 605, Ankunft in Berlin um
14.25 Uhr. Also bereitet er sich vor. Malt sich das reichlich zu
recherchierende Material aus, eine Vielfalt von Themen. „Bringe soviel
Artikel mit wie du kannst“, gab Oberst J. ihm mit auf den Weg. Henry ist
allerdings auch für schnelle Änderungen der Lage dort in Moskau
gewappnet, andere dienstreisende Reporter hatten ihm manchen Tipp
gegeben. Dann Moskau, die Geburtsstadt seiner Mutter. Die breiten
Straßen, der starke Autoverkehr, die Gastfreundlichkeit seiner Betreuer.
Man besuchte die Offiziershochschule der Landstreitkräfte, die
Kunpemirowkaer Panzerdivision und - natürlich – das Lenin-Mausoleum.
Aber aus den sehr gründlichen Interviews wurde nichts. Mit einem
Kompaniechef wollte Henry z. B. über Erfahrungen beim Gefechtsschießen
sprechen. Doch viele Ohren- und Augenzeugen während des Gesprächs
verunsicherten den sowjetischen Offizier offenbar. Henry konnte nur
wenige Fakten notieren. Manches blieb auch recht unkonkret. Es war zum
Haare ausreißen.
In Berlin musste er sich später aus eigener Anschauung ein Bild machen
von den „Erfahrungen“ des sowjetischen Kompaniechefs, also flunkern was
das Zeug hält. Privat wollte der Reporter in der Nähe des Alten Arbat
auf Bitte seiner Mutter ihr ehemaliges Haus, in dem sie mit ihren Eltern
gelebt hatte, ansehen. Sein Begleiter führte ihn zwar hin, aber wohl
war diesem offensichtlich nicht zumute. Sollte Henry nicht, durfte er
nicht? Machte der private Wunsch ihn verdächtig? Aber warum? Auch
besuchte Henry mit seinen Begleitern auf die Schnelle Stanislaw, seinen
sowjetischen Journalistenfreund aus Neubrandenburger und Potsdamer
Zeiten. Er überreichte aber nur ein Geschenk, hielt sich nicht unnötig
auf, er spürte, wie verlegen sowohl Stanislaw, als auch Henrys Betreuer
waren. War ihnen privater Kontakt hier in der SU nicht erlaubt? Manches
ist recht rätselhaft. Wer weiß, was deren Vorschriften diktieren? In
einem Brief an seine Mutter beschreibt Henry Tage danach seine
Eindrücke: „Moskau ist imposant. Viele interessante Bauten. Manches
mutet an, als wäre es für die Jahrhunderte erbaut. Im krassen Gegensatz
dazu die noch teilweise bewohnten alten Holzhäuser. Wie man mir sagte,
wird Altes hier und da erhalten bleiben. So auch der alte Arbat. Die
Kirche z. B., die ich fotografiert habe, trägt zur Zeit ein Baugerüst.
Gaststätten, wie Du ja weißt, gibt es nur in den Hotels. Für die Jugend
ist nichts da - tote Hose. Nur drei Diskotheken - für eine
Achtmillionenstadt. Vor der Revolution hat es mehr Gaststätten, auch
kleinere, gegeben. Danach wurde vieles liquidiert, so meine Begleiter.
An diesen Zustand hat man sich wohl gewöhnt. Dafür herrscht ein
feucht-fröhliches Treiben z. B. im Hotel Moskwa, in dem ich
untergebracht war. Morgens aus dem Lautsprecher russische Lieder, ich
fühle, die DDR, das mehr westliche Europa, ist so weit weg ...“
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