Entnommen: https://linkezeitung.de/2020/12/09/usa-drohen-dem-iran-und-venezuela-mit-krieg/
USA drohen
dem Iran und Venezuela mit Krieg
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 9. DEZEMBER 2020 ⋅
HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Bill Van Auken –
https://www.wsws.org/
Keine
zwei Wochen nach dem Mord an dem iranischen Physiker Mohsen
Fachrisadeh (eine kriminelle Tat des israelischen Geheimdiensts
Mossad in Kooperation mit Washington) drohen die USA in den letzten
sechs Wochen von Donald Trumps Amtszeit erneut mit massiver
militärischen Aggression.
Fachrisadeh galt als
renommiertester iranischer Wissenschaftler. Er hatte eine führende
Stellung im iranischen Atomprogramm inne. Seine Ermordung war eine
gezielte Provokation, die den Iran zu Vergeltungsmaßnahmen verleiten
sollte, die dann als Vorwand für einen Krieg hätten dienen
sollen.
Die bürgerlich-klerikale Führung des Iran hat jedoch
von einer derartigen Reaktion abgesehen. Sie wird einerseits durch
den „maximalen Druck“ der Sanktionen und andererseits durch die
wachsende Unruhe der Arbeiterklasse bedrängt. Die herrschende
Fraktion unter Führung von Präsident Hassan Ruhani scheint darauf
zu bauen, dass die kommende Biden-Regierung die Sanktionen lockern
und dem Atomabkommen wieder beitreten wird. Trump hatte das Abkommen
vor zwei Jahren einseitig aufgekündigt. Andere Fraktionen des
iranischen Staatsapparats fordern jedoch Vergeltungsmaßnamen, etwa
die Ausweisung der IAEA-Atominspektoren oder sogar Militärschläge
gegen Israel.
Die Gefahr einer erneuten Provokation ist
weiterhin groß. Die Trump-Regierung verfolgt eine aggressive
Außenpolitik und hat nicht nur eine ganze Reihe von neuen Sanktionen
gegen den Iran, China und Venezuela verhängt, sondern sie inszeniert
im Persischen Golf, dem Südchinesischen Meer und der Karibik
gefährliche Militäroperationen.
Die USA haben es vor allem
auf die Beziehungen zwischen dem Iran und Venezuela abgesehen. Gegen
beide Länder hat die noch amtierende Trump-Regierung Sanktionen
verhängt, um „maximalen Druck“ auszuüben, was einem
Kriegszustand schon sehr nahe kommt.
Der US-„Sonderbeauftragte
für den Iran und Venezuela“, Elliott Abrams, ein berüchtigter und
gewiefter US-Kriegsverbrecher, machte dies erst letzte Woche
deutlich. Abrams‘ Karriere begann unter der Reagan-Regierung als
Kontaktmann zu den Militärdiktaturen in Mittelamerika, die in den
1980ern mit US-amerikanischer Unterstützung mehrere nahezu
völkermörderische Kriege führten. Später kam Abrams vor Gericht
und wurde im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre in mehreren
Punkten schuldig gesprochen. Die Iran-Contra-Affäre war eine geheime
und illegale Operation zur Finanzierung einer rechten Guerilla-Armee,
die in Verbindung mit der CIA einen terroristischen Krieg gegen
Nicaragua führte.
Im September wurde Abrams gleichzeitig zum
Sonderbeauftragten für den Iran und für Venezuela ernannt. Das muss
als eine deutliche Warnung vor den Absichten der Trump-Regierung
verstanden werden.
Am 3. Dezember hat Abrams offen mit einem
Militäreinsatz gedroht, falls der Iran Raketen an Venezuela liefern
werde. Er sprach in einem Onlineseminar am National Security
Institute der George-Mason-Universität.
Abrams erklärte:
„Wir werden es nicht hinnehmen oder tolerieren, dass sich in
Venezuela iranische Raketen befinden, die die USA erreichen können
(…) Wir werden es nicht hinnehmen, und wenn sie es versuchen,
werden wir – zumindest unter dieser Regierung – versuchen es zu
verbieten. Falls sie in Venezuela eintreffen, werden wir sie dort
zerstören. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich in Venezuela iranische
Raketen befinden, die die USA erreichen können.“
Tatsächlich
gibt es keinerlei Beweise für eine solche Behauptung, der Iran würde
Raketen per Schiff nach Venezuela transportieren. Das schließt
jedoch nicht aus, dass Washington eine angebliche
„Venezuela-Raketen-Krise“ als Vorwand für einen Krieg benutzen
könnte.
Der Befehlshaber des US Southern Command (SOUTHCOM),
Admiral Craig Faller, hatte sich letzte Woche ähnlich über eine
angebliche iranische Bedrohung in Venezuela geäußert.
Bei
einer Rede vor dem Pressekorps des Pentagon erklärte Admiral Faller:
„Wir erleben, dass der Einfluss des Iran in Venezuela zunimmt.
Beunruhigender Weise ist auch die al-Quds-Einheit daran beteiligt.
Dazu kommen einige Waffengeschäfte.“
Er fügte hinzu: „Es
handelt sich nicht nur um Öllieferungen, sondern auch um
Waffenlieferungen. In diesem Bereich haben wir dieses Jahr einen
Aufwärtstrend erlebt. Wir überwachen die Veränderungen sehr genau,
um zu prüfen, ob ein Zusammenhang mit anderen iranischen
Machenschaften im Rest der Welt besteht.“
Nicht allein
angebliche Raketenlieferungen könnten den USA zum Anlass für eine
militärische Provokation dienen. Denselben Zweck könnten die
tatsächlich stattfindenden Treibstofflieferungen erfüllen. Laut
Bloomberg befindet sich eine Flotte von etwa zehn iranischen Tankern
mit Benzin und anderen Treibstoffprodukten, die Caracas zur
Raffinierung seines Rohöls braucht, auf dem Weg nach Venezuela. Als
Gegenleistung sollen die Tanker venezolanisches Erdöl aufnehmen, das
auf dem Weltmarkt verkauft werden soll, vermutlich an China.
Diese
Flotte ist wohl doppelt so groß wie die fünf Tanker, die im Mai
Treibstoff aus dem Iran nach Venezuela gebracht hatten. Als Reaktion
darauf verhängte die US-Regierung damals Sanktionen gegen die
Kapitäne der Schiffe.
Washington hat vier weitere Tanker
abgefangen, die angeblich auf dem Weg nach Venezuela waren. Ihre
Treibstoffladungen wurden auf dem Meer abgezapft und später für 40
Millionen Dollar verkauft. Der Iran dementierte, dass ihm die Tanker
oder das Öl gehörten. Schiffsreeder in Oman, Großbritannien und
den VAE haben Klage gegen diese Piraterie eingereicht.
Unter
dem Deckmantel des Kampfs gegen Drogenschmuggel hat das US-Militär
die größte Marinestreitmacht seit dem Überfall auf Panama 1989 in
die Region entsandt. Eine ähnliche Operation gegen die aktuelle
iranische Flotte wie damals könnte eine eskalierende Spirale
militärischer Vergeltungsschläge in Gang setzen.
Die
Trump-Regierung hat wiederholt erklärt, die Option eines
Militärschlags gegen Venezuela liege „weiterhin auf dem
Tisch“.
US-Außenminister Mike Pompeo, der im September eine
provokante dreitägige Reise durch alle Länder unternommen hat, die
an Venezuela grenzen, verschärfte im Vorfeld der venezolanischen
Parlamentswahlen am letzten Sonntag seine Angriffe auf die Regierung
von Präsident Nicolas Maduro. Das Wahlbündnis hinter Maduros
Vereinigter Sozialistischer Partei Venezuelas (PSUV) gewann die Wahl
mit 67 Prozent, allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 32
Prozent.
Die US-Marionette Juan Guaidó, ehemaliger
Vorsitzende der Nationalversammlung, der sich im Januar 2019 zum
„Interimspräsidenten“ ausgerufen hatte, war von den USA und
Europa sofort als die „legitime“ Regierung Venezuelas anerkannt
worden. Die jetzige Wahl hat Guaidó boykottiert und behauptet, die
Regierung habe betrogen. Ein weiterer Flügel der rechten Opposition,
zu dem die traditionellen venezolanischen Regierungsparteien COPEI
und Accíon Democrática gehören, trat mit eigenen Kandidaten an und
gewann etwa 18 Prozent der Stimmen.
Das Zerwürfnis der
rechten Opposition verdeutlicht das Scheitern von Guaidós Versuch,
mit Unterstützung der USA einen Regimewechsel zu erzwingen. Im April
2019 hatte er ohne Erfolg versucht, einen Militärputsch zu
lancieren, und im Mai dieses Jahres scheiterte ein versuchter
Söldner-Überfall auf das Land ebenfalls.
Die massive
Wahlenthaltung am Sonntag war ein Ausdruck der wachsenden Wut der
Arbeiterklasse über den Umgang der Maduro-Regierung mit der tiefen
Wirtschaftskrise. Maduros Reaktion besteht darin, dass er die
Interessen der Kapitalisten schützt und gleichzeitig den Widerstand
der Bevölkerung unterdrückt. Die Zerstörung der venezolanischen
Wirtschaft, noch gesteigert durch die Sanktionen der USA, hat
Massenarbeitslosigkeit und Hyperinflation hervorgerufen. Gleichzeitig
eskaliert auch die Corona-Pandemie weiterhin.
Guaidós Boykott
kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er in der venezolanischen
Bevölkerung kaum Unterstützung genießt. Vielmehr stoßen seine
Forderungen nach verschärften Sanktionen und einer Intervention des
Auslands, um einen Regimewechsel herbeizuführen, auf beinahe
einhellige Ablehnung.
Statt zur Wahl anzutreten, inszeniert
Guaidó mit Unterstützung der USA seine eigene Pseudowahl. Die
Bevölkerung soll im Rahmen einer „Volksbefragung“ (vor allem
online) darüber abstimmen, ob Maduro abgesetzt und „internationale
Unterstützung“ bei der „Rettung unserer Demokratie“
angefordert werden soll. Die USA könnten die Ergebnisse einer
solchen Umfrage als Rechtfertigung für eine Intervention
benutzen.
Pompeo erklärte am Montag auf Twitter, die
Parlamentswahl in Venezuela sei „keine Wahl, sondern ein Betrug und
eine Farce“ und „nichts anderes als ein Versuch, Venezuela seine
demokratische Zukunft zu stehlen“.
Da Pompeo eine Regierung
repräsentiert, die offen versucht, die Ergebnisse der
Präsidentschaftswahl für nichtig zu erklären und eine
Präsidialdiktatur zu errichten, wurde diese Äußerung sofort
kritisiert und ins Lächerliche gezogen. Pompeo selbst hat vor Kurzem
auf die Frage eines Reporters nach einer geordneten Machtübergabe im
Außenministerium erklärt, es werde einen „geordneten Übergang zu
einer zweiten Trump-Regierung“ geben.
Die Mainstreammedien
interpretieren die Drohungen, Provokationen und Sanktionen der
Trump-Regierung als einen Versuch, einer künftigen Biden-Regierung
verbrannte Erde zu hinterlassen und eine Rückkehr zum iranischen
Atomabkommen oder einen Abbau der Spannungen schwierig oder unmöglich
zu machen.
Allerdings gibt es auch eine viel bedrohlichere
Möglichkeit. Falls es der Trump-Regierung gelingt, einen Krieg
heraufzubeschwören, hätte sie einen Vorwand, um ihre wiederholten
Drohungen wahrzumachen. Sie hat bereits damit gedroht, das
Aufstandsgesetz (Insurrection Act) anzuwenden, das Militär im
Inneren einzusetzen und die Präsidentschaftswahl auf diese Weise für
null und nichtig zu erklären. Da Trump noch sechs Wochen im Amt ist,
bleibt dies eine reale und allgegenwärtige Gefahr.
Unabhängig
vom Ergebnis der Putschpläne Trumps und unabhängig davon, wer nach
dem 20. Januar im Weißen Haus sitzt, wird sich der Kurs auf Krieg
und Diktatur weiter verschärfen. Seine Ursache ist die unlösbare
Krise des US- und des
Weltkapitalismus.
https://www.wsws.org/de/articles/2020/12/09/iran-d09.html
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