Der Fall Navalny zeigt anschaulich, wie die post-faktische Welt funktioniert
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 27. DEZEMBER 2020
von
Thomas Röper – https://www.anti-spiegel.ru/
Im Fall Navalny wird alles verdreht, was nur verdreht
werden kann. Dass das absurde Blüten treibt, ist vielen ohnehin
bereits klar. Trotzdem – oder gerade deshalb – möchte ich es
hier noch einmal komprimiert aufzeigen, denn es zeigt anschaulich,
wie die post-faktische Welt funktioniert.
In Deutschland
ist die treibende Kraft hinter der (Medien-) Kampagne im Fall Navalny
der Spiegel. Darauf werden wir eingehen, denn das ist ein ganz
wichtiger Aspekt, der aufzeigt, wie ein Medium eine Meldung in die
Welt setzt, die dann von allen aufgenommen wird. Nachprüfbare Fakten
braucht es dabei keine, es reicht eine blumig ausgeschmückte
Geschichte. Willkommen in der post-faktischen Welt!.
Die
post-faktische Welt
Wir erleben in den letzten Jahren immer wieder, dass
wir tatsächlich in einer post-faktischen Welt leben. Früher einmal
brauchte es für eine Anschuldigung Beweise und es galt die
Unschuldsvermutung, bis ein Gericht die Schuld auch tatsächlich
festgestellt hat. Das ist heute anders. Heute haben sich die Medien
zum Hüter der Wahrheit und vor allem zu Ankläger und Richter in
einer Person ernannt. Fakten braucht es heute keine mehr, es reicht,
wenn eine Geschichte von einem Medium hübsch erzählt wird, dann
greifen alle anderen sie als wahr auf.
Man könnte von der
„Relotius-Methode“ sprechen, denn so hat Relotius gearbeitet:
Seine Geschichten waren blumig und gut geschrieben, nur waren sie
eben frei erfunden.
Früher gab es noch investigativen
Journalismus, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass die Medien
einen Skandal oder ein Verbrechen aufgedeckt haben, das dann
Schlagzeilen gemacht hat, aber nicht gleich zur Vorverurteilung von
jemandem geführt hat. Die aufgedeckten und der Öffentlichkeit (und
wenn nötig auch der Staatsanwaltschaft) präsentierten Behauptungen
und Belege wurden früher mal kritisch hinterfragt. Das findet heute
nicht mehr statt.
Die Medien werden inzwischen als wichtiger
angesehen, als offizielle Quellen oder staatliche Stellen. Bei den
US-Wahlen war das besonders deutlich zu sehen, denn der (umstrittene)
Wahlsieg von Joe Biden wurde ja nicht etwa von staatlichen Stellen
wie Wahlkommissionen verkündet, sondern von den Medien. Und da die
heute für die Meinungsbildung so wichtigen sozialen Netzwerke sich
darauf geeinigt hatten, den Wahlsieger in dem Moment zu verkünden,
in dem zwei führende Leitmedien ihn verkünden, kam es zu dem
Phänomen einer Echokammer. Plötzlich haben alle das Echo
weiterverbreitet, Biden sei der Wahlsieger. Dass es noch kein
offizielles Ergebnis gab, war dabei unwichtig, wichtig war allein die
Meinung der Medien.
Wer sich noch an das jahr 2000 erinnert,
als es ebenfalls einen umstrittenen Ausgang einer US-Wahl gab, dem
springt die Veränderung ins Auge. Damals haben die Medien keinen
Sieger verkündet, sondern intensiv über die Gerichtsverhandlungen
und die Neuauszählungen berichtet. Einen Wahlsieger haben sie erst
verkündet, als es eine offizielle Stelle getan hat, damals war das
der Oberste Gerichtshof der USA.
Gleiches erleben wir bei
tatsächlichen oder angeblichen Skandalen: Die Medien veröffentlichen
eine Vorwurf gegen jemanden (gerne geht es dabei zum Beispiel um
sexuelle Belästigung) und niemand wartet darauf, ob und wie ein
Gericht entscheidet, der Beschuldigte darf in der Regel nicht einmal
in den Medien zu Wort kommen, und die Medien führen sich als
Ankläger und Richter in einer Person auf und schlachten den
Beschuldigten medial. Mit Journalismus hat das nichts zu tun, es ist
die moderne Form des mittelalterlichen Prangers und reine
Meinungsmache.
Und das gleiche erleben wir aktuell auch im
Fall Navalny.
Die merkwürdige Rolle des
Spiegel
Gehen wir mal die Fakten durch, dann wird schnell
deutlich, wie die Medien arbeiten.
Fakt ist, Navalny hat in
einem Flugzeug das Bewusstsein verloren und ist nach einer Notlandung
in Omsk ins Krankenhaus gekommen, wo die russischen Ärzte ihm das
Leben gerettet haben. Navalnys Umfeld und die Medien haben sofort von
einer Vergiftung gesprochen. Bemerkenswart war in diesem Zusammenhang
die Tatsache, dass der Spiegel offensichtlich von Anfang an in die
Propaganda-Kampagne eingebunden war.
Die Charité
veröffentlichte am 24. August eine Pressemeldung, in der sie
mitteilte, in Navalnys Proben seien Cholinesterasehemmer gefunden
worden. Der Tweet der Charité ist von 16.22 Uhr. Schon eine Minute
später, um 16.23 Uhr, ist beim Spiegel ein ausführlicher Artikel
darüber erschienen, die Details dazu finden Sie hier. Wie kann es
sein, dass der Spiegel zeitgleich mit der Charité berichtet? Woher
hatte er die Informationen, um den Artikel vorzubereiten und
zeitgleich mit dem Tweet der Charité zu veröffentlichen?
Der
Spiegel spielt also von Anfang an eine sehr verdächtige Rolle in dem
Navalny-Spiel und wurde offensichtlich von Anfang an von staatlichen
Stellen mit Informationen versorgt, die Charite ist schließlich auch
eine staatliche Stelle.
Bundesregierung: Uns
muss man blind glauben
Dann hat die Bundesregierung erklärt, Navalny sei
„zweifelsfrei“ mit Nowitschok vergiftet worden. Das habe ein
Bundeswehrlabor, also wieder eine staatliche und keine neutrale
Stelle, herausgefunden. Beweise hingegen blieb die Bundesregierung
schuldig, der Bericht des Labors wird der Öffentlichkeit
vorenthalten.
Um die Glaubwürdigkeit der Aussage zu erhöhen,
wurden angeblich auch Proben an staatliche Labore in Frankreich und
Schweden geschickt, die das Ergebnis der Bundeswehr bestätigt haben,
ihre Untersuchungsergebnisse aber auch geheim gehalten haben. Man
muss auch denen blind glauben.
Anschließend hat die
Bundesregierung auch die Organisation zum Verbot chemischer Waffen
(OPCW) zu Navalny vorgelassen und auch die OPCW hat später angeblich
mitgeteilt, die Ergebnisse der Bundeswehr bestätigen zu können.
Aber: Auch die OPCW hat nichts veröffentlicht, denn auf deutschen
Wunsch wurden in dem OPCW-Bericht die Stellen mit den chemischen
Analysen geschwärzt und auch die ursprüngliche Pressemeldung der
OPCW hat keineswegs davon gesprochen, Nowitschok gefunden zu haben.
Das sie die Ergebnisse geschwärzt hat, ist merkwürdig, denn
immerhin ist die OPCW eine internationale Organisation, die ihren
Mitgliedsstaaten eigentlich ihre Ergebnisse mitteilen müsste. Tut
sie aber nicht.
Wenn man sich nun noch daran erinnert, dass
Whistleblower der OPCW vorwerfen, Untersuchungsberichte gefälscht zu
haben, damit sie den vom Westen gewollten Narrativen entsprechen,
dann passt das aktuelle Verhalten der OPCW in ein bekanntes
Muster.
Da alle Untersuchungsergebnisse immer noch
zurückgehalten werden, muss man den staatlichen Stellen, die die
Vergiftung gemeldet haben, blind glauben. Dabei wäre es doch ein
Leichtes, die Beweise zu veröffentlichen, wenn es sie denn gibt, und
Russland damit in Erklärungsnot zu bringen. Das geschieht aber
nicht, stattdessen veranstalten die Medien ein propagandistisches
Feuerwerk und behaupten, alles sei ganz eindeutig.
Die
Widersprüche werden nicht thematisiert
Inzwischen haben wir drei Versionen davon, wie
Navalny angeblich vergiftet wurde. Zuerst war die Rede von seinem
Tee, den er auf dem Flughafen vor seinem Abflug getrunken hat. Später
dann wurde bekannt, dass die Leute von Navalny Wasserflaschen aus
seinem Hotelzimmer entwendet und zusammen mit Navalny nach
Deutschland geschmuggelt haben. So entstand die Version, das Gift sei
an den Flaschen gewesen. Immerhin hieß von der Bundesregierung, dass
Nowitschok (auch) auf Gegenständen gefunden worden sei.
Nun
haben wir vom Spiegel eine neue Version präsentiert bekommen.
Navalny hat mit seinem angeblichen Mörder telefoniert und der hat am
Telefon alles gestanden. Diese Geschichte ist an sich schon verrückt
genug, aber sie enthält einen wichtigen Widerspruch, der bisher
nirgends thematisiert wurde. Laut dem Telefonat mit seinem
angeblichen Mörder war das Gift nun in Navalnys Unterhose. Es sei an
der Innenseite angebracht worden.
Das ist die dritte Version
und wenn Medien und Politik diese Version nun zur neuen offiziellen
Version machen, müssen sie erklären, wie die zu den angeblichen
Untersuchungsergebnissen der Bundeswehr passt, die Nowitschok (auch)
auf Gegenständen gefunden haben will. Die fragliche Unterhose ist
nämlich in Russland geblieben und Navalnys angeblicher Mörder hat
in dem Telefonat gesagt, sie sei danach gereinigt worden, damit daran
nichts mehr gefunden werden kann.
Aber auf welchen
Gegenständen hat die Bundeswehr denn Nowitschok gefunden, wenn die
kontaminierte Unterhose erstens in Russland geblieben und zweitens
gereinigt worden ist? Hat Navalny etwa seine Unterhose an den
Wasserflaschen, die bisher als die fraglichen Gegenstände gegolten
haben, abgerieben?
Die angeblich so kritischen
„Qualitätsmedien“ stellen solche Fragen aber nicht, die feiern
das Telefonat, ohne zu fragen, wie diese neuen Informationen zu dem
passen, was die Bundesregierung einst als „zweifelsfrei“
bezeichnet hat.
Ich habe keine Ahnung, was mit Navalny
passiert ist, aber die Widersprüche der bisher drei Versionen seiner
angeblichen Vergiftung werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten
liefern. Und statt harter Fakten bekommt die Öffentlichkeit von den
Medien immer neue Räuberpistolen präsentiert.
Politiker
berufen sich auf Medien anstatt auf Behörden
Interessant ist auch, dass die Politik sich nicht auf
die offiziellen Erkenntnisse beruft, sondern stattdessen die
angeblichen Spiegel-Enthüllungen als Fakten akzeptiert. Dass der
Spiegel diese Informationen nicht ohne Hilfe von Geheimdiensten (also
schon wieder staatlichen Stellen) bekommen haben kann, wird mit der
Legende verschleiert, in Russland könne man GPS-Bewegungsdaten,
Buchungsdatenbanken von Fluggesellschaften und die Datenbanken der
Meldebhörden auf dem Schwarzmarkt kaufen. Ich weiß aus sicherer
Quelle, dass das Unsinn ist.
Ohne die Hilfe von westlichen
Geheimdiensten konnte der Spiegel an diese Informationen nicht
herankommen. Ich habe das in der aktuellen Tacheles-Sendung noch
einmal ausführlich erklärt.
Aber auch das hinterfragt im
Westen niemand, stattdessen zeigen sich deutsche Politiker von den
„Spiegel-Enthüllungen“ ganz schockiert, anstatt sich auf die
Erkenntnisse staatlicher Stellen zu berufen, die nun wirklich
umfangreicher und besser informiert sein sollten, als ein paar
Journalisten von Spiegel und CNN.
So zitiert der Spiegel
einige deutsche Politiker, die sich auf die „Spiegel-Enthüllungen“
beziehen, sie für bare Münze nehmen und Russlands Schuld daher als
erwiesen ansehen. Einer dieser Politiker ist Bundesaußenkasper Maas,
dessen Äußerungen auch in russischen Medien zitiert wurden.
Aber
seit wann sind Medienberichte entscheidend in einer Schuldfrage?
Diese Frage habe ich bereits zu Beginn des Artikels gestellt, denn
mittlerweile sind Medienberichte im Westen wichtiger, als Fakten.
So
funktioniert die post-faktische Zeit, die im Westen schleichend
begonnen hat und mittlerweile Mainstream geworden ist: Eine schön
erzählte Geschichte ist wichtiger, als harte und überprüfbare
Fakten.
Der Fall Navalny zeigt
anschaulich, wie die post-faktische Welt funktioniert
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