Sonntag, 27. Dezember 2020

Absurdes Blütenfest im Fall Navalny - LZ

 Entnommen: https://linkezeitung.de/2020/12/27/der-fall-navalny-zeigt-anschaulich-wie-die-post-faktische-welt-funktioniert/


Der Fall Navalny zeigt anschaulich, wie die post-faktische Welt funktioniert



VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 27. DEZEMBER 2020


von Thomas Röper – https://www.anti-spiegel.ru/

Im Fall Navalny wird alles verdreht, was nur verdreht werden kann. Dass das absurde Blüten treibt, ist vielen ohnehin bereits klar. Trotzdem – oder gerade deshalb – möchte ich es hier noch einmal komprimiert aufzeigen, denn es zeigt anschaulich, wie die post-faktische Welt funktioniert.

In Deutschland ist die treibende Kraft hinter der (Medien-) Kampagne im Fall Navalny der Spiegel. Darauf werden wir eingehen, denn das ist ein ganz wichtiger Aspekt, der aufzeigt, wie ein Medium eine Meldung in die Welt setzt, die dann von allen aufgenommen wird. Nachprüfbare Fakten braucht es dabei keine, es reicht eine blumig ausgeschmückte Geschichte. Willkommen in der post-faktischen Welt!.

Die post-faktische Welt

Wir erleben in den letzten Jahren immer wieder, dass wir tatsächlich in einer post-faktischen Welt leben. Früher einmal brauchte es für eine Anschuldigung Beweise und es galt die Unschuldsvermutung, bis ein Gericht die Schuld auch tatsächlich festgestellt hat. Das ist heute anders. Heute haben sich die Medien zum Hüter der Wahrheit und vor allem zu Ankläger und Richter in einer Person ernannt. Fakten braucht es heute keine mehr, es reicht, wenn eine Geschichte von einem Medium hübsch erzählt wird, dann greifen alle anderen sie als wahr auf.

Man könnte von der „Relotius-Methode“ sprechen, denn so hat Relotius gearbeitet: Seine Geschichten waren blumig und gut geschrieben, nur waren sie eben frei erfunden.

Früher gab es noch investigativen Journalismus, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass die Medien einen Skandal oder ein Verbrechen aufgedeckt haben, das dann Schlagzeilen gemacht hat, aber nicht gleich zur Vorverurteilung von jemandem geführt hat. Die aufgedeckten und der Öffentlichkeit (und wenn nötig auch der Staatsanwaltschaft) präsentierten Behauptungen und Belege wurden früher mal kritisch hinterfragt. Das findet heute nicht mehr statt.

Die Medien werden inzwischen als wichtiger angesehen, als offizielle Quellen oder staatliche Stellen. Bei den US-Wahlen war das besonders deutlich zu sehen, denn der (umstrittene) Wahlsieg von Joe Biden wurde ja nicht etwa von staatlichen Stellen wie Wahlkommissionen verkündet, sondern von den Medien. Und da die heute für die Meinungsbildung so wichtigen sozialen Netzwerke sich darauf geeinigt hatten, den Wahlsieger in dem Moment zu verkünden, in dem zwei führende Leitmedien ihn verkünden, kam es zu dem Phänomen einer Echokammer. Plötzlich haben alle das Echo weiterverbreitet, Biden sei der Wahlsieger. Dass es noch kein offizielles Ergebnis gab, war dabei unwichtig, wichtig war allein die Meinung der Medien.

Wer sich noch an das jahr 2000 erinnert, als es ebenfalls einen umstrittenen Ausgang einer US-Wahl gab, dem springt die Veränderung ins Auge. Damals haben die Medien keinen Sieger verkündet, sondern intensiv über die Gerichtsverhandlungen und die Neuauszählungen berichtet. Einen Wahlsieger haben sie erst verkündet, als es eine offizielle Stelle getan hat, damals war das der Oberste Gerichtshof der USA.

Gleiches erleben wir bei tatsächlichen oder angeblichen Skandalen: Die Medien veröffentlichen eine Vorwurf gegen jemanden (gerne geht es dabei zum Beispiel um sexuelle Belästigung) und niemand wartet darauf, ob und wie ein Gericht entscheidet, der Beschuldigte darf in der Regel nicht einmal in den Medien zu Wort kommen, und die Medien führen sich als Ankläger und Richter in einer Person auf und schlachten den Beschuldigten medial. Mit Journalismus hat das nichts zu tun, es ist die moderne Form des mittelalterlichen Prangers und reine Meinungsmache.

Und das gleiche erleben wir aktuell auch im Fall Navalny.

Die merkwürdige Rolle des Spiegel

Gehen wir mal die Fakten durch, dann wird schnell deutlich, wie die Medien arbeiten.

Fakt ist, Navalny hat in einem Flugzeug das Bewusstsein verloren und ist nach einer Notlandung in Omsk ins Krankenhaus gekommen, wo die russischen Ärzte ihm das Leben gerettet haben. Navalnys Umfeld und die Medien haben sofort von einer Vergiftung gesprochen. Bemerkenswart war in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Spiegel offensichtlich von Anfang an in die Propaganda-Kampagne eingebunden war.

Die Charité veröffentlichte am 24. August eine Pressemeldung, in der sie mitteilte, in Navalnys Proben seien Cholinesterasehemmer gefunden worden. Der Tweet der Charité ist von 16.22 Uhr. Schon eine Minute später, um 16.23 Uhr, ist beim Spiegel ein ausführlicher Artikel darüber erschienen, die Details dazu finden Sie hier. Wie kann es sein, dass der Spiegel zeitgleich mit der Charité berichtet? Woher hatte er die Informationen, um den Artikel vorzubereiten und zeitgleich mit dem Tweet der Charité zu veröffentlichen?

Der Spiegel spielt also von Anfang an eine sehr verdächtige Rolle in dem Navalny-Spiel und wurde offensichtlich von Anfang an von staatlichen Stellen mit Informationen versorgt, die Charite ist schließlich auch eine staatliche Stelle.

Bundesregierung: Uns muss man blind glauben

Dann hat die Bundesregierung erklärt, Navalny sei „zweifelsfrei“ mit Nowitschok vergiftet worden. Das habe ein Bundeswehrlabor, also wieder eine staatliche und keine neutrale Stelle, herausgefunden. Beweise hingegen blieb die Bundesregierung schuldig, der Bericht des Labors wird der Öffentlichkeit vorenthalten.


Um die Glaubwürdigkeit der Aussage zu erhöhen, wurden angeblich auch Proben an staatliche Labore in Frankreich und Schweden geschickt, die das Ergebnis der Bundeswehr bestätigt haben, ihre Untersuchungsergebnisse aber auch geheim gehalten haben. Man muss auch denen blind glauben.

Anschließend hat die Bundesregierung auch die Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu Navalny vorgelassen und auch die OPCW hat später angeblich mitgeteilt, die Ergebnisse der Bundeswehr bestätigen zu können. Aber: Auch die OPCW hat nichts veröffentlicht, denn auf deutschen Wunsch wurden in dem OPCW-Bericht die Stellen mit den chemischen Analysen geschwärzt und auch die ursprüngliche Pressemeldung der OPCW hat keineswegs davon gesprochen, Nowitschok gefunden zu haben. Das sie die Ergebnisse geschwärzt hat, ist merkwürdig, denn immerhin ist die OPCW eine internationale Organisation, die ihren Mitgliedsstaaten eigentlich ihre Ergebnisse mitteilen müsste. Tut sie aber nicht.

Wenn man sich nun noch daran erinnert, dass Whistleblower der OPCW vorwerfen, Untersuchungsberichte gefälscht zu haben, damit sie den vom Westen gewollten Narrativen entsprechen, dann passt das aktuelle Verhalten der OPCW in ein bekanntes Muster.

Da alle Untersuchungsergebnisse immer noch zurückgehalten werden, muss man den staatlichen Stellen, die die Vergiftung gemeldet haben, blind glauben. Dabei wäre es doch ein Leichtes, die Beweise zu veröffentlichen, wenn es sie denn gibt, und Russland damit in Erklärungsnot zu bringen. Das geschieht aber nicht, stattdessen veranstalten die Medien ein propagandistisches Feuerwerk und behaupten, alles sei ganz eindeutig.

Die Widersprüche werden nicht thematisiert

Inzwischen haben wir drei Versionen davon, wie Navalny angeblich vergiftet wurde. Zuerst war die Rede von seinem Tee, den er auf dem Flughafen vor seinem Abflug getrunken hat. Später dann wurde bekannt, dass die Leute von Navalny Wasserflaschen aus seinem Hotelzimmer entwendet und zusammen mit Navalny nach Deutschland geschmuggelt haben. So entstand die Version, das Gift sei an den Flaschen gewesen. Immerhin hieß von der Bundesregierung, dass Nowitschok (auch) auf Gegenständen gefunden worden sei.


Nun haben wir vom Spiegel eine neue Version präsentiert bekommen. Navalny hat mit seinem angeblichen Mörder telefoniert und der hat am Telefon alles gestanden. Diese Geschichte ist an sich schon verrückt genug, aber sie enthält einen wichtigen Widerspruch, der bisher nirgends thematisiert wurde. Laut dem Telefonat mit seinem angeblichen Mörder war das Gift nun in Navalnys Unterhose. Es sei an der Innenseite angebracht worden.

Das ist die dritte Version und wenn Medien und Politik diese Version nun zur neuen offiziellen Version machen, müssen sie erklären, wie die zu den angeblichen Untersuchungsergebnissen der Bundeswehr passt, die Nowitschok (auch) auf Gegenständen gefunden haben will. Die fragliche Unterhose ist nämlich in Russland geblieben und Navalnys angeblicher Mörder hat in dem Telefonat gesagt, sie sei danach gereinigt worden, damit daran nichts mehr gefunden werden kann.

Aber auf welchen Gegenständen hat die Bundeswehr denn Nowitschok gefunden, wenn die kontaminierte Unterhose erstens in Russland geblieben und zweitens gereinigt worden ist? Hat Navalny etwa seine Unterhose an den Wasserflaschen, die bisher als die fraglichen Gegenstände gegolten haben, abgerieben?

Die angeblich so kritischen „Qualitätsmedien“ stellen solche Fragen aber nicht, die feiern das Telefonat, ohne zu fragen, wie diese neuen Informationen zu dem passen, was die Bundesregierung einst als „zweifelsfrei“ bezeichnet hat.

Ich habe keine Ahnung, was mit Navalny passiert ist, aber die Widersprüche der bisher drei Versionen seiner angeblichen Vergiftung werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten liefern. Und statt harter Fakten bekommt die Öffentlichkeit von den Medien immer neue Räuberpistolen präsentiert.

Politiker berufen sich auf Medien anstatt auf Behörden

Interessant ist auch, dass die Politik sich nicht auf die offiziellen Erkenntnisse beruft, sondern stattdessen die angeblichen Spiegel-Enthüllungen als Fakten akzeptiert. Dass der Spiegel diese Informationen nicht ohne Hilfe von Geheimdiensten (also schon wieder staatlichen Stellen) bekommen haben kann, wird mit der Legende verschleiert, in Russland könne man GPS-Bewegungsdaten, Buchungsdatenbanken von Fluggesellschaften und die Datenbanken der Meldebhörden auf dem Schwarzmarkt kaufen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass das Unsinn ist.


Ohne die Hilfe von westlichen Geheimdiensten konnte der Spiegel an diese Informationen nicht herankommen. Ich habe das in der aktuellen Tacheles-Sendung noch einmal ausführlich erklärt.

Aber auch das hinterfragt im Westen niemand, stattdessen zeigen sich deutsche Politiker von den „Spiegel-Enthüllungen“ ganz schockiert, anstatt sich auf die Erkenntnisse staatlicher Stellen zu berufen, die nun wirklich umfangreicher und besser informiert sein sollten, als ein paar Journalisten von Spiegel und CNN.

So zitiert der Spiegel einige deutsche Politiker, die sich auf die „Spiegel-Enthüllungen“ beziehen, sie für bare Münze nehmen und Russlands Schuld daher als erwiesen ansehen. Einer dieser Politiker ist Bundesaußenkasper Maas, dessen Äußerungen auch in russischen Medien zitiert wurden.

Aber seit wann sind Medienberichte entscheidend in einer Schuldfrage? Diese Frage habe ich bereits zu Beginn des Artikels gestellt, denn mittlerweile sind Medienberichte im Westen wichtiger, als Fakten.

So funktioniert die post-faktische Zeit, die im Westen schleichend begonnen hat und mittlerweile Mainstream geworden ist: Eine schön erzählte Geschichte ist wichtiger, als harte und überprüfbare Fakten.

Der Fall Navalny zeigt anschaulich, wie die post-faktische Welt funktioniert


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