Mittwoch, 26. Februar 2020

US-Großmachtmanöver gestartet - Jörg Kronauer



»GROSSMACHTKONKURRENZ“


BRD mitten im Kriegsspiel


Manöver »Defender Europe 2020« läuft: US-Militärfrachter entladen Panzer und schweres Gerät, Bundeswehr errichtet Zeltstadt und Tanklager


Von Jörg Kronauer

Sie hat begonnen, die Hauptphase des US-Großmanövers »Defender Europe 2020«. Waren die ersten Transporte von Kriegsgerät bereits Ende Januar in Richtung Osten gestartet, hatten die ersten US-Vorauskommandos und ihre militärischen Helfer aus mehreren NATO-Staaten, darunter die Bundesrepublik, sich in den vergangenen Wochen daran gemacht, an unterschiedlichen Stationen letzte Vorbereitungen für die Kriegsübung stattfinden zu lassen. So sind in den vergangenen Tagen die ersten größeren Truppen- und Materialkontingente aus den USA in Deutschland eingetroffen, weitere werden nun in den kommenden Wochen folgen. Von der Bundesrepublik aus verlegen sie dann weiter – auf Truppenübungsplätze in Deutschland, insbesondere aber nach Polen, Litauen, Lettland und Estland, also in größtmögliche Nähe zur russischen Westgrenze, wo von Ende April bis Ende Mai eine Reihe von Gefechtsübungen abgehalten wird. Rund 37.000 Soldaten aus 18 Staaten sind beteiligt am größten US-Manöver in Europa seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

Knotenpunkte



Einige Knotenpunkte für die Truppen- und Materialverlegung sind inzwischen deutlich erkennbar. Bremerhaven ist einer. Dort kam am vergangenen Donnerstag mit der »ARC Endurance« der erste US-Frachter mit schwerem Kriegsgerät an: »Abrams«-Kampfpanzer, gepanzerte Mannschaftswagen und Tankfahrzeuge, Kettenraupen und Container mit anderem Material wurden entladen, alles in allem 1.200 sogenannte Frachteinheiten. Drei weitere Schiffe werden folgen. Am Freitag landete eine Boeing 747 mit rund 300 US-Soldaten auf dem Flughafen in Hamburg; von dort ging es nach Bremerhaven, um das Kriegsgerät von der »ARC Endurance« in Empfang zu nehmen. Schon zuvor waren zwei Flieger mit US-Militärs in Hamburg eingetroffen; weitere werden folgen: Mit rund 7.000 wird ein gutes Drittel der insgesamt 20.000 Soldaten, die aus den Vereinigten Staaten nach Europa kommen, über den Flughafen der Hansestadt einreisen. Um sie unterzubringen, bis jeweils ein US-Militärfrachter zur Entladung in Bremerhaven eintrifft, hat die Bundeswehr eine Zeltstadt für bis zu 2.000 Personen an ihrer Logistikschule in Garlstedt zwischen Bremen und Bremerhaven aufgebaut.

Zu den Ankunftsknotenpunkten kommen wichtige Anlaufstellen und Zwischenstationen auf dem Weg nach Osten hinzu. In Bergen (Landkreis Celle) beispielsweise hat die Bundeswehr das größte mobile Tanklager Europas errichtet; dort werden 1.350 Kubikmeter Kraftstoffe gebunkert, um die Fahrzeuge von US-Einheiten betanken zu können, die auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne Kriegsübungen abhalten sollen. Ein weiteres Beispiel bietet das vorpommersche Torgelow. In der dortigen Greifen-Kaserne sollen US-Konvois auf dem Weg aus Bremerhaven nach Polen Rast einlegen und übernachten können. Vom heutigen Mittwoch bis zum 6. März wird mit gut 200 US-Soldaten täglich gerechnet. Oder etwa Duisburg: Kriegsmaterial, das nicht in Bremerhaven, sondern im niederländischen Vlissingen vom Atlantikfrachtschiff entladen wird, soll dort per Binnenschiff ankommen und auf Züge oder auf Lkw gepackt werden, um nach Osten transportiert zu werden. Details werden freilich geheimgehalten.

»Großmachtkonkurrenz«



Wozu der Aufwand getrieben wird, den sich die Vereinigten Staaten laut Informationen aus Militärkreisen immerhin 340 Millionen US-Dollar kosten lassen, das hat am 10. Januar auf einem Medienbriefing General Tod Wolters erläutert, der Kommandant des U.S. European Command. Letztlich gehe das Manöver auf die »National Defense Strategy« zurück, erklärte Wolters. Darin heißt es – Stand: 2018 –, »die Hauptpriorität« des Pentagon sei eindeutig »die langfristige strategische Konkurrenz mit China und Russland«, die umfassende Investitionen erfordere – »wegen des Ausmaßes der Bedrohungen«, die sie für die Vereinigten Staaten und ihren Wohlstand mit sich brächten, und wegen »des Potentials, dass diese Bedrohungen künftig noch größer werden« könnten. US-Verteidigungsminister Mark Esper müsse mit Blick darauf in der Lage sein zu demonstrieren, dass er große US-Verbände über weite Strecken verlegen könne, konstatierte Wolters. Esper selbst hat sich erst kürzlich auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« zu der Thematik geäußert. »Wir befinden uns nun in einer Epoche der Großmachtkonkurrenz«, hatte er gesagt; »unsere wichtigsten Herausforderer« seien »erst China und dann Russland«: »Wir müssen uns also wegbewegen von Konflikten mit niedriger Intensität und uns wieder vorbereiten auf hochintensive Kriegführung«. Dazu dient nun auch »Defender Europe 2020«.

Wobei bei dem Manöver sozusagen der vorbereitende Teil im Mittelpunkt steht: die Logistik, auf die angewiesen ist, wer seine Truppen erst über einen Ozean und dann noch über einen halben Kontinent verfrachten muss, um gegen den Feind kämpfen zu können. Ihn interessiere »vor allem, ob unsere Verfahren geeignet sind, Belastungen auch dieser Größenordnung zu bestehen«, erklärte kürzlich Bundeswehr-Generalleutnant Martin Schelleis, der als Inspekteur der Streitkräftebasis maßgebliche Verantwortung für das Gelingen von »Defender Europe 2020« auf der deutschen »Drehscheibe« für die US-Verlegung Richtung Russland trägt. Beteiligt sei ja diesmal nicht nur eine erheblich größere US-Einheit; es gebe auch sonst »deutlich mehr handelnde Personen«: deutsche Soldaten – 1.500 in der Logistik, einige tausend bei den dazwischengeschalteten Gefechtsübungen –, nicht zuletzt »Akteure der zivil-militärischen Zusammenarbeit, beispielsweise in Straßenverkehrsämtern«, aber auch Polizisten. Diese würden sich übrigens auch um die Proteste gegen »Defender Europe 2020« kümmern: »Die Polizei ist darauf eingestellt, dies im üblichen Wege zu bereinigen.« Die Militärs haben das fest eingeplant; schließlich können sie auch im Ernstfall Widerstand nicht ausschließen. Sich darauf vorzubereiten, das gehört zur Übung dazu.

 
 
 





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