Teil
IV
Über
den Klassenkampf von oben und die notwendige Gegenwehr von unten
Von Prof. Dr. Achim Dippe
Das scheue Reh, die
Treuhand, der Kapitalismus
Mit der Exekution des
Staates und der Wirtschaft der DDR durch die tödlichen Aktionen
Privatisierung vor Sanierung, Rückgabe vor Entschädigung,
Delegitimierung des Staates und all seiner Organe, Verteufelung der
SED und der Staatssicherheit, gekoppelt mit einem massenhaften
politisch-sozialen Kahlschlag, wurde ein Klassenauftrag erfüllt, der
schon 30 Jahre vorher als Regieanweisung durch das große Kapital in
Auftrag gegeben wurde. Die Treuhand war das entscheidende Instrument
und der verläßliche Garant für die erfolgreiche Offensive des
BRD-Kapitals auf dem Territorium der DDR. Die politischen Köpfe und
Regisseure dieser Offensive – Konzerne, Banken, das
Finanzministerium, die BRD-Regierung – bleiben bis heute ungenannt.
Der Klassenkampf von oben hat unter dem Schirm der NATO und mit
freundlicher Zustimmung durch sowjetische Partei- und
Regierungsvertreter zur Zerschlagung des ersten sozialistischen
Staates auf deutschem Boden geführt. Die Dimension und Schärfe
dieses Klassenkampfes von oben hat alle bisher gekannten Maßstäbe
gesprengt. Mit dem Slogan „friedliche Revolution“ hatte das große
Kapital das ideale Tarnnetz gefunden, um die beispiellose Verwüstung
eines souveränen Staates zu kaschieren.
Das große Kapital hat das
Klassenkampfprojekt Agenda 10 mit den Hartz-IV-Gesetzen zur bitteren
Realität für über 45 Millionen abhängig Beschäftigter werden
lassen. Der Erfolg des Kapitals wird als Klassiker des siegreichen
Klassenkampfes von oben in die Analen der Konzerne und der großen
Unternehmerverbände eingehen.
Bemerkenswert sind
dabei fünf Momente:
1. Auf das Ankündigen
wachsender Schwierigkeiten im kapitalistischen Verwertungsprozeß,
auf die Signale des möglichen Verlustes der ökonomischen und
finanziellen Führerschaft in der EU, auf die Alarmzeichen wachsenden
scharfen internationalen Konkurrenzdrucks sollte mit einer
langfristigen, tragfähigen Strategie geantwortet werden, die über
viele Jahre hinweg höhere Profite sichert. Unter Federführung der
Konzerne hat das Kapital zwei strategische Eckpunkte für eine
bessere Kapitalverwertung gefunden: - ständig hoher Kostendruck auf
den Faktor Arbeit; - Kosten-, Qualitäts- und Designvorteile
gegenüber der internationalen Konkurrenz sichern. Deshalb wurden und
werden Beschäftigungsverhältnisse, Entlohnungssysteme, die
Arbeitsorganisation, Rechte und Pflichten der Beschäftigten, soziale
Ansprüche der Arbeitslosen ständig auf den Prüfstand gestellt mit
einer glasklaren Orientierung: Umbau, Veränderung, Einschränkung,
Streichung im Interesse des Kapitals.
2. Die in Hartz IV
enthaltenen sozialen Härten und menschlichen Erniedrigungen mußten
aufgefangen, neutralisiert und über Gesetze, Verfügungen, also mit
der Autorität des Staates, als ertragbar und gesellschaftsfähig
verordnet werden. Die Sanktionierungsgewalt der Hartz-IV-Gesetze
sollte von Anfang an Bestandteil des normalen Rechtsempfindens der
Bürger werden (auch wenn das Bundesverfassungsgericht hier Anfang
November 2019 Korrekturen vorgenommen hat).
3. Mit Hartz IV sollte
eine weitere Entsolidarisierung, soziale Spaltung innerhalb der
abhängig Beschäftigten vorgenommen werden. Die Hartz-IV-Gesetze
haben den Arbeitsvertrag zum Gütesiegel für gute
Arbeitseinstellung, große Lernbereitschaft erklärt, die
Arbeitslosigkeit und den Gang zum Jobcenter als selbstverschuldeten
Makel herausgestellt. Diese Gesetze sollen ein politisch und
juristisch abgesichertes Drohund Einschüchterungspotential sein, das
dauerhaft demoralisierend wirkt und eine weitgehend forderungslose
Anpassung an das Unternehmen produziert.
4. Die mit Hartz IV
eintretenden ökonomischen Effekte für das Kapital sollten von
Anfang an so erklärt werden, daß sie hilfreich für den einzelnen
sind und letztlich dem Gemeinwohl dienen.
5.Hartz IV zeigt
unmißverständlich: Die Hauptstränge des Klassenkampfes von oben
mit den tiefgreifenden sozialen Konsequenzen für die Beschäftigten
verlaufen über die Regierung der BRD, über alle Ministerien, über
bürgerliche Parlamentsmehrheiten. Gesetze, Verordnungen,
Verfügungen, die den ökonomischen und finanziellen Nerv des
Kapitals berühren könnten, werden von vornherein kapitalfreundlich
formuliert. Mit einer kapitalfreundlichen und -stützenden
Gesetzgebung wird der Klassenkampf von oben endgültig auf Grün
geschaltet. Gegen die durch Gesetze und Verordnungen abgesegneten
sozialen Einschnitte und Kürzungen politische und juristische
Gegenwehr zu organisieren wird immer schwerer. Widerstand gegen das
Kapital wird juristisch zermürbt und medial diskreditiert. Im
Klassenkampf von oben ist in der BRD das Zusammenspiel von
bürgerlicher Justiz und bürgerlichen Medien ein Erfolgsmodell des
Kapitals.
(Teil V folgt mit „Es
gibt keine Alternative zum Widerstand“)
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