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Das Weltwirtschaftsforum und die „Elite“ der Welt
Von Wolfgang Bittner
Veröffentlicht am: 17. Januar 2024 | Anzahl Kommentare: 9 Kommentare
Ist das WWF tatsächlich eine Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer Lobby?
Vom 15. bis 19. Januar findet in Davos wieder ein Treffen des überaus
einflussreichen Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum; WEF) statt,
zu dem mehr als 2.800 Teilnehmer angereist sind, darunter über 60
Staats- und Regierungschefs. Diesmal lautet das Motto: Rebuildung Trust
(Vertrauen wiederherstellen). Der Schriftsteller Wolfgang Bittner wirft
einen sezierenden Blick auf dieses Konstrukt und dessen Bestrebungen,
eine globalisierte, privatrechtliche, nicht demokratische Weltordnung zu
schaffen.
In der Bevölkerung kaum bekannt sind die verstörenden Pläne dieses
Forums zu einer grundlegenden Neuordnung der Gesellschaft. Sie werden
überdeckt von einem die Menschen verwirrenden Informationschaos, der
Klima-Panik und den Kriegen in der Ukraine und dem Nahen Osten. Das WEF,
eine Stiftung und weltweit vernetzte Lobbyorganisation, hat seinen
Hauptsitz in der Schweiz bei Genf und veranstaltet jährliche Treffen,
zumeist in Davos, an denen die „Elite“ der Welt teilnimmt. Es unterhält
Büros in New York, Tokio und Peking. Die Macht dieser Organisation wird –
ebenso wie die der „Bilderberg-Gruppe“ [1] – oft unterschätzt. Denn es
ist keine harmlose Honoratiorengesellschaft, die sich in den
Schweizerischen Bergen trifft, um nett miteinander zu plaudern.
Ziel eines jeweils parallel zum Jahrestreffen stattfindenden Open Forum
ist nach eigenem Bekunden, „die Öffentlichkeit an den Diskussionen
zwischen EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
und Zivilgesellschaft teilhaben zu lassen“. Weiter heißt es: „Zu unsern
Panelisten zählen wir regelmässig hochrangige RegierungsvertreterInnen,
UnternehmensführerInnen, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und
AktivistInnen, welche ihre Geschichten und Sichtweisen mit dem Publikum
teilen. Im Sinne des ‚Spirit of Davos‘ soll das Open Forum den Dialog
zwischen EntscheidungsträgerInnen aus unterschiedlichen Sparten und
Lebenslagen fördern, um Lösungen zu den dringlichsten globalen
Herausforderungen unserer Zeit zu suchen.“ [2]
Das klingt keineswegs nach Verschwörung. Aber etwas deutlicher, und
damit problematisch, wird die Zielsetzung, wenn das WEF in seinem
„Global Redesign“-Bericht aus dem Jahr 2010 fordert, „dass eine
globalisierte Welt am besten von einer Koalition aus multinationalen
Unternehmen, Regierungen (auch über das System der Vereinten Nationen
(UN) und ausgewählten zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs)
gesteuert wird“. Regierungen seien nicht mehr „die überwältigend
dominierenden Akteure auf der Weltbühne“, sodass „die Zeit für ein neues
Stakeholder-Paradigma der internationalen Governance gekommen ist“. [3]
Mit anderen Worten: Das WEF plant demokratische Organisationsformen, in
denen die Macht im Staat vom Volk mittels gewählter Vertreter ausgehen
soll, durch ein Herrschaftssystem zu ersetzen, in dem eine Gruppe von
„Stakeholdern“, also „führenden Persönlichkeiten“, ein globales
Entscheidungsgremium bildet. Positiv gesehen, wäre das eine Herrschaft
der Weisen, wer auch immer das sein mag. Kritisch gesehen, bedeutet es
eine plutokratische Diktatur in einer grenzenfreien, übernationalen
Welt. Eine selbsternannte „Elite“ würde also die Macht übernehmen und
eine Art Weltregierung bilden. Insofern stellt sich das WEF als eine
außerordentlich einflussreiche quasimafiöse Organisation dar, die eine
Machtübernahme nicht demokratisch legitimierter
„Führungspersönlichkeiten“ in globalem Ausmaß vorbereitet. Zur
Durchsetzung der Programmatik können dann Phasen globaler Instabilität
genutzt werden, zum Beispiel die Corona-Pandemie, Hungersnöte oder die
Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Der Kommunikationsforscher und
Autor Nick Buxton, der sich eingehend mit den Absichten des WEF befasst
hat, kommt zu dem Ergebnis, „dass wir zunehmend in eine Welt eintreten,
in der Zusammenkünfte wie Davos keine lächerlichen
Milliardärsspielplätze sind, sondern die Zukunft der Global Governance“.
Es sei „nichts weniger als ein stiller Staatsstreich“. [4]
Besonders deutlich werden Zielsetzung und die Macht des WEF, wenn man
sieht, wer sich in welcher Weise am WEF beteiligt. Es sind etwa 1.000
Mitgliedsunternehmen mit einem Umsatz von jeweils über fünf Milliarden
US-Dollar, [5] darunter die wichtigsten Unternehmen ihrer Branche, die
auch politisch eine Rolle spielen. Die Basis-Mitgliedergebühr beträgt
42.000 Schweizer Franken sowie eine Gebühr von 18.000 Schweizer Franken
für die Teilnahme des jeweiligen Präsidenten am Jahrestreffen.
Mitglieder aus der Industrie und strategische Partner bezahlen 250.000
Schweizer Franken bzw. 500.000 Schweizer Franken, um maßgeblich an den
Initiativen des Forums mitwirken zu können. [6] Strategische Partner
sind zum Beispiel BlackRock, die Gates Foundation, Goldman Sachs,
Google, The Coca Cola Company, Allianz, Bank of America, BP Amoco,
Credit Suisse, Deutsche Bank, Deutsche Post DHL, Facebook, der
Pharmakonzern Johnson & Johnson, Mastercard, Mitsubishi Corporation,
Paypal, SAP, Saudi Aramco, Siemens oder auch der Medienkonzern Thomson
Reuters. [7]
1992 startete das WEF ein Programm für „Global Leaders of Tomorrow“, das
seit 2004 „Young Global Leaders“ heißt, zur Förderung geeigneter
zukünftiger Führungskräfte. Dadurch entstand ein globales Netzwerk mit
bedeutenden Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kunst und
Kultur, Adel und so weiter, die sich für die Pläne des WEF engagieren.
In einem Interview renommierte dessen Gründer Klaus Schwab: „Worauf wir
sehr stolz sind …, dass wir mit unsern Young Global Leaders in die
Kabinette eindringen.“ [8] Auf diese Weise nimmt das WEF weltweit
Einfluss auf das öffentliche Leben.
Bereits am ersten Programm 1992 nahmen später sehr bekannt gewordene
Persönlichkeiten teil wie Angela Merkel, Tony Blair, Nicolas Sarkozy,
Manuel Barroso oder Bill Gates. In den folgenden Jahren kamen Hunderte
hinzu, die nach und nach wichtige Positionen einnahmen: Emmanuel Macron,
David Cameron, Sebastian Kurz, Annalena Baerbock, Mark Zuckerberg
(Gründer von Facebook), Jacinda Ardern (Premierministerin von
Neuseeland), Sanna Marin (Ministerpräsidentin von Finnland), Ida Auken
(Ex-Umweltministerin von Dänemark), Kronprinz Haakon von Norwegen, Larry
Page (Mitgründer von Google), Leonardo DiCaprio (Schauspieler), Niklas
Zennström (Mitentwickler von Skype) und Jimmy Wales (Mitgründer von
Wikipedia).
2019 wandten sich mehr als 400 zivilgesellschaftliche Organisationen und
40 internationale Netzwerke gegen ein Partnerschaftsabkommen zwischen
dem WEF und den Vereinten Nationen. Der UN-Generalsekretär wurde
aufgefordert, das Abkommen zu beenden, da es eine „beunruhigende
unternehmerische Vereinnahmung“ der UN sei, die „die Welt gefährlich in
Richtung einer privatisierten und undemokratischen Global Governance“
bewege. [9]
Die US-amerikanische Journalistin Diana Johnstone hält das WEF für eine
„Kombination aus kapitalistischer Beratungsfirma und gigantischer
Lobby“, konzentriert auf „digitale Innovation, massive Automatisierung
durch ‚künstliche Intelligenz‘ und schließlich sogar auf die
‚Verbesserung‘ des Menschen, indem sie ihn künstlich mit einigen
Eigenschaften von Robotern ausstatten: z. B. Problemlösung ohne ethische
Ablenkungen.“ Sie warnt vor der „Stimme der Möchtegern-Global
Governance“ und schreibt: „Von oben entscheiden Experten, was die Massen
wollen sollen, und verdrehen die angeblichen Wünsche des Volkes, damit
sie in die Profitschemata passen, mit denen sie hausieren gehen.“ [10]
2021 meldete sich der ehemalige Präfekt der Kongregation für die
Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, zu Wort und kritisierte,
dass Menschen wie Klaus Schwab „auf dem Thron ihres Reichtums“ säßen und
von den alltäglichen Schwierigkeiten und Leiden der Menschen durch die
Corona-Pandemie nicht berührt würden. Vielmehr sähen sie in solchen
Krisen eine Chance, ihre Programmatik eines meritokratischen globalen
„Great Reset“ mit zunehmender Kontrolle über die Gesellschaft
durchzusetzen. [11] Müller kritisierte eine Unterstützung unter anderem
aus Bereichen des Transhumanismus [12]. Ihm wurde Antisemitismus
entgegengehalten.
Klaus Schwab und der französische Ökonom und „Globalstratege“ Thierry
Malleret schrieben in ihrem 2020 gemeinsam veröffentlichten Bestseller
„Der große Umbruch“ (Engl. „The Great Reset“) zu den Intentionen des
WEF: „Es geht darum, die Welt weniger gespalten, weniger verschmutzend,
weniger zerstörerisch, integrativer, gerechter und fairer zu machen, als
wir sie in der Zeit vor der Pandemie hinter uns gelassen haben.“ Es
könne zu Veränderungen kommen, „die vor dem Ausbruch der Pandemie
unvorstellbar schienen“, es werde eine „neue Normalität“ geben.[13]
In einem Interview vom 19. November 2020 nach seinen Vorstellungen für
den beabsichtigten „globalen Neuanfang“ gefragt, antwortete Schwab: „Ich
finde das Wort ‚Reset‘ passend … Denn eines ist klar: Wir können nicht
zur alten Normalität zurückkehren.“ Hinsichtlich der Bekämpfung der
Corona-Pandemie vertrat er die Ansicht: „Was wir also in unserer Welt
brauchen, ist ein verstärkt systemischer Ansatz, … eine Reform des
internationalen Systems.“ [14]
Die Phase der Corona-Pandemie wird demnach als Epochenwechsel angesehen,
mit dem sich die Verhältnisse in der Welt entsprechend der
dargestellten Agenda des WEF grundlegend ändern sollen. Wie das nach
einer Beendigung des Ukraine-Krieges geschehen soll, bleibt abzuwarten.
Inzwischen sind die Staaten völlig verschuldet, Wirtschaft und Finanzen
sind zerrüttet, und viele Menschen wissen nicht ein noch aus, sodass die
Vorstellungen der Sachwalter des Weltwirtschaftsforums zunehmend an
Gewicht gewinnen, einerlei ob es den „großen Krieg“ geben wird oder
nicht.
Das optimal vernetzte WEF zielt auf eine globalisierte,
privatrechtliche, also nicht demokratisch gesteuerte Weltordnung. Die
Vorstellungen gehen nach Meinung informierter Kreise in Richtung einer
umfassenden Digitalisierung, Zentralisierung und Überwachung. [15] Diese
Planungen gilt es zu verhindern und den Blick auf humane, angemessenere
Formen des menschlichen Zusammenlebens zu richten.
+++
Von Wolfgang Bittner erschienen 2014 „Die Eroberung Europas durch die
USA“, 2019 „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ sowie „Der
neue West-Ost-Konflikt“ und 2021 „Deutschland – verraten und verkauft.
Hintergründe und Analysen“. Der vorstehende Artikel ist weitgehend ein
Auszug aus dem 2023 erschienenen Buch „Ausnahmezustand – Geopolitische
Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts.
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