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RotFuchs, Februar 2023
Der Westen ist schuldig
Am 2. August 2013 veröffentlichte der damalige Hamburger Professor für
Strafrecht und Rechtsphilosophie Reinhard Merkel in der „Frankfurter
Allgemeinen Zeitung“ einen Artikel unter der Überschrift „Syrien: Der
Westen ist schuldig“. Sein Text begann mit den Worten: „Der Westen, wenn
diese etwas voluminöse Bezeichnung gestattet ist, hat in Syrien schwere
Schuld auf sich geladen – nicht, wie oft gesagt wird, weil er mit
seiner Unterstützung des Widerstands gegen eine tyrannische Herrschaft
zu zögerlich gewesen wäre, sondern im Gegenteil: weil er die illegitime
Wandlung dieses Widerstands zu einem mörderischen Bürgerkrieg
ermöglicht, gefördert, betrieben hat. Mehr als hunderttausend Menschen,
darunter Zehntausende Zivilisten, haben diese vermeintlich moralische
Parteinahme mit dem Leben bezahlt. Und es werden viel mehr sein, wenn
dieser Totentanz irgendwann ein Ende findet.“ Der Hochschullehrer nannte
diese Strategie „eine Variante dessen, was seit der Invasion des Irak
vor zehn Jahren ‚demokratischer Interventionismus‘ “ genannt werde. Nur
scheinbar sei das Geschehen in Syrien – den Regimewechsel nach außen hin
der inneren Opposition zu überlassen – eine mildere Form des
Eingreifens. In Wahrheit sei sie „die verwerflichste Spielart: nicht so
sehr, weil sie neben dem Geschäft des Tötens auch das Risiko des
Getötetwerdens anderen zuschiebt. Eher schon, weil sie die häßlichste,
in jedem Belang verheerendste Form des Krieges entfesseln hilft: den
Bürgerkrieg.“ Das Modell des von außen gelenkten, finanzierten und
geförderten Bürgerkriegs, das der Westen in den 90er Jahren schon in
Jugoslawien erprobt hatte, wurde im September 2015 durch das Eingreifen
russischer Streitkräfte gestoppt. Bis heute sichert aber ein
US-Kontingent im Nordosten Syriens den Ertrag der dortigen Ölquellen für
den NATO-Partner Türkei. Vom November 2015 bis zum 31. Januar 2022
erteilte der Bundestag der Bundeswehr immer wieder das Mandat zu einer
völkerrechtswidrigen Invasion in Sy r ien: Bis zu 1200 deutsche Soldaten
– zeitweilig das größte deutsche Auslandskontingent – waren für sechs
„Tornado“-Auf klärer und eine Fregatte abkommandiert. Syrien wird als
rechtlose Kolonie behandelt, in der Sprache der Annalena Baerbock
geschieht das aber „regelbasiert“.
Nach dem gleichen Muster verlief der Bürgerkrieg in der Ukraine. Der
Sturz der frei gewählten Regierung von Viktor Janukowitsch 2014 wurde
maßgeblich von den USA finanziert. Das in Kiew errichtete Regime begann
sofort einen Bürgerkrieg gegen Sozialisten, Kommunisten und alle, die
Russisch sprachen – im faschistischen ukrainischen Jargon abschätzig
„Moskali“ genannt. Seit 2014 verbreitet sich das Abfeiern der
Kollaboration mit dem Hitlerfaschismus, das in den baltischen Republiken
seit deren Austritt aus der Sowjetunion zur Staatsräson gehört, von der
Ukraine aus Richtung Westeuropa. Inzwischen ist der Gruß des
ukrainischen Nationalhelden, des Faschistenführers Stepan Bandera,
„Slawa Ukraini!“ Bestandteil von Reden des Bundeskanzlers.
Das Modell Syrien praktizierte der Westen acht Jahre lang in der
Ukraine. Als Bodentruppen des Westens mordeten in dem arabischen Land
dschihadistische Kopfabschneider, in der Ukraine erfüllten das
Bataillone mit den Symbolen der SS-Division „Galizien“. Man hielt
Rußland mit den Minsker Vereinbarungen hin, rüstete Kiew auf und wurde
ab 24. Februar 2022 wie sieben Jahre zuvor in Syrien mit russischen
Streitkräften konfrontiert. Eine zweite Niederlage will der Westen aber
nicht hinnehmen. Er fegte Anfang April 2022 einen unterschriftsreifen
Waffenstillstand vom Tisch, verlängert und eskaliert seither den Krieg
durch die Lieferung von immer schwereren Waffen. Dabei mißtraut man den
eigenen Marionetten so sehr, daß US-Präsident Joseph Biden im Mai als
„rote Linie“ ausgab: Die bekommen kein Kriegsgerät, mit denen sie weit
in russisches Territorium schießen können. Das ändert sich an dem Tag,
an dem dieser Text verfaßt wird. Am 18. Januar um 20.23 Uhr sendet die
„Süddeutsche Zeitung“ als Eilmeldung: „Der Kanzler ist offenbar zur
Lieferung von ‚Leopard 2‘-Panzern an die Ukraine bereit. Aber nur unter
der Voraussetzung, daß auch die USA Kampfpanzer zur Verfügung stellen.“
Letzteres dürfte keine Hürde sein. Demnächst rollen mit hoher
Wahrscheinlichkeit deutsche Panzer – mit leicht übermaltem Eisernen
Kreuz – Richtung russischer Grenze. Die Bundestagsabgeordnete Sevim
Dagdelen (Die Linke) hatte am selben 18. Januar in der „Berliner
Zeitung“ geschrieben: „Die Panzerlieferungen von heute sind die
Kriegskredite von 1914.“ Dem Weltkrieg ist die Menschheit einen Schritt
näher. Ukraine: Der Westen ist schuldig.
Arnold Schölzel
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