Russlands
Antwort auf die Reaktion der USA zu gegenseitigen
Sicherheitsgarantien
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 18. FEBRUAR 2022
von
Thomas Röper – http://www.anti-spiegel.ru
Russland hat den USA seine Antwort auf die Reaktion der USA
auf Russlands Vorschläge über gegenseitige Sicherheitsgarantien
übergeben und deren Inhalt veröffentlicht. Hier finden Sie die
Übersetzung.
Am 17. Dezember hat Russland den USA und der
NATO Vertragsentwürfe für gegenseitige Sicherheitsgarantien
übergeben und die Texte auch veröffentlicht, die Texte finden Sie
hier. Die Kernpunkte der russischen Vorschläge waren:
Keine
NATO-Militärmanöver nahe der russischen Grenze, keine russischen
Militärmanöver nahe der Grenze zu NATO-Staaten
Keine
Stationierung von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen in Europa,
also auch im europäischen Teil Russlands
Keine Stationierung von
Atomwaffen außerhalb des eigenen Landes (was auch einen Abzug der
amerikanischen Atomwaffen aus Europa bedeuten würde)
Keine Bomber
so nahe an der Grenze des anderen patrouillieren lassen, dass ein
Angriff möglich wäre
Keine Kriegsschiffe so dicht an die Grenze
des anderen bringen, dass sie ihn mit Raketen angreifen
könnten
Rückkehr zur NATO-Russland-Grundakte, die eine
dauerhafte Stationierung von NATO-Truppen in Osteuropa verbietet
Die
russischen Vorschläge wären ein echter Beitrag zur Sicherheit in
Europa, denn wenn man Waffen von den Grenzen abzieht und vor allem
auf die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen verzichtet,
dann verringert das die Gefahr eines Kriegs aus Versehen. Der Haken
ist: Auch wenn alle Vorschläge Russlands auf Gegenseitigkeit
beruhen, bedeuten sie in der Praxis, dass die USA ihre Atomwaffen aus
Europa und der Türkei und ihre Truppen aus Osteuropa abziehen
müssten, wo sie zum Beispiel gerade erst ihre sogenannte
Raketenabwehr aufgebaut haben, die natürlich von US-Soldaten bedient
wird.
Die USA und die NATO haben Wochen später geantwortet.
Die USA und die NATO waren gegen eine Veröffentlichung ihrer
Antworten, trotzdem hat die spanische Zeitung El Pais sie am 2.
Februar veröffentlicht, die Antwort der NATO finden Sie hier, die
Antwort der USA finden Sie hier.
Die USA und die NATO sind auf
die Kernpunkte der russischen Forderungen nicht eingegangen und daher
war es lange ungewiss, ob Russland überhaupt noch einmal antworten
wird. Am 14. Februar hat der Kreml dann ein Gespräch zwischen Putin
und Lawrow veröffentlicht, das eindeutig als Signal an die USA zu
werten war. In dem Gespräch hat Putin Lawrow gefragt, ob es
überhaupt Sinn mache, den USA zu antworten, und ob die USA die
Gespräche mit ihren Antworten nur in die Länge ziehen wollen, ohne
ein Ergebnis anzustreben. Lawrow antwortete, dass er als
Außenminister immer davon ausgehen müsse, dass Gespräche Erfolg
haben könnten. Dann teilte Lawrow Putin mit, dass sein Ministerium
ein Antwort an die USA ausgearbeitet habe. Putin gab Lawrow grünes
Licht, die Antwort zu übergeben. Das veröffentlichte Gespräch
sollte den USA wahrscheinlich signalisieren, dass ein weiteres
Herauszögern substanzieller Gespräche über die russischen
Kernforderungen zu einem Abbruch der Gespräche über alle Themen
bedeuten würde.
Heute, am 17. Februar hat der US-Botschafter
in Moskau die russische Antwort erhalten. Das russische
Außenministerium bleibt seiner Linie der maximalen Transparenz treu.
Es hat zwar den Wortlaut der russischen Antwort (noch) nicht
veröffentlicht, dafür aber eine so ausführliche Presseerklärung
über deren Inhalt herausgegeben, dass es den genauen Wortlaut
wahrscheinlich gar nicht mehr braucht.
Bevor wir zu der
Übersetzung der russischen Antwort kommen, will ich noch einige
Informationen zum Verständnis zur Verfügung stellen. In der Antwort
ist die Rede von Abrüstungsverträgen (INF-Vertrag,
NEW-START-Vertrag), weshalb ich für alle, die das Thema nicht so gut
kennen, hier eine Zusammenfassung der früheren Abrüstungsverträge
verlinke. Außerdem ist in der russischen Antwort von
„Aegis-Ashore-Komplexen“ die Rede. Dabei handelt es sich um die
Mk-41-Startrampen der sogenannten US-Raketenabwehr, die in Rumänien
und Polen stationiert wurde. Diese Startrampen können auch zum
Abschuss (nuklearer) Marschflugkörper genutzt werden, was aus der
sogenannten Raketenabwehr ein offensives System macht, Details dazu
finden Sie hier.
Nun kommen wir zur Übersetzung der
russischen Pressemeldung über die russische Antwort an die USA, die
ich im Anschluss kurz interpretierend zusammengefasst habe.
Beginn
der Übersetzung:
Pressemitteilung
Am 17. Februar
dieses Jahres wurden dem US-Botschafter Sullivan auf Einladung des
russischen Außenministeriums die folgenden Reaktionen auf die zuvor
eingegangene Antwort der USA auf den russischen Vertragsentwurf
zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten über
Sicherheitsgarantien übermittelt:
Übersicht
Wir
stellen fest, dass die amerikanische Seite keine konstruktive Antwort
auf die grundlegenden Elemente des von der russischen Seite
vorbereiteten Vertragsentwurfs mit den Vereinigten Staaten über
Sicherheitsgarantien gegeben hat. Es geht um die Ablehnung einer
weiteren NATO-Erweiterung, die Rücknahme der „Bukarester Formel“
darüber, dass „die Ukraine und Georgien NATO-Mitglieder werden“,
und die Absage der Einrichtung von Militärstützpunkten im
Hoheitsgebiet von Staaten, die früher Teil der Sowjetunion waren und
nicht Mitglieder der NATO sind, einschließlich der Nutzung ihrer
Infrastruktur für militärische Aktivitäten, sowie die Rückführung
der militärischen Fähigkeiten der NATO, einschließlich
Angriffswaffen, und der Infrastruktur auf den Stand von 1997, als die
NATO-Russland-Grundakte unterzeichnet wurde. Diese Bestimmungen sind
für die Russische Föderation von grundlegender Bedeutung.
Dass
die russischen Vorschläge den Charakter eines Gesamtpaketes haben,
wurde ignoriert, wobei bewusst „bequeme“ Themen ausgewählt und
diese wiederum „verdreht“ wurden, um Vorteile für die
Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zu schaffen. Ein solcher
Ansatz, sowie die damit einhergehende Rhetorik von US-Offiziellen,
verstärken den begründeten Zweifel daran, dass sich Washington
wirklich für eine Verbesserung der europäischen Sicherheitslage
einsetzt.
Die zunehmenden militärischen Aktivitäten der USA
und der NATO direkt an den Grenzen Russlands sind alarmierend,
während unsere roten Linien und grundlegenden Sicherheitsinteressen,
sowie Russlands souveränes Recht, sie zu verteidigen, weiterhin
ignoriert werden. Die Ultimaten zum Abzug der Truppen aus bestimmten
Gebieten auf russischem Territorium, begleitet von der Androhung
schärferer Sanktionen, sind inakzeptabel und untergraben die
Aussichten auf echte Vereinbarungen.
Sollte die amerikanische
Seite nicht bereit sein, feste, rechtlich verbindliche Garantien zu
vereinbaren, um unsere Sicherheit vor den USA und ihren Verbündeten
zu gewährleisten, wird Russland gezwungen sein, zu reagieren, auch
mit militär-technischen Maßnahmen.
Über die Ukraine
Es
gibt keine „russische Invasion“ in der Ukraine, wie die USA und
ihre Verbündeten seit letztem Herbst auf offizieller Ebene
behaupten, und daher können Behauptungen über eine „russische
Verantwortung für die Eskalation“ nicht anders als der Versuch
verstanden werden, Druck auszuüben und die russischen
Sicherheitsgarantien zu entwerten.
Der Verweis auf die
Verpflichtungen Russlands aus dem Budapester Memorandum von 1994 hat
nichts mit dem internen Konflikt in der Ukraine zu tun und erstreckt
sich nicht auf die Umstände, die sich aus internen Faktoren dort
ergeben haben. Der Verlust der territorialen Integrität des
ukrainischen Staates ist das Ergebnis innerstaatlicher
Prozesse.
Auch die Vorwürfe in der amerikanischen Antwort,
Russland habe die Krim „besetzt“, halten einer Überprüfung
nicht stand. Im Jahr 2014 kam es in Kiew zu einem Staatsstreich,
dessen Urheber mit Unterstützung der USA und ihrer Verbündeten
einen nationalistischen Staat schaffen wollten, der die Rechte der
russischen und russischsprachigen Bevölkerung, sowie anderer
„nicht-titularer“ ethnischer Gruppen, verletzt. Es ist nicht
verwunderlich, dass die Bevölkerung der Krim in dieser Situation für
die Wiedervereinigung mit Russland gestimmt hat. Die Entscheidung der
Menschen auf der Krim und in Sewastopol, in die Russische Föderation
zurückzukehren, ist eine freie Willensbekundung in Ausübung des in
der UN-Charta verankerten Selbstbestimmungsrechts. Es wurde keine
Gewalt oder Gewaltandrohung angewendet. Die Frage der Zugehörigkeit
der Krim ist abgeschlossen.
Sollte die Ukraine in die NATO
aufgenommen werden, besteht die reale Gefahr, dass das Regime in Kiew
versuchen wird, die Krim mit Gewalt „zurückzuholen“, wodurch die
USA und ihre Verbündeten gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrags
in einen direkten bewaffneten Konflikt mit Russland hineingezogen
würden, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Die in
der Antwort der USA wiederholte These, dass Russland angeblich „den
Konflikt im Donbass angefeuert“ habe, ist unhaltbar. Die Ursachen
dafür sind rein inner-ukrainischer Natur. Der Konflikt kann nur
durch die Umsetzung des Minsker Abkommens und des Maßnahmenpakets
gelöst werden, in denen deren Reihenfolge und die Verantwortung für
ihre Umsetzung eindeutig festgelegt sind und die durch die Resolution
2202 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen einstimmig bestätigt
wurden, auch von den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und
dem Vereinigten Königreich. In Absatz 2 dieser Entschließung werden
Kiew, Donezk und Lugansk als Parteien genannt. In keinem dieser
Dokumente ist die Rede von einer Verantwortung Russlands für den
Konflikt im Donbass. Russland spielt zusammen mit der OSZE die Rolle
des Vermittlers im wichtigsten Verhandlungsformat – der
Kontaktgruppe – und, zusammen mit Berlin und Paris, im
Normandie-Format, das Empfehlungen an die Konfliktparteien formuliert
und deren Umsetzung überwacht.
Um die Situation um die
Ukraine zu deeskalieren, sind die folgenden Schritte entscheidend.
Das sind, Kiew zur Umsetzung des Maßnahmenpakets zu zwingen, die
Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen, alle westlichen Berater
und Ausbilder aus der Ukraine abzuziehen, den NATO-Ländern
gemeinsame Übungen mit den ukrainischen Streitkräften zu verweigern
und alle zuvor an Kiew gelieferten ausländischen Waffen aus dem
ukrainischen Hoheitsgebiet abzuziehen.
In diesem Zusammenhang
weisen wir darauf hin, dass der russische Präsident Wladimir Putin
auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche mit dem
französischen Präsidenten Macron am 7. Februar 2022 in Moskau
betont hat, dass wir für den Dialog offen sind, und dazu aufgerufen
hat, „über stabile Sicherheitsbedingungen, die für alle
Teilnehmer am internationalen Leben gleich sind,
nachzudenken“
Konfiguration der Kräfte
Wir
stellen fest, dass die USA in ihrer Antwort auf die russischen
Vorschläge darauf bestehen, dass Fortschritte bei der Verbesserung
der europäischen Sicherheitslage „nur unter den Bedingungen einer
Deeskalation in Bezug auf Russlands bedrohliche Aktionen gegen die
Ukraine erzielt werden können“, was nach unserem Verständnis die
Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen von den Grenzen zur
Ukraine impliziert. Gleichzeitig sind die USA nur bereit, über
„gegenseitige Verpflichtungen … zum Verzicht der ständigen
Stationierung von Streitkräften mit Kampfaufgaben auf dem
Territorium der Ukraine“ zu sprechen und „die Möglichkeit zu
prüfen, die Frage der konventionellen Streitkräfte zu erörtern.“
Ansonsten übergeht die amerikanische Seite schweigend unsere
Vorschläge, die in Artikel 4 Absatz 2 und Artikel 5 Absatz 1 des
Entwurfs des bilateralen Vertrags enthalten sind, und erklärt, dass
„die derzeitige Konfiguration der US- und NATO-Streitkräfte
begrenzt und verhältnismäßig ist und in vollem Einklang mit den
Verpflichtungen aus der NATO-Russland-Grundakte steht.“
Wir
gehen davon aus, dass die Stationierung von Streitkräften der
Russischen Föderation auf ihrem Territorium die grundlegenden
Interessen der USA nicht berührt und auch nicht berühren kann. Wir
möchten daran erinnern, dass sich unsere Streitkräfte nicht auf
ukrainischem Gebiet befinden.
Gleichzeitig haben die
Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten ihre militärische
Infrastruktur nach Osten ausgedehnt und Kontingente in den Gebieten
der neuen Mitglieder stationiert. Sie haben die Beschränkungen des
KSE-Vertrags umgangen und die Bestimmungen der
NATO-Russland-Grundakte über den Verzicht auf die „zusätzliche
ständige Stationierung substanzieller Kampftruppen“ sehr großzügig
ausgelegt. Die daraus resultierende Situation ist inakzeptabel. Wir
bestehen auf dem Abzug aller in Zentralosteuropa, Südosteuropa und
den baltischen Staaten stationierten US-Militärkräfte und
Rüstungsgüter. Wir sind davon überzeugt, dass die nationalen
Kapazitäten in diesen Gebieten ausreichend sind. Wir sind bereit,
dieses Thema auf der Grundlage der Artikel 4 und 5 des russischen
Vertragsentwurfs zu erörtern.
Der Grundsatz der
Unteilbarkeit der Sicherheit
Wir haben in der Antwort der USA
keine Anzeichen dafür gesehen, dass die amerikanische Seite den
unveränderlichen Grundsatz der Unteilbarkeit der Sicherheit
uneingeschränkt respektiert. Die Behauptungen des Gesamtplans, die
US-Seite habe dieses Postulat berücksichtigt, stehen in direktem
Widerspruch zu Washingtons mangelnder Bereitschaft, seinen
kontraproduktiven und destabilisierenden Kurs aufzugeben, um sich und
seinen Verbündeten auf Kosten der russischen Sicherheitsinteressen
Vorteile zu verschaffen. Das ist das Ergebnis der hemmungslosen
Umsetzung einer Politik der unbegrenzten geostrategischen und
militärischen Entwicklung des postsowjetischen Raums durch das
Nordatlantische Bündnis unter Führung der Vereinigten Staaten,
einschließlich des für uns besonders sensiblen Gebiets der Ukraine.
All dies findet direkt an den Grenzen Russlands statt. Auf diese
Weise werden unsere roten Linien und grundlegenden
Sicherheitsinteressen ignoriert und das unveräußerliche Recht
Russlands, sie zu schützen, wird verweigert. Das ist für uns
selbstverständlich nicht akzeptabel.
Wir erinnern auch daran,
dass dieser Grundsatz in der Präambel des Vertrags zwischen den
Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation über
Maßnahmen zur weiteren Reduzierung und Begrenzung strategischer
Offensivwaffen von 2011 verankert ist, auf dessen fünfjährige
Verlängerung ohne jede Änderung sich die Parteien im vergangenen
Februar geeinigt haben, sowie in einer ganzen Reihe grundlegender
OSZE- und NATO-Russland-Dokumente, die auf höchster Ebene angenommen
wurden: in der Präambel der Schlussakte von Helsinki von 1975, der
Charta von Paris für ein neues Europa von 1990, der
NATO-Russland-Grundakte von 1997, der OSZE-Charta für europäische
Sicherheit in Istanbul von 1999, der NATO-Russland-Erklärung von Rom
von 2002 und der Gipfelerklärung von Astana von 2010.
Wir
stellen fest, dass in der Antwort, die wir erhalten haben, das
Engagement Washingtons für das Konzept der Unteilbarkeit der
Sicherheit erwähnt wird. Im Text wird es jedoch auf das Recht der
Staaten reduziert, „ihre Sicherheitsvereinbarungen, einschließlich
Bündnisverträgen, frei zu wählen oder zu ändern.“ Diese
Freiheit ist nicht absolut und stellt nur die Hälfte der bekannten
Formel der Europäischen Sicherheitscharta dar. Im zweiten Teil wird
gefordert, bei der Ausübung dieses Rechts „…die eigene
Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu
stärken.“ Wir können das Schreiben, das wir am 10. Februar dieses
Jahres von der NATO erhalten haben, nicht als Antwort auf die
Botschaft betrachten, die der russische Außenminister Sergej Lawrow
dem US-Außenminister Blinken am 28. Januar 2022 zu diesem Thema
geschickt hat. Wir haben um eine Antwort auf nationaler Ebene
gebeten.
Die Politik der „offenen Tür“ der NATO
Die
USA bekräftigen ihre „starke Unterstützung“ für die „Politik
der offenen Tür“ der NATO. Die widerspricht jedoch grundlegenden
KSZE/OSZE-Verpflichtungen, insbesondere der Verpflichtung, „die
eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer zu
stärken.“ Diese Politik steht im Widerspruch zu den Grundsätzen
des Bündnisses selbst, das sich nach der NATO-Ministertagung vom 6.
und 7. Juni 1991 in Kopenhagen verpflichtet hat, „die veränderte
Lage in Europa nicht einseitig auszunutzen“, „die legitimen
Interessen“ anderer Staaten nicht zu bedrohen und nicht deren
„Isolierung“ anzustreben oder „neue Trennlinien auf dem
Kontinent zu ziehen.“
Wir fordern die USA und die NATO auf,
ihre internationalen Verpflichtungen im Bereich Frieden und
Sicherheit wieder zu erfüllen. Wir erwarten von den Mitgliedern des
Bündnisses konkrete Vorschläge zu Inhalt und Form der rechtlichen
Verankerung des Verzichts auf eine weitere Osterweiterung der
NATO.
Der Charakter der Vorschläge als Gesamtpaket
Wir
nehmen die Bereitschaft der USA zur Kenntnis, substanziell an
einzelnen Maßnahmen zur Rüstungskontrolle und Risikominderung zu
arbeiten. In diesem Zusammenhang stellen wir fest, dass eine Reihe
von russischen Vorschlägen und Initiativen in diesen Bereichen, die
in den letzten Jahren unterbreitet wurden, in Washington endlich als
gerechtfertigt anerkannt worden sind.
Gleichzeitig machen wir
die Vereinigten Staaten von Amerika erneut darauf aufmerksam, dass
Russland in den von uns vorgelegten Dokumenten über
Sicherheitsgarantien eine umfassende und langfristige Regelung der
unannehmbaren Situation vorgeschlagen hat, die sich in der
euro-atlantischen Region weiterhin entwickelt. Vor allem geht es um
die Schaffung einer stabilen Grundlage für die
Sicherheitsarchitektur in Form einer Vereinbarung über den Verzicht
auf weitere Maßnahmen der NATO, die der Sicherheit Russlands
schaden. Das bleibt für uns der unveränderte Imperativ. Ohne eine
solche solide Grundlage wären miteinander verknüpfte Maßnahmen zur
Rüstungskontrolle und militärischen Risikominderung, die eine
Begrenzung und Vorhersehbarkeit militärischer Aktivitäten in
bestimmten Bereichen ermöglichen, selbst wenn sie vereinbart werden
könnten, langfristig nicht tragfähig.
Die russischen
Vorschläge sind daher ein Gesamtpaket und sollten als Ganzes
betrachtet werden, ohne einzelne Komponenten herauszunehmen.
In
diesem Zusammenhang möchten wir auf das Fehlen einer konstruktiven
Antwort Washingtons und Brüssels auf die wesentlichen Elemente der
russischen Initiative hinweisen, die wir klar bezeichnet haben. Was
die Fragen der Rüstungskontrolle betrifft, so betrachten wir sie
ausschließlich im allgemeinen Kontext eines umfassenden, pauschalen
Ansatzes zur Lösung des Problems der
Sicherheitsgarantien.
„Post-START“ und die „Angleichung
der Sicherheit“
Die Vereinigten Staaten schlagen vor,
„unverzüglich“ in einen Strategischen Stabilitätsdialog
einzutreten, um „Folgemassnahmen zum NEW-START-Vertrag“ zu
entwickeln. Damit versuchen die Vereinigten Staaten jedoch, sich auf
einen mit uns nicht abgestimmten Ansatz zu fixieren, indem sie sich
ausschließlich auf Atomwaffen konzentrieren, ohne zu
berücksichtigen, ob diese oder jene Mittel eine direkte Bedrohung
für das Staatsgebiet der anderen Seite darstellen können. Diese
einseitige Sichtweise steht im Widerspruch zu den Vereinbarungen, die
auf dem amerikanisch-russischen Gipfeltreffen am 16. Juni 2021 in
Genf hinsichtlich des integrierten Charakters des Strategischen
Dialogs getroffen wurden, der die Grundlage für künftige Maßnahmen
zur Rüstungskontrolle und Risikominderung bilden soll.
Russland
setzt sich weiterhin für einen integrierten Ansatz in strategischen
Fragen ein. Wir schlagen vor, gemeinsam eine neue „Angleichung der
Sicherheit“ zu entwickeln.
Die Elemente unseres
vorgeschlagenen Konzepts, die nach wie vor relevant geblieben sind,
wurden den Vereinigten Staaten mitgeteilt, unter anderem während der
Sitzungen zum Strategischen Dialog und in dem Arbeitspapier zu seinem
Inhalt, das wir am 17. Dezember 2021 übergeben haben.
Stationierung
von Kernwaffen außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets
In ihrem
Dokument sind die Vereinigten Staaten auf ein Element des „Paketes“
unserer Vorschläge nicht eingegangen – den Rückzug der außerhalb
des nationalen Hoheitsgebiets stationierten Kernwaffen und die
Verweigerung ihrer weiteren Stationierung außerhalb des nationalen
Hoheitsgebiets – und haben sich darauf beschränkt, die
Notwendigkeit zu erwähnen, die Frage der nicht-strategischen
Kernwaffen im Rahmen des Strategischen Dialogs ohne Rücksicht auf
ihre Stationierung oder andere Faktoren, die die Sicherheit der
Parteien betreffen, zu behandeln.
Wir möchten klarstellen,
dass es in unseren Vorschlägen um die Lösung des Problems geht,
dass sich auf dem Territorium bestimmter Nichtkernwaffenstaaten der
NATO – unter Verletzung des Atomwaffensperrvertrages –
amerikanische Kernwaffen befinden, die in der Lage sind, Ziele auf
russischem Territorium zu treffen. Dazu gehört auch die Beseitigung
der Infrastruktur für die schnelle Stationierung solcher Waffen in
Europa sowie die Beendigung der NATO-Praxis von Schulungen und
Übungen, bei denen nicht-nukleare NATO-Mitgliedstaaten in den
Einsatz dieser Waffen einbezogen werden. Ohne die Beseitigung dieses
Störfaktors ist eine Diskussion über nicht-strategische Kernwaffen
unmöglich.
Landgestützte Kurz- und
Mittelstreckenraketen
Wir betrachten diese Frage als eine der
Prioritäten des amerikanisch-russischen Dialogs über strategische
Stabilität. Wir sind der Meinung, dass diese Waffenkategorie ein
notwendiger Bestandteil der neuen „Angleichung der Sicherheit“
ist, die Russland und die Vereinigten Staaten gemeinsam ausarbeiten
sollten.
Wir gehen weiterhin von der Relevanz der russischen
„Post-INF“-Initiativen aus, die auf der Idee eines gegenseitigen
verifizierbaren Moratoriums für die Stationierung landgestützter
Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa beruhen. Wir sind
grundsätzlich offen für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der
Frage, wie diese Idee in die Praxis umgesetzt werden kann.
Gleichzeitig stellen wir fest, dass in Washington nach wie vor
Unklarheit über die grundlegenden Parameter möglicher
Rüstungskontrollmaßnahmen herrscht, vor allem über deren Umfang,
der für alle nuklearen und nicht-nuklearen Waffen mit entsprechender
Reichweite gelten sollte.
Es wurde festgestellt, dass sich die
USA auf den russischen Ansatz stützen, der eine gegenseitige Lösung
der gegenseitigen Bedenken im Rahmen des früheren INF-Vertrags
vorsieht. Die von amerikanischer Seite vorgeschlagene Option, unsere
Idee gegenseitiger Überprüfungsmaßnahmen in Bezug auf die
Aegis-Ashore-Komplexe in Rumänien und Polen, sowie einige
Einrichtungen im europäischen Teil des russischen Hoheitsgebiets
weiterzuentwickeln, kann in Zukunft aufgegriffen werden.
Wie
in der Erklärung des russischen Präsidenten Putin vom 26. Oktober
2020 hervorgehoben und der amerikanischen Seite in der Folge
wiederholt mitgeteilt wurde, könnten mögliche Transparenzmaßnahmen
für die russischen Einrichtungen, die zu vereinbaren sind, die
Überwachung der Abwesenheit der russischen 9M729-Raketen dort
umfassen. Zur Erinnerung: Dieser Schritt ist ein Zeichen des guten
Willens, da die Eigenschaften der 9M729-Rakete in keiner Weise den
Anforderungen des früheren INF-Vertrags widersprechen und die USA
nie Beweise für die Behauptungen gegen Russland vorgelegt haben.
Gleichzeitig hat die US-Seite die freiwillige Vorführung der
Struktur und der technischen Merkmale des Flugkörpers 9M729 und
seiner Trägerrakete, die wir während der Geltungsdauer dieses
Vertrags am 23. Januar 2019 organisiert haben, ignoriert.
Schwere
Bomber und Überwasser-Kriegsschiffe
Wir nehmen zur Kenntnis,
dass die amerikanische Seite die russische Idee zusätzlicher
Maßnahmen zur Risikominderung in Bezug auf die Flüge schwerer
Bomber in der Nähe der nationalen Grenzen der Parteien zur Kenntnis
genommen hat. Wir sehen Gesprächsbedarf und das Potenzial für für
beide Seiten akzeptable Vereinbarungen. Wir erinnern an ein ebenso
wichtiges Element unseres „Gesamtpakets“ in Bezug auf eine
ähnliche Herangehensweise bei Kriegsschiffen, mit denen ebenfalls
ernste Risiken verbunden sind.
Militärische Übungen und
Manöver
Die Vereinigten Staaten haben nicht auf die in
Artikel 4 Absatz 2 des russischen Vertragsentwurfs enthaltenen
Vorschläge reagiert. Die amerikanische Seite scheint davon
auszugehen, dass militärische Spannungen durch mehr Transparenz und
zusätzliche Maßnahmen zur Risikominderung im Einklang mit
westlichen Vorschlägen zur Modernisierung des Wiener Dokuments
abgebaut werden können.
Wir halten diesen Ansatz, der darauf
abzielt, die Aktivitäten der Streitkräfte der Russischen Föderation
„ins rechte Licht zu rücken“, für unrealistisch und einseitig.
Die vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen im Rahmen des
Wiener Dokuments von 2011 sind der aktuellen Situation angemessen. Um
Diskussionen über seine Aktualisierunng zu beginnen, müssen die
notwendigen Voraussetzungen gegeben sein. Zu diesem Zweck sollten die
USA und ihre Verbündeten die Politik der „Eindämmung“ Russlands
aufgeben und konkrete praktische Maßnahmen zur Deeskalation der
politisch-militärischen Lage ergreifen, auch im Einklang mit Artikel
4 Absatz 2 unseres Vertragsentwurfs.
Was die Verhinderung von
Zwischenfällen auf hoher See und im darüber liegenden Luftraum
betrifft, so begrüßen wir die Bereitschaft der USA, in dieser Frage
Konsultationen aufzunehmen. Diese Arbeit kann jedoch die Lösung der
von Russland aufgeworfenen Kernprobleme nicht ersetzen.
Ende
der Übersetzung
Fazit
Man kann die russische
Antwort kurz zusammenfassen: Auf Rosinenpickerei lassen sich die
Russen nicht ein, sie wollen alle Themen im Zusammenhang besprechen
und die Verhandlungen nicht in Themenbereiche aufsplitten, wie der
Westen es offensichtlich wollte. Der Trick des Westens war allzu
durchsichtig, denn man hat den Russen einige Brocken hingeworfen, die
den Russen wichtig sind und die sie schon lange fordern (z. B. Verbot
von atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa), wollte aber
gleichzeitig andere Themen (z. B. NATO-Erweiterung) ausklammern.
Das
hat Russland zurückgewiesen, es will eine umfassende Lösung für
die Sicherheit in Europa und rückt von seinen Maximalforderungen
keinen Schritt ab. Russland weist sogar die angebotenen Gespräche
über Einzelthemen zu Gunsten einer Gesamtlösung zurück.
Damit
sind wir wieder da, wo wir im Dezember schon waren, als Russland
seine Vorschläge unterbreitet und veröffentlicht hat. Die Frage ist
und bleibt damit, ob die USA an Sicherheit in Europa interessiert
sind, oder ob es ihnen weiterhin nur um die Ausdehnung ihres
Machtbereiches geht
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen