Entnommen: http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2022/RF-289-02-22.pdf
RotFuchs, Februar 2022
Keine Pause
Vermutlich haben nur wenige erwartet, daß die beiden Telefonate zwischen dem russischen und dem US-Präsidenten im Dezember die Spannungen zwischen ihren Ländern mindern. Kaum Hoffnungen waren auch mit den Gesprächen verbunden, an denen Rußland und die USA, dann die europäischen NATO-Mitglieder und die Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der zweiten Januarwoche teilnahmen. Es geht um fundamental gegensätzliche Politik: auf der einen Seite um das alte Ziel des internationalen Imperialismus und besonders des deutschen, Rußland einzukreisen, durch Schüren von inneren und Grenzkonflikten zu schwächen, seinen Zerfall zu fördern (wie in den 90er Jahren durch Unterstützung dschihadistischer Separatisten im Kaukasus) und es letztlich zu kolonisieren. Zwischen 1991 und 2000 kam der Westen diesem Ziel ziemlich nahe.
Die Erfahrung lehrt, daß es in einer solchen Lage nicht in Tagen gelingt, sich auf einen Modus vivendi, auf ein erträgliches Nebeneinander, zu einigen. Es hat nach 1945 Jahrzehnte gedauert, bis der Westen bereit war, mit der Sowjetunion über etwas anderes zu sprechen als über eine Korrektur der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu seinen Gunsten. In Frage kamen nur der Rückzug der Sowjetarmee hinter die Grenzen von 1939 und die Beseitigung des Sozialismus. Der Kriegsvorbereitung gegen Rußland wird heute in der vergrößerten BRD alles in Außen- und Militärpolitik untergeordnet. Alle Bundestagsparteien – auch die AfD mit ihrer fast bedingungslosen Bundeswehr- und N AT O -Unt er s t üt z u n g – tragen das mit. Ausnahme war bisher die Partei Die Linke. Wie der Grundsatzartikel Wulf Gallerts vom 5. Januar im „neuen deutschland“ zeigt, arbeitet deren Führung weiter daran, das gegen den Willen der Mehrheit von Mitgliedern und Wählern zu ändern. Die dafür aufgestellte ideologische Vogelscheuche heißt „Äquidistanz“. Der Vorwurf, EU und NATO würden die Logik des kalten Krieges und die Blockkonfrontation weiter betreiben, so Gallert, treffe „genauso auf die russische Seite“ zu.
Das ist eine Lüge. In der Ukraine soll durch Stationierung von USRaketen bewußt eine noch gefährlichere Situation als 1962 in der Kuba-Krise geschaffen werden.
Dem widerspricht nicht, daß eine der ersten Maßnahmen der US-Regierung unter Joseph Biden vor einem Jahr die Verlängerung des START-Vertrages über die Begrenzung des russischen und des US-Atomwaffenarsenals ohne Vorbedingungen war. Sein Amtsvorgänger Donald Trump war dabei, diesen Vertrag ersatzlos auslaufen zu lassen. Beide eint aber der politische Wille, auf Rußland maximalen Druck am Rande eines Weltkrieges auszuüben.
Die mit der START-Verlängerung verbundenen Gespräche über strategische Stabilität ermöglichten das Treffen von Biden und Wladimir Putin im Juni 2021 in Genf und die Bekräftigung der Formel, daß ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und um jeden Preis vermieden werden muß. Das wiederholten die Staatschefs der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, also Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Rußlands und der USA, am 3. Januar in einem gemeinsamen Dokument. Diese Feststellung kann eine Grundlage für Verhandlungen sein, mehr nicht. Denn von ihrer Stationierungsabsicht vor den Toren Moskaus sind die USA bislang keinen Millimeter abgerückt. Insofern bedeuteten die Gespräche noch keine Atempause für Rußland.
Hinzu kommt: Die EU und insbesondere ihre Vormacht, die BRD, sind nicht bereit, überhaupt die Sicherheitsinteressen Rußlands anzuerkennen und mit Moskau zu sprechen. Er wisse nicht, faßte Rußlands Außenminister Sergej Lawrow am 14. Januar zusammen, wie mit den EU-Kollegen ein Sicherheitsdialog möglich sein solle. Sie hätten „Zement über alle Kommunikationskanäle gegossen“. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihre grünen Helfershelfer agieren unterdessen wie politische Geisterfahrer kurz vorm Zusammenstoß. Der Kanzler schweigt und hat die Anschaffung neuer US-Kampfflugzeuge für die „nukleare Teilhabe“ sowie bewaffneter Drohnen Anfang Januar auf den Weg gebracht. Berlin ist wieder die auf Moskau gerichtete Speerspitze des Westens. Frieden mit Rußland steht nicht auf dem Programm der Koalition. Demnächst hat sie offenbar Die Linke an ihrer Seite. Arnold Schölzel
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