Bundestagswahlen
2021 – Die politischen Schwierigkeiten der deutschen Bourgeoisie
verschärfen sich
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 30. SEPTEMBER 2021 ⋅
HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von
https://de.internationalism.org
Der Ausgang der Bundestagswahlen am 26.09.2021 hat der
herrschenden Klasse die tiefgreifende Glaubwürdigkeitskrise in den
Parteienapparat vor Augen geführt. Am offensichtlichsten ist der
Vertrauensverlust gegenüber den Unionsparteien; ihr Absturz wie
vorhergesagt am eklatantesten. Die FDP konnte nur knapp zulegen, die
AfD verlor vor allem im Westen, etablierte sich weiter auf Kosten von
Union und Die Linke im Osten, der Stimmenanteil von Die Linke
halbierte sich nahezu. Aber hinter dem Stimmenzuwachs der SPD steckt
keine Euphorie und keine große Hoffnung auf umfassende
Veränderungen, sondern sie gilt als das kleinere Übel. So war die
SPD gewissermaßen zum Sieg verurteilt.
Zum Zeitpunkt des
Schreibens deutet alles auf die Bildung einer Ampelkoalition
(Rot-Gelb-Grün) hin, auch wenn ein Jamaika-Bündnis
(Schwarz-Gelb-Grün) immer noch als mögliche Option gehandelt werden
könnte. Die FDP mag sich zwar brüsten als Königsmacher agieren zu
können, aber sie wird bei dem Zustandekommen einer Ampelkoalition
mit am deutlichsten Federn lassen müssen. Auch die Grünen werden
stark unter Druck geraten, wenn sich zeigen wird, dass die
angekündigte „Klimaregierung“ die zunehmende zerstörerische
Tendenz des Kapitalismus im Zerfall nicht stoppen wird. Schon jetzt
wird die „Grüne Ideologie“ nicht mehr exklusiv von den Grünen
bedient. Andere Bewegungsformen wie „Ende Gelände“ und gar
Parteien wie die Klimaliste wollen auch mitmischen.
Wie wir
weiter unten zeigen verlangt die historische Krisenentwicklung des
Kapitalismus und der sich verschärfende Konkurrenzkampf ein
energisches Eingreifen des Staates – mit entsprechenden
Steuermitteln, weiterer Verschuldung –; alles wogegen die FDP in
ihrem Wahlkampf wetterte. Während die Verhandlungen über eine
Koalition zwischen den drei Ampelparteien anlaufen, wird das Hauen
und Stechen vor allem bei den Unionsparteien an Schärfe zunehmen.
Aber nicht nur die Grabenkämpfe in den Oppositionsparteien, auch die
Richtungskämpfe in den zukünftigen Regierungsparteien werden sich
nicht in Luft auflösen. Das „Zusammenraufen“ vor allem bei SPD
und Grünen stützt sich nicht auf eine solidere Geschlossenheit,
sondern war nur das Zusammenrücken vor den Wahlen. Die zentrifugalen
Kräfte in der Gesellschaft werden alle bürgerlichen Parteien weiter
erfassen.
Die Wahlen
offenbaren das historische Dilemma der Herrschenden
Während im Laufe des Wahlkampfes die Medien und
CDU/CSU-Kreise selbst fortwährend die Schuld an der vorhergesagten
CDU/CSU-Wahlschlappe Laschet in die Schuhe schoben und manche davon
sprachen, man habe aufs falsche Pferd gesetzt, steckt in Wirklichkeit
hinter dem Abstieg der CDU/CSU eine tiefgreifende
Glaubwürdigkeitskrise aller Parteien, die in den letzten Jahrzehnten
in der BRD die politische Landschaft bestimmen.
In Anbetracht
der seit langem andauernden Wirtschaftskrise, der schleichenden
Verarmung, der Rat- und Tatenlosigkeit der Regierungen gegenüber der
Klimakatastrophe, d.h. in Anbetracht der Lage insgesamt und der
allgemeinen Verlogenheit und Heuchelei der Herrschenden haben sich
immer mehr Zweifel an der Fähigkeit der Herrschenden gebildet, die
Probleme anzupacken, geschweige denn sie in den Griff zu
kriegen.
Das zeigte sich in einer seit Jahren rückläufigen
Wahlbeteiligung und gleichzeitig einer großen „Leere“ aller an
den Wahlen beteiligten Parteien bei ihren Wahlprogrammen; sie
erscheinen gewissermaßen als „ausgelaugt, abgenutzt“. Selbst
bürgerliche Kommentatoren geben zu, alle Parteien seien inhaltlichen
Fragen ausgewichen und hätten sich hauptsächlich auf die Personen
konzentriert. Der Mangel an Perspektiven, den die Herrschenden
bieten, ihre inhaltliche Leere lassen sich kaum
kaschieren.
Wahlplakate seit jeher
Plattitüden, 2021 noch hohler und noch leerer
CDU: Gemeinsam für ein modernes Deutschland. Damit
Deutschland stark bleibt
SPD: Jetzt viel Geld in die Hand
nehmen. Investieren gegen die Krise. Betroffenen beim Neustart
helfen. Respekt für dich. Jetzt sichere Arbeit, Klimaschutz wählen,
Scholz packt das an! Kompetenz Deutschland
Grünen: Unser Land
kann viel, wenn man es lässt. Bereit – weil ihr es seid. Kommt,
wir ändern die Politik. Wirtschaft und Klima ohne Krise. Klimaschutz
und Gerechtigkeit
FDP: Nie gab es mehr zu tun. Wie es ist,
darf es nicht bleiben. Aus Liebe zur Freiheit
MLPD: Das Land
braucht neue Politiker. Diesmal keine halben Sachen!
Die
Linke: Für Millionen, nicht Millionäre
Volt: Für einen
guten Job ist niemand zu alt
Hinzu kommt, dass die deutsche
Bourgeoisie sich keinen Gefallen damit getan hat, 16 Jahre lang ein-
und dieselbe Person als Bundeskanzlerin im Amt zu behalten. Zuvor
schon hatte nach dem „Intermezzo“ durch G. Schröder (mit
Rot-Grün von 1998-2005) Helmut Kohl 1982-1998 (d.h. 16 Jahre) vor
allem die Botschaft der Kontinuität und Stabilität vermittelt, aber
damit hatten sie selbst den Glauben an Demokratie angekratzt, da
diese auch von dem häufigen Wechsel, dem Einzug von „neuen
Gesichtern“ lebt. Nun hat gerade Merkel den Eindruck hinterlassen,
sie habe so viele Probleme ausgesessen und so wenige angepackt;
Laschet wollte sich als einen Teil Fortsetzung Merkels präsentieren
und selbst Scholz wird zugeschrieben, er könne auch Merkel(n). Aber
diese Beobachtung bleibt an der Oberfläche stecken, tatsächlich
sind diese Politiker nur Repräsentanten einer viel tiefer sitzenden
Unfähigkeit, die brennenden Probleme anzupacken.
Diese tiefe
sitzende Unfähigkeit drückt sich in einem generellen
Glaubwürdigkeitsverlust aus, der nicht allein auf die CDU beschränkt
ist. Auch die CSU, in Bayern jahrelang unangefochten, konnte große
Einbußen – mit Söder an der Spitze – nicht vermeiden.
Der
Anlauf zur Regelung der Nachfolge der „verschlissenen“ Merkel mit
AKK war ein „Flopp“, es folgte der Hahnenkampf zwischen Laschet
und Söder; die Zerrissenheit und Grabenkämpfe innerhalb der CDU/CSU
nahmen weiter zu. Ob der Rechtsaußen Maaßen in Sachsen, andere
Querschießer in Ostdeutschland, diverse Seilschaften im Westen, F.
Merz’ Knappen der Jungen Union oder Kräfte aus Bayern – die
Flügelkämpfe und die dahintersteckende Schwächung der CDU kam
nicht nur durch den „Fehlgriff“ Laschet zum Ausdruck. Eine
Verjüngung und eine „Modernisierung“ mit unverbrauchten Leuten
und neuer Botschaft war misslungen.
Wie bei fast allen
„linken“ Parteien in anderen europäischen Ländern war auch die
Sozialdemokratie in den Sog des Abwärtstrends geraten. Die früher
gepriesenen sozialdemokratischen „Reformen“ haben sich längst in
Luft aufgelöst; gleichzeitig bewies die SPD mit Hartz IV ihre
Fähigkeit, der Arbeiterklasse viel schmerzhafter und gewiefter in
die Tasche greifen zu können als die anderen Parteien.
Für
das Kapital war es schon eine Notlösung, im Winter 2017/2018 erneut
eine GroKo in den Sattel zu hieven, da schon zum damaligen Zeitpunkt
eine Erneuerung der SPD in der Opposition notwendig gewesen wäre.
Dies musste 2018 aber aufgeschoben werden…. So galt die SPD denn
auch von 2018 bis zum Frühsommer 2021 mit Umfragewerten knapp über
15% als „Verlierer“. Die Versuche, mit einem neuen Führungsduo
frischen Wind in die Partei zu bringen, änderten nichts daran, dass
ihr Aushängeschild O. Scholz selbst jahrelang als „lahme Ente“,
als Meister im Wegducken galt, der keine klare Kante zeigte.[1]
Dann aber konnte die SPD gewissermaßen aufatmen. Denn die Pandemie
mit ihren katastrophalen Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen
erforderte das entschlossene und massive Eingreifen des Staates vor
allem auf finanzieller Ebene. Hier besaß die SPD ihren
entscheidenden Mann im Finanzministerium. Wie zuvor 2008, als der
damalige SPD-Finanzminister Steinbrück mit Merkel an seiner Seite
vor die Kameras trat „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass
ihre Einlagen sicher sind “, präsentierte sich dieses Mal ein
weiterer SPD-Mann in seiner Rolle als Finanzminister als
Stabilitätsanker. Damit hat die SPD paradoxerweise von Covid
profitiert, indem sie Schutz und Unterstützung garantierte. Dies war
selbstverständlich nur möglich dank der gigantischen Erhöhung des
Schuldenberges. D.h. ohne das Covid-Desaster wäre Scholz nie zum
„Shooting-Star“ der SPD geworden. Der schlechte Ruf des
CDU-Kandidaten Laschet alleine hätte für Scholz’ Aufstieg nicht
ausgereicht. Wenn nun die SPD wieder anführender Stelle in der
Regierung mitwirkt, muss die „Erneuerung“ der SPD erneut
verschoben werden. Längerfristig wird sich dies für die herrschende
Klasse deshalb als Bürde erweisen. Beide sogenannten
„Volksparteien“, die früher in der Lage waren, 40 % der
Wählenden für sich alleine zu mobilisieren, haben heute Mühe 25 %
der Stimmen zu bekommen. Es spricht für die „Anpassungsfähigkeit“
der Bourgeoisie, dass sie mit den Grünen über Jahrzehnte eine
Partei herangezogen hat, die ähnlich verlässlich wie die
FDP-Koalitionen möglich macht. Doch nach der doppelten GroKo und dem
weiteren Verschleiß der CDU/SPD scheint nun die einzige Alternative
in Regierungen mit drei Parteien zu bestehen.
Profiteure
und „Lückenbüßer“ im Verschleißprozess der Herrschenden
Die rückläufige Wahlbeteiligung konnte zum Teil
eingefangen werden, indem Protestparteien verschiedener Couleur als
Sammelbecken dienten. Neben den winzig kleinen, zahlenmäßig
unbedeutenden Parteien, (z.B. Die Partei, Piratenpartei) sprang vor
allem die AfD der Bourgeoisie hilfreich zur Seite, denn sie brachte
mit ihren Dutzend Prozentpunkten bei fast allen Wahlen eine gehörige
Portion frustrierter, desorientierter Menschen aus „Unter- und
Mittelschichten“ zurück zur Wahlurne. Selbstverständlich haben
sie selbst nichts anzubieten außer Hetze, „Abschottung“,
Pogromstimmung und den Interessen des deutschen Kapitals
zuwiderlaufende Vorstellungen wie die z.B. Forderungen nach Austritt
aus der Europäischen Union und Rückzug aus dem Euro. Die
Partei selbst ist ein Beispiel der Zerrissenheit, Fragmentierung,
zersplittert in untereinander rivalisierende Cliquen, ohne jegliche
Kohärenz.
Eine andere wichtige Rolle haben die
Grünen übernommen
Nach ihrer Anfangszeit als Protestpartei in den
1980er Jahren sind sie längst vom System integriert und zu einem
wichtigen Bestandteil des deutschen Kapitals geworden. Bei der ersten
Regierungsbeteiligung auf Bundesebene zeichneten sie sich durch ihre
perfide Propagierung deutscher Kriegsbeteiligung an der Bombardierung
Belgrads aus. In Baden-Württemberg stehen sie nicht nur dem
Mittelstand treu zu Diensten, sondern auch der Automobilindustrie und
fördern dort den Umbruch zur Elektromobilität. In Anbetracht der
zunehmenden Besorgnis vor allem Jugendlicher wegen der
Umweltzerstörung, Klimakatastrophe usw. und der mangelnden
Wahlbeteiligung agieren die Grünen immer wieder als zutreiber zu den
Wahlen. Vor allem gegenüber der Jugend erwecken sie die Illusion,
„Wirtschaft und Klima“ seien vereinbar und es sei möglich, den
Kapitalismus mit einer Reihe von ökologischen Maßnahmen zu
reformieren und aufrechtzuerhalten.
„Unser Land kann viel,
wenn man es lässt. Bereit – weil ihr es seid.“ Damit sind die
Grünen zu einem wichtigen Trumpf des deutschen Kapitals
geworden.
Bemerkenswert ist die Rückkehr der FDP, nachdem
diese schon fast aus den Parlamenten verschwunden war. Die FDP als
eifriger Vorkämpfer des „schlanken Staates“ und des
„Neoliberalismus“ wirkt zwar in der heutigen Zeit der
explodierenden Staatshaushalte als Anachronismus, jedoch ist sie
gleichzeitig eine moderne Partei der individualisierten
Einzelinteressen und trifft somit den Zeitgeist des Jeder-für-sich.
Die FDP ist zu einem höheren Maße vom Populismus und von der
anti-sozialen individualistischen Tendenz betroffen, als sie selbst
und die bürgerliche Presse wahrhaben will. Der vermeintliche
Königsmacher wird einen unberechenbaren Faktor in die Regierung
einbringen.
Wir können schon jetzt festhalten, dass egal
welche Regierungskoalition sich durchsetzen wird, die Unsicherheit
und Verlässlichkeit für die deutsche Bourgeoisie wachsen wird. Der
Stabilitätsanker Deutschland korrodiert.
Verschleiß
der bürgerlichen Parteien begleitet von anderen
Zerfallserscheinungen
Neben dem Verschleiß der bürgerlichen Parteien sind
in letzter Zeit weitere Zerfallserscheinungen der kapitalistischen
Gesellschaft insgesamt deutlich zutage getreten.
Wie wir in
früheren Artikeln aufgezeigt haben, hat die deutsche Bourgeoisie bei
der Reaktion gegenüber der Pandemie alle Seiten ihres Gesichtes
offenbart.
In der Anfangsphase des Ausbruchs der Pandemie war
auf der einen Seite ihre unglaubliche Fahrlässigkeit und
Sorglosigkeit und gleichzeitig ihre wilde Entschlossenheit zur
Verteidigung ihrer ökonomischen Interessen zum Vorschein
gekommen.
Schnell wurde z.B. deutlich, dass die mangelnde
Lagerhaltung von Schutzausrüstung wegen Einsparungen im Bereich der
Vorratshaltung die Gesundheit nicht nur des medizinischen Personals
und der Patienten in Gefahr brachte, und dass man bereit war als
Exportweltmeister die Exporte von medizinisch wichtigen Gütern zu
verbieten, um die einheimische Bevölkerung zuerst zu bedienen,
nachdem man jahrelang eine gefährliche Abhängigkeit von
Billigproduzenten wie China in kauf genommen hatte.
Gleichzeitig
wurde ersichtlich, dass die zuständigen Stellen im Gesundheitswesen
völlig unzureichend gerüstet waren für ein schnelles Eingreifen
zum Aufspüren und Warnen von Kontaktpersonen (technisch längst
überholte Mittel wie Fax in den Gesundheitsämtern waren
Hauptkommunikationsmittel). Zudem war viel zu wenig Personal
vorhanden war, was dazu zwang, schließlich auf „Freiwillige“ und
die Bundeswehr zur Personalaufstockung zurück zu greifen. In den
Schulen gab es zum Teil afrikanische Verhältnisse bei Ausrüstung
und Qualifizierung der Lehrerschaft mit Unterrichtsmitteln für
Fernunterricht. Ob bei Behörden, den Schulen oder in der Wirtschaft
– das Hinterherhinken bei der Digitalisierung stach ins
Auge.
Gleichzeitig vermittelte man ein Bild der
Zerstrittenheit zwischen den Regierungskreisen – innerhalb der
Bundesregierung und zwischen Bund und Ländern, dann regelmäßig
Streit oder Anfechtung der Empfehlungen der Virologen. Dagegen zeigte
sich am Anfang die Stärke des deutschen Kapitals, als man in der
Wirtschaft schnell in gemeinsamer Abstimmung zwischen Arbeitgebern,
Staat und Gewerkschaften einen Lockdown beschloss, um die Produktion
geordnet runterzufahren, … nachdem die Zusage für gigantische
Staatshilfen gemacht worden war. So erhielten zum Beispiel die großen
Automobilkonzerne mächtige Finanzspritzen…. Und auch gegenüber
kleineren und mittleren Unternehmen drehte man den Geldhahn auf, um
sie finanziell über Wasser zu halten.
Weitere Lockdowns
sollten dann unter allen Umständen verhindert werden – bis man im
Dezember 2020 wieder einen Lockdown beschließen musste. Zudem
streitet man unaufhörlich um die Durchsetzung (und das Umgehen)
bundesweit einheitlicher Maßnahmen. Nie war der Flickenteppich
größer.
Bei der Entwicklung eines Impfstoffes konnten die
beiden in Deutschland und den USA angesiedelten Firmen BioNTech und
Pfizer zwar bahnbrechende Erfolge verbuchen und damit eine führende
Stellung auf dem Weltimpfstoffmarkt einnehmen, aber die Hürde der
Überzeugung der Bevölkerung von der Notwendigkeit sich impfen zu
lassen, konnte nicht genommen werden. Ein beträchtlicher Teil der
Bevölkerung bleibt äußerst misstrauisch bzw. ablehnend gegenüber
Impfungen.
Bei der Bekämpfung der Pandemie durch die
wissenschaftliche Begleitung von Untersuchungsergebnissen der
Erkrankten hinkt das Land, in dem so viel Medizingeräte produziert
werden, ebenfalls hinterher [2]
Der Streit zwischen
verschiedenen Landesfürsten über unterschiedliche länderspezifische
Regelungen wurde noch undurchsichtiger dadurch, dass die Politiker
sich im Wahlkampf profilieren wollten.
Aber gleichzeitig wurde
auch deutlich, dass die in der Vergangenheit meist vorteilhafte
Struktur des Föderalismus, die eine gewisse Flexibilität
ermöglichte und dem Provinzgeist genügend Freiraum und damit auch
den Machtbereichen verschiedener Gruppierungen Raum für
Partikularinteressen ließ, sich in dieser Situation als Verschärfer
der Konflikte zwischen den Ländern und somit als Klotz am Bein
herausstellte. Es ist nicht der Föderalismus an sich, der das
Problem ist, dieser hat seine historisch tiefen Wurzeln in der
verspäteten Herausbildung des deutschen Nationalstaates. In anderen
Ländern wie z. B. Frankreich ist es der spezifisch „französische“
Zentralismus, der durch die beschleunigte Dynamik des Zerfalls selbst
zum Beschleuniger der Zerrissenheit und Spaltung in der Gesellschaft
wird.
Die herbeigeführte Flutkatastrophe…
verschlimmert durch die Fahrlässigkeit der Herrschenden
Die Flutkatastrophe Mitte Juli mit ihren nahezu 200
Toten, knapp tausend Verletzten und vielen Traumatisierten brachte
weitere Aspekte dieses Zerfalls zum Vorschein.
Zwar hatte man
ein Flutwarnsystem nach den Überschwemmungen von 2002 installiert,
aber die Alarmsirenen waren entweder nach 1989 abgebaut worden oder
die auf dem Funknetz basierenden Warnsysteme funktionierten nach dem
Ausfall der Sendemasten nicht mehr. Zudem deuten erste Untersuchungen
darauf hin, dass wiederholte Warnungen seitens der Wetterdienste und
anderer spezialisierter Dienste von den Behörden nicht in
entsprechende Aufforderungen umgesetzt wurden, so dass ein Großteil
der verlorenen Menschenleben auf das Konto der Fahrlässigkeit der
Behörden geht. Auch wenn die Flutwelle als solche nicht hätte
verhindert werden können, die meisten Menschenleben hätten durch
entsprechende rechtzeitige Warnung (und Übungen für solche Fälle)
geschützt werden können. Bei der anschließenden Mobilisierung der
staatlichen Hilfskräfte war das gewaltige Chaos bei der
Organisierung der Hilfsmaßnahmen nicht zu übersehen und die
mangelnde Ausrüstung der Katastrophendienste (organisatorisch und
materiell) wies ebenso auf große Nachlässigkeiten hin.
Weil
die Zerstörungen so gewaltig waren, mussten Bund und Länder, ein
Hilfspaket von 30 Mrd. Euro zusagen. Dies bringt die ganze
Irrationalität zum Vorschein. Bislang hat man die Umwelt
weitestgehend ungebremst zerstört, damit solche
Extremwetterereignisse herbeigeführt, alles zum Wohl der Wirtschaft,
nun sind die Opfer in der Bevölkerung und gigantische
wirtschaftliche Kosten dafür zu beklagen. Demgegenüber war der
einzige Lichtblick die Mobilisierung der Zivilbevölkerung, die sich
meist außerhalb von staatlichen Stellen selbst organisierte. Dabei
eilten Menschen aller Altersgruppen und Herkunft aus allen
Landesteilen selbstlos herbei, um den Betroffenen mit ungeheurer
Kreativität Hilfe zukommen zu lassen.
Die Liste der
Zerfallserscheinungen ließe sich noch lange fortsetzen. Wir erwähnen
hier nur den VW-Abgasskandal – mittlerweile schon ein paar Jahre
alt; er stellt zwar ein Zeichen der Verschärfung des
Konkurrenzkampfes dar, bei dem alle Mittel eingesetzt werden, aber er
zeigt auch die Irrationalität, denn mittlerweile musste VW dafür
mehr als 30 Mrd. Euro Strafe zahlen. D.h. die Kosten des weltweit
tobenden Konkurrenzkampfes werden immer horrender und irrationaler!
Und er war angetrieben von einer moralischen Skrupellosigkeit und
Verkommenheit des technischen und führenden Managements, was einen
tiefen Blick in die Konstitution der Charaktere der herrschenden
Klasse werfen lässt.
Aber nicht nur in höheren Ebenen nehmen
Ruchlosigkeit und Brutalität im Konkurrenzkampf zu, auch in anderen
Teilen der Gesellschaft greifen Irrationalität und
„Abschottungsmentalität“ sowie Gewaltbereitschaft immer mehr um
sich. Verschiedene Phänomene, die in der jüngsten Zeit die
Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, werden meist isoliert,
losgelöst voneinander dargestellt. Die verschwörungstheoretischen,
wissenschaftsfeindlichen Denkweisen, die Haltung vieler „Querdenker“
und deren Forderung nach „Freiheit“, die Durchmischung mit
rechtsradikalen Kräften auf solchen Demos, „ausrastende“,
größtenteils psychisch Gestörte, die vor Mord und Totschlag gegen
Einzelne oder Gruppen von angeblich irgendwie „Schuldigen“ nicht
zurückschrecken, sich vertiefende „Gräben“ zwischen
verschiedenen Identitätsabgrenzungen weisen auf einen
tiefgreifenden Zersetzungsprozess im Innern der Gesellschaft
hin, der sich natürlich gravierend in den Staat hineingefressen
hat.
Dass man bei den Wahlen in Berlin, wo neben der
Bundestagswahl die Wahl zum Abgeordnetenhaus und der Volksentscheid
zur Enteignung von großen Wohnungskonzernen an einem Tag
durchgeführt wurde, überforderte offensichtlich viele Teile des
Staatsapparates, denn mehrere Wahllokale mussten mehrere Stunden
geschlossen werden, weil keine Wahlzettel mehr zur Verfügung
standen. Wahlbezirke wurden verwechselt, Pannen über Pannen!
Vielleicht gibt es demnächst Wahlbeobachter aus irgendeiner
Bananenrepublik!
Die zukünftige neue
Regierungskoalition
Die Herausforderungen für die neue Regierung: Sich
im internationalen Konkurrenzkampf zu behaupten….
Die neue
Bundesregierung wird zügig an die auf sie zukommenden Aufgaben
herangehen müssen:
– die Kosten für die Rettungspakete
langsam – ohne Überstürzung, taktierend – auf die Bevölkerung,
natürlich insbesondere die Arbeiterklasse abzuwälzen. [3]
–
eine Aufholjagd für die Modernisierung der Wirtschaft in
verschiedenen Bereichen einzuläuten; vieles von diesem mit dem
Aushängeschild “grüne Wirtschaft“. Insgesamt wird man dem
Klimaschutz massiv Gelder zur Verfügung stellen müssen,
–
eine Lehre aus der Pandemie zeigte: Die in den letzten Jahren
entstandene Abhängigkeit bei vielen Produkten vom Ausland (von
Billigprodukten wie medizinischer Schutzausrüstung bis hin zu
modernen Elektronikbauteilen (Halbleitern, Chips), muss reduziert
bzw. aufgelöst werden, um Zwangslagen gegenüber asiatischen oder
US-amerikanischen Produzenten zu vermeiden.
– die
Rüstungsausgaben erhöhen, um den verstärkten Notwendigkeiten auf
imperialistischer Ebene Rechnung zu tragen,
– Wohnungen
bauen, um die wachsende Nachfrage besser zu decken – wobei alle
möglichen Maßnahmen in Betracht kommen können wie z.B. jüngst in
Berlin, wo ein Deal über den Kauf von 14.500 Wohnungen durch den
Berliner Senat stattfand, um die Preissteigerungen auf dem
Wohnungsmarkt durch Steuergelder abzuschwächen.
–
Schulung und Rekrutierung neuer Generationen von
Arbeitskräften.
Nicht möglich ohne massives
Eingreifen des Staates
All diese Maßnahmen sind ohne massivste zusätzliche
Staatsausgaben undenkbar. Beim Bau von Halbleiterproduktionsanlagen
investieren z.B. China in den nächsten 6 Jahren 1.4 Billionen $ in
strategische Technologien und Südkorea in den nächsten 10 Jahren
450 Milliarden Mrd. $ in Halbleiterentwicklung – alle mit nahezu
unbeschränkten staatlichen Finanzspritzen – ein Alptraum für die
EU…. und Deutschland, denn dem gegenüber kann ein einzelner Staat
und auch die geballte Kraft der EU nicht mithalten. [4]
Die
Aufgabe lautet also: wie die großen Gelder für den Konkurrenzkampf
aufbringen? Nur der Staat kann solche Summen zusammenkratzen. Und wie
soll das finanziert werden, nachdem man ja schon solch einen
gigantischen Schuldenberg aufgebaut hat, der jetzt durch Corona noch
mal vergrößert wurde? Auf wen diese Schuldenlast abwälzen?
Dabei
herrschen zurzeit noch günstige Konditionen am Finanzmarkt.
Die Null bzw. Negativzinsen feuern den Bauboom an, treiben selbst
gleichzeitig die Baupreise in astronomische Höhen, und lassen Mieten
unbezahlbar werden. Gleichzeitig werden Wohnungen / Mieten dadurch
immer weniger bezahlbar. [5]
Und gleichzeitig kommt mit der
Nullzinspolitik das, was bürgerliche Kommentatoren die „kalte
Enteignung der Sparer“ nennen.
Mittlerweile ist die
Inflation auf 3-4% angezogen. Zwar behaupten die Ökonomen, dies sei
zum Großteil auf die Spätfolgen des Chaos der Pandemie
zurückzuführen, wodurch Lieferketten gerissen sind und zu Mangel an
vielen Produkten geführt haben. Die Inflation kann sehr wohl aber
eine Eigendynamik entfalten, was große Folgen für die Finanzmärkte
und für die Einkommen haben würde.
Und
Sparen auf dem Kosten der Arbeiterklasse
Auch wenn die neue Regierung vielleicht nicht
unbedingt sofort eine große Welle von Sparmaßnahmen einleitet, um
Geld einzutreiben, zeigen die Beispiele USA und GB wohin der Weg
gehen wird, dort haben die Regierungen nach kurzer Zeit schon
Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen beschlossen. Dabei muss die
Regierung nicht unbedingt offen die Steuern erhöhen oder die Löhne
senken und Sozialleistungen rabiat streichen. [6]
Die Lage auf
dem Arbeitsmarkt verdeutlicht dies. Dort herrscht z.B. eine
widersprüchliche Situation. Einerseits ruft u.a. die demographische
Entwicklung einen Arbeitskräftemangel hervor – nicht nur im
Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte, sondern auch in vielen
Bereichen des Niedriglohnsektors. So steht das Kapital zum ersten Mal
vor der Lage, dass es einerseits in vielen Branchen immer mehr
Arbeitsplätze abbauen und somit Personal freisetzen muss (z.B. im
Gesundheitswesen, in der Automobilproduktion sollen durch die
Einführung von E-Fahrzeugen allein in den nächsten Jahren
180.000 Jobs wegfallen), in anderen Branchen sucht man händeringend
nach Arbeitskräften – z.B. Logistik/Transport-Verkehr, Kitas,
Pflegekräfte, Ingenieure. Gleichzeitig hat man durch die
Prekarisierung einen immer höheren Anteil an Niedriglöhnen
geschaffen,[7] während in allen Branchen die Verdichtung der Arbeit
zugenommen hat. So sind viele Angriffe über Neueinstellungen mit
Niedriglöhnen, allgemeine Prekarisierung und durch
Arbeitsverdichtungen über die Bühne gebracht worden. Und
unterdessen sind viele junge Leute nicht mehr bereit, sich in die
Arbeit mit vielen Überstunden usw. voll einspannen zu lassen, um
„Karriere zu machen“.
Der Arbeitskräftemangel, der 2015
die Unternehmer dazu bewogen hatte, in Anbetracht der
Flüchtlingswelle von 2015 zu verkünden, man könne jedes Jahr eine
Million neue Immigranten aufnehmen (damals sprach Merkel von der
„Willkommenspolitik“ („Das schaffen wir“)), zwingt das
Kapital zu einer Änderung seiner Migrationspolitik. Genauso wie
Anfang der 60er Jahre, als nach dem Mauerbau der Zustrom billiger
Arbeitskräfte aus dem Osten versiegte und man massenhaft Billig
Lohner (Gastarbeiter) ins Land holte, müssten nun viel mehr
Migranten reingelassen werden – aber der Populismus und der Zerfall
haben hier zusätzliche Hürden aufgebaut. Der massenhafte Zustrom
von Flüchtlingen hatte nach 2015 der AfD den Aufstieg mit
ermöglicht. Aus Angst vor dem weiteren Zulauf zur AfD infolge eines
zu starken Zustroms von Flüchtlingen wird das deutsche Kapital
jedoch daran gehindert, für ausreichenden Nachschub (besonders an
qualifizierten) Arbeitskräften aus dem Ausland zu sorgen. So kommt
dem Kapital der Populismus in die Quere und schwächt die
Konkurrenzfähigkeit.
Wegen all dieser
Modernisierungsbedürfnisse und des energischen Eingreifens des
Staates sowie der Notwendigkeit, die Kosten der Krise auf die
Arbeiterklasse abzuwälzen, stehen die weitsichtigsten Teile des
deutschen Kapitals auf Seite von SPD und Grüne, weil diese Parteien
am wenigsten beim Einsatz staatskapitalistischer Investitionen zögern
und zumindest die Sozialdemokratie mehr Erfahrung in der
Konfrontation mit der Arbeiterklasse hat.
Man könnte fragen:
wäre die CDU mit ihrer lange vom damaligen Finanzminister Schäuble
praktizierten „schwarzen Null“ (d.h. keine Neuaufnahme von
Schulden) nicht die bessere Karte gewesen? Die Erfahrung zeigt, dass
dem Staat wie nach 1990, als bei der Wiedervereinigung der damalige
Kanzler Kohl auch massiv Schulden aufnahm, um die ehemalige DDR
einzuverleiben, keine andere Option offenstand, um den Bedürfnissen
des Kapitals zu genügen. Verstärkung des Staatskapitalismus, um
eine auseinanderdriftende, von immer mehr Widersprüchen zerrissene
Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren – ist die
historische Entwicklungslinie des niedergehenden Kapitalismus. Die
Zunahme staatskapitalistischer Maßnahmen ist kein Zeichen der
Auflösung der Demokratie hin zu einer Diktatur (wie es viele
kleinbürgerliche Linke und Querdenker behaupten) sondern Ausdruck
der Schwäche, der Krisen, der Obsoleszenz des
Kapitalismus.
Unterdessen wird deutlich, dass gerade die
deutsche Exportabhängigkeit zu einer größeren Verwundbarkeit durch
die Erschütterungen in der Weltwirtschaft führt. Der Zusammenbruch
des chinesischen Immobilienriesen Evergrande liefert einen
Vorgeschmack von dem, was auf die Weltwirtschaft zukommen und
besonders stark Deutschland treffen wird.
Auf
imperialistischer Bühne
Auf imperialistischer Ebene wird die neue Regierung
auf einer zunehmend komplexeren, chaotischen Bühne die Interessen
des deutschen Kapitals verteidigen müssen.
Wegen der großen
Exportabhängigkeit kann man weder gegenüber China noch Russland und
auch nicht gegenüber den US einen offen aggressiven Kurs fahren.
Zwar werden Rot-Grün ihre moralische Verlogenheit gegenüber China
und Russland unter Beweis stellen, aber die nackten Realitäten des
Konkurrenzkampfes werden sie zum Manövrieren zwingen. Das
Afghanistan-Debakel hat auch die Entschlossenheit aller Parteien
verdeutlicht, sich mehr aus amerikanischer Abhängigkeit zu befreien
und zu eigenständigem Handeln im Verbund mit europäischen
„Partnern“, (allein voran Frankreich) fähig zu werden.
Insbesondere die Grünen können im Aufbau einer eigenständigeren
europäischen imperialistischen Position eine wichtige Rolle spielen.
All das ist notwendigerweise mit einer Anpassung der Militärausgaben
verbunden. Nebenbei sei bemerkt, dass dem deutschen Imperialismus
auch hier der Populismus ungelegen kommt. [8]
Die
Arbeiterklasse weiterhin vor einer schwierigen Lage
Die Schwächen der Arbeiterklasse international wie
auch insbesondere in Deutschland, die seit nunmehr mehreren
Jahrzehnten unverkennbar sind, dürfen von den Revolutionären nicht
geleugnet, sondern müssen in aller Gründlichkeit und ohne Scheu
analysiert werden.
Die jüngste Entwicklung hat diese
Schwierigkeiten der Arbeiterklasse, überhaupt als Klasse in
Erscheinung zu treten und als Bezugspol für politisierte Leute zu
wirken, noch einmal deutlicher vor Augen treten lassen. Zudem haben
die Bedingungen der Pandemie noch einmal die Lage verschärft und ein
Gefühl des Corona-Blues bei einigen aufkommen lassen.
Auch
wenn der unmittelbare Eindruck bei manchen ein demoralisierendes
Gefühl hervorrufen mag, dürfen wir nicht Gefangene der
unmittelbaren Situation werden. Es ist unsere Aufgabe zu erkennen,
dass die Widersprüche im Kapitalismus sich weiter aufgehäuft haben
und diese uns nur noch mehr bedrohen werden. Bislang ist es dem
deutschen Kapital gelungen, die schlimmsten Auswirkungen der
Wirtschaftskrise von der Arbeiterklasse fernzuhalten bzw. die
Bedürfnisse des Kapitals geschickt aufzuzwingen – ohne
nennenswerten Widerstand der Klasse.
Auch wenn die
Arbeiterklasse jetzt noch nicht direkt in einen sofortigen Zugzwang
gerät, wird der zukünftige Abwehrkampf gegen die kapitalistischen
Angriffe ein entscheidendes Moment sein. So schwer es auch für die
Arbeiterklasse ist, diese Abwehrbewegung in Gang zu setzen, sie ist
und bleibt die einzige Dynamik zur Herbeiführung einer
Klassenkonfrontation, in der die wahren Klassengegensätze in der
Gesellschaft deutlich werden. Sicher hat die herrschende Klasse mit
dem ganzen Wahlspektakel und dank anderer, für Ablenkung sorgender
Faktoren, zurzeit die Oberhand und kann die „Themen bestimmen“.
Aber dies wird nicht ewig dauern. Entweder versinkt die Gesellschaft
immer tiefer in ihrem Morast der Verfaulung oder der Klassenkampf
entfaltet seine eigene Dynamik, langfristig mit einer Perspektive zur
Überwindung dieser Gesellschaft. Es ist Aufgabe der Revolutionäre
weiterhin für diese Perspektive zu kämpfen. Deshalb darf man in
Anbetracht der Schwierigkeiten nicht den Kopf in den Sand stecken,
sondern muss eine langfristige Perspektive entwickeln.
Wolfgang
27.09.2021
[1]Ob als Spitzenkraft in Hamburg oder als
Finanzminister – im Umgang mit Finanzen und Deals mit allen
möglichen (durchsichtigen oder undurchsichtigen) Firmen, immer
beteuerte er trickreich und aalglatt seine Unschuld oder verwies auf
seine Gedächtnislücken.
[2] Im gesamten ersten Jahr der
Pandemie wurden hierzulande mehrere kontrollierte Studien mit
Patienten auf den Weg gebracht, jedoch nur eine Minderheit von ihnen
erfolgreich weitergeführt oder abgeschlossen. Zu diesem wenig
schmeichelhaften Resultat kommen Forscher aus der Schweiz und
Deutschland nach eingehender Analyse der einschlägigen
Studien-Datenbanken. (FAZ, 14.09.2021, Miserables Zeugnis für die
deutsche Corona-Forschung)
[3]Neben dem Rettungspaket von 750
Mrd. Euro der EU hat der Staat in Deutschland nochmal mehrere hundert
Milliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt. „1,32 Billionen Euro
Corona-Schulden und kein Ende in Sicht: So teuer wird die Krise für
Deutschland. Der Schuldenstand des Bundes ist seit Pandemiebeginn um
35 Prozent angestiegen und liegt so hoch wie nie zuvor.
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/rekord-neuverschuldung-1-32-billionen-euro-corona-schulden-und-kein-ende-in-sicht-so-teuer-wird-die-krise-fuer-deutschland/27034064.html?ticket=ST-498750-wxJCbSx43BvRYbnReBX0-ap2.
Seitdem
ist der Schuldenstand unaufhörlich weitergewachsen.
[4] In
der Solar-/PV-Technologie hatte z.B. Deutschland die Nase mit vorn,
doch nach umfangreichen staatlichen Finanzspritzen an chinesische
Firmen haben diese in der Zwischenzeit deutsche Konkurrenten platt
gemacht. Ähnliches droht in anderen Branchen
[5] Jetzt schon
richten sich die meisten Proteste gegen Wohnungsnot, aber weil sie
eine „klassenübergreifende“ Mobilisierung darstellen, können
sie keine klassenspezifische Polarisierung bewirken und keine
wirkliche politische Sprengkraft darstellen.
[6] Zum Zeitpunkt
des Schreibens dieses Artikels gibt es noch keine neue Regierung
Sollte die FDP mit im Boot sein, könnten sich die anderen Parteien
gut hinter ihr verstecken, so tun, als ließe man sich von ihr unter
Druck setzen, um die Schuldenpolitik einzudämmen.
[7] Der
sogenannte Niedriglohnsektor ist bis 2008 permanent angewachsen und
hat sich seitdem bei ca. 22 Prozent festgesetzt.
[8] So konnte
man beim Afghanistan-Desaster gewissermaßen die verdeckte störende
Wirkung‘ des Populismus auf imperialistischer Ebene sehen. Wie alle
anderen westlichen Mächte konnte die Bundeswehre ihren fast
20-jährigen Einsatz nur dank der Rekrutierung von Ortskräften
aufrechterhalten. Während man angesichts der Machtübernahme der
Taliban die einheimische Bevölkerung, die nicht im Solde der
westlichen Mächte stand, ihrem Schicksal überlassen wollte, vor
allem die CDU/CSU bis wenige Tage vor dem Zusammenbruch des Regimes
fleißig weiter Abschiebungen propagierte, geriet man in Verlegenheit
gegenüber den „Schutzbedürftigen“ vor Ort. Es gehört zur
Glaubwürdigkeit einer imperialistischen Macht, dass man die
ehemaligen „Verbündeten“ vor Ort unterstützt. Überall war aber
plötzlich wieder zu hören, „Nur bloß keine Wiederholung von
2015“. Die Angst der führenden Kreise der herrschenden Klasse,
dass man wieder eine große Zahl Flüchtlinge aus Afghanistan
aufnehmen müsse, war getrieben von der Sorge, dass eine neue
Flüchtlingswelle erneut der AfD nützen würde, denn diese hatte
nach dem Ansturm der Flüchtlinge 2015 einen fulminanten Aufschwung
für die AfD gebracht. So wurde anhand der Zurückhaltung und des
Widerwillens bei der Aufnahme von „Ortskräften“ deutlich, wie
stark man dem Populismus und der AfD Tribut zollen
musste.
https://de.internationalism.org/content/3013/bundestagswahlen-2021-die-politischen-schwierigkeiten-der-deutschen-bourgeoisie
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