GroKo
schleicht dem Ende zu
Gartenzwerge statt Geistesriesen
Autor: U. Gellermann
Datum: 18. März 2019
Keine Kinderchöre, keine Jubelfeiern, nicht mal Gedenkreden zum einjährigen Bestehen der aktuellen Großen Koalition. Nur der Staats-Lautsprecher aus Hamburg, die Tagesschau, kann es nicht lassen. Sie interviewt den ziemlich unbekannten Politikwissenschaftler Gero Neugebauer zum Jahrestag der GroKo. Warum den? Neugebauer gilt als Experte der DDR-Forschung. Als einer, der sich mit dem Ende eines Staates gut auskennt. So einer weiß, wie man Trauerspiele in Interviews verpackt: Man macht munter, setzte eine heitere Miene auf und gibt gute Ratschläge: "SPD muss sich als Alternative verkaufen", als habe sich die SPD nicht schon längst komplett verkauft. Und für die CDU glaubt der Politikwissenschaftler zu wissen: "Kramp-Karrenbauer muss Teil der Merz-Anhänger gewinnen". Als habe der Arbeitgeber des Herrn Merz, das US-Finanzmonster BlackRock, nicht schon längst gewonnen: So nahe am politischen Zentrum Deutschlands hatte der Konzern noch nie einen seiner Diener platziert.
Die SÜDDEUTSCHE brandmarkt die GroKo geradezu mit dem Wort "bemüht". Und alle wissen: Mühe allein genügt nicht. Die BILD-Zeitung schreibt von der "Endzeit", und die FAZ entdeckt nicht mehr als "Lösungsversuche". Selbst die halbstaatliche DEUTSCHE WELLE sieht nur eine "große Verunsicherung". Zumeist findet man nur kleine Artikel und noch kleinere Gedanken zum Ende der GroKo in den deutschen Medien. Das Land der Gartenzwerge bringt eben kaum noch Geistesriesen hervor. Dabei wäre es selbst für den unterirdischen deutschen Herrschafts-Journalismus doch ganz einfach: Man sieht sich im Land um, stellt fest, was alles nicht klappt und zieht dann die Bilanz der GroKo. Aber dafür müssten die Damen und Herren von ihren Designer-Stühlen aufstehen, ihre Büros verlassen und sich umschauen. Statt sich nur aus den Meldungen der regierungsfrommen Agenturen zu bedienen. – Machen wir einen Feldversuch.
Man setzt sich in sein Auto und fährt eben nicht los. Denn: "Die Nettoinvestitionen in Deutschland im öffentlichen Bereich sind negativ. Das heißt, die Abschreibung, der Verfall der öffentlichen Infrastruktur ist jedes Jahr größer als das, was wir an zusätzlichen neuen Investitionen tätigen", sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und erklärt so den schlechten Zustand von deutschen Straßen und Brücken. Also umsteigen. Auf die Bahn oder den lokalem Öffentlichem Nahverkehr: Verspätung, Ausfälle, Pläne, Pläne ohne Plan. Denn nahezu überall wurden die Löhne und Gehälter gekürzt und Stellen abgebaut. So kann Verkehr nicht reibungslos funktionieren. Das weiß fast jeder. Nur die deutschen Medien schweigen darüber vornehm.
Also wieder ins Auto, die Kinder müssen zur Schule. Dort aber: Schimmel an den Wänden, einsturzgefährdete Decken, versiffte Toiletten. Stundenausfall ohne Ende. Seiteneinsteiger halten das schlechte Niveau deutscher Schulen mal gerade noch auf der schiefen Ebene. Der Investitionsstau im Bildungsbereich liegt bei 55 Milliarden Euro. Das liegt auch daran, weil man im Gefolge der Agenda 20/10 den öffentlichen Dienst nahe Null runter- und damit an die Wand gefahren hat. Geld ist da. Aber keine Leute mehr, um es sachgerecht auszugeben. Doch Bund und Länder führen derweil ein prächtiges Schauspiel zur Digitalisierung der Schulen auf.
Zwischen 1996 und 2016 sank der Anteil der investiven Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,5 auf nur noch 2,12 Prozent. Die Staaten der Industrieländerorganisation OECD wenden im Schnitt hingegen mehr als drei Prozent für Investitionen auf. Deutschland müsste seine Investitionstätigkeit um mindestens 40 Prozent erhöhen, um den OECD-Durchschnitt zu erreichen. Brav wird aber immer noch in Rüstung investiert. Die Infrastruktur des Landes verschleisst, die Armee des Landes ist auf Auslandsreisen. Ob der Schulunterricht in Afghanistan besser geworden ist? Oder die Straßen in Mali?
Unter Außenpolitik verstand die GroKo im wesentlichen das militärische Trittbrettfahren: Mal auf dem Brett der USA, auch mal auf dem der Franzosen. In Syrien setzte man frühzeitig auf die Ablösung des Präsidenten Baschar al-Assad. Die Zahl der Kriegstoten wächst dort immer noch. In Afghanistan wartet die GroKo darauf, dass, was und ob die USA etwas unternehmen. Eine eigene, gar eigenständige Außenpolitik? Der aktuelle Außenminister gilt als Reiseweltmeister. Er reiste laut einer Statistik des Auswärtigen Amtes in seiner bisherigen Amtszeit so viel, wie keiner seiner Vorgänger. Gerade war er in Afghanistan. Und sonderte anschließend diesen Satz ab: Er verstehe seinen Besuch als „ein klares Zeichen“ dafür, dass Deutschland zu seiner Verantwortung stehe. Nach Pakistan fuhr er mit diesem Programm: Er wolle "die Gelegenheit nutzen, um in Islamabad nochmals unsere Besorgnis über die jüngsten Spannungen mit Indien zum Ausdruck zu bringen". Gespräche mit den Taliban? Nachdenken über den Abzug der Bundeswehr? Bestenfalls hat Maas über den pakistanischen Ladentisch geguckt und keine billigen Bonbons gefunden.
Die neuen Chancen für eine deutsche Außenpolitik, die sich aus Trump-Shit und Brexit ergeben, kann und will die Bundesregierung nicht sehen. Als Antwort auf die Trump-Schutzgeld-Erpressung raus aus der NATO: Das wär doch mal was. Dann wäre ausreichend Geld für die bundesrepublikanische Infrastruktur vorhanden. Mit dem Brexit raus aus der EU und ihren teuren, umständlichen Bürokratien: Das brächte sicher Geld und Zeit genug, um den Englisch-Lehrern an deutschen Schulen saubere Toiletten zu garantieren.
Eine gewöhnliche deutsche Echse führt den scheinbar sprechenden Namen "Blindschleiche". Doch sie ist nicht blind. Ihr Name wird auf das Althochdeutsche "plintslîcho" zurückgeführt, was so viel wie „blendender/blinkender Schleicher" bedeutet. Die GroKo schleicht ihrem Ende zu. Sie blendet und blinkt nur matt. Ob sie wirklich noch etwas sieht, ist ungewiss.
Dran bleiben...
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