SOLDATEN
FÜR DEN FRIEDEN (Teil vier)
Leseprobe
aus „AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder“ im 70.
Jahr der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949
Der
Autor wurde 1936 in Berlin-Tegel geboren, wuchs in der DDR auf,
arbeitete als Militärjournalist im Dienstgrad Oberstleutnant in der
NVA und betätigt sich heute als Blogger, Buchrezensent und Autor. Er
ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.
Bei Präsident Pieck
Die Ziebells
scheinen „Weltmeister im Umziehen“ zu werden. Wiedermal heißt es
zurück nach Berlin, diesmal in die Mühlenstraße in Pankow. Gleich
nebenan das Rathaus. Im Keller ein sowjetisches Magazin. Da gibt es
eine Spezialität: Moskauer Eis! Aber nur Russen dürfen dort kaufen.
Mama darf! Henry lernt schnell zwei Brocken russisch von seiner
Mutter, die aber wieder zur Arbeit muß, zum Dolmetschen. Er nimmt
allen Mut zusammen, und nun bekommt auch er die begehrten Kugeln.
Seine Geschwister, sie warten zu Hause, jubeln vor Freude. Henry ist
der Größte. Gleich um die Ecke befindet sich die
Wilhelm-Pieck-Schule. Dorthin gehen auch Sophia, Axel und Henry. In
dieser Schule machen sie auch persönliche Bekanntschaft mit der
berühmten Schriftstellerin Anna Seghers. Die Pionierwochenschau
filmt das ganze. Unvergessen auch der 1. Mai 1951. Der große
Demonstrationszug defiliert an der Tribüne vorbei. Henry gibt als
Trommler für seine Schule den Tritt an, mit Angst, es zu schaffen,
aber auch mit Stolz.
Da die
Schule den Namen des Präsidenten trägt, dürfen die Besten ihm auch
zu seinem Geburtstag persönlich gratulieren. Eine kleine Delegation
trippelt, unter ständigen Ermahnungen der Schulleiterin, daß die
Schüler sich ja anständig benehmen sollen, zum Schloss
Niederschönhausen. Auch Sophia und Henry. (Davon gibt es ein Foto,
zuerst veröffentlicht in der „Frau von heute“, Jahre später im
„Neuen Deutschland“, in den 70er Jahren noch einmal im
Pionierkalender.) Im Gästebuch tragen sie ihre Namen ein: Ziebells .
In einem großen Raum warten alle Gäste. Viele Leute von Betrieben
und Schulen. Dann kommt Wilhelm Pieck! Freundlich, nicht groß, etwas
kräftig gebaut. Der Präsident lächelt, gibt jedem die Hand. Danach
weist der Präsident mit der Rechten zu einem benachbarten Raum. Er
lädt alle zum Essen ein. Den Jungen Pionieren läuft bereits das
Wasser im Munde zusammen. „Jugend voran“, bekräftigt der
Arbeiterpräsident.
Doch
die Schuldirektorin drängt ihre Schützlinge zum Ausgang, sie
müssten wieder gehen. Schade, schade ...
Zum Inhalt
Ausgangssituation ist Schweden und das Haus, in dem die Popows wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.
Die Lehrzeit
wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit
Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem
Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen, wo er
seine spätere Frau kennenlernte.
Wie lebt ein
junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken
und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten
Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn
mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr,
für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als
einfacher Arbeiter tätig zu sein.
Durch
Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des
Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz.
Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren
Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als
Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen
ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines
Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken.
Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der
Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.
Die spätere
Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“
macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen
Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven
Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR
nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989
seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie
mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen,
sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr
wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts
der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr
relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis
stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an
der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die
erwarteten Schlussfolgerungen zieht.
Nach der
Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria
und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu
wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach
Schweden.
Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen,
so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin,
machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“
nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und
politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten
aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien,
politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen
Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender!
Harry
Popow:
AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten.
Taschenbuch: 500 Seiten, Verlag: epubli; Auflage 1 (18. Februar 2019), Sprache: Deutsch, ISBN-10:
3748512988, ISBN-13: ISBN: 9783748512981, Preis: 26,99 Euro
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