Lawrow im O-Ton über alle aktuellen Konflikte von der Ukraine über den Nahen Osten bis Asien
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 31. DEZEMBER 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Thomas Röper – https://anti-spiegel.ru
Der russische Außenminister Lawrow hat ein Interview gegeben, über das
die westlichen Medien wieder nur sehr bruchstückhaft berichten, weshalb
ich hier das gesamte Interview veröffentliche.
Die russische Nachrichtenagentur TASS hat ein Interview mit dem
russischen Außenminister Lawrow geführt, in dem alle aktuelle
Krisenherde der internationalen Politik angesprochen wurden. Leider
haben westliche Medien wie der Spiegel nur sehr bruchstückhaft über das
Interview berichtet und Lawrows Aussagen eingeordnet, anstatt ihren
Lesern Lawrows Aussagen im Ganzen zu zeigen und ihnen die Möglichkeit zu
geben, sich selbst eine Meinung zu bilden. Das Beispiel zeigt einmal
mehr, dass die westlichen Medien ihre Leser nicht informieren, sondern
indoktrinieren wollen.
Daher habe ich das gesamte, nicht allzu lange Interview übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Frage: Gibt es Anzeichen dafür, dass die Verhandlungen über eine
diplomatische Lösung des Konflikts um die Ukraine Anfang nächsten Jahres
nach der Amtseinführung von Donald Trump wieder aufgenommen werden
könnten? Hat die russische Seite die Absicht oder oder gibt es eine
Notwendigkeit zur Wiederherstellung der bilateralen Beziehungen mit den
USA unter der neuen Regierung?
Lawrow: Wir haben keine offiziellen Signale zur ukrainischen Regulierung
erhalten. Bis zum 20. Januar, dem Datum der Amtseinführung, hat Donald
Trump den Status eines „gewählten Präsidenten“ und alle Richtlinien in
allen Bereichen werden vom derzeitigen Präsidenten Joe Biden und seiner
Regierung bestimmt. Und bisher ist nur dieser befugt, im Namen der USA
mit Russland in Kontakt zu treten. Das kommt von Zeit zu Zeit vor, wie
wir regelmäßig mitteilen, aber von Verhandlungen über die Ukraine ist
bei solchen Kontakten keine Rede.
Den zahlreichen Leaks und dem Interview von Donald Trump mit dem Time
Magazine vom 12. Dezember zufolge spricht er davon, die Kampfhandlungen
entlang der Kontaktlinie „einzufrieren“ und den Europäern weitere
Verantwortung für die Konfrontation mit Russland zu übertragen. Wir sind
natürlich nicht zufrieden mit den Vorschlägen der Vertreter des Teams
des gewählten Präsidenten, die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO um
20 Jahre zu verschieben und ein Kontingent von Friedenstruppen
„britischer und europäischer Streitkräfte“ in der Ukraine einzusetzen.
Die prinzipielle Haltung Russlands zu der Regulierung ist bekannt. Das
wurde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin wiederholt geäußert,
unter anderem während der Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Jahres
am 19. Dezember. Wir waren und sind stets verhandlungsbereit.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, mit wem und worüber man sprechen
soll. Das sind keineswegs leere Fragen. Der Präsident hat sie auch bei
dem von mir erwähnten Treffen mit Journalisten ausführlich dargelegt.
Ich für meinen Teil möchte besonders betonen, dass wir nur über
verlässliche, rechtsverbindliche Vereinbarungen sprechen können, die die
Ursachen des Konflikts beseitigen und einen Mechanismus enthalten
müssen, der verhindert, dass sie verletzt werden.
Was die Aussichten für die russisch-amerikanischen Beziehungen angeht:
Wenn die USA dazu bereit sind, sind wir offen für die Wiederaufnahme des
politischen Dialogs, den Washington nach Beginn der Militäroperation
unterbrochen hat. Da es die Amerikaner waren, die ihn unterbrochen
haben, und nicht wir, ist es an ihnen, den ersten Schritt tun.
Vielleicht hat irgendjemand noch Illusionen, ich habe sie schon lange
nicht mehr. Urteilen Sie selbst. Selbst wenn Donald Trump versucht, die
bilateralen Beziehungen wiederherzustellen, muss er „gegen den Strom
schwimmen“ und dabei den parteiübergreifenden Konsens berücksichtigen,
der sich in den USA zur Eindämmung Russlands entwickelt hat, auch durch
die Unterstützung des Neonazi-Regimes in Kiew. Und das ist gar nicht so
einfach. Darüber hinaus wird Russland in amerikanischen Doktrinen als
„Gegner“ bezeichnet. Also schauen wir mal. Wenn die Amerikaner unsere
Interessen berücksichtigen, wird der Dialog schrittweise
wiederhergestellt. Wenn sie sie nicht berücksichtigen, bedeutet das,
dass alles so bleibt, wie es ist.
Frage: Wladimir Selensky hat zugegeben, dass die ukrainische Armee nicht
in der Lage ist, die verlorenen Gebiete zurückzuholen. Was sagt
Russland das? Glauben Sie, dass die NATO die russischen Warnungen
hinsichtlich der Unzulässigkeit der Mitgliedschaft der Ukraine in der
Organisation in irgendeiner Weise beachtet hat?
Lawrow: Wir glauben keinen Erklärungen, sondern Fakten, insbesondere wenn es um das Kiewer Regime geht.
Bisher hat Kiew die Aufgabe, die „territoriale Integrität der Ukraine“
innerhalb der Grenzen von 1991 wiederherzustellen und die russischen
Truppen über diese Grenzen hinaus zurückzudrängen, nicht aufgegeben.
Diese Aufgabe steht in der „Selensky-Formel“. Im Oktober fanden Treffen
zur Vorbereitung eines zweiten „Friedensgipfels“ statt. Sie wollen, wie
wir wissen, Russland dazu einladen, um uns eine Art Ultimatum zu
stellen. Ich habe mehrfach erklärt, dass wir nicht an dem
„Friedensgipfel“ teilnehmen werden, selbst wenn wir eine Einladung
erhalten würden.
Es ist unmöglich zu erraten, was Wladimir Selenskys öffentliches
Eingeständnis über die Unmöglichkeit, die verlorene Gebieten mit Gewalt
zurückzuholen, bedeutet. Diese Figur verkündet ständig irgendwas. Um
ehrlich zu sein, haben wir aufgehört, das zu verfolgen.
Was unsere Warnungen vor der Unzulässigkeit der Mitgliedschaft der
Ukraine in der NATO in jedweder territorialen Konstellation betrifft, so
besteht, soweit man das beurteilen kann, in dieser Frage keine
Einigkeit unter den Bündnismitgliedern. Da die langjährige Expansion der
NATO eine der Hauptursachen der Ukraine-Krise war, gehört die
Sicherstellung des blockfreien Status der Ukraine weiterhin zu den
Zielen der Militäroperation, die erreicht werden müssen.
Frage: Wann wird der Westen aufhören zu versuchen, „Farbrevolutionen“ in
der Nähe der russischen Grenzen durchzuführen? Wird Georgien Ihrer
Meinung nach mit der aktuellen Situation zurechtkommen?
Lawrow: Diese Frage muss man den westlichen Politikern stellen. Die
Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten, einschließlich
unserer nächsten Nachbarn, gehört seit langem zu ihrem außenpolitischen
Arsenal. Seit vielen Jahren nutzen Washington und seine Satelliten
dieses Instrument, um geopolitische Rivalen einzudämmen und Unerwünschte
auszuschalten. Die Beispiele Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien und die
Ukraine sind der Beweis dafür.
Was in Georgien geschieht, ist eine Folge der Anwendung von
„Doppelstandards“, wenn unter dem Vorwand einer imaginären Sorge um
Demokratie und Menschenrechte alles getan wird, um die Ergebnisse von
Wahlen zu „umzuspielen“, die sogar von einer solchen Struktur mit
angeschlagenem Ruf, wie der OSZE-BDIMR als frei bezeichnet wurden. Warum
soll man sie „umspielen“? Nur weil den Strippenziehern in Washington
und Brüssel die Wahl des Volkes nicht gefiel.
Die USA und die EU versuchen, Tiflis in das verlogene Dilemma „mit uns
oder gegen uns“ zu bringen. Unterdessen scheint die georgische Regierung
eine souveräne Politik aufbauen zu wollen, die den nationalen
Interessen entspricht, und nicht zum Spielball in den Händen der Westler
werden zu wollen, die Georgien in Richtung Destabilisierung,
wirtschaftliche Probleme und eine Verschärfung der Beziehungen zu
Russland drängen.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass das georgische Volk alles versteht
und vorwärts gehen wird. Wir unsererseits werden uns nicht in die
inneren Angelegenheiten Georgiens einmischen. Wir sind entschlossen, die
russisch-georgischen Beziehungen genau in dem Maße zu normalisieren, in
dem Tiflis dazu bereit ist.
Frage: Wie sehen Sie die Entwicklung der Ereignisse in Syrien nach dem
Machtwechsel? Warum hat sich Ihrer Meinung nach die Situation in dem
Land so schnell entwickelt? Stimmt es, dass im gesamten Nahen Osten eine
globale Umverteilung der Einflusssphären stattfindet?
Lawrow: Wir beobachten die Entwicklung der Lage in Syrien aufmerksam. Es
ist noch zu früh, um weitreichende Schlussfolgerungen zu den dort
stattfindenden Ereignissen zu ziehen.
Wir können jedoch bereits jetzt sagen, dass einer der Gründe für die
Verschlechterung der Lage die Unfähigkeit der vorherigen Führung war,
unter den Bedingungen des langwierigen Bürgerkriegs die Grundbedürfnisse
der Bevölkerung zu befriedigen. Nach überzeugenden Erfolgen im Kampf
gegen den internationalen Terrorismus unter Beteiligung der russischen
Luft- und Raumfahrtstreitkräfte haben sich die Hoffnungen der Syrer,
dass sich ihr Leben zum Besseren verändern würde, nicht erfüllt.
Das ist größtenteils die Schuld Washingtons, das die rohstoffreichste
nordöstliche Region Syriens faktisch besetzt hat und an der Spitze einer
Koalition seiner Satelliten auch erheblichen Sanktionsdruck auf
Damaskus ausübt. Diese Art der „Strangulierung“ der syrischen Wirtschaft
hat ständig soziale Unzufriedenheit hervorgerufen.
In dieser Situation war die Regierung gezwungen, unpopuläre Maßnahmen zu
ergreifen, insbesondere die Subventionen für gesellschaftlich wichtige
Güter und Dienstleistungen zu kürzen oder abzuschaffen. Die
Proteststimmung in der Gesellschaft wuchs und die Unterstützung der
Bürger für die Regierung nahm stetig ab.
Wir haben dem befreundeten syrischen Volk vielfältige Hilfe geleistet,
unter anderem durch die Bereitstellung humanitärer Hilfe, die
Wiederherstellung der während des Konflikts zerstörten sozialen
Infrastruktur und die Schaffung einer materiellen Basis für die Rückkehr
syrischer Flüchtlinge und vorübergehend Vertriebener. Wir haben
tatkräftig zu einer politischen Lösung beigetragen, auch im Rahmen des
Astana-Formats.
Man kann jedoch feststellen, dass es der früheren Regierung trotz
unserer dringenden Empfehlungen und aktiven Unterstützung nicht gelungen
ist, einen konstruktiven Dialog mit den Gegnern und einflussreichen
regionalen Nachbarn aufzubauen, um einen vollwertigen politischen
Prozess einzuleiten und auch die schwerwiegenden sozioökonomische
Probleme zu lösen.
Was den zweiten Teil der Frage betrifft, würde ich die Ereignisse im
Nahen Osten und in Nordafrika anders charakterisieren. Die dramatischen
und tragischen Ereignisse, die wir erlebt haben, sind unserer Meinung
nach größtenteils das Ergebnis des unverantwortlichen und destruktiven
Vorgehens der USA. Um seinen Einfluss in diesem Teil der Welt
aufrechtzuerhalten, hat sich Washington aktiv in die inneren
Angelegenheiten arabischer Staaten eingemischt und aggressiv künstliche
Trennlinien gezogen. Die Menschen im Irak und in Libyen kämpfen immer
noch mit den Folgen der Abenteuer der USA und ihrer Satelliten. Die
Quelle chronischer Spannungen ist der anhaltende
palästinensisch-israelische Konflikt, in dem Washington eine alleinige
Vermittlerrolle spielen wollte.
Die Kombination der genannten Faktoren führte im Oktober letzten Jahres
zur Destabilisierung der militärpolitischen Lage im Nahen Osten. Seitdem
erstreckt sich der „Bogen der Gewalt“ vom palästinensisch-israelischen
Konfliktgebiet bis zum Libanon und zum Roten Meer. Die
iranisch-israelische Konfrontation hat einen gefährlichen Punkt
erreicht. Über das, was in Syrien passiert, habe ich bereits gesprochen.
Russland ist stets bestrebt, in der Region die Entwicklung von Methoden
zur Lösung von Konflikten voranzutreiben, die vor allem die direkt
Beteiligten zufrieden stellen. Die führende Rolle im Prozess der
Normalisierung der Situation sollte den Staaten des Nahen Ostens selbst
zukommen. Wir sind bereit, sie dabei zu unterstützen.
Frage: Im Westen spricht man ständig von der angeblichen Beteiligung von
nordkoreanischen Soldaten an Kampfhandlungen der Militäroperation und
bezeichnet das als eine neue Eskalation seitens Russlands. Dabei ist
ihre Rhetorik Moskau gegenüber kategorisch und anklagend. Wie können Sie
das kommentieren?
Lawrow: Wir haben den Hype über dieses Thema, der im Westen ständig
angeheizt wird, wiederholt kommentiert. In letzter Zeit sind medialen
Leaks noch aggressiver geworden. Sie lassen sich kurz mit den Worten des
berühmten russischen Sprichworts beantworten: „Des Diebes Mütze
brennt.“
Wer Russland etwas vorwirft, muss sich selbst im Spiegel betrachten.
Soldaten und Söldner der NATO beteiligen sich auf Seiten der
ukrainischen Streitkräfte offen an der Planung und Durchführung von
Militäroperationen. Die NATO ist an der Invasion der Region Kursk und an
Angriffen mit Langstreckenraketen auf russisches Territorium beteiligt.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat dies in seinen jüngsten
öffentlichen Reden deutlich zum Ausdruck gebracht. Von welcher
Eskalation unsererseits kann überhaupt die Rede sein?
Unter den Bedingungen des Informationskrieges kann man von Vertretern
des Westens keine Objektivität erwarten. Wir werden ihre antirussischen
Unterstellungen ruhig und argumentativ widerlegen.
Was die Zusammenarbeit mit der Demokratischen Volksrepublik Korea
betrifft, werden wir sie im Einklang mit dem bilateralen Abkommen über
die umfassende strategische Partnerschaft aufbauen, das kürzlich in
Kraft getreten ist. Es sieht unter anderem eine gemeinsame Reaktion auf
Bedrohungen gegen eine der Vertragsparteien vor.
Frage: Ein weiterer Spannungspunkt in der Welt ist Taiwan. China
arbeitet daran, dieses Problem zu lösen. Gleichzeitig sind die USA in
der Vergangenheit wiederholt mit provokativen Aktionen in diesem Bereich
aufgefallen. Glauben Sie, dass die Trump-Administration diesen Prozess
beeinflussen wird? Wie real ist die Gefahr eines größeren Krieges in der
Region?
Lawrow: Wir spekulieren nicht über die Pläne der künftigen US-Regierung,
das ist Sache der Politikwissenschaftler. Wenn wir die allgemeine
Situation in der Region bewerten, verschlechtert sie sich weiter. Die
USA und ihre Satelliten erklären ihr Bekenntnis zum „Ein-China“-Prinzip,
bestehen jedoch auf der Aufrechterhaltung des Status quo, was bedeutet,
dass die aktuelle Situation auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten wird.
Gleichzeitig gehen die Amerikaner in der Taiwanstraße provokativ vor,
liefern Waffen nach Taipeh und entwickeln einen quasi-politischen Dialog
mit der dortigen Regierung. Alles in allem trägt das sicherlich zum
Anwachsen separatistischer Gefühle bei, und die Methoden sind denen sehr
ähnlich, die die Amerikaner einst verwendet haben, um in der Ukraine
ein antirussisches Sprungbrett zu schaffen.
Für uns ist es offensichtlich, dass eine derartige Linie Washingtons,
die es unter Verletzung seiner Verpflichtungen gegenüber Peking in Bezug
auf Taiwan verfolgt, auf dem Wunsch beruht, den militärpolitischen
Druck auf die Volksrepublik China zu erhöhen, und zur Untergrabung der
regionalen Sicherheit an der Ostspitze des eurasischen Kontinents führt.
Unsere grundsätzliche Position zur Taiwan-Frage hat sich nicht geändert.
Das wurde nach dem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in
der Volksrepublik China erneut in der gemeinsamen Erklärung der Staats-
und Regierungschefs Russlands und Chinas dargelegt. Da hier jedes Wort
zählt, zitiere ich einen Auszug aus dieser Erklärung: „Die russische
Seite bekräftigt ihr Bekenntnis zum „Ein-China“-Prinzip, erkennt an,
dass Taiwan ein integraler Bestandteil Chinas ist, lehnt die
Unabhängigkeit Taiwans in jeder Form ab und unterstützt entschieden die
Maßnahmen der chinesischen Seite zum Schutz seiner eigenen Souveränität
und territorialen Integrität sowie zur Vereinigung des Landes.“ Wir
werden uns weiterhin an diesen Bestimmungen orientieren.
Ende der Übersetzung
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