Demokratie bedeutet nicht, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. DEZEMBER 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Rainer Rupp – https://apolut.net
Politiker können mit Fug und Recht vom gemeinen Volk Respekt und Ehrfurcht erwarten
Im „besten Deutschland aller Zeiten“ ist man ja schon einiges gewöhnt.
Das trifft auch auf die Presse- und Redefreiheit zu und das sonstige
freiheitsrechtliche „Gedöns“, das von unserem Grundgesetz garantiert ist
und vom „Rechtsstaat“ angeblich geschützt wird. Aber man soll niemals
glauben, dass es in Absurdistan nicht mehr schlimmer kommen kann. Davon
hat mich vor wenigen Tagen ein Beitrag von Bernhard Loyen belehrt, in
dem er auf das vorweihnachtliche Geschenk des Bundesjustizministeriums
in Form von „Rechtsstaat-Beuteln“ an das brave Publikum berichtet. Damit
werden bei der Verhohnepipelung der Bürger neue Maßstäbe gesetzt.
Die „Rechtsstaat Beutel“ sind Teil der Rechtsstaat Kampagne (1) des
Bundesministeriums für Justiz (BMJ). In dem offiziellen Video dazu (2)
auf X hält eine kopflose BMJ-Mitarbeiterin handgemalte Schilder in die
Kamera, die sie aus ihrem Rechtsstaatbeutel gezogen hat. Auf denen kann
man unter anderem lesen: „Auf unseren Rechtsstaat können wir stolz
sein“. Dazu ertönt die Melodie von „Stille Nacht! Heilige Nacht“. Kann
man Bürger noch mehr verhöhnen, die im Kampf gegen Übergriffe
staatlicher Institutionen und willkürlicher Missachtung fundamentaler
Freiheitsrechte individuelle Wege des Martyriums durchlebt haben und
immer noch durchleben. Und es sind nicht nur die von staatlicher Willkür
direkt Betroffenen, deren Vertrauen in den Rechtsstaat in den letzten
Jahren zutiefst erschüttert wurde.
Aber lustig und froh lautet die Botschaft vom BMJ:
„Wir verlosen 100 unserer Rechtsstaat-Beutel. Mit dem Beutel kannst auch
du zeigen, dass du stolz auf unseren Rechtsstaat bist. Denn: Der
Rechtsstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft – er sichert unsere
Freiheit und schützt unsere Rechte.“
„Er (der Rechtsstaat) ist der Garant für Frieden, Demokratie und die
Wahrung unserer Grundrechte. Nur im Rechtsstaat können wir sicher sein,
dass niemand über dem Gesetz steht und dass wir in einem Umfeld leben,
in dem Gerechtigkeit herrscht. Es liegt an uns allen, dieses wertvolle
Gut zu schützen.“
Liebe Leser, haben Sie beim Lesen dieser Zeilen bemerkt, wie auch Sie
ein Würgen in der Kehle verspürt haben. Bitte erst einmal tief
durchatmen, bevor wir weiter machen. Dieser Hohn geschieht vor dem
Hintergrund der letzten Tage des Jahres 2024. Die Aussichten für das
nächste Jahr sind düsterer als vor 12 Monaten die Prognosen für 2024,
die bereits schlimm genug waren. Und so geht es schon seit 2020.
Deutschland befindet sich in einem Sinkflug, der immer schneller wird.
Dabei ist nicht nur die Wirtschaft betroffen, sondern auf allen
gesellschaftlichen Ebenen kann man zunehmend Verfall beobachten, der
teilweise bereits in Fäulnis übergegangen ist.
Derweil dröhnen Politik und Medien uns täglich die Ohren voll, dass
alles bestens bestellt sei. Der Alltag mit seinem wachsenden Sorgen,
Firmenschließungen, Angst um Arbeitsplatz, sinkende Kaufkraft und vieles
Mehr beweisen das Gegenteil. Das einst pulsierende Straßenbild in den
Städten wird heute zunehmend von geschlossenen Läden bestimmt. Zugleich
hat die von oben gesteuerte Polarisierung des gesellschaftlichen
Gegeneinanders einen grauen Schleier über unser Land gelegt.
Deutschland, das Sommermärchen, war gestern. Schluss mit Lustig ist
angesagt. Stattdessen soll die ganze Gesellschaft „kriegstüchtig“ werden
und wir sollen lernen die Bombe zu lieben, anstatt uns vor ihr zu
fürchten. Und 2025 wird nicht besser werden. Die Zeichen dafür sind
nicht zu übersehen. Ein TikTok-Post hat für einen 14-Jährigen in Bayern
Anfang Dezember ernste Konsequenzen: Am Nikolaustag durchsuchte die
Polizei das Zuhause seiner Familie. Der Jugendliche soll den Hashtag (3)
„Alles für Deutschland“ genutzt haben.
Eine andere Schlagzeile (4) zum Thema Migration lautete
„Geldstrafe für 74-Jährige in Düsseldorf wegen Volksverhetzung im Internet“
„7.950 Euro Geldbuße für Rentnerin wegen migrationskritischen Facebook-Kommentar.“
Willkommen in der für Deutschland gar nicht so neuen Ära der
Meinungsunterdrückung, mit der sich inzwischen auch immer mehr
empfindsame Politiker, besonders die von der Grünen Art, gegen Kritik
schützen wollen.
Politische Meinungsfreiheit scheint im besten Deutschland aller Zeiten
inzwischen zu einem Relikt aus grauen Vorzeiten geworden zu sein, eine
Zeit, in der Menschen noch ohne Angst die Mächtigen kritisieren konnten.
Heute bleibt uns nichts anderes mehr übrig als zu bewundern, wie
geschickt die Vertreter unseres Gemeinwesens die feinen Instrumente der
Unterdrückung meistern, natürlich alles mit dem hehren Ziel, um
Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen.
Denn jeder muss heute einsehen, dass die Demokratie auf wackligen Beinen
steht, wenn jemand wagt, einen Politiker einen „Schwachkopf“ zu nennen.
Vollkommen verständlich fordert deshalb Niedersachsens Justizministerin
Kathrin Wahlmann mit ernster Miene die Verschärfung des
Beleidigungsparagrafen. Offensichtlich hängt der Fortbestand des Staates
davon ab, dass Politiker nur mit Blumen und Liebesbriefen kritisiert
werden. Die alte Regel „Öffentliche Ämter, öffentliche Kritik“ gehört
längst in die Mottenkiste aus den 1970er Jahren!
Die Politiker unserer Tage sind nämlich keine gewöhnlichen Sterblichen,
sondern ganz besondere Menschen, die sich ohne Eigennutz 24/7 für
Demokratie und Rechtsstaat einsetzen und dafür mit Fug und Recht vom
gemeinen Volk Respekt und Ehrfurcht erwarten können. Warum sollten sie
Kritik ertragen, wenn sie doch für das „Gemeinwohl“ arbeiten – wie
Robert Habeck, der mit seinen grandiosen Ideen zur Deindustrialisierung
das Weltklima für unsere Enkel retten will.
Und da ist auch noch Annalena Baerbock mit ihrer mutigen Aussage: „Es
ist mir egal, was meine Wähler denken“, denn sie weiß mit ihrer
unglaublichen 360-Grad Intelligenz viel besser, was gut für unser Land
ist als wir alle zusammen. Das verdient Lob, denn schließlich kann nicht
jeder ein großes Land wie Deutschland in so kurzer Zeit ruinieren. Das
ist harte Arbeit. Aber mit diesen von uns erbrachten Opfern sind die
Grünen der Verwirklichung ihres Traums bereits ganz nah gekommen,
nämlich das ganze deutsche Volk zum einfachen und gesunden Leben zurück
auf die Scholle zu führen, wo jeder ein Stück Land und seine eigene Kuh
haben darf. Ach nein, Kuh geht nicht, die pupsen zu viel Methan.
Um auch noch das Endziel zu erreichen, reicht es nicht, die
Meinungsfreiheit reaktiv zu unterdrücken. Nein, sie muss pro-aktiv
bekämpft werden, und zwar mit dem noblen Ziel, „Hass und Hetze“ zu
unterbinden. Denn „Hass und Hetze“ führen zu Weimarer Verhältnissen und
zur Zerstörung der Demokratie. Denn die Weimarer Republik ist
schließlich nicht wegen sozialer Ungleichheit und politischer
Unfähigkeit und wegen der groß-bürgerlichen Steigbügelhalter für Hitlers
Machtergreifung untergegangen, sondern wegen verbalem „Hass und
Hetze“-Gezänk.
Wer heute im ausgehenden Jahr 2024 die mit zunehmender Wucht von Politik
und Medien den Bürgern eingetrichterte Behauptung aus dem Rechtsstaat
Beutel hört: „Der Rechtsstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, er
sichert unsere Freiheit und schützt unsere Rechte“ hat zunehmend das
Gefühl, im falschen Film zu sitzen, wie folgendes Beispiel zeigt:
Der YouTuber und Satiriker Tim Kellner aka „der Love Priest“, von seinen
500.000 Fans für seine spitze Zunge geliebt und geschätzt, berichtet in
einem aktuellen Video über seinen Kampf gegen den großartigen
„Rechtsstaat“– in Verbindung mit einer Klagewelle gut dotierter
politischer Vertreter mit riesengroßem Ego, jedoch mickrigem Charakter.
Kellner schreibt:
„Sie haben ein System der Angst installiert! Bestrafe Einen und erziehe
Hunderte! Sie durchsuchen Wohnungen von Rentnern und jetzt auch
Kinderzimmer! Bundesminister jagen unschuldige und harmlose Bürger!
Meine Revision wurde mit einem Satz kurz abgebügelt, obwohl es um
höchste Grundrechte geht. Alice Weidel Nazi-Schlampe zu nennen ist für
die Rechtsstaatler kein Problem. Öffentliche Hass- und Gewaltaufrufe wie
„Alle AfDler gehören in die Gaskammer!“ halten die Rechtsstaatler für
tolle „Satire“, weshalb das Strafverfahren eingestellt worden ist.
Die Recherche zum erwähnten „Gaskammer-Tweet“-Verfahren bestätigt:
„Gießener Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft einigten sich im
November vergangenen Jahres auf eine Einstellung des Verfahrens ohne
Auflagen.“
Kellner verlor demgegenüber jüngst sein Revisionsverfahren, da er
Ministerin Faeser in seiner Youtube-Videosendung „eine aufgedunsene
Dampfnudel“ nannte. Ihm droht nun laut einem NZZ-Artikel eine Geldbuße
über 11.000 Euro. Das Verfahren beinhaltete auch eine Klage seitens der
„Rechtsstaatlerin“ Annalena Baerbock. In einem Artikel des WDR, in dem
Tim Kellner natürlich als „Rechter“ bezeichnet wird, denn er kritisiert
schließlich die Regierung, heißt es dazu:
„Der rechte YouTuber Tim K. ist heute vom Amtsgericht Detmold zu 11.000
Euro Geldbuße verurteilt worden. Es ging um drei Fälle von Beleidigung,
unter anderem gegen Annalena Baerbock. Der YouTuber hat nach Ansicht des
Gerichts in Videoclips mehrere Politikerinnen – darunter
Außenministerin Annalena Baerbock – verunglimpft.“
Satire will bewusst verunglimpfen, aber „nigerianische
Scheißhausexpertin“ ist für deutsche Gerichte anscheinend nicht lustig,
obwohl es schlicht zutrifft, wie aus der von Frau Baerbock vom März 2023
gehaltenen Rede anlässlich ihres Besuchs in einem nigerianischen Dorf
hervorgeht. Im Rahmen ihrer „Vorstellung der Leitlinien zur
Feministischen Außenpolitik“ zeigte sich die Ministerin unerwartet als
Expertin für Toilettenanlagen im ländlichen Afrika und teilte ihr Wissen
mit den Bewohnern vor Ort und der anwesenden Presse. Sie sagte:
„Weil es natürlich für ein Kind, das zehn Jahre alt ist oder auch für
eine Frau [in Nigeria], einen großen Unterschied macht, ob der Brunnen
mitten im Dorf ist, ob die Toiletten mitten im Dorf sind oder ganz am
Ende des Dorfes, wo man nach deutschen Hygienestandards und aus
Geruchsgründen vielleicht gesagt hätte, die sollten wir lieber dort an
den Rand bauen, der aber nicht beleuchtet ist.“
Nein, der deutsche „Rechtsstaat“, in dessen „Umfeld Gerechtigkeit
herrscht“, wollte in diesem Fall nicht schmunzeln, er wollte und will
bewusst abmahnen, bestrafen, um die Masse der anderen einzuschüchtern.
Das trifft Tim Kellner ebenso wie viele weitere ungenannte Angeklagte
auf vielen Ebenen der Gesellschaft.
Das Team des Bundesministeriums für Justiz BMJ feiert derweil mit schwülstigen Worten seine tolle Idee des Rechtsstaat Beutels:
„Es liegt an uns allen, dieses wertvolle Gut zu schützen. Zeig auch du,
dass du für unseren Rechtsstaat einstehst. Du willst einen Beutel
gewinnen? Dann beantworte folgende Frage in den Kommentaren: Was ist für
dich der wichtigste Artikel im Grundgesetz und warum?“
Die Gefahr besteht jedoch, dass viel der Rechtsstaat Beutel nach dem
Studium von fraglichen rechtsstaatlichen „Gerichtsurteilen“ zur
Einschüchterung kritischer Bürger zweckentfremdend benutzt werden,
nämlich dann, wenn sich besagte Bürger spontan übergeben müssen. Böse
rechtsradikale Zungen würden jetzt behaupten, dass es nur ein kurzer Weg
vom Rechtsstaat Beutel zum Kotzbeutel ist. Dennoch können wir hoffen,
dass die tiefe „Rechtsstaatsliebe“ und der unerschütterliche Glaube an
die Demokratie des Deutschen Michels über alle Widrigkeiten siegen und
auch nach den Neuwahlen alles so weiter geht, wie bisher,
rechtsstaatlich, demokratisch und freiheitlich, auch wenn viele dubiose
Zeitgenossen behaupten, das seien Werte, die in unserem Land schlicht
irreparabel abhandengekommen sind.
Manchmal hat man das Gefühl eines „Déjà Vu“, etwas, das man schon mal
gesehen hat, man weiß nur nicht mehr wo. Heute sichert der Rechtsstaat
angeblich unsere Freiheit und Demokratie. Aber wenn man sich die
Freiheit nimmt, etwas zu sagen, was man denkt, kann man bereits mit
einem Fuß vor Gericht oder gar im Gefängnis stehen. Nur noch die
„Gedanken sind frei“.
Das Volkslied aus vergangenen Zeiten wird seit dem Jahr 2020, als sich
Covid-aufmüpfige Bürger verbotenerweise klammheimlich in
„Flüsterkneipen“ trafen, um ihre Sorgen und Gedanken auszutauschen,
wieder öfter gesungen. Die Nötigungen jener Zeit sind bekannt, die
willkürliche Aussetzung des „Rechtsstaats“ und unserer fundamentalen
Freiheitsrechte sind dokumentiert aber längst nicht aufgearbeitet.
Vielen Opfern wird eine erwartbare Rechtsprechung samt Entschädigung
weiterhin verweigert, die nachweislichen Täter haben nichts zu
befürchten. Peter Hahne ist gewiss nicht allein, wenn er endlich
„Handschellen klicken hören will“.
Die Straflosigkeit der Eliten springt nicht nur im Zusammenhang mit den
Covid-Verbrechen ins Auge. Sie ist bei genauerem Hinsehen omnipräsent:
Ursula von der Leyen? Statt vor Gericht zu landen, wurde sie zur
„EU-Königin“ gekrönt. Olaf Scholz? Cum-Ex-Skandal? Ach, der arme Mann
kann sich einfach an nicht mehr erinnern. Und wenn mal eine
Flutkatastrophe mit 180 Toten im Ahrtal passiert, wer würde schon so
kleinlich sein, Anklagen zu erheben? Aber wehe, ein Bürger wagt es,
„Schwachkopf“ zu murmeln. Dann bekommt er die ganze Härte des Gesetzes
zu spüren.
Dabei wird der Bürger immer mehr zum Störfaktor. Er ist der eigentliche
Feind der Demokratie der Eliten, bzw. der Eliten-Demokratur. Das Volk
soll pro Forma alle vier Jahre wählen, und sonst sein Maul halten. Sich
das Recht herauszunehmen, Meinungen zu äußern und gar den wahren
Souverän, nämlich die Politiker-Kaste, zu beleidigen, muss unter Strafe
gestellt werden. Wenn nicht, werden die Politiker gezwungen sein, sich
einen anders Volk zu wählen.
Nein, liebe Leser, das wahre Problem ist nicht, dass Politiker unfähig
sind, das Gemeinwohl zu fördern, oder dass sie Entscheidungen treffen,
die dem Land schaden. Das Problem ist, dass sie dafür kritisiert werden.
Wenn die Meinungsfreiheit nicht endlich effizient unterdrückt wird,
könnte am Ende noch jemand glauben, dass Demokratie bedeutet, die
Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. Und das wollen wir doch wirklich
nicht, oder?
Quellen und Anmerkungen
(1) https://www.bmj.de/SharedDocs/Artikel/DE/X_2023/0808_Rechtsstaat_Kampagne.html
(2) https://twitter.com/i/status/1867477009724760295
(3) https://t.co/acPLL8MNWd
(4) https://www.ksta.de/panorama/wegen-volksverhetzung-74-jaehrige-zu-geldstrafe-verurteilt-915420
https://apolut.net/demokratie-bedeutet-nicht-die-machtigen-zur-rechenschaft-zu-ziehen-von-rainer-rupp/
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