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Das subtile Ziel der USA im Ukraine-Konflikt: Wiederherstellung der Dominanz über EU-Europa
9. Dezember 2024
Der US-Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine hat Europas
politische, wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit von den USA
verstärkt. Während Russland von den Vereinigten Staaten offiziell als
Hauptgegner präsentiert wird, scheint das wahre Ziel Washingtons die
Wiederherstellung der US-amerikanischen Dominanz in und über Europa zu
sein.
Von Rainer Rupp
Erstveröffentlichung am 02.12.2024 auf RT DE
Der ehemalige höchste Offizier der Bundeswehr und Ex-Vorsitzende der
NATO-Militärkommission in Brüssel, Harald Kujat, hat jüngst in einem
Interview beklagt, dass die Europäer in Bezug auf ihre Teilnahme am
US-Krieg in der Ukraine weder eine europäische noch eine nationale
Strategie haben. Das gilt gleichermaßen für die EU-Führungsgremien in
Brüssel als auch für die Regierungsvertreter der wichtigsten
militärischen Mittelmächte der EU.
Nach konkreten Zielen befragt, plappern die Europäer nur die
US-Propaganda von der US-formulierten „regelbasierten Ordnung“ nach.
Statt eigene Interessen zu definieren, folgen sie mit blinder
Nibelungentreue den Amerikanern, die offensichtlich bereit sind, sie
jederzeit über den Rand in den Abgrund zu stoßen, wenn es ihren
US-Interessen dient.
Der US-Kriegsminister Lloyd Austin hatte bereits wenige Wochen nach
Beginn der russischen Sonderoperation am 24. Februar 2022 in einer Rede
in Warschau erklärt, dass das Ziel der US-amerikanischen Militär- und
Finanzhilfe für die Ukraine in der „strategischen Schwächung Russlands“
bestand. Das Riesenland sollte so geschwächt werden, dass Moskau es
nicht mehr wagen würde, sich außerhalb seiner Grenzen militärisch zu
engagieren. Blindlings haben sich die transatlantischen Polit- und
Medien-„Eliten“ in Europa auch diesem angeblich „erstrebenswerten“ Ziel
angeschlossen.
In dieser ersten Phase des US/NATO-Stellvertreterkriegs in der Ukraine
waren viele Analysten davon ausgegangen, dass Washingtons Offensive
gegen Russland lediglich Teil der Vorbereitungen für einen ganz anderen,
weitaus wichtigeren Konflikt war, nämlich den Krieg gegen China. Der
wurde damals von US-Militärkreisen in aller Öffentlichkeit spätesten zum
Jahr 2028 angekündigt. Deshalb, so die Überlegungen der Analysten,
müsste zuvor Russland als wichtige Quelle moderner Waffensysteme für
Peking und als zuverlässiger Lieferant von strategischen Rohstoffen
ausgeschaltet werden. Auch mit diesem mittelfristigen US-Kriegsziel
konnte sich die Mehrheit der in der Wolle imperialistisch gefärbten
europäischen Eliten anfreunden.
Tatsächlich aber haben die USA bisher keines ihrer angeblichen Ziele
erreicht. Das Gegenteil ist der Fall, und das war bereits früh
erkennbar. Schon vor einem Jahr waren sich westliche Experten, die nicht
in den Taschen des „Tiefen Staates“ steckten, darin einig, dass die
russische Armee in allen Bereichen, die für eine erfolgreiche
Kriegsführung wichtig sind, stärker denn je ist. In der Zwischenzeit
operieren die russischen Streitkräfte noch perfekter in der
Zusammenarbeit der verschiedenen Waffengattungen („combined arms
warfare“) und für die NATO sind sie unschlagbar, falls das
Angriffsbündnis tatsächlich im Osten Europas mit Bodentruppen zur
Offensive gegen Russland übergehen würde.
Wenn es also tatsächlich das Ziel Washingtons war, die Ukraine und die
Europäer zu nutzen, um Russland nachhaltig strategisch zu schwächen und
als „Hilfstruppe“ für China zu neutralisieren, dann hat sich diese
US-Strategie als gigantischer Rohrkrepierer herausgestellt. Aber war das
wirklich das Ziel der Tiefen Staates in Washington? Verdeckt womöglich
die Niederlage von US/NATO in der Ukraine einen gigantischen
geostrategischen Erfolg der neo-konservativen Strippenzieher in
Washington? Es ist allerdings ein Erfolg, der mit hochgradig kriminellen
Methoden erzielt wurde und Hunderttausenden von „befreundeten“
Ukrainern das Leben gekostet hat.
Während der Ukraine-Konflikt auf den ersten Blick als geopolitische
Auseinandersetzung mit Russland erscheint, deuten tiefere Analysen
darauf hin, dass die Vereinigten Staaten hinter dem Nebel und Donner des
Krieges in der Ukraine ein ganz anderes, unter vielen
Propagandaschichten verborgenes Ziel verfolgen, nämlich die
uneingeschränkte wirtschaftliche und politische Kontrolle über
Westeuropa wiederherzustellen. Mit anderen Worten: Viele Indizien deuten
darauf hin, dass dieser Krieg gegen Russland nur Mittel zu einem
einzigen kardinalen Zweck ist – nämlich die Rückführung Europas in die
US-amerikanische Vasallenschaft.
Europa befand sich nach dem Ende des Kalten Krieges auf einem Pfad, der
es zunehmend in Richtung wirtschaftlicher und politischer Autonomie
führte. Die technologische und wirtschaftliche Integration innerhalb
Europas stärkte zugleich eine einheimische Elitenschicht, die vor allem
in Paris und Berlin verankert war. Man denke nur zurück an die deutsche
und französische Kritik und Nichtbeteiligung am brutalen, unprovozierten
und völkerrechtswidrigen US-Angriffskrieg gegen den Irak im Jahr 2003.
Für Washington war das damals ein Schock. Diese von Paris und Berlin
selbstsicher gezeigte souveräne Entscheidung widersprach den
Kern-Interessen der USA, die traditionell auf ihre führende Rolle in der
geopolitischen und wirtschaftlichen Architektur des Westens pochten.
Seither hat der sogenannte Tiefe Staat des außenpolitischen
US-Establishments systematisch daran gearbeitet, diese Entwicklung
zurückzudrehen und die US-Dominanz über Europa wiederherzustellen – und
sie hatten dabei umwerfenden Erfolg. Interessant ist, was der russische
Präsident Putin anlässlich seines Besuchs in Kasachstan bei einer
Pressekonferenz am 28. November zu diesem Thema gesagt hat:
„Mir kommt es einfach so vor, als sei dieses Europa furchtbar tief
gesunken. Es hat aufgehört, als unabhängiges Zentrum, als unabhängiges
politisches, souveränes Zentrum der Weltpolitik zu existieren. Die
tanzen beim ersten Pfiff der amerikanischen Regierung die
Schmetterlingspolka, selbst zu ihrem eigenen Schaden. Ich habe manchmal
den Eindruck, dass Leute auf sehr hoher Ebene, in der Bundesrepublik, in
hohen Regierungspositionen, irgendeine Aufgabe des amerikanischen
Geheimdienstes ausführen, aber dass sie nicht im Interesse ihres
eigenen, in diesem Falle des deutschen Volkes arbeiten. Wie kann man
allem zustimmen, was dort passiert?
Energie kostet beispielsweise auf dem US-amerikanischen Markt in manchen
Bundesstaaten ein Drittel bis ein Fünftel von dem in Europa,
beispielsweise in Deutschland. Ganze Betriebe, ganze Branchen schließen
in Deutschland und ziehen in die USA. Und sie tun das, und sie tun es
zielgerichtet. Die Amerikaner sind ein pragmatisches Volk; tatsächlich
tun sie in ihrem eigenen Interesse möglicherweise das Richtige. Aber die
da? Wenn denen gesagt wird: ‚Wir hängen euch auf‘, werden sie nur eine
Frage haben: ‚Sollen wir das Seil selbst mitbringen, oder gebt Ihr uns
eins?‘ Verstehen Sie? Das ist alles.
Volkswagen schließt, Stahlwerke schließen, Chemiefabriken schließen,
Glasfabriken schließen. Es gibt bereits Tausende, jetzt mindestens
Hunderte und vielleicht Tausende, die auf die Straße geworfen werden.
Und nichts passiert, Stille. Nur irgendeine Aufregung über aktuelle
innenpolitische Themen. Wie soll man mit solchen Partnern reden? Worüber
verhandeln?
Daher ist es nicht unsere Schuld, dass sich unsere Beziehungen zu Europa
so sehr verschlechtert haben. Das ist auch das Ergebnis der inneren
Verfassung des europäischen Establishments und der europäischen
Politik.“
(Übersetzung: Thomas Röper vom Anti-Spiegel)
Tatsächlich kann man seit dem US-orchestrierten Maidan-Gewaltputsch in
der Ukraine 2014 beobachten, wie dank (unter dem Vorwand?) der zunehmend
verschärften anti-russischen Politik der Tiefe Staat in Washington mit
Hilfe seiner Sanktionen gegen Russland weitgehend unbemerkt begann,
seine Strategie zur gezielten Schwächung Europas umzusetzen. Seit dem
24. Februar 2022, dem Beginn der „russischen Sonderoperation“ in der
Ukraine, haben sich die Sanktionen gegen Russland sowie deren viel
schlimmere negative Auswirkungen auf die Wirtschaften der EU-Staaten
potenziert.
Die Schäden sind heute nicht mehr zu übersehen: Sie haben die
europäischen Märkte elementar geschwächt, die Wettbewerbsfähigkeit
bisher zentraler europäischer, vor allem aber deutscher
Industriebranchen ausgehöhlt. Viele große und mittlere Unternehmen sind
bereits in die USA abgewandert, und das ist erst der Anfang. Zugleich
ist durch diese Entwicklung das Ansehen und das Vertrauen der
Bevölkerung in viele EU-Institutionen untergraben worden. Schon jetzt
hat das dazu geführt, dass von der souveränen europäischen politischen
und wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit, die in den Jahren nach dem
Ende des Kalten Krieges sichtbar geworden war, nur noch Spurenelemente
erkennbar sind. Ohne radikale Kehrtwende (aber nicht um 360 Grad) ist
mittelfristig zu erwarten, dass Europa, vor allem aber Deutschland,
jeden Gedanken an jedwede Eigenständigkeit endgültig aufgeben kann.
Tatsächlich haben die USA in den letzten Jahren kräftig an der
Bredouille der Europäer verdient, indem sie ihnen riesige Mengen von
Fracking-Gas und Waffen geliefert haben, für die die Europäer teuer
bezahlt haben. Und weltpolitische sind es nicht die Russen, sondern die
Europäer die weitgehend isoliert sind; schlimmer noch, sie werden von
den meisten Ländern der Welt nicht mehr ernst genommen, sondern nur noch
als US-Anhängsel gesehen. Wer will schon mit Hänschen sprechen, wenn er
das mit dem amerikanischen Hans bereden kann? Eine Entwicklung, die die
Europäer noch stärker zu Vasallen der USA machen wird.
Der Energiemangel und die stark gestiegenen Preise für Gas, die durch
den Kaufstopp der Gaslieferungen aus Russland und die Sprengung von Nord
Stream ausgelöst wurden, erhöhten die Produktionskosten in der gesamten
EU. Unternehmen und Konsumenten mussten ihren Energieverbrauch massiv
einschränken, was wiederum die industrielle Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Volkswirtschaften schwächte.
Bezeichnenderweise nutzten amerikanische Unternehmen die
Wirtschaftskrise in Europa für strategische Zukäufe von Firmen auf dem
„alten Kontinent“. Denn der Rückgang der Unternehmensbewertungen in
Europa, der durch Inflation und niedrige Liquidität verstärkt wurde, hat
Europa zu einem El Dorado vor allem für strategische Schnäppchenjäger
gemacht, die sich für „’nen Appel und ’n Ei“ bekannte Markenfirmen, die
in Schwierigkeiten stecken, unter den Nagel reißen.
Ein weiterer Effekt der Krise ist der Exodus führender europäischer
Unternehmen von regionalen Börsen wie der Euronext hin zur New Yorker
Börse (NYSE). Deutsche und französische multinational Konzerne wie Linde
und TotalEnergies suchen in den USA nicht nur höhere Finanzliquidität,
sondern auch Zugang zu einem größeren Pool passiver Investitionen.
Dieses Phänomen verstärkt den Kapitalabfluss aus Europa und stärkt die
Position der Vereinigten Staaten als globales Finanzzentrum. Auch die
Verlagerung dieser Unternehmen ist ein Indikator für die zunehmende
Abhängigkeit Europas von den USA.
Vor diesem Hintergrund wird es schwierig zu glauben, dass der
US-Stellvertreterkrieg in der Ukraine allein dazu dient, Russland
militärisch, wirtschaftlich und politisch zu schwächen, wie das von den
führenden US-Strategen als Zielsetzung behauptet wird. Eine militärische
Niederlage Russlands galt von Beginn an ohnehin als unrealistisch,
bedenkt man die Größe des Landes, seine strategische Tiefe und seine
historische Widerstandsfähigkeit. Folglich scheint der Verdacht nicht
unbegründet, dass mit dem US/NATO-Krieg in der Ukraine von Anfang an ein
subtileres Ziel verfolgt wurde, nämlich die erneute ökonomische und
politische Unterwerfung Westeuropas unter die USA.
Die wahre Tragödie des Konflikts in der Ukraine liegt in seiner Funktion
als geopolitisches Werkzeug der Vereinigten Staaten. Washington konnte
kaum hoffen, die historischen Bindungen zwischen Russland und der
Ukraine vollständig auflösen zu können. Dennoch diente der Konflikt
dazu, die wirtschaftliche Integration der Ukraine mit Russland zu
erschweren, indem die Infrastruktur des Landes zerstört wurde und die
daraus resultierenden hohen Kosten für den Wiederaufbau im Donbass eine
weitere Bürde für Russland darstellen.
Noch folgenschwerer ist der Schaden, der Europa durch US-Sanktionen
zugefügt wurde bzw. den die herrschenden Eliten in Europa als
US-Befehlsempfänger ihren Völkern zugefügt haben. Durch die Verschärfung
der Sanktionen und die Unterstützung der Ukraine in diesem
militärischen Konflikt wurde und wird die EU als Ganzes wirtschaftlich
geschwächt. Was wiederum den USA die Möglichkeit gibt, diese Schwäche
weiterhin auszunutzen.
Fazit: Die wirtschaftliche und geopolitische Strategie der USA zielt
offenbar weniger darauf ab, Russland direkt zu besiegen, als vielmehr
Europa langfristig zu kontrollieren. Die Zerstörung der Ukraine und die
Schwächung der europäischen Wirtschaft schaffen ein Umfeld, in dem die
Vereinigten Staaten ihre wirtschaftliche und politische Hegemonie
festigen können.
Vor allem aber ist ein heißer Traum des Tiefen Staats in Washington in
Erfüllung gegangen: Mit dem US-Krieg in der Ukraine ist es gelungen,
einen tiefen und breiten Keil in die deutsch-russischen Beziehungen zu
schlagen, der auf absehbare Zeit nicht entfernt werden kann, da alle
Grundlagen des gegenseitigen Vertrauens von der deutschen
Politiker-Kaste hintertrieben und zerstört worden sind. Und je
wahnsinniger die US/NATO-Eskalation noch in den letzten Wochen bis zur
Amtsübernahme Trumps getrieben werden kann, umso tiefer und dauerhafter
wird die Kluft zwischen Berlin und Moskau. Dabei liegt die
wirtschaftliche Zukunft Deutschlands nicht im absteigenden Westen,
sondern in den Wachstumsregionen Russland, China und den anderen
BRICS-Ländern.
Europa, vor allem aber Deutschland, steht nun an einem Scheideweg. Wird
es möglich sein, die eigene Souveränität zurückzugewinnen oder werden
wir weiterhin in die Rolle eines geopolitischen Werkzeugs der USA
gedrängt werden? Die Antwort auf diese Frage wird entscheidend sein für
die zukünftige Stabilität und Unabhängigkeit unseres Kontinents.
Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
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