»Symbolisch
für den Umgang mit DDR-Biographien«
Ablehnung des
Namens Sigmund Jähn Symptom für Abwertung von Menschen und
Errungenschaften. Ein Gespräch mit Katja Müller
Interview: Kristian Stemmler
Katja Müller ist
Vorsitzende des Stadtrates von Halle (Saale) und stellvertretende
Vorsitzende der Fraktion Die Linke
Im Stadtrat von
Halle hatte der Antrag Ihrer Fraktion, das neue, noch nicht
fertiggestellte Planetarium wie das alte auf der Peißnitzinsel nach
dem Kosmonauten Sigmund Jähn zu benennen, keinen Erfolg. CDU, Grüne
und AfD stimmten für den Namen »Planetarium Halle«. Sind Sie
enttäuscht?
Zumindest bedauere ich die Entscheidung,
wenngleich sie als Mehrheitsbeschluss zu akzeptieren ist. Ich denke,
es ist ein sehr mutloser Kompromiss und eine verpasste Chance, das
Planetarium Halle einfach nur »Planetarium Halle« zu nennen. Eine
verpasste Chance ist es vor allem dahingehend, dass man zumindest ein
Zeichen hätte setzen können, dass Lebensleistungen, die in der DDR
erbracht wurden, in eine gesamtdeutsche Erinnerungskultur Eingang
finden – mehr und differenzierter als in den vergangenen 30
Jahren.
Die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen
waren ursprünglich für Ihren Antrag. Wie kam es, dass sie
abgesprungen sind?
Das müssen CDU und Grüne in erster
Linie selbst beantworten. Eine Rolle spielte sicherlich der
Debattenbeitrag der Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der
SED-Diktatur, der sich für meinen Geschmack sehr reflexhaft gegen
den Namen »Sigmund Jähn« für das neue Planetarium aussprach.
Reflexhaft in dem Sinne, dass das Etikett »DDR« ausreicht, um
Menschen, Leistungen oder Errungenschaften für nicht
erinnerungswürdig zu erklären. Grünen und CDU fehlten nach meinem
Empfinden der Wille und der Mut, sich für eine differenziertere
Betrachtung von DDR-Biographien zu positionieren.
In der
öffentlichen Debatte wurde Jähn vorgeworfen, er habe mit der DDR
einen »Unrechtsstaat« repräsentiert und sich auch nach 1989 nicht
distanziert. Auch sei er inoffizieller Mitarbeiter der
Staatssicherheit gewesen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen, wie
sehen Sie Jähn?
Ja, Sigmund Jähn repräsentierte auch
einen Staat, in dem auch Unrecht geschehen ist. Dass er sich nach
1989 nicht von einem Staat distanziert hat, der ihm den Flug ins All
ermöglicht hat, ist nachvollziehbar und unterscheidet ihn zumindest
von Menschen, die nach 1989 ganz schnell die Kurve kriegten und ihr
eigenes Leben und Wirken in der DDR verleugneten. Fakt ist auch, dass
er die DDR nach 1989 nicht verherrlicht hat.
Die
»Stasi«-Vorwürfe grenzten für meine Begriffe an Diffamierung und
lassen sich auch nicht belegen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass
Sigmund Jähn durch sein eigenes Tun und Handeln Menschen geschadet
hat. Das ist genau der Punkt. Es darf nicht nur darum gehen, in
welchem System oder Staat man gewirkt und gelebt hat. Es muss auch
darum gehen, wie man sich innerhalb dieses Systems konkret als Mensch
verhalten hat. Dass Sigmund Jähn menschlich sehr integer war,
bestreitet niemand.
Sie haben im Stadtrat auf die
Kränkungen der in der DDR aufgewachsenen Menschen durch solche
Diskussionen und Beschlüsse hingewiesen. Können Sie das
konkretisieren?
Die Ablehnung des Namens »Sigmund Jähn«
für das Planetarium Halle steht symbolisch für den Umgang mit
DDR-Biographien bzw. Leistungen und Errungenschaften, die in der DDR
erbracht wurden. Sie steht auch symbolisch für den Umgang mit der
Identität und der Erinnerung von Menschen, die in der DDR
aufgewachsen sind und ihr Leben gelebt haben. Seit 30 Jahren wird
vielen Menschen in den neuen Bundesländern das Gefühl vermittelt,
dass ihre Erinnerungen, Vorbilder, »Alltagshelden«, unterm Strich
ihr Leben, nichts oder nur die Hälfte wert waren. In einer
gesamtdeutschen Erinnerungskultur spielen Leistungen, Menschen und
Errungenschaften der DDR kaum eine Rolle und wurden in den
vergangenen 30 Jahren an den Rand gedrängt und zum Teil auch bewusst
getilgt. Auf dem Weg zu einer wirklichen Wiedervereinigung finde ich
das kreuzgefährlich.
Welche Möglichkeiten gibt es,
Sigmund Jähn im Zusammenhang mit dem Planetarium oder anderen
Einrichtungen jetzt noch zu ehren?
Es ist im Moment noch
zu früh, um das bereits konkret benennen zu können. Diese
Möglichkeiten werden wir aber im Auge behalten und prüfen und ich
denke, dass das auch der Wunsch vieler Menschen in Halle und darüber
hinaus ist
Die Aussagen der ' Linken ' , dieser Abgeordneten zeigen doch das ganze Dilemma auf. Ein Wischi-Waschi- Bedauern der Entscheidung , ich bitte sie ! Ganz klare 'Siegermentalität' , falsch und verlogen, wie das ganze System. Und wer noch meint, daß eine AfD sich besonders um "Ost"deutsche kümmert, der hat hier den Gegenbeweis... Was für eine Koalition hat sich da in Halle zusammengefunden - cdu/afd/grüne und das vom Stasibeauftragten noch orchestriert !
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