Die Covid-19
Pandemie offenbart den weltweiten Zerfall des Kapitalismus
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 29. MÄRZ 2021
von
Sylver – https://de.internationalism.org
Seit mehr als einem Jahr kämpft die herrschende Klasse
weltweit mit der Covid-19 Pandemie, ohne dass wirklich ein Licht am
Ende des Tunnels in Sicht wäre. Bis jetzt waren es die ärmsten und
unterentwickelten Länder, die den höchsten Preis für die
Krankheiten, ob epidemisch oder endemisch, zahlten. Es sind nun die
entwickelten Länder, die durch die Covid-19 Pandemie in ihren
Grundfesten erschüttert werden.
Vor mehr als einem Jahrhundert
bedeutete der Ausbruch des Ersten Weltkriegs den Eintritt des
Kapitalismus in seine Periode der Dekadenz. Der Zusammenbruch des
Ostblocks und die Auflösung des westlichen Blocks im Jahr 1990 und
die darauffolgende globale Schockwelle mit tiefgreifenden Umwälzungen
waren Symptome der globalen Zerbröckelung der Gesellschaft und
signalisierten den Eintritt des Kapitalismus in die letzte Phase
seiner Dekadenz, die des Zerfalls.
Und nach dem Kapitalismus?
Wenn es dem Weltproletariat gelingt, den Kapitalismus zu stürzen,
bevor er die Menschheit vernichtet, dann wird es die in der
kommunistischen Gesellschaft vereinigte Menschheit sein, die
angesichts der Probleme von Krankheiten und anderen Katastrophen eine
Antwort geben kann, die nicht durch kapitalistische Ausbeutung,
Konkurrenz und Anarchie untergraben wird.
Die
Pandemie, ein soziales Phänomen dessen Grundlage der Zerfall der
Welt ist
In den Vereinigten Staaten sind heute mindestens 25
Millionen Menschen infiziert und mehr als 410.000 sind gestorben. Es
sind mehr Covid-Tote zu beklagen als amerikanische Soldaten im
Zweiten Weltkrieg gefallen sind! Im vergangenen April hatte die Zahl
bereits die Anzahl der Toten während des Vietnamkriegs übertroffen.
In der großen Metropole Los Angeles ist einer von zehn Einwohnern
kontaminiert. In Kalifornien sind die Krankenhäuser zum Bersten
voll. Zu Beginn der Gesundheitskrise wurde die gesamte amerikanische
Bevölkerung durch die riesigen Gräben aufgeschreckt, in denen im
Bundesstaat New York, auf Hart Island, „nicht abgeholte“ Tote
aufbewahrt wurden. In Europa hatte Schweden, das einst für die
„soziale Fürsorge“ seiner Bürger bekannt war, zu Beginn der
Pandemie daraufgesetzt, schnell Herdenimmunität zu erlangen.
Schweden hat gerade einen nationalen Rekord gebrochen, den der Zahl
der Todesfälle, der seit der großen Hungersnot von 1869 gehalten
wurde.
Die Covid-19 Pandemie ist keine unvorhersehbare
Katastrophe, die auf die undurchsichtigen Gesetze des Zufalls und der
Natur basiert. Der Kapitalismus selbst ist für diese weltweite
Katastrophe verantwortlich, für mehr als zwei Millionen Tote. Im
Gegensatz zu den von Tieren ausgehenden Seuchen der Vergangenheit
(z.B. die im Mittelalter durch Ratten eingeschleppte Pest) ist diese
Pandemie heute im Wesentlichen auf den maroden Zustand des Planeten
zurückzuführen. Die globale Erwärmung, die Abholzung der Wälder,
die Zerstörung der natürlichen Territorien von Wildtieren sowie die
Ausbreitung von Slums in unterentwickelten Ländern haben die
Entwicklung aller Arten von neuen Viren und ansteckenden Krankheiten
begünstigt.
Die Bourgeoisie wurde durch das Virus deshalb
überrascht und gelähmt, weil die wissenschaftlichen Studien über
Coronaviren vor etwa fünfzehn Jahren überall eingestellt wurden,
weil die Entwicklung des Impfstoffs als „unrentabel“ beurteilt
wurde! Außerdem zielten die meisten wissenschaftlichen und
technologischen Spitzenforschungen, insbesondere in den Vereinigten
Staaten, auf Produkte ab, für die ein lukrativer Markt garantiert
war, oder sie waren im Wesentlichen dem militärischen Sektor
gewidmet, einschließlich der Forschung für bakteriologischen
Waffen.
Zudem ist die Welt noch weit davon entfernt, die
aktuelle Pandemie in den Griff zu bekommen, während andere, noch
schrecklichere Bedrohungen[1] – wie z. B. Nympha, dass die gleiche
Ursache hat, – bereits identifiziert wurden, ohne dass eine dieser
Krankheiten bisher Anlass zu Forschungsprojekten von
Pharma-Unternehmen gegeben hätte.[2]
Die
Bourgeoisie: von der ersten Welle überrascht, ratlos gegenüber den
nachfolgenden Wellen
Mehrere Impfstoffe wurden bereits in Rekordzeit
entwickelt; sie zeigen die technologischen Möglichkeiten, die zum
Wohle der Menschheit eingesetzt werden könnten. Dennoch stehen auch
heute noch, wie zu Beginn der Pandemie, eine Reihe von Problemen der
wirklichen Bewältigung der Krankheit im Wege, und sie sind die
direkte Folge der Tatsache, dass dieses System eindeutig in den
Diensten einer Ausbeuterklasse steht, der es nur insoweit um die
Gesundheit der Bevölkerung geht, um die Arbeitskraft derer zu
erhalten, die sie ausbeutet.
In der Tat ist das
Gesundheitssystem damit völlig überfordert, da angesichts der sich
verschärfenden Wirtschaftskrise in allen Ländern die Regierungen
sowohl der Rechten als auch der Linken seit Jahrzehnten ständig die
Budgets für Soziales, Gesundheit und Forschung kürzen. Da das
Gesundheitssystem nicht profitabel ist, wurde die Zahl der Betten
reduziert, Krankenhausabteilungen geschlossen, Arztstellen
gestrichen, die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals
verschlechtert, Bestände an Masken vernichtet da sie als zu teuer im
Unterhalt gelten, Beatmungsgeräte waren in vielen Krankenhäusern
Mangelware.
Um die unkontrollierte Ausbreitung der Pandemie zu
begrenzen, konnte die Bourgeoisie nicht mehr tun, als auf
mittelalterliche Methoden wie Abschottungen (Kontaktreduzierungen
usw.) zurückzugreifen. Überall musste sie Ausgangssperren,
soziale Distanzierung und Maskenpflicht verhängen. Viele Grenzen
sind verriegelt, öffentliche und kulturelle Einrichtungen sind in
den meisten europäischen Ländern geschlossen. Noch nie seit dem
Zweiten Weltkrieg hatte die Menschheit eine solche Tortur
erlebt.
Darüber hinaus ist die Konkurrenz zwischen den
verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie – sowohl international als
auch in den einzelnen Ländern – welche durch die zugespitzte
Wirtschaftskrise verschärft wurde, von Beginn der Pandemie an
eindeutig ein Faktor für die Beschleunigung der Gesundheitskrise
gewesen. Sie hat zum offenen Ausdruck von Rivalitäten geführt, die
zeitweise so scharf sind, dass sie von den Medien als „Krieg“
bezeichnet werden.
Der „Krieg der Masken“ ist ein
lehrreiches Beispiel für den zynischen und ungezügelten Wettbewerb,
in den alle Staaten verwickelt sind, wobei jeder versucht, diese
überlebenswichtige Ausrüstung durch das Bieten von noch höheren
Beträgen bis hin zum unverhohlenen Diebstahl an sich zu
reißen!
Ebenfalls „Krieg, um unter den Ersten zu sein, die
einen wirksamen Impfstoff produzieren“, in dem jedes Land im
Wettbewerb mit allen anderen misstrauisch die Ergebnisse seiner
Arbeit bewacht, um zu versuchen, in die Spitzengruppe derer zu
kommen, die den lukrativen Markt teilen werden. Eine solche Situation
des „Jeder für sich“ verhindert jede internationale Koordination
und Kooperation zur Ausrottung dieser Pandemie und verzögert die
Herstellung eines Impfstoffs viel länger, als wenn er das Produkt
einer internationalen Kooperation gewesen wäre.
Beim „Krieg
um die Beschaffung von Impfstoffen in großen Mengen“ steht viel
auf dem Spiel. Die Länder, die Dank der Impfung zu den ersten
gehören werden, die eine Herdenimmunität erreichen, werden auch die
ersten sein, die mit dem Wiederankurbeln ihres Produktionsapparates
und ihrer Wirtschaft beginnen können. Das Problem ist, dass der
Impfstoff zwar in einer Reihe von Ländern in großen Mengen
produziert wird, aber nicht in ausreichender Menge, um den Bedarf zu
decken. Diese Situation hat zu erheblichen Spannungen z. B. zwischen
der Europäischen Union und Großbritannien geführt, da letzteres
nicht in der Lage war, die von der EU erteilten Aufträge für den
Impfstoff von AstraZeneca (britisch-schwedischer Konzern) gemäß dem
vertraglich festgelegten Mengen und Fristen zu erfüllen. Um dies zu
tun, wäre es gezwungen gewesen, seine eigenen Impfstofflieferungen
aus dieser Herstellung zu reduzieren. Daraufhin erhob die EU ihre
Stimme und Deutschland ging so weit, Vergeltungsmaßnahmen anzudrohen
und BioNTech-Pfizer Impfstoffe, die in der Europäischen Union
hergestellt werden und für den Verkauf in Großbritannien bestimmt
sind, „zurückzuhalten“. Infolge dieser Verschärfung sind neue
Spannungen zwischen London und Brüssel über das
„Nordirland-Protokoll“ entstanden, einem entscheidenden Teil des
Brexit-Vertrags[3].
Die europäischen Medien hatten die gute
Leistung Europas angesichts des wirtschaftlichen Erdbebens, das durch
den Ausbruch der Pandemie ausgelöst wurde, begrüßt, insbesondere
dank bestimmter Vereinbarungen: z.B. die Vergemeinschaftung neuer
Schulden innerhalb der EU, oder die, welche den Kauf von für die
Mitgliedstaaten bestimmten Impfstoffen an die Europäische Kommission
delegiert. Hinter den Kulissen unterzeichneten jedoch einige
Mitgliedstaaten, nicht zuletzt Deutschland, separate Verträge mit
BioNTech-Pfizer, Moderna und Curevac, die „ein Erdbeben in Brüssel
auslösten „[4].
Unerwartet begann Deutschland, das bis
dahin mit einer Sterblichkeitsrate die weit unter der aller
Industrieländer lag, sehr gut abgeschnitten hatte, ebenso
furchterregende Opferzahlen zu registrieren wie andere sogenannt
entwickelte Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die
Vereinigten Staaten. „Mit fast 2,1 Millionen Infektionen in einem
Jahr hat Deutschland eine Sterblichkeitsrate von 2,4 %, die der von
Frankreich entspricht…“[5], und die Hälfte der Übersterblichkeit
während der beiden Pandemiewellen in Deutschland ist auf die
Infektion älterer Menschen zurückzuführen.
Als die ersten
Impfstoffe auf den Markt kamen, gab es nur wenige Industrieländer,
in denen kapitalistische Anarchie und administrativer Kleingeist bei
der katastrophalen Verwaltung ihrer Verteilung an die verschiedenen
Impfzentren nicht vorherrschten. Dasselbe galt für Spritzen und
medizinische Geräte. Als Zeichen dafür, dass in der Gesellschaft
etwas nicht stimmt, mussten die Regierungen in einer Reihe von
Ländern auf das Militär zurückgreifen, um die medizinischen
Dienste zu unterstützen, sich um die Logistik der Verteilung zu
kümmern, die Bestellungen zu verfolgen, aber auch die Impfstoffe vor
Diebstahl zu schützen.
Während in den stärker
industrialisierten Ländern ein Mangel an Impfstoffen besteht, fehlen
diese in den ärmeren Ländern. Dort stehen hauptsächlich
chinesische Impfstoffe[6] zur Verfügung, deren Wirksamkeit nicht
eindeutig belegt ist. Wenn umgekehrt der Staat Israel in der Lage
war, die für die Impfung seiner gesamten Bevölkerung erforderlichen
Dosen zu beschaffen, dann deshalb, weil er den Impfstoff von Pfizer
43 % teurer gekauft hat als den von der Europäischen Union
ausgehandelten Preis.
Die
Agonie des Kapitalismus in seiner letzten Phase des Zerfalls
verpestet die Gesellschaft
Millionen von Arbeitern haben weltweit ihren Job
verloren, die Armut hat sich dramatisch ausgebreitet und vertieft.
Umzingelt von der Gefahr der Ansteckung, der Realität der
Arbeitslosigkeit und dem Absturz in die Armut versinken große Teile
der Weltbevölkerung, große Massen von Menschen in prekären
Situationen, in Verzweiflung. In den industrialisierten Metropolen
wirkt sich die erzwungene Isolation infolge der verschiedenen
Kontaktbeschränkungen auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung
aus, was sich im Ansturm auf die psychiatrischen Dienste und in der
Zunahme von Selbstmorden zeigt.
Während für große Teile der
Arbeiterklasse die sich aus der Pandemie ergebende Situation eine
unwiderrufliche Anklage gegen die Bourgeoisie darstellt, wird
andererseits bei vielen Teilen der Bevölkerung jedes Nachdenken
durch alle möglichen Verschwörungstheorien behindert. Dies ist
insbesondere in den Vereinigten Staaten der Fall, dem am weitesten
entwickelten Land der Welt, das an der Spitze der Wissenschaft steht.
Während die Pandemie bereits begonnen hatte über den amerikanischen
Kontinent zu fegen, bildete sich ein großer Teil der Bevölkerung in
den Vereinigten Staaten ein, dass Covid-19 nicht existiert und dass
es sich um ein Komplott handelt, um Trumps Wiederwahl zu torpedieren!
Andere, weniger extreme Sichtweisen, die aber ebenso skurrile
Theorien darstellen, haben ihre Blüten getrieben und sehen hinter
den Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit einschränken, die Hand
derer, die uns manipulieren und nach einem Vorwand suchen, um uns
„einzusperren“ oder den Pharmakonzernen zu erlauben, Profite
einzustreichen. In einigen Ländern haben Demonstrationen zu diesem
Thema stattgefunden. In Spanien skandierten die Teilnehmer
„Krankenhäuser sind leer“, und in Israel demonstrierten
ultraorthodoxe Juden. Auch die extreme Rechte beteiligte sich an
einigen dieser Demonstrationen, vor allem in den Niederlanden. In
diesem Land gab es regelrechte Unruhen mit vereinzelten gewaltsamen
Aktionen, die sich gegen medizinische Einrichtungen richteten.
Diese
Krise ist das Produkt der gegenwärtigen Zerfallsphase innerhalb der
Dekadenz des Kapitalismus und eine Illustration seiner
Erscheinungsformen. Der Verlust der Kontrolle der herrschenden Klasse
über ihr eigenes System, die beispiellose Verschärfung des „Jeder
für sich“, das Aufkommen der irrationalsten Thesen und Ideologien,
das sind die Hauptmerkmale der Situation, die durch den Ausbruch
dieser Pandemie entstanden ist. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks
1989 sind sie in die Gesellschaft eingedrungen. Sie sind geprägt
durch das Aufkommen der irrationalsten, reaktionärsten und meist
obskurantistischen Ideologien, den Aufstieg des religiösen
Fanatismus und des Islamischen Staates und seiner jungen
Selbstmordattentäter, die im Namen Allahs zum „Heiligen Krieg“
angeworben werden.
All diese reaktionären Ideologien waren
auch der Nährboden, der die Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit und
Populismus in den zentralen Ländern, insbesondere in den Vereinigten
Staaten, ermöglicht hat. Dies gipfelte in der Erstürmung des
Capitols am 6. Januar durch Trumps Stoßtruppen. Dieser verwirrende
Angriff auf den Tempel der amerikanischen Demokratie vermittelte der
ganzen Welt ein desaströses Bild von der führenden Weltmacht. Das
Land der Demokratie und Freiheit erschien als eine vulgäre
Bananenrepublik (wie der ehemalige Präsident George Bush selbst
einräumte) mit dem Risiko bewaffneter Zusammenstöße unter der
Zivilbevölkerung.[7]
Die Anhäufung all dieser
Zerfallserscheinungen im globalen Maßstab und auf allen Ebenen der
Gesellschaft zeigt, dass der Kapitalismus in den letzten dreißig
Jahren tatsächlich in eine neue historische Periode eingetreten ist:
die letzte Phase seiner Dekadenz, die des Zerfalls.
Mehr denn
je hängt das Überleben der Menschheit von der Fähigkeit des
Proletariats ab, den Kapitalismus zu stürzen, bevor er jede Form des
sozialen Lebens auf dem Planeten unmöglich macht. Darüber hinaus
werden die Eigenschaften einer zukünftigen kommunistischen
Gesellschaft es unmöglich machen, dass die Gesellschaft für
Krankheiten so anfällig ist wie heute angesichts der Covid-19
Pandemie.
Wie eine
zukünftige kommunistische Gesellschaft mit Pandemien umgehen wird
Es ist nicht möglich, im Rahmen dieses kurzen
Artikels auf Überlegungen einzugehen wie “Warum wäre heute eine
solche Gesellschaft möglich, wenn sie in der Vergangenheit nicht
verwirklicht wurde?“, oder „Wie das revolutionäre Proletariat
den Sturz des Kapitalismus im Weltmaßstab und die Umgestaltung der
Produktionsverhältnisse in die Hand nehmen kann?“. Die IKS hat
dieser Frage bereits viele Artikel gewidmet. Wir können nicht sagen,
wie das Leben der von der Entfremdung der Klassengesellschaften
befreiten Gesellschaftsmitglieder aussehen würde, aber wir können
unzweifelhaft feststellen, dass die Entfremdung und das „Jeder für
sich“ selbst immer brutalere und unmenschlichere Formen im
dahinsiechenden Kapitalismus annehmen. Wir beschränken uns hier auf
den wirtschaftlichen Aspekt und seine direkten sozialen Folgen.
–
Der Kommunismus ist nicht nur ein alter Menschheitstraum oder das
einfache Produkt des menschlichen Willens, sondern er stellt die
einzige Gesellschaft dar, die in der Lage ist, die Widersprüche zu
überwinden, die die kapitalistische Gesellschaft ersticken. Jedoch
müssen seine wirtschaftlichen Merkmale wie folgt aussehen:
–
das einzige Motiv der Produktion ist die Befriedigung der
menschlichen Bedürfnisse;
– die produzierten Güter werden
nicht mehr Waren, Tauschwerte sein, sondern nur noch Gebrauchswerte;
mit anderen Worten, sie werden für die Bedürfnisse der Menschen und
nicht für den Markt produziert;
– Das Privateigentum an den
Produktionsmitteln, ob individuell wie im ursprünglichen
Kapitalismus oder als Staatseigentum wie im dekadenten Kapitalismus
(in seiner stalinistischen, faschistischen oder demokratischen
Version), wird vergesellschaftet. Das heißt, das Ende allen
Eigentums, und damit aller Existenz von sozialen Klassen und damit
aller Ausbeutung.
Wenn man die Faktoren betrachtet, die den
sehr großen Schwierigkeiten der Gesellschaft bei der Abwehr der
Covid-19 Pandemie und auch bei der Bewältigung ihrer tragischen
sozialen Folgen zugrunde liegen, kann man nicht umhin, sich zu
fragen, welches Gewicht die gleichen Faktoren in einer
kommunistischen Gesellschaft gehabt hätten. In der Tat wären sie
nicht vorhanden gewesen:
– Wir wissen, dass am Ursprung der
Pandemie der Zustand der schrittweisen Zerstörung des Planeten
steht, der sich mit der Dekadenz des Kapitalismus verschlimmerte,
insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg: „Jedoch war es im
wesentlichen der gegenwärtigen Epoche des Kapitalismus, der Epoche,
die seit 1914 von den Marxisten als Dekadenz dieser Produktionsweise
definiert wurde, überlassen, daß die rücksichtslose Zerstörung
der Umwelt durch das Kapital eine andere Stufe und Qualität
erreichte, während sie gleichzeitig jede historische Legitimation
verlor. Dies ist die Epoche, die alle kapitalistischen Nationen dazu
zwingt, miteinander auf einem gesättigten Weltmarkt zu konkurrieren;
eine Epoche der ständigen Kriegswirtschaft also (…) eine Epoche,
die charakterisiert ist durch eine irrationale, verschwenderische
Vervielfältigung von Industriekomplexen in jeder nationalen Einheit,
durch das verzweifelte Ausplündern der natürlichen Rohstoffe durch
eine jede Nation in ihrem Versuch, in der gnadenlosen Hetzjagd auf
dem Weltmarkt zu überleben.“[8] Sobald die Bourgeoisie auf
globaler Ebene politisch besiegt ist, wird eine vorrangige Aufgabe
darin bestehen, die Schäden zu reparieren, die der Kapitalismus dem
Planeten zugefügt hat, und damit das Gedeihen des Lebens auf der
Erde möglich zu machen. Damit wird auch die Möglichkeit des
Auftretens von Pandemien vom Typ Covid-19 ausgeschlossen.
–
Es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass in Zukunft nicht andere
Pandemien mit einem anderen Ursprung als Covid-19 auftreten werden.
Aus Sorge um das Überleben und das Wohlergehen ihrer Mitglieder wird
die neue Gesellschaft daher ihre wissenschaftlichen Kenntnisse
weiterentwickeln, um das Auftreten möglicher unbekannter Krankheiten
bestmöglich vorhersehen zu können. Eine solche Anstrengung der
Gesellschaft kann im Vergleich zu dem, wozu der Kapitalismus fähig
ist, beträchtlich sein, da dies nicht mehr der Gewinnerzielung
unterworfen, sondern auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
ausgerichtet sein wird. Dazu bedarf es der Verbreitung und
Zentralisierung allen Wissens auf der ganzen Welt und nicht dem
„Hüten“ und Zurückhalten von Wissen infolge der Realisierung
von Profit und Wettbewerb. Krankheiten und die damit verbundenen
Risiken werden nicht mehr versteckt, damit „die Wirtschaft
weiterlaufen kann“, sondern es wird kollektiv und verantwortlich
reagiert, ohne Unterwerfung unter wirtschaftliche Gesetze, die die
Menschen beherrschen.
– Dieser letzte Faktor bedeutet, dass
medizinische Einrichtungen, die im Gegensatz zur jetzigen Situation
ständig nicht dem Gesetz des Gewinns unterliegen, verbessert werden
können und nicht dem Verfall preisgegeben werden.
– Aber
auch in einer kommunistischen Gesellschaft ist nicht auszuschließen,
dass die Menschheit trotz der Bedeutung, die dann der Vorbeugung
beigemessen wird, mit Unerwartetem fertig werden muss, z. B. durch
die Notwendigkeit, so schnell wie möglich einen Impfstoff oder
Medikamente zur Behandlung von Krankheiten herzustellen. Aus den
Merkmalen der kommunistischen Gesellschaft, die nicht von Konkurrenz
geplagt wird, geht hervor, dass sie dann die assoziierten Kräfte der
gesamten Menschheit für dieses Ziel mobilisieren könnte, ganz im
Gegensatz zu dem, was heute bei der Herstellung eines Impfstoffs
gegen Covid-19 geschah. Es ist in der Tat keine Spekulation zu
behaupten, dass die Menschheit sehr realen Gefahren ausgesetzt sein
wird, die sich aus den (möglicherweise irreversiblen) Schäden
ergeben, die der dekadente und verfallende Kapitalismus den
zukünftigen Generationen hinterlässt. Angesichts dieser Gefahren
wird das Proletariat alle notwendigen Maßnahmen zur Sanierung der
Gesundheit und der Umwelt durchführen müssen, damit die Menschheit
frei von den blinden Gesetzen des Kapitalismus leben kann.
–
Und wenn die Menschheit trotz immer größerer Anstrengungen zur
Vorbeugung gegen alles, was die menschliche Spezies bedrohen könnte,
vor großen Herausforderungen stehen wird, wird sie sich ihnen
solidarisch, in gemeinsamer Anstrengung stellen und nicht, indem sie
einen Teil der Menschheit ihrem brutalen Schicksal überlässt lässt,
wie heute Millionen von Menschen, die von den „Vorteilen“ des
Kapitalismus ausgeschlossen werden.
Zwischen dem Moment, in
dem das Proletariat beginnt, die politische Macht der Bourgeoisie in
einer Reihe von Ländern, dann im Weltmaßstab (eine Welt ohne
Grenzen) zu stürzen, und dem Moment, in dem eine Gesellschaft ohne
soziale Klassen, ohne Ausbeutung, ohne Geld entsteht, muss das
Proletariat die Übergangsgesellschaft in diese Richtung führen. Und
das wird lange Zeit dauern. Dennoch, auch wenn es nicht möglich ist,
mit der Umwälzung der Gesellschaft vor der Ergreifung der
politischen Macht im Weltmaßstab zu beginnen, wird das Proletariat
an der Macht eine komplett andere Einstellung zur Krankheit haben als
die Bourgeoisie. Dies wird durch den von uns veröffentlichten
Artikel „Gesundheitsversorgung in Sowjetrussland“
veranschaulicht, der sich auf die Maßnahmen der Sowjetregierung
zwischen Juli 1918 und Juli 1919 bezieht
Ja
Also! Eine kommunistische Umwälzung ist notwendig, aber auch die
Revolution ist möglich!
Wir haben bisher die Gefahren betont, die der Zerfall
des Kapitalismus für die Gesellschaft und für die Möglichkeit
einer proletarischen Revolution selbst darstellt. Das ist unsere
Verantwortung, denn es ist die Aufgabe der Revolutionäre, sich klar
und deutlich gegenüber Arbeiterklasse auszudrücken, ohne ihr die
Schwierigkeiten zu verheimlichen denen sie gegenüberstehen wird.
Aber es ist ebenso unsere Aufgabe, besonders angesichts der
vorherrschenden Skepsis, aufzuzeigen, dass es die Möglichkeit eines
revolutionären Auswegs aus der gegenwärtigen Situation gibt. Dies
ergibt sich einerseits aus der Tatsache, dass die Arbeiterklasse,
obwohl sie große Schwierigkeiten erlebt, keine große Niederlage
erlitten hat, die sie daran hindert, wie in den 1930er Jahren auf die
Angriffe der Bourgeoisie zu reagieren. Und diese Angriffe hageln
bereits auf die Arbeiterklasse nieder, und das ist erst der
Anfang.
In der Tat kann die Pandemie die Wirtschaftskrise nur
noch weiter verschärfen. Und wir sehen es schon an den Pleiten von
Unternehmen und den Massenentlassungen seit Beginn dieser Pandemie.
Angesichts des sich verschlimmernden Elends, der Verschlechterung all
ihrer Lebensbedingungen in allen Ländern, wird die Arbeiterklasse
keine andere Wahl haben, als gegen die Angriffe der Bourgeoisie zu
kämpfen. Selbst wenn sie heute den Schock dieser Pandemie erleidet,
und selbst wenn der soziale Zerfall es ihr sehr viel schwerer macht
ihre Kämpfe zu entwickeln, wird sie keine andere Wahl haben als ums
Überleben zu kämpfen. In Anbetracht der Explosion der
Arbeitslosigkeit in den meisten entwickelten Ländern heißt es:
kämpfen oder sterben. Das ist die einzige Alternative für die
wachsenden Massen der Proletarier und die jungen Generationen!
In
seinen zukünftigen Kämpfen, auf seinem eigenen Klassenterrain und
inmitten des Dunstkreises des sozialen Zerfalls, muss das Proletariat
erneut seinen Weg einschlagen, um seine revolutionäre Perspektive zu
finden und zu stärken.
Trotz all des Leids, das sie
hervorruft, bleibt die Wirtschaftskrise auch heute noch der beste
Verbündete des Proletariats. Wir müssen also nicht nur das Elend
sehen, sondern auch die Bedingungen für die Überwindung dieses
Elends.
Sylver 17.02.2021
[1]Nipah trat in den Jahren
1995/1999 in Malaysia und Singapur unter Schweinezüchtern auf. 2011
tauchte es episodisch in Bangladesch und Ostindien auf, 2012 in
Kambodscha (vor allem um die touristischen Tempel von Angkor Wat) und
2020 in China und Thailand, also in Gebieten der asiatischen
Tropenwälder. Es wird durch den Urin oder Speichel von Flughunden
übertragen, die aus ihrer natürlichen Umgebung (aufgrund von
Bränden, Dürre, Abholzung, landwirtschaftlichen Praktiken) in die
nahe menschliche Umgebung vertrieben werden, und es wird über
Schweinefarmen auf den Menschen übertragen. Neben ähnlichen
Symptomen wie Covid-19 verursacht es eine Blitz-Enzephalitis (die
Sterblichkeitsrate schwankt tatsächlich zwischen 40 und 75 %). Seine
Inkubations- und Infektionszeit, die sehr breit ist, kann von 5 bis
45 Tagen variieren. Quelle WHO, Nipah-Virus
[2]Quelle: La
fondation néerlandaise. Pharmariesen nicht bereit für die nächste
Pandemie
[3]Zeitschrift Le Monde: Neue Spannungen zwischen
London und Brüssel wegen des ‚Nordirland-Protokolls‘, einem
entscheidenden Teil des Brexit-Vertrags.
[4]Zeitschrift Le
Monde vom 3. Februar 2021: „Es wird festgelegt, dass sich die
Teilnehmer verpflichten, keine Einzelverträge mit denselben
Laboratorien abzuschließen. Deutschland hat jedoch eingeräumt,
Verträge mit BioNTech-Pfizer, Moderna und Curevac abgeschlossen zu
haben.“, Artikel Covid-19: Nach Ungarn könnte der russische
Impfstoff Sputnik weitere europäische Länder
verführen…
[5]Zeitschrift Les Echos vom 12. Februar 2021.
Coronavirus: Die 50.000 Todesfälle, die Deutschland erzittern
lassen
[6]„Bereits im September schätzte die
Nichtregierungsorganisation Oxfam, dass die reichen Länder, die nur
13% der Weltbevölkerung repräsentieren, mehr als die Hälfte (51%)
der Dosen der wichtigsten untersuchten Impfstoffe in die Hände
bekommen haben.“ Zeitung Le Monde: Klinische Studien, Produktion,
Auslieferung… Die sechs Herausforderungen im Rennen um den
Covid-19-Impfstoff
[7]Zur Situation in den Vereinigten Staaten
siehe unseren Artikel Die Vereinigten Staaten und der globale
Kapitalismus in der Sackgasse
[8] Ökologie: Der Kapitalismus
vergiftet die Erde. Internationale Revue Nr. 13
https://de.internationalism.org/Umwelt_13
https://de.internationalism.org/content/2985/die-covid-19-pandemie-offenbart-den-weltweiten-zerfall-des-kapitalismus
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