Entnommen:
https://www.jungewelt.de/artikel/384490.kriegsspiele-w%C3%A4hrend-pandemie-premiere.html
Kampfjets der
israelischen Luftwaffe sind am Montag erstmals in der BRD gelandet.
In den nächsten zwei Wochen nehmen die sechs Maschinen vom Typ
»F-16« (Foto) an den Kriegsübungen »Blue Wings 2020« und
»Magdays« teil. Dies teilten die deutschen Streitkräfte am Montag
auf Twitter mit. Zum Gedenken an das Olympia-Attentat von 1972 soll
eine deutsch-israelische Formation am Dienstag den bayerischen
Fliegerhorst Fürstenfeldbruck überfliegen. Im Anschluss werde die
deutsch-israelische Delegation in der KZ-Gedenkstätte Dachau einen
Kranz niederlegen. (dpa/jW)
Soweit
die Meldung, entnommen aus der jW vom 18.08.2020
Arn
Strohmeyer kommentiert:
Martialisches
Erinnern
Kampfjets
der Bundeswehr und Israels betreiben gemeinsam „Holocaust-Gedenken“
am Himmel über Deutschland
In
jedem Jahr am Holocaustgedenktag (27. Januar) donnern israelische
Kampfjets über das frühere Vernichtungslager Auschwitz, während
israelische Schulkinder unten zwischen den Baracken Fahnen mit dem
Davidstern schwenken und Treuschwüre für ihren Staat ablegen. Was
dort im ehemaligen KZ alljährlich stattfindet – ein
emotionsgeladenes und symbolträchtiges Ritual – hat der
israelische Historiker und Holocaustforscher Saul Friedländer als
„Vereinigung von Kitsch und Tod“ bezeichnet. Und sein
israelischer Kolle Tom Segev ergänzt: „Diese Veranstaltungen
verströmen statt Offenheit und Menschenliebe Isolationismus bis hin
zur Fremdenfeindlichkeit.“
Ein solches martialisches Militär-Schauspiel wird nun auch im Himmel über Deutschland stattfinden. Kampfjets der Bundeswehr und Israels werden über Fürstenfeldbruck im Gedenken an die Opfer des Olympiamassakers 1972 und über das ehemalige Konzentrationslager Dachau donnern, während unten am Boden Kränze niedergelegt und auch israelische Fahnen geschwenkt werden. Das Ganze soll – so der deutsche Luftwaffenkommandeur Ingo Gerhartz – ein bewegendes Zeichen unserer Freundschaft und ein Beitrag zum Kampf gegen den Antisemitismus sein.
Diese Worte und das geplante militärische
Schauspiel am Himmel belegen die ganze Fragwürdigkeit des
deutsch-israelischen Verhältnisses. Man kann grundsätzlich aus
guten Gründen gegen solche militärischen Demonstrationen sein, die
dem Frieden eher abträglich sind, in diesem Fall kommt aber etwas
Besonderes hinzu: Wie kann es ein gemeinsame Auftreten der Bundeswehr
mit der Armee eines Staates geben, der seit Jahrzehnten ein brutales
Besatzungsregime über vier Millionen Palästinenser in den besetzten
Gebieten aufrechterhält und die Palästinenser im Kernstaat als
Menschen zweiter oder dritter Klasse in schlimmer Weise
diskriminiert? Anders gesagt: Mit dem Staat Israel gibt es keine
gemeinsamen Werte, die einen Auftritt beider Armeen rechtfertigen
können, denn Israel ist ein Staat der Okkupation und Repression –
und seine Armee ist das ausführende Organ dieser völkerrechts- und
menschenrechtswidrigen Politik.
Der
israelische Sozialwissenschaftler und Philosoph Moshe Zuckermann hat
diesen Sachverhalt schon vor Jahren deutlich gemacht und auch eine
Beziehung zum Holocaust hergestellt: „Das jüdische Kollektiv im
Staat Israel ist es, welches der Konfrontation mit der entsetzlichen
Wahrheit nicht entkommen kann, dass jede ‚Abnormität‘ im
Gazastreifen, jedes Opfer eines ‚Schusses in die Luft‘ in der
Westbank, jeder Akt brutaler Repression, der sich direkt oder
indirekt aus dem Tatbestand der israelischen Okkupation ableitet, es
– das jüdische Kollektiv in Israel – von der sittlich-humanen,
ihm von den Holocaust-Opfern als verpflichtendes Erbe auferlegten
Identität entfernt, um es in zunehmenden Maße an eine der
Mörder-Identität verschwisterten Mentalität zu ketten. Es irrt,
wer den Spruch ‚Meine Vernunft ist in Auschwitz verbrannt‘ zur
Rechtfertigung einer jeden Untat des israelischen Staates heranzieht:
Nicht seine Vernunft, sondern seine Sittlichkeit ist dort
verbrannt.“
Diese Sätze Zuckermanns werfen grundsätzliche
Frage nach dem dem Holocaust angemessenen Erinnern auf. Es ist kein
Geheimnis, dass Israel dieses Mega-Verbrechen für seine politischen,
wirtschaftlichen und militärischen instrumentalisiert, was eine
Verflachung, Banalisierung und Ideologisierung des Gedenkens an
dieses Verbrechen und seine Opfer zur Folge hat. Das ritualisierte
Andenken geht heute so weit, dass es auch die neuen Opfer, die
Israels Politik permanent produziert, rechtfertigen muss. Die
israelischen Kampfjets, die jetzt am deutschen Himmel „Gedenken“
zelebrieren, haben vermutlich gestern oder vorgestern noch ihre
mörderische Last über dem eingeschlossenen Gazastreifen abgeworfen.
Werden sich demnächst deutsche Kampfjets – natürlich auch im
Namen des Holocaust – an diesem tödlichen Spiel über dem Himmel
von Gaza beteiligen?
Die
Lehre von Auschwitz kann nur eine universalistische sein: Nie wieder
Krieg, nie wieder Lager, nie wieder Repression, Besatzung und
Diskriminierung. Eine Politik des Gedenkens in diesem Sinne braucht
keine martialischen militärischen Beweise von Kraft und Stärke am
Himmel oder auf dem Boden. Die Opfer des Massenmords würden – wenn
sie sich denn äußern könnten – mit Ekel und Abscheu von solchem
Gehabe auf Distanz gehen.
14.08.2020
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