„Krieg
gegen den Terror“?
Der globale „Krieg gegen
den Terror“ markiert einen Zivilisationsbruch: Der Imperialismus
schüttelte die Fessel ab, die ihm die Existenz der Sowjetunion und
der sozialistischen Länder Europas in den internationalen
Beziehungen auferlegt hatte, und setzte an die Stelle des
Völkerrechts wieder das Faustrecht. Das Völkerrecht, das im Kern
die Gleichheit souveräner Staaten anerkennt, galt allerdings schon
bei seinem Entstehen nicht für Kolonien, so wie die Erklärung der
Menschenrechte nicht für Sklaven oder Ureinwohner galt.
D a s ä n d e r t e s i
c h nach der Oktoberrevolution. Im Verlauf von etwa 60 Jahren
erhielten die meisten Kolonien und Halbkolonien formal ihre
Unabhängigkeit, den letzten großen Schub bewirkte die
portugiesische Nelkenrevolution im April vor 45 Jahren. Die nationale
Befreiung in Asien, Afrika und Lateinamerika ist das historisch
bisher folgenreichste und nachhaltigste Ergebnis des durch
Konterrevolutionen niedergerungenen Sozialismus.
Aber es existieren auch
heute nicht unbeträchtliche neokoloniale bzw. militärisch wichtige
Kolonialbestände, etwa Guam im Pazifik (USA) oder Diego Garcia
(Großbritannien, von den USA bis 2036 gepachtet). Vor allem aber:
Die rechtliche Abhängigkeit der Kolonien wurde ersetzt durch die
ökonomische. Das sorgte dafür, daß sich an Armut und Elend in den
meisten der neuen Staaten nichts änderte, daß sich eine mit den
früheren Kolonialmächten eng verflochtene, korrupte einheimische
Bourgeoisie bildete. Wer als Politiker nationale Selbständigkeit und
vor allem finanzielle und wirtschaftliche Unabhängigkeit für sein
Land beansprucht, wird mit Hilfe von CIA, britischen, französischen
und längst auch deutschen Geheimdiensten gestürzt oder ermordet –
von Mohammad Mossadegh 1953 im Iran über Patrice Lumumba 1961 in der
heutigen Demokratischen Republik Kongo und Thomas Sankara 1987 in
Burkina Faso bis zu Muammar al-Ghaddafi 2011 in Libyen.
Der „Krieg gegen den
Terror“ gehört insofern zum Wesen des heutigen Imperialismus,
seine offizielle Verkündung durch den damaligen USPräsidenten
George W. Bush 2001 bedeutete dennoch etwas Neues: Es gelang mit
dieser Formel, die Kriegsteilnahme der US-Verbündeten zu
rechtfertigen, ohne daß sich die Abneigung der Bevölkerungen gegen
militärische Abenteuer in großen Bewegungen äußerte. Der „Krieg
gegen den Terror “ schwächte die Friedensbewegung und bereitete
zugleich einer rassistischen Ideologie des Einverständnisses mit ihm
den Weg. Statt den permanenten Krieg, der selbst eine Form von
Staatsterrorismus ist, zu bekämpfen, gehen viele Menschen in den
imperialistischen Ländern der nationalistischen und rassistischen
Propaganda, die ihn generalstabsmäßig begleitet, auf den Leim.
Zugleich dient er der
Verschärfung aller juristischen Unterdrückungsinstrumente gegen
Protest oder gar Widerstand. Der im vergangenen Jahr verstorbene
Historiker Kurt Gossweiler nannte ihn deswegen eine „geniale
Erfindung“. Ein Beispiel ist der allgemeine Umgang mit dem Krieg in
den Sahelstaaten Westafrikas, an dem die Bundeswehr mit etwa 1000
Soldaten teilnimmt. Selbst die Bundesregierung vergleicht ihn mit
Afghanistan und bezeichnet ihn als besonders gefährlich. Die
Funktion dieses Krieges ist vor allem, den Kollaps aller Staaten
dieser Region nach der Zerstörung staatlicher Kontrolle in Libyen
2011 zu verhindern. Zugleich soll die ökonomische Abhängigkeit, die
Hauptursache für Armut, Elend und die Zerbrechlichkeit dieser
Staaten, insbesondere von Frankreich gesichert und schließlich
Migration Richtung Europa verhindert werden. Es handelt sich um einen
Versuch, das Feuer, das USA und EU-Staaten dort entfacht haben, mit
Benzin zu löschen.
Nichts anderes geschieht
im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan und Pakistan. Das
bedeutet für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland auch: Wer
von Migration redet, darf z. B. von einem solchen Krieg wie in
Westafrika und den anderen neokolonialen Feldzügen des Imperialismus
nicht schweigen. Wer sie ignoriert, bedient die Absicht, vom Kampf um
den Frieden abzulenken. Das ist eine Funktion der rechten Parteien,
die mit nationalistischen und rassistischen Parolen in den
imperialistischen Ländern Wahlerfolge feiern. Der globale „Krieg
gegen den Terror“ ist aber der wahre Terrorismus, nämlich
Staatsterrorismus, unserer Zeit. Möglicherweise die genialste und
zugleich verheerendste Erfindung imperialistischer Ideologen seit den
Zeiten des Faschismus … Arnold Schölzel
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