Montag, 1. April 2019

IMPERIALISTISCHES FAUSTRECHT - Arnold Schölzel



Krieg gegen den Terror“?

Der globale „Krieg gegen den Terror“ markiert einen Zivilisationsbruch: Der Imperialismus schüttelte die Fessel ab, die ihm die Existenz der Sowjetunion und der sozialistischen Länder Europas in den internationalen Beziehungen auferlegt hatte, und setzte an die Stelle des Völkerrechts wieder das Faustrecht. Das Völkerrecht, das im Kern die Gleichheit souveräner Staaten anerkennt, galt allerdings schon bei seinem Entstehen nicht für Kolonien, so wie die Erklärung der Menschenrechte nicht für Sklaven oder Ureinwohner galt.

D a s   ä n d e r t e  s i c h  nach der Oktoberrevolution. Im Verlauf von etwa 60 Jahren erhielten die meisten Kolonien und Halbkolonien formal ihre Unabhängigkeit, den letzten großen Schub bewirkte die portugiesische Nelkenrevolution im April vor 45 Jahren. Die nationale Befreiung in Asien, Afrika und Lateinamerika ist das historisch bisher folgenreichste und nachhaltigste Ergebnis des durch Konterrevolutionen niedergerungenen Sozialismus.

Aber es existieren auch heute nicht unbeträchtliche neokoloniale bzw. militärisch wichtige Kolonialbestände, etwa Guam im Pazifik (USA) oder Diego Garcia (Großbritannien, von den USA bis 2036 gepachtet). Vor allem aber: Die rechtliche Abhängigkeit der Kolonien wurde ersetzt durch die ökonomische. Das sorgte dafür, daß sich an Armut und Elend in den meisten der neuen Staaten nichts änderte, daß sich eine mit den früheren Kolonialmächten eng verflochtene, korrupte einheimische Bourgeoisie bildete. Wer als Politiker nationale Selbständigkeit und vor allem finanzielle und wirtschaftliche Unabhängigkeit für sein Land beansprucht, wird mit Hilfe von CIA, britischen, französischen und längst auch deutschen Geheimdiensten gestürzt oder ermordet – von Mohammad Mossadegh 1953 im Iran über Patrice Lumumba 1961 in der heutigen Demokratischen Republik Kongo und Thomas Sankara 1987 in Burkina Faso bis zu Muammar al-Ghaddafi 2011 in Libyen.

Der „Krieg gegen den Terror“ gehört insofern zum Wesen des heutigen Imperialismus, seine offizielle Verkündung durch den damaligen USPräsidenten George W. Bush 2001 bedeutete dennoch etwas Neues: Es gelang mit dieser Formel, die Kriegsteilnahme der US-Verbündeten zu rechtfertigen, ohne daß sich die Abneigung der Bevölkerungen gegen militärische Abenteuer in großen Bewegungen äußerte. Der „Krieg gegen den Terror “ schwächte die Friedensbewegung und bereitete zugleich einer rassistischen Ideologie des Einverständnisses mit ihm den Weg. Statt den permanenten Krieg, der selbst eine Form von Staatsterrorismus ist, zu bekämpfen, gehen viele Menschen in den imperialistischen Ländern der nationalistischen und rassistischen Propaganda, die ihn generalstabsmäßig begleitet, auf den Leim.

Zugleich dient er der Verschärfung aller juristischen Unterdrückungsinstrumente gegen Protest oder gar Widerstand. Der im vergangenen Jahr verstorbene Historiker Kurt Gossweiler nannte ihn deswegen eine „geniale Erfindung“. Ein Beispiel ist der allgemeine Umgang mit dem Krieg in den Sahelstaaten Westafrikas, an dem die Bundeswehr mit etwa 1000 Soldaten teilnimmt. Selbst die Bundesregierung vergleicht ihn mit Afghanistan und bezeichnet ihn als besonders gefährlich. Die Funktion dieses Krieges ist vor allem, den Kollaps aller Staaten dieser Region nach der Zerstörung staatlicher Kontrolle in Libyen 2011 zu verhindern. Zugleich soll die ökonomische Abhängigkeit, die Hauptursache für Armut, Elend und die Zerbrechlichkeit dieser Staaten, insbesondere von Frankreich gesichert und schließlich Migration Richtung Europa verhindert werden. Es handelt sich um einen Versuch, das Feuer, das USA und EU-Staaten dort entfacht haben, mit Benzin zu löschen.

Nichts anderes geschieht im Nahen und Mittleren Osten, in Afghanistan und Pakistan. Das bedeutet für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland auch: Wer von Migration redet, darf z. B. von einem solchen Krieg wie in Westafrika und den anderen neokolonialen Feldzügen des Imperialismus nicht schweigen. Wer sie ignoriert, bedient die Absicht, vom Kampf um den Frieden abzulenken. Das ist eine Funktion der rechten Parteien, die mit nationalistischen und rassistischen Parolen in den imperialistischen Ländern Wahlerfolge feiern. Der globale „Krieg gegen den Terror“ ist aber der wahre Terrorismus, nämlich Staatsterrorismus, unserer Zeit. Möglicherweise die genialste und zugleich verheerendste Erfindung imperialistischer Ideologen seit den Zeiten des Faschismus … Arnold Schölzel

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