VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 4. SEPTEMBER 2018
von Eugen Hardt
Es bedarf keiner Beweise, daß es sich bei dem Projekt „Aufstehen“ um ein sozialdemokratisches handelt, da es sich selber als Sozialdemokratie der 70ger versteht.
Offensichtlich handelt es sich konkret nicht um eine Bewegung von unten. Die mehr als 100.000 Anmeldungen belegen aber, daß es seit einigen Jahren eine nicht unbedeutende Bewegung gibt, die heute förmlich nach einer Organisierung und politischen Form strebt. Das Projekt „Aufstehen“ versucht, dieser Bewegung eine solche Form zu geben. Und natürlich ergibt das nur einen Sinn, wenn man auch zu Wahlen als Partei antritt.
Diese latente Bewegung tritt vor allem im Netz in Erscheinung und ist gekennzeichnet vom Wunsch nach direkter Demokratie, Wut auf „die Eliten“, gegen die Konzernpresse, für Freiheitsrechte aller Art, gegen den Raubbau an der Natur und gegen die Politik permanenter Kriege. Sie hat das Potential antikapitalistisch, mindestens antineoliberal und antiimperialistisch sich zu entwickeln, sie kann sich aber auch nach rechts entwickeln – siehe die altright-Bewegung in den USA. Es gibt zu dieser viele Überschneidungen der Zielsetzungen, z.B. was die Freiheitsrechte angeht, doch ist sie zutiefst asozial.
Die Partei „Die Linke“ (konkurrierend zu ihr teilweise die Grünen) ist organisatorischer Ausdruck einer früheren Bewegung ( WASG 2004) , hat sich aber – im grotesken Gegensatz zu ihrem Programm – von Anfang an zur Speerspitze neoliberaler asozialer Politik gemacht. Einmal in Regierungsverantwortung (z.B. in Berlin) privatisierte man Betriebe der Daseinsvorsorge wo es nur ging, was die Entwicklung der SPD im Zeitraffer nachvollzog. So entstand ein großes politisches Vakuum im dem Sektor, der ehemals von der SPD ausgefüllt wurde. CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke vertreten heute die Interessen von unterschiedlichen Milieus besserverdienender Schichten, während sich „die kleinen Leute“ zunehmend von keiner dieser Parteien vertreten sehen.
Während große Teile der Arbeiterklasse sich vom gesamtem Politikbetrieb verabschiedet haben, wenden sich mangels eines linken Pols immer mehr Arbeiter der AfD zu, obwohl diese vollständig asoziale Ziele verfolgt und gegen Kriegspolitik nur solange ist, wie diese nicht vom deutschen Nationalismus betrieben wird. So entsteht die auf den ersten Blick schwer zu verstehende Lage, daß Arbeiter die soziale Basis der AfD darstellen, wobei laut Umfragen – noch – nur 5% die AfD wegen ihres Programms wählen, die restlichen 95% allein aus Protest, insofern sie als einzige Kraft wahrgenommen wird, die sich zumindest gegen die als existenzielle Bedrohung wahrgenommene Politik des Neoliberalismus wendet, jeden sozialen Zusammenhalt und Schutz durch Replacement Migration zu schleifen.
Lafontaine – heute im Verbund mit Wagenknecht – versucht mit dem Projekt „Aufstehen“, das politische Vakuum auf der Linken zu füllen, indem er mit einem sozialdemokratischen Programm den Neoliberalismus angreift. Laut Umfragen können sich aktuell 34% vorstellen, „Aufstehen“ zu wählen. Das ist eine Größenordnung in der andere „populistische“ Bewegungen wie z.B. die 5 Sterne in Italien in wenigen Jahren an die Macht gelangten. 5 Sterne versprachen 780€ Mindestsicherung für alle und der ganze italienische Süden wählte sie.
Auch wenn es noch kein Programm von „Aufstehen“ gibt, so kennt eigentlich jeder dessen Kernpunkte (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
– Mindestlohnerhöhung
– Abschaffung von Hartz 4
– Mindestrente
– Rekommunalisierung der Betriebe der Daseinsvorsorge
– Senkung der Mieten und sozialer Wohnungsbau
– Besteuerung der Reichen
– Austritt aus der NATO und Beendigung aller Auslandseinsätze
– Beendigung der Ausplünderung der Halbkolonien und insbesondere Afrikas
Ein solches Programm ist offensichtlich antagonistisch zum Neoliberalismus und insbesondere zu dessen Politik, durch Kriege und Wirtschaftsabkommen die Lebensgrundlagen der Menschen insbesondere in Afrika zu zerstören; eine Politik, die gleichzeitig durch unbegrenzte Einwanderung zerstört, was vom sozialdemokratischen Sozialstaat hier übrig geblieben ist. Durch die Zerstörung jeden sozialen Zusammenhaltes gleichzeitig hier und in den Halbkolonien wünscht man sich Bedingungen maximalen Profits.
Ein solches Programm ist programmatisch weder antikapitalistisch und auch nicht antiimperialistisch, aber es würde schon bei einem halbwegs ernsten Versuch einer Umsetzung den heute in Gestalt des Neoliberalismus existierenden Kapitalismus existenziell gefährden.
Ein solches Programm kann nicht ohne extreme Zuspitzung aller grundlegenden Widersprüche des kapitalistischen Systems verwirklicht werden, da es ohne Fortsetzung der Ausbeutung der Menschen in den Halbkolonien nicht finanziert werden kann. Alternativ kann seine Verwirklichung hier UND in den Kolonien auch nicht finanziert werden ohne das kapitalistische System als Ganzes in Frage zu stellen.
Anders ausgedrückt: Nur eine demokratisch verfaßte Wirtschaft (man nennt dies Sozialismus) im Weltmaßstab wäre in der Lage für alle Menschen lebenswerte Bedingungen zu schaffen.
Damit möglichst vielen Menschen diese Zusammenhänge deutlich werden ist es richtig, unter den heutigen Bedingungen Lafontaines Projekt zu unterstützen und dabei das Ziel zu verfolgen, möglichst viele Menschen für die Erreichung oben genannter Ziele zu vereinen – unabhängig davon, welche weitergehenden Ziele und Illusionen sie verfolgen und haben.
Daß sich heute über 30% der Wähler vorstellen können, ein solches linkes Projekt zu wählen, zeigt, daß sie die heute bekannten Köpfe des Projekts für glaubwürdig halten, tatsächlich der neoliberalen Politik der Zerstörung der Gesellschaften – hier wie in den Kolonien – glaubwürdig entgegenzutreten.
Und natürlich würde es das Ende der großbürgerlichen, nationalistischen, asozialen AfD bedeuten.
website von „Aufstehen“ :https://www.aufstehen.de/
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