DIE
AUWEIA-GEBETSSTUNDE
Wie immer, wenn die
Plauderstunde im Ersten um 21.45 Uhr angekündigt ist, setzt sich der
pflichtbewußte Staatsbürger bequem in den Sessel. Und im Kopfnicken
geübt, verlässt auch ihn an diesem Abend nicht die Hoffnung auf
Wohlinformiertheit: Als es um Mord, Bluttat, Hitlergruß und Mob
auf der Straße in einem angeblich recht aufmüpfigen großen Ort im
Süden des Landes geht. Ein Hohes Tier in der Landespolitik
versicherte: Nicht alle ehrlichen und nach Wahrheit strebenden
Staatsbürger ließen sich von den Giftnattern, genannt Neonazis,
emotional und mental einfangen und anstacheln. Beifall in der
Plauderrunde!! Ein anderer Untertan unterstrich geflissentlich, dass
die Polizei ganz rechtens für „Recht und Ordnung“ gesorgt habe.
Ein weiterer, sehr kritischer Mensch, trifft wohl fast des Pudels
Kern: Er behauptet, man habe zu lange über ganz rechts sich
entwickelnde Szenen hinweggesehen.
Wer ist „man“? Einigkeit in
der lebensfrohen „Aufklärungsrunde“: Na, die Politik!!! Eine
weibliche Stimme ergänzt: Man habe – also die Politik – die
einstigen Einwohner des östlichen Landes im Regen stehen lassen. Sie
fühlten sich zurückversetzt, ausgegrenzt, ihre Lebensleistung
würde missachtet. Und dies fördere die Empörung und den scheelen
Blick nach rechts. Zaghaftes Kopfnicken in dieser scheinbar von Gott
gesteuerten Runde, denn als Lösung dieses schlimmen „Vorfalls“
in dieser sächsischen Hauptstadt wird nun dafür plädiert, alle
mögen miteinander mehr sprechen, die Polizei sei auf den Plan zu
rufen, die Überwachung und, nicht zu vergessen, man sei doch nett
zueinander. In inniger Liebe. Von Mensch zu Mensch. Sozusagen.
Begreift das doch endlich. „So wahr uns Gott helfe!“ Doch einige
der Fernsehzuschauer waren bei diesen Offenbarungen, die weit in die
weitere glückliche Zukunft weisen sollen, leider schon
eingeschlafen. ANNE-WILL-JA-NICHT anders!
Harry Popow
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