Montag, 3. September 2018

Eine Gebetsstunde


DIE AUWEIA-GEBETSSTUNDE

Wie immer, wenn die Plauderstunde im Ersten um 21.45 Uhr angekündigt ist, setzt sich der pflichtbewußte Staatsbürger bequem in den Sessel. Und im Kopfnicken geübt, verlässt auch ihn an diesem Abend nicht die Hoffnung auf Wohlinformiertheit: Als es um Mord, Bluttat, Hitlergruß und Mob auf der Straße in einem angeblich recht aufmüpfigen großen Ort im Süden des Landes geht. Ein Hohes Tier in der Landespolitik versicherte: Nicht alle ehrlichen und nach Wahrheit strebenden Staatsbürger ließen sich von den Giftnattern, genannt Neonazis, emotional und mental einfangen und anstacheln. Beifall in der Plauderrunde!! Ein anderer Untertan unterstrich geflissentlich, dass die Polizei ganz rechtens für „Recht und Ordnung“ gesorgt habe. Ein weiterer, sehr kritischer Mensch, trifft wohl fast des Pudels Kern: Er behauptet, man habe zu lange über ganz rechts sich entwickelnde Szenen hinweggesehen. 

Wer ist „man“? Einigkeit in der lebensfrohen „Aufklärungsrunde“: Na, die Politik!!! Eine weibliche Stimme ergänzt: Man habe – also die Politik – die einstigen Einwohner des östlichen Landes im Regen stehen lassen. Sie fühlten sich zurückversetzt, ausgegrenzt, ihre Lebensleistung würde missachtet. Und dies fördere die Empörung und den scheelen Blick nach rechts. Zaghaftes Kopfnicken in dieser scheinbar von Gott gesteuerten Runde, denn als Lösung dieses schlimmen „Vorfalls“ in dieser sächsischen Hauptstadt wird nun dafür plädiert, alle mögen miteinander mehr sprechen, die Polizei sei auf den Plan zu rufen, die Überwachung und, nicht zu vergessen, man sei doch nett zueinander. In inniger Liebe. Von Mensch zu Mensch. Sozusagen. Begreift das doch endlich. „So wahr uns Gott helfe!“ Doch einige der Fernsehzuschauer waren bei diesen Offenbarungen, die weit in die weitere glückliche Zukunft weisen sollen, leider schon eingeschlafen. ANNE-WILL-JA-NICHT anders!
Harry Popow

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