Donnerstag, 3. Oktober 2019

ABSURDES zum Osten - Arnold Schölzel



Eine gefährliche Entwicklung

Der 70. Jahrestag der DDR ist für die Propagandaeinrichtungen des Imperialismus Anlaß, wieder einmal Absurdes über Ostdeutschland und seine Bewohner in die Welt zu setzen. Wer ständig eine Gesellschaft schönzuschreiben hat, die auf Konkurrenz, Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg beruht, für deren Aufrechterhaltung Faschisten, Rassisten und Militaristen benötigt werden, den stachelt ein Staat, in dem das alles nicht geduldet wurde, zu Höchstleistungen bei der Produktion von Unfug an.

Auch von gefährlichem. Ein Beispiel dafür lieferte Hubertus Knabe ab. Der unter merkwürdigen Umständen abgelöste frühere Leiter der „Gedenkstätte“ Berlin-Hohenschönhausen versuchte am 16. August in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) die Frage zu beantworten, warum die DDR in Deutschland plötzlich wieder zum Thema wird. In Wirklichkeit ging es ihm aber nicht um den ostdeutschen Staat, sondern um die AfD.

Wer sie kritisiere, meinte Knabe, weil sie mit Losungen der „friedlichen Revolution“ Wahlkampf bestreite, der übersehe, daß „die AfD Stimmungen zum Ausdruck bringt, die offenbar tatsächlich existieren“. Ob Stimmungen zum Ausdruck gebracht werden können, die nicht existieren, erörterte er nicht. Wichtig war ihm die z. B. vom Anführer des faschistischen AfD-Flügels Björn Höcke geäußerte Auffassung, wonach DDR und BRD sich in vielem gleichen. Knabe findet das auch. Seine Aufstellung von Gemeinsamkeiten, die angeblich beide Staaten aufweisen, enthält u. a.: „Abgehobenheit der politischen Klasse“. Sein Maßstab: Angela Merkel ist fast so lange im Amt wie Erich Honecker. Unwesentliches läßt Knabe weg: Die eine gibt der Aufrüstung gegen Rußland gerade einen Schub, der andere pf legte Waffenbrüderschaf t mit der Sowjetunion. Die eine führt einen Krieg nach dem andern und sorgt dafür, daß Hunderttausende flüchten müssen. Honecker verhinderte Krieg und Vertreibung.

Weiter: Heute entscheide „nur eine kleine Gruppe von Politikern über die Geschicke der Bundesrepublik“. Überraschung, das war offenbar früher anders. Die Medien und der „Haltungsjournalismus“ verstärkten die „Entfremdung zwischen Volk und Regierung“. Und: „Überschriften wie ‚Flüchtlinge könnten Wirtschaftswunder bringen‘ erinnern manchen an die Schlagzeilen über Produktionserfolge im SED-Zentralorgan ‚Neues Deutschland‘.“ 

Heute hätten die „sozialen Netzwerke“ die Rolle des Westfernsehens in der DDR übernommen. Da ist was dran. Die Lügen über den Sozialismus waren ähnlich faustdick wie die von Af D-Hetzern heute oder so sinnvoll wie Knabes Vergleicherei. „Angstbesetzt“, weil man sehr aufpassen müsse, was man sage, seien laut einer Umfrage in der BRD heute „neben der Flüchtlingsfrage auch die Themen Nationalsozialismus, Juden, Rechtsextremismus, Patriotismus, Homosexualität und die AfD“. Der Druck komme aber nicht nur wie in der DDR von oben, „sondern auch von der Seite durch Journalisten und von ihnen gehypte Minderheiten“. 

Zum Glück haben alle Ängstlichen heute die AfD und Hubertus Knabe, die sagen, was ist. Oder Hans-Georg Maaßen, den AfD-Liebling und ehemaligen Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Leute wie die beiden gab es in der DDR nicht. Knabe, Maaßen und andere Kapazitäten des deutschen Bürgertums wittern 30 Jahre nach der Konterrevolution in der DDR Morgenluft. Was aus ihrer Sicht damals unvollendet blieb, soll endlich verwirklicht werden: Die Barrieren, die das Grundgesetz einer Entwicklung hin zu autoritären, extrem antikommunistischen und faschistischen Regierungsformen noch entgegenstellt, sollen weg. Dafür sind in der AfD Offiziere der Bundeswehr, Oberstaatsanwälte und leitende Richter, Polizisten und Exstaatssekretäre angetreten. Das Zuwanderungsthema ist für sie ein jederzeit austauschbares Mittel zum Zweck, ein „Geschenk“, wie Alexander Gauland 2015 sagte. Nur eins steht fest: Die Konterrevolution in der DDR ist das große Vorbild. Noch fehlt die nötige Massenbasis. Sie werden sie gewinnen, wenn nicht alle Vernünftigen, Demokraten und Linken dagegenhalten.
Arnold Schölzel

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