Eine
gefährliche Entwicklung
Der 70. Jahrestag der DDR
ist für die Propagandaeinrichtungen des Imperialismus Anlaß, wieder
einmal Absurdes über Ostdeutschland und seine Bewohner in die Welt
zu setzen. Wer ständig eine Gesellschaft schönzuschreiben hat, die
auf Konkurrenz, Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg beruht, für
deren Aufrechterhaltung Faschisten, Rassisten und Militaristen
benötigt werden, den stachelt ein Staat, in dem das alles nicht
geduldet wurde, zu Höchstleistungen bei der Produktion von Unfug an.
Auch von gefährlichem.
Ein Beispiel dafür lieferte Hubertus Knabe ab. Der unter
merkwürdigen Umständen abgelöste frühere Leiter der
„Gedenkstätte“ Berlin-Hohenschönhausen versuchte am 16. August
in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) die Frage zu beantworten,
warum die DDR in Deutschland plötzlich wieder zum Thema wird. In
Wirklichkeit ging es ihm aber nicht um den ostdeutschen Staat,
sondern um die AfD.
Wer sie kritisiere, meinte
Knabe, weil sie mit Losungen der „friedlichen Revolution“
Wahlkampf bestreite, der übersehe, daß „die AfD Stimmungen zum
Ausdruck bringt, die offenbar tatsächlich existieren“. Ob
Stimmungen zum Ausdruck gebracht werden können, die nicht
existieren, erörterte er nicht. Wichtig war ihm die z. B. vom
Anführer des faschistischen AfD-Flügels Björn Höcke geäußerte
Auffassung, wonach DDR und BRD sich in vielem gleichen. Knabe findet
das auch. Seine Aufstellung von Gemeinsamkeiten, die angeblich beide
Staaten aufweisen, enthält u. a.: „Abgehobenheit der politischen
Klasse“. Sein Maßstab: Angela Merkel ist fast so lange im Amt wie
Erich Honecker. Unwesentliches läßt Knabe weg: Die eine gibt der
Aufrüstung gegen Rußland gerade einen Schub, der andere pf legte
Waffenbrüderschaf t mit der Sowjetunion. Die eine führt einen
Krieg nach dem andern und sorgt dafür, daß Hunderttausende flüchten
müssen. Honecker verhinderte Krieg und Vertreibung.
Weiter: Heute entscheide
„nur eine kleine Gruppe von Politikern über die Geschicke der
Bundesrepublik“. Überraschung, das war offenbar früher anders.
Die Medien und der „Haltungsjournalismus“ verstärkten die
„Entfremdung zwischen Volk und Regierung“. Und: „Überschriften
wie ‚Flüchtlinge könnten Wirtschaftswunder bringen‘ erinnern
manchen an die Schlagzeilen über Produktionserfolge im
SED-Zentralorgan ‚Neues Deutschland‘.“
Heute hätten die
„sozialen Netzwerke“ die Rolle des Westfernsehens in der DDR
übernommen. Da ist was dran. Die Lügen über den Sozialismus waren
ähnlich faustdick wie die von Af D-Hetzern heute oder so sinnvoll
wie Knabes Vergleicherei. „Angstbesetzt“, weil man sehr aufpassen
müsse, was man sage, seien laut einer Umfrage in der BRD heute
„neben der Flüchtlingsfrage auch die Themen Nationalsozialismus,
Juden, Rechtsextremismus, Patriotismus, Homosexualität und die AfD“.
Der Druck komme aber nicht nur wie in der DDR von oben, „sondern
auch von der Seite durch Journalisten und von ihnen gehypte
Minderheiten“.
Zum Glück haben alle Ängstlichen heute die AfD und
Hubertus Knabe, die sagen, was ist. Oder Hans-Georg Maaßen, den
AfD-Liebling und ehemaligen Chef des Bundesamtes für
Verfassungsschutz. Leute wie die beiden gab es in der DDR nicht.
Knabe, Maaßen und andere Kapazitäten des deutschen Bürgertums
wittern 30 Jahre nach der Konterrevolution in der DDR Morgenluft. Was
aus ihrer Sicht damals unvollendet blieb, soll endlich verwirklicht
werden: Die Barrieren, die das Grundgesetz einer Entwicklung hin zu
autoritären, extrem antikommunistischen und faschistischen
Regierungsformen noch entgegenstellt, sollen weg. Dafür sind in der
AfD Offiziere der Bundeswehr, Oberstaatsanwälte und leitende
Richter, Polizisten und Exstaatssekretäre angetreten. Das
Zuwanderungsthema ist für sie ein jederzeit austauschbares Mittel
zum Zweck, ein „Geschenk“, wie Alexander Gauland 2015 sagte. Nur
eins steht fest: Die Konterrevolution in der DDR ist das große
Vorbild. Noch fehlt die nötige Massenbasis. Sie werden sie gewinnen,
wenn nicht alle Vernünftigen, Demokraten und Linken dagegenhalten.
Arnold Schölzel
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