Entnommen: https://www.freidenker.org/?p=20148
Joe Biden in Deutschland
19. Oktober 2024
,
USA
Der US-Präsident besucht seine Kolonie
Ein Kommentar von Wolfgang Bittner
Erstveröffentlichung als Tagesdosis vom 17.10.2024 auf apolut.net
Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wurde vor dem Staatsbesuch von Joe Biden am 17./18.10.24 geschrieben.
Ursprünglich hatte sich US-Präsident Joseph (Joe) Biden für den 10. bis
13. Oktober in Berlin und Ramstein angesagt,[1] den Besuch jedoch
kurzfristig verschoben, angeblich wegen des in Florida erwarteten
Hurrikans Milton. Nun wurde bekannt, dass Biden seinen Abschiedsbesuch
am 17. und 18. Oktober nachzuholen gedenkt.[2] Wie das Weiße Haus bei
der ersten Ankündigung mitteilte, beabsichtigte er, führende deutsche
Politiker zu treffen, um
„die enge Verbindung der Vereinigten Staaten und Deutschland als
Verbündete und Freunde weiter zu stärken und sich über gemeinsame
Prioritäten abzustimmen“.
Des Weiteren hieß es, Biden wolle
„das Engagement der USA und Deutschlands für Demokratie und gegen
Antisemitismus und Hass bekräftigen“, die „unverbrüchlichen
zwischenmenschlichen Verbindungen unserer Länder stärken“ und „für die
Kooperation in Wirtschaft, Handel und Technologie werben“.
Außerdem wolle er Deutschland seine Anerkennung für die Unterstützung
der Ukraine in ihrer Abwehr der russischen Aggression, für die Aufnahme
der US-Militärangehörigen und für den Beitrag zur Sicherheit der
Vereinigten Staaten, Deutschlands und des gesamten NATO-Bündnisses
aussprechen.[3]
Ein stark reduziertes Programm
Während Biden zuvor noch an einem Gipfel-Treffen der
Ukraine-Kontaktgruppe auf der Luftwaffenbasis Ramstein teilnehmen
wollte, wohin die USA führende Politiker aus etwa 50 Staaten eingeladen
hatten.[4], ist jetzt nur noch ein stark reduziertes Programm im
Gespräch: Ein Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und
Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die Einladung des ukrainischen
Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der in Ramstein über seinen bereits in
den USA präsentierten „Siegesplan“ sprechen wollte, ist abgesagt worden.
Bis sich zeigte, dass er allmählich dement wird, galt Biden als der
maßgebende Realpolitiker des Westens, der das Schicksal der Welt
bestimmt. Aber nach seinem Rücktritt von der Kandidatur für die nächste
Präsidentschaft hat er nun auch in Deutschland an Glanz verloren, die
neue Lichtgestalt ist die von den US-Demokraten als
Präsidentschaftskandidatin gegen Donald Trump aufgestellte derzeitige
Vizepräsidentin Kamala Harris.
Dennoch beabsichtigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Joseph
Biden mit der höchsten deutschen Ehrung, der Sonderstufe des Großkreuzes
des Bundesverdienstordens, auszuzeichnen. Wie es am 3. Oktober aus dem
Bundespräsidialamt hieß, beabsichtigt der Bundespräsident damit,
„die Verdienste von Präsident Biden um die deutsch-amerikanische
Freundschaft und das transatlantische Bündnis“ zu würdigen, „welche
Biden über fünf Jahrzehnte maßgeblich geprägt und insbesondere im
Angesicht der russischen Aggression gegen die Ukraine gestärkt hat“.[5]
Die Absurdität einer solchen Ehrung scheint den wenigsten Politikern und
Journalisten bewusst zu sein. Wir erinnern uns, dass sich Biden beim
Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz am 7. Februar 2022 in
Washington erlaubte, unter Missachtung der Souveränität Deutschlands ein
Ende von Nord Stream 2 zu bestimmen.[6] Scholz schaute wortlos zu, auch
noch als Biden auf die Frage, wie er das anstellen wolle, antwortete:
„I promise you, weʼll be able to do it“ – „Ich verspreche Ihnen, wir
werden in der Lage sein, es zu tun.“[7] Zu dieser Zeit bemühte sich
Wladimir Putin noch, mit Biden über berechtigte Sicherheitsgarantien zu
verhandeln, um den Krieg gegen die Ukraine zu vermeiden.
Das wird von heut auf morgen der Vergessenheit anheim gegeben, und jetzt
soll derjenige, der den Energienotstand in Deutschland und damit den
Niedergang der deutschen Wirtschaft zu verantworten hat, die höchste
deutsche Ehrung erhalten. Die Unterwürfigkeit der Berliner Regierung
einschließlich des Bundespräsidenten kennt offensichtlich keine Grenzen.
Bidens besonderer Einsatz bei der Übernahme der Ukraine
Dass Joseph Biden, der fast alle Konflikte und Kriege der vergangenen
Jahrzehnte als Senator, Präsidentenberater und Vizepräsident mit zu
verantworten hat, 2021 Präsident der Vereinigten Staaten wurde, ist ein
großes Unglück. Ginge es mit rechten Dingen zu, müsste er vor den
Internationalen Gerichtshof gestellt werden. Aber die US-Regierung weiß
sehr genau, warum sie dieses Gericht nicht anerkennt.
Biden verfolgte die Agenda derjenigen, die ihn ein Leben lang protegiert
und in dieses Amt geschoben haben, rigoros weiter. Und augenscheinlich
hält er sich an die Analyse des Politologen und langjährigen
Präsidentenberaters Zbigniew Brzezinski, der Europa als Schachbrett
ansah, auf dem die USA ihre Züge machen, und in seinem 1997 erschienenen
Buch „Die einzige Weltmacht“ über die Ukraine schrieb:
„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen
Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre
bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt.
Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“[8]
Insofern bewies Biden besonderen Einsatz bei der Destabilisierung und
kalten Übernahme der Ukraine, wobei er von Außenminister John Kerry,
CIA-Chef John Brennan, Senator John McCain und weiteren hochrangigen
US-Politikern unterstützt wurde. Wie schon bei anderen Regime Changes,
Konflikten und Kriegen profitierte die US-amerikanische Führungsschicht
von dem Wechsel, so auch Joe Bidens Sohn Hunter, der schon zuvor
offensichtlich durch Patronage in verschiedene gut dotierte Ämter
befördert worden war. Im Mai 2014, also kurz nach dem Putsch in Kiew,
erhielt er einen eigens für ihn geschaffenen Vorstandsposten im
Verwaltungsrat der Burisma Holdings, dem größten nichtstaatlichen
Gasproduzenten der Ukraine.[9] Weitere Vorstandsämter bei Burisma
erhielten der ehemalige Wahlkampfleiter Kerrys, Devon Archer, der früher
bei Merrill Lynch und J.P. Morgen tätige Investmentbanker Alan Apter
sowie Polens Ex-Staatspräsident Aleksander Kwasniewski. Ihnen folgte im
Februar 2016 noch Josef Kofer Black, von 1999 bis 2002 Direktor des CIA
Counterterrorist Centers. Das alles geschah unter der
Vizepräsidentschaft Joseph Bidens.
Seinerzeit begann der ukrainische Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin
wegen Interessenkollision, Korruption und Vetternwirtschaft zu
ermitteln. 2018 wurde dann bekannt, dass Biden den ukrainischen
Präsidenten Petro Poroschenko und Premierminister Arsenij Jazenjuk,
beide Günstlinge der USA, genötigt hatte, Schokin zu entlassen.[10] Zu
vermuten ist, dass die Ermittlungen den US-Vizepräsidenten und seinen
Sohn schwer belastet hätten. Denn abgesehen von der Patronage hat
Burisma Medienberichten zufolge 2014 und 2015 mehr als drei Millionen
US-Dollar an eine Firma namens Rosemont Seneca Bohai LLC gezahlt, die
bis zu 50.000 Dollar monatlich an Hunter Biden zahlte. Der wiederum war
zusammen mit Christopher Heinz, dem Stiefsohn von John Kerry, Eigentümer
von Rosemont Seneca Partners.[11]
Es handelte sich um eines der üblichen Beziehungs- und
Korruptionsgeflechte der US-amerikanischen Führungsschicht. Daher
zeigten die in die Washingtoner Obama-Clinton-Kamarilla eingebundenen
Politiker und Journalisten, die eifrig wegen angeblicher Beziehungen
Trumps zum Kreml polemisierten, wenig Interesse, die Vorwürfe zu
überprüfen. Erst als Trump im Oktober 2020 im Wahlkampf
Korruptionsvorwürfe gegen Biden erhob, kamen dessen Machenschaften in
der Ukraine ans Licht. Biden reagierte empört:
„Es ist der letzte Versuch in dieser verzweifelten Kampagne, mich und meine Familie zu verleumden.“[12]
Lautete die Frage zuvor, warum geschäftliche Kontakte amerikanischer
Politiker nach Russland ein Staatsverbrechen sein sollten, war jetzt zu
fragen, warum nicht dem manifesten Korruptionsverdacht gegen den
Präsidentschaftskandidaten und seinen Sohn nachgegangen wurde. Die Sache
verlief im Sande. Vetternwirtschaft, Korruption, Erpressung, wohin man
blickt.
Joseph Biden: „Ich regiere die Welt“
Dass die USA die Bedrohung Russlands unter Benutzung der Ukraine ständig
vorangetrieben haben, bestätigte Biden am 2. Oktober 2014 in einer Rede
an der Harvard Kennedy School in Cambridge/Massachusetts:
„Wir haben Putin vor die einfache Wahl gestellt: Respektieren Sie die
Souveränität der Ukraine oder Sie werden sich zunehmenden Konsequenzen
gegenübersehen. Dadurch waren wir in der Lage, die größten entwickelten
Staaten der Welt dazu zu bringen, Russland echte Kosten aufzuerlegen. Es
ist wahr, dass sie [die EU] das nicht tun wollten. Aber wiederum war es
die Führungsrolle Amerikas und die Tatsache, dass der Präsident der
Vereinigten Staaten darauf bestanden hat, ja, Europa des Öfteren in
Verlegenheit bringen musste, um es dazu zu zwingen, sich aufzuraffen und
wirtschaftliche Nachteile einzustecken, um Kosten [für Russland]
verursachen zu können. Und die Folgen waren eine massive Kapitalflucht
aus Russland, ein regelrechtes Einfrieren von ausländischen
Direktinvestitionen, der Rubel auf einem historischen Tiefststand
gegenüber dem Dollar, und die russische Wirtschaft an der Kippe zu einer
Rezession.“[13]
Wie verlogen die Begründung für die Sanktionen ist, wird daran deutlich,
dass die USA zu dieser Zeit den jahrelang vorbereiteten Staatsstreich
in Kiew – unter Missachtung der Souveränität der Ukraine – bereits
vollzogen und ihren Günstling Arsenij Jazenjuk als Ministerpräsidenten
eingesetzt hatten.[14] Der Bürgerkrieg in der Ostukraine hatte begonnen,
Kiew sollte die Blaupause für das sein, was man in Moskau beabsichtigt,
und bis dato durch ständige Provokationen und den Ukraine-Krieg
vorantreibt.
Wie es um das Selbstverständnis der US-amerikanischen Regierung bestellt
ist, demonstrierte Präsident Joseph Biden am 6. Juli 2024 in einem
Interview mit dem US-Sender ABC, als er nach einem desaströsen
Wahlkampfduell mit Donald Trump nach seiner körperlichen und mentalen
Verfassung gefragt wurde. Vor laufender Kamera erklärte er:
„Ich absolviere jeden Tag einen kognitiven Test. Wissen Sie, ich mache
nicht nur Wahlkampf, ich regiere die Welt. Das klingt wie eine
Übertreibung, aber wir sind die wichtigste Nation der Welt.“[15]
Diese Aussage wurde von den westlichen Politikern und Journalisten
nahezu kritiklos hingenommen, was wiederum Rückschlüsse auf die mentale
Verfassung dieser Akteure zulässt. Eingegangen wurde hauptsächlich auf
die Frage, ob Biden noch die Fähigkeit für eine zweite Amtszeit habe.
Die Kontroverse darum beendete er am 24. Juli 2024 durch seinen Verzicht
auf die Kandidatur.[16] Dennoch beendete er noch nicht seine
Aggressionspolitik gegen Russland, und er macht Wahlkampf für Kamala
Harris, demnächst auch persönlich in Deutschland.
Dr. Wolfgang Bittner, Jahrgang 1941, lebt als freier Schriftsteller in
Göttingen und ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines
Beirats
Quellen und Anmerkungen
(1) So www.tagesschau.de/ausland/amerika/biden-deutschlandbesuch-100.html
(2) www.tagesschau.de/ausland/amerika/biden-berlin-besuch-100.html
(3) Siehe
www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2024/09/24/statement-from-white-house-press-secretary-karine-jean-pierre-on-president-bidens-travel-to-germany-and-angola/
(4) Vgl.
www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/us-praesident-biden-laedt-zu-ukraine-treffen-in-deutschland,UPUfqBX
sowie www.deutschland.de/de/news/ukraine-gipfel-mit-biden-in-ramstein
(5) www.bundespraesident.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/10/241003-StB-USA.html
(6) Vgl. ZDF heute, 8.2.2022; www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-krise-scholz-biden-washington-100.html (Fehler 404)
(7) Zit. wie YouTube, 7.2.2022; www.youtube.com/watch?v=jwnoKjgcHmA, ab 1:43 (12.9.2022) (Video ist nicht verfügbar)
(8) Zbigniew Brzezinski: Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Frankfurt/Main 2001, S. 74 f.
(9) Vgl. Wolfgang Bittner: Die Eroberung Europas durch die USA, S. 48
f. mit weiteren Nachweisen sowie UKRAINE CRISIS, 27.9.2019,
http://uacrisis.org/de/73460-burisma
(10) Epoch Times, 29.4.2019,
www.epochtimes.de/politik/welt/der-ehemalige-us-vize-praesident-joe-biden-und-die-ukraine-illegale-einflussnahme-auf-die-us-wahl-2016-a2870649.html
(11) Vgl. Washington Examiner, 27.9.2019,
https://www.washingtonexaminer.com/politics/john-kerrys-son-cut-business-ties-with-hunter-biden-over-ukrainian-oil-deal
sowie https://de.wikipedia.org/wiki/Burisma_Holdings (2.10.2024)
(12) Zit. wie Zeit Online, 21.10.2020,
www.zeit.de/politik/ausland/2020-10/us-praesidentschaftswahl-joe-biden-korruptionsvorwuerfe-ukraine-donald-trump
(13) Zit. wie www.youtube.com/watch?v=JLO7uKVarB8 (2.10.2024)
(14) Dazu: Victoria Nuland, der Freitag, 22.4.2014,
www.freitag.de/autoren/hans-springstein/5-milliarden-dollar-fuer-den-staatsstreich
(15) Zit. wie
www.n-tv.de/politik/Widerstand-bei-Demokraten-gegen-Kandidatur-formiert-sich-US-Praesident-Biden-ballt-die-Faust-und-gibt-skurriles-Interview-article25067731.html
(16) Vgl. www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/biden-rede-nation-kandidatur-usa-wahl-demokraten-100.html
Bild oben: Joe Biden wird am 17. Oktober 2024 auf der Joint Base Andrews
in Maryland von Oberst Paul Pawluk zur Air Force One begleitet, bevor
er nach Berlin reist. (Offizielles Foto des Weißen Hauses)
Foto: The White House – P20241017AS-0064, Public Domain
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=154056158
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