Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,
es deprimiert, wenn man nur an die Bundestagswahl denkt. Ich werde wieder nicht zur Wahl gehen; selbst auf die Gefahr hin, "pauschal zu[m] Anti-Demokraten" (Timo Rieg in Q03) abgestempelt zu werden.
Die das sagen, glauben tatsächlich ziemlich realitätsblind, dass wir in einer Demokratie leben, vermutlich weil sie, wie Rieg diese ihre Mentalität zutreffend beschreibt, "materiell gut bedacht sind", z.B. "angestellte Kommentatoren bei Presse und Rundfunk, und wenn sie selbstverliebt genug sind, ihre Welt für die einzig wahre zu halten, in die sie genau dosiert so viele und ausgesuchte Probleme hineinlassen, wie es zu ihrem Lifestyle passt. Dann twittert man täglich für die Freilassung Deniz Yücels und erregt sich innerhalb seiner Filterblase überlegen und stolz über ein paar AfD-Pappnasen, die es einem so einfach machen, das richtige Fähnchen zu schwenken, beim Nachmittags-Latte, vor dem Sushi, das während der Vernissage gereicht wird" (Q03).
Ich werde auch nicht "ungültig" wählen. Es würde nicht das Geringste ändern, es sei denn, dass sich zu wählende Politiker durch eine höhere Wahlbeteiligung bestätigt fühlen dürften. Das allein das löst schon Brechreiz aus.
Man schaue sich nur Martin Schulz an: Er wandelt auf der politischen Bühne wie ein Untoter. Ohne jedes Profil. Weniger als nichts. Eines ist er auf keinen Fall: eine Alternative zu Frau Merkel. Und das muss man erst einmal schaffen.
Um Missverständnisse vorzubeugen: ich formuliere keine Gewissheiten; nur eine persönliche Meinung, die falsch sein könnte. Leider finde ich keine wählenden Bürger, die mir plausibel erklären können, warum ihre Wählerstimme auch nur das geringste, zumal etwas zum Besseren, bewirken könnte. Vielleicht sind es ja die Wählenden, die den Karren in den Dreck fahren, eben weil mit ihrer Stimme Politiker sich im "Weiter-so" bestätigt fühlen.
Doch vermutlich sind Politiker, wie auch immer, nicht erreichbar - parteiübergreifend, einschließlich "Die Linke". Dieser Eindruck drängte sich mir jedenfalls auf, als ich mich vor der Gründung der Partei "Die Linke" in der WASG engagierte. Auch Linke arbeiten ausschließlich für Ehre, Karriere und eigenen Geldbeutel. Dafür produzieren sie Schleim, was das Zeug hält.
Natürlich muss man meine Einstellung nicht teilen. Vielleicht sehe ich ja den tieferen Sinn einer (Protest-)Wahl nur nicht. Für Protest bin ich durchaus aufgelegt, aber nicht, indem ich Politiker in ihrer menschenverachtenden Mentalität bestätige, sondern indem ich ihr Denken, Sprechen und Handeln analysiere und diese Analyse in einen übergeordneten Systemzusammenhang stelle.
Es gibt noch zuviel Optimismus, dass sich etwas im Kapitalismus zum Besseren verändern könnte, auch beim Nicht-Wähler Timo Rieg. Das ändert nichts daran, dass er mir mit seiner Mentalität aus dem Herzen spricht.
Die rechtsnationale AfD hat einen Vorteil, mit ihrem unappetitlichen Slogan "Deutsche zuerst" den Eindruck zu erwecken, sie habe ein Konzept, wie damals, in der Weimarer Republik, Rechte (DNVP) und Faschisten (NSDAP). Dagegen kann man auf Dauer nur mit einem Konzept ankommen, das alle Menschen einbezieht. Dazu sind alle im Bundestag vertretenen Parteien strukturell nicht in der Lage. Auch die Linken lassen uns hier im Stich. Das kostete Mühe und käme bei den meisten Wähler nicht unmittelbar und sofort an.
Allein Die Linke hat hier in den letzten 10 Jahren ihrer jungen Existenz nichts geleistet, Das hätte ihre Aufgabe sein können. Stattdessen begnügte sie sich gebetsmühlenhaft zu versichern, dass mit ihr alles besser, vor allem sozialer werde. So arbeiten Linke seit mehr als 100 Jahren; und entwickeln sich dabei kontinuierlich zurück, zum ersten mal sehr sichtbar, als Sozialdemokraten zu Beginn des Ersten Weltkriegs den Kriegskrediten im Reichstag zustimmten, um nicht als Vaterlandsverräter zu gelten. Ein Jahr zuvor, als ihr Parteivorsitzender Bebel noch lebte (gestorben 1913), gerierten sie sich noch als Anti-Kriegspartei.
Konzeptfähigkeit geht so auf keinen Fall. Man beweist sie, indem man Konflikte, sie mögen noch so unangenehm sein, kommuniziert und nicht aus dem Weg geht, schon gar nicht, indem man, wie Martin Schulz heute, "Schleim scheißt".
Die meisten Wähler spüren, dass (nicht nur) Schulz zu mehr nicht taugt, wiewohl sie eigene Schleim-Scheißerei ignorieren, und meiden ihn deshalb - instinktiv, nicht weil sie etwas (auch in sich selbst, etwa ihren eigenen Schleim) begriffen hätten. Schließlich wurde Schulz nicht von Anfang an gemieden; aber immerhin nach einer gewissen Zeit, nachdem immer mehr Menschen ihn immer besser kennen lernen konnten. Er hat ja nun gar keine Ecken und Kanten; Schröder wenigsten noch die eine oder andere.
Nach dem Schleim-Model zu denken, sprechen und handeln liegt vermutlich, jedenfalls bislang, in der Natur des Menschen. Es steuert das menschliche Handeln wie folgt: Was mir persönlich wirtschaftlich und/oder mental schadet, mache ich nicht oder umgekehrt: ich denke, sage und mache das, was mir mental und ökonomisch zugute kommt. Genauso verstehe ich das obige Zitat von Timo Rieg.
Ja, wird man einwenden, und was ist mit Dir? Bist Du denn so viel anders als die, die Du kritisierst? Nein, bin ich nicht. Man muss nicht besser sein und ist es auch nicht, es sei denn in der eigenen Vorstellung, die mit der Realität allerdings nichts zu tun hat. Das Problem ist, die Bürger bemessen ihre Vorstellung nicht an der Realität (außerhalb ihrer Vorstellung), sondern allein nur an ihrer Vorstellung. Auch das lese ich aus dem obigen Rieg-Zitat heraus.
(Innere) Vorstellungen nicht an der (äußeren) Realität zu überprüfen, vermutlich weil man vor Innen-Außen-Differenzen Angst hat, ist vermutlich der tiefere Grund dafür, dass "Linke wie Wagenknecht" nicht merken, "wie korrupt sie sind" (vgl. T06, S. 66). Das könnte selbstverständlich auch auf mich, zumal an den Schalthebeln der Macht, zutreffen. Anders als Frau Wagenknecht halte ich das für möglich und spreche es aus, auch wenn ich damit anecke.
Egal, auch wenn ich anecke - Sprechen ist das, was uns noch bleibt und sinnvoll sein kann, wenn man nicht nur nachplappert, was alle sagen. Das tut zuweilen weh, aber ich glaube, dass man mögliche Wahrheiten aussprechen muss, um Entwicklungspotentiale bei Menschen und sozialen Strukturen auszuschöpfen.
Eine solche Einstellung birgt das Risiko instabiler Mentalität, zumal ökonomischer Ausgrenzung. Vergessen wir aber nicht: Konfliktvermeidung führt, wenn Konflikte sich zuspitzen und man sich dennoch stumpf weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen, geschweige zu kommunizieren, zu unerträglichen Realitätsverlusten, nicht nur bei EU-Kommissionspräsident Juncker (vgl. Q01), auch bei unserem Politik-Satiriker Dieter Nuhr ("Nuhr im Ersten"), der allen Ernstes behauptet, im Kapitalismus hungern immer weniger Menschen auf der Welt. Ziemlich einfältig (vgl. Q02), unhistorisch, exakt: eine Analyse auf der Grundlage einer Momentaufnahme.
Herzliche Grüße
Franz Witsch
www.film-und-politik.de
Harry
Popow - meine Meinung:
Nicht
wählen kommt nicht in Frage. Zum Spaß auf den „Tierschutzverein“
setzen, bringt nichts. Es bleibt dabei: Ich wähle Die Linke, was
denn sonst?
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