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Aus: Ausgabe vom 11.02.2016, Seite 1 / Titel
Kurs auf Konfrontation
NATO-Verteidigungsminister planen »multinationale Truppe« in Osteuropa und neuen Marineeinsatz im Mittelmeer
Von Roland Zschächner
Die NATO setzt weiterhin auf Konfrontation gegen Russland und bereitet
gleichzeitig neue Kriegseinsätze vor. Bei dem Treffen der
Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten am Mittwoch in Brüssel wurde
die Aufstellung »multinationaler Truppen« in Osteuropa beschlossen.
Außerdem will das westliche Militärbündnis seine Präsenz im Mittelmeer
ausbauen. Offiziell hat das NATO-Land Türkei Unterstützung bei der
Überwachung der Ägäis im »Kampf gegen Schlepper« gefordert.
Russland wird seit dem Niedergang der Sowjetunion vom westlichen
Militärbündnis mit immer neuen Stützpunkten im Zuge der sogenannten
NATO-Osterweiterung, der Stationierung von Truppen und schwerem
Kriegsgerät sowie provokativen Manövern in Grenznähe immer stärker
bedrängt. So sollen die neu ins Leben gerufenen »multinationalen
Einheiten« in Polen, den drei baltischen Republiken Estland, Lettland
und Litauen sowie in Bulgarien und Rumänien eingesetzt werden, geplant
seien 1.000 Soldaten pro Land. Abschließende Beratungen über die
Aufstellung der Truppen werden auf dem NATO-Gipfel im Sommer in Warschau
stattfinden. Es gehe darum, »unsere Präsenz im östlichen Teil der
Allianz zu verstärken«, erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg
laut Nachrichtenagentur dpa gestern in Brüssel. In der vergangenen Woche
hatten die USA bekanntgegeben, die Militärausgaben für die in Europa
eingesetzten Kräfte um 3,4 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Vor allem
für Übungen, Kampfausrüstung und die Militärinfrastruktur soll mehr Geld
ausgegeben werden.
In der vergangenen Woche war US-General Philip Breedlove in Montenegro,
Kosovo und Serbien zu Besuch. Vor allem in Hinblick auf Montenegro,
das im vergangenen Dezember offiziell zu Beitrittsverhandlungen
eingeladen worden war, betonte der militärstrategisch verantwortliche
Oberbefehlshaber der NATO, dass Podgorica »sehr schnell« mit einer
Mitgliedschaft rechnen könne. Das Kriegsbündnis würde so seine Präsenz
auf dem Balkan erheblich ausbauen und sein Einflussgebiet zum Nachteil
von Russland auf das komplette nördliche Mittelmeer ausdehnen. Dort soll
der zweite am Mittwoch beratene Einsatz stattfinden: Offiziell richtet
sich die NATO-Aktivität in der Ägäis gegen Schleuser, erklärte die
deutsche Kriegsministerin Ursula von der Leyen in Brüssel. Auch die
Marine der BRD, die bereits mit mehreren Schiffen vor Ort ist, wird sich
daran beteiligen. Eine Prüfung des Einsatzes durch NATO-Militärs soll
in der kommenden Woche erfolgen.
Hintergrund der verstärkten Präsenz in der Region dürften neben dem
geplanten Einmarsch der NATO in Libyen, wo westliche Kriegsschiffe
bereits vor der Küste »Jagd auf Schlepper« machen, auch die Kontrolle
der Fluchtwege nach Europa sein. Diese könnten nach der geplanten
Fertigstellung der als »Hotspots« bezeichneten Internierungslager für
Asylsuchende sowie der Errichtung eines neues Grenzregimes auf der
sogenannten Balkanroute auf Anweisung aus Berlin oder Brüssel versperrt
werden.
Außerdem geht es dem westlichen Kriegsbündnis um die Kontrolle des
Bosporus im Falle eines von der Türkei wie auch von Saudi-Arabien
angekündigten Einmarsches mit Bodentruppen in Syrien. Ein Konflikt mit
Russland, dessen Luftstreitkräfte auf Bitte der Regierung in Damaskus
gegen die Milizen des »Islamischen Staates« kämpfen, wäre wahrscheinlich
– vor allem, weil Ankara anscheinend eine direkte Konfrontation
provozieren will. So meldete bereits am 1. Februar die syrische
Nachrichtenagentur SANA, dass die Türkei mit Artillerie die Stadt
Latakia beschossen habe. In der Nähe der Mittelmeerstadt befindet sich
auch der russische Stützpunkt.
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