Kapieren,
was in der Welt läuft
Auszug
aus der Rezension von Harry Popow „Auf Rehwildjagd mit Jesus“
(...)
Arbeitslosigkeit?
Die nationale Mythologie (S. 35) propagiere Amerikaner, die
„schrecklich gesund, gebildet, reich und glücklich sind.“ Der
Autor setzt dagegen: Mit mindestens 19 Millionen Arbeitslosen oder
arbeitenden Armen unter den Weißen habe man es zu tun, wobei der
gewiss höhere Prozentsatz bei den Schwarzen liege. Die Armen und die
an der Armutsgrenze angesiedelten Arbeiter unter den Weißen bewegen
sich, so der Autor, „analog zu den Schwarzen und Latinos, die in
Ghettos ums Dasein kämpfen, innerhalb einer mit einer Sackgasse
vergleichbaren sozialen Matrix, bei der ein Scheitern vorprogrammiert
zu sein scheint.“ (S. 19) Den Blick auf die Arbeiterklasse
richtend, stellt Joe Bageant resignierend fest: „Die Krise, in der
die Arbeiterschaft steckt, ist ebenso schrecklich wie unspektakulär.
Die Passivität der Arbeiterklasse, ihre Abneigung gegenüber allem,
was sie für zu intellektuell halten, und ihre Aggressivität
gegenüber der Welt“ würden sich bereits zu Hause und in der
Grundschule bemerkbar machen. (S. 46)
Die
Folge: „Eine lausige Bildung und ein Leben in der Gladiatoren-Arena
einer Marktwirtschaft, in der jeder gezwungenermaßen gegen jeden
kämpft, sind ungeeignete Voraussetzungen, um Grundeinstellungen wie
Optimismus oder Unvoreingenommenheit zu entwickeln, die den
Liberalismus kennzeichnen.“ Ein solcher Hintergrund, meint der
Autor, münde in einer Art von düsterer Grobheit und emotionaler
Verrohung. Sie führe dazu, dass die betroffenen Arbeiter Kriege des
amerikanischen Imperiums hinnehmen, „ohne auch nur mit der Wimper
zu zucken.“ (S. 87) Was Wunder, wenn die mitunter sehr
gottgläubigen Menschen darauf hören, was die radikale christliche
Konservative predigen, „dass Frieden niemals zur ersehnten
Wiederkunft Christi führen kann und dass jeder, der sich um Frieden
bemüht, ein Werkzeug Satans ist.“ (S. 186)
Unter
dem Dach des Peitschen schwingenden Großunternehmertums (S. 294)
entpuppe sich die viel gepriesene amerikanische Freiheit größtenteils
als Fiktion. (S. 295) Die Kultur basiere auf Fernsehen und Öl. (S.
294) Das Fernsehen entmündige den amerikanischen
Durchschnittsbürger, indem es ihm „die politische und
intellektuelle Sphäre aus den Händen nahm.“ (S. 296)
Ohne
Bildung, meint Joe Bageant, könne sich nichts ändern. Und dann haut
er wieder einen sehr persönlichen Satz rein, der ihn ebenfalls
sympathisch macht: „Was meine Leute wirklich brauchen, ist jemand,
der einmal ordentlich auf den Tisch schlägt und laut und
verständlich sagt: ´Hört mal zu, Ihr verdammten Büffelhörner!
Wir sind blöder als ein beschissener Hackklotz und hätten dafür
sorgen sollen, dass man uns was beibringt, damit wir wenigstens ein
bisschen kapieren, was in dieser beschissenen Welt abläuft.´“
Auswege?
An die Linke gewandt mahnt er, echte Bewegungen sollten das
Protestpotenzial, das unter unzufriedenen und enttäuschten Leuten
vorhanden ist, für ihre Ziele im Interesse der Menschen nutzen. (S.
99) Sein persönliches Fazit drückt der Autor auf Seite 213 so aus:
„Ich warte begierig darauf, dass mein Streben nach einer besseren
Gesellschaft endlich Früchte trägt…“
Joe
Bageant: „Auf Rehwilsjagd mit Jesus“, gebundene Ausgabe: 350
Seiten, Verlag: VAT Verlag André Thiele; Auflage: 1 (9. Oktober
2012), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3940884928, ISBN-13: 978-3940884923
Diese Rezension ist enthalten in: Harry Popow: „WETTERLEUCHTEN - Platons erzürnte Erben haben das Wort“. Rezensionen, Essays, Tagebuch- und Blognotizen, Briefe – ein Zeitdokument“, Verlag: epubli GmbH, Auflage: 1 (18. Dezember 2015), Berlin, 392 Seiten, www.epubli.de , ISBN-10: 3737580650, ISBN-13: 978-3-7375-8065-6, Preis: 21.99 Euro
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen