Mittwoch, 22. Juli 2020

KADAVERGEHORSAM - Rudolf Hänsel, NRhZ



Zum Gedenken an die Männer des deutschen Widerstands vom 20. Juli 1944


Der Reflex des absoluten geistigen Gehorsams


Von Rudolf Hänsel

Der 20. Juli 1944 ist zum Symbol des deutschen Widerstands gegen die Diktatur des Nationalsozialismus und die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers geworden. Der über 200 hingerichteten Opfer dieses bedeutendsten Umsturzversuchs des militärischen Widerstands zu gedenken, ist ein Gebot der Menschlichkeit. Auch die deutsche Politikerklasse würdigt die Helden der Vergangenheit wortgewaltig und ehrfürchtig. Sie schämt sich jedoch nicht, im gleichen Atemzug die „Helden der Gegenwart“ – Frauen und Männer, die sich mutig gegen den totalitären Staat und die „neue Normalität“ stemmen – in Absprache mit der dumm-dreisten „Journaille“ als „Verschwörungstheoretiker“ zu diskreditieren. Wären im Nachkriegs-Deutschland die Ursachen des sogenannten „Kadavergehorsams“ gründlich erforscht und die Eltern und Lehrkräfte entsprechend aufgeklärt und in ihrer Erziehungsarbeit unterstützt worden, dann würden heute weit mehr Bürgerinnen und Bürger den Mut aufbringen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen (Kant) und entsprechend zu handeln.

Die entfesselte Pandemie der Angst – und die fatale Reaktion der Bürger

Was gegenwärtig weltweit geschieht, das hat die Menschheit noch nicht erlebt: Ein globales Netzwerk aus ultra-reichen und ultra-inhumanen Individuen sowie undurchsichtigen internationalen Organisationen, multinationalen Unternehmen und zweifelhaften Stiftungen entfesselte mit ihrer „genialen“ Idee eines hochansteckenden Virus in kürzester Zeit eine Pandemie der Angst, um bei den Menschen absoluten geistigen Gehorsam zu erzielen. Dieser Gehorsamsreflex soll es ihnen ermöglichen, die seit langem geplante Neue Weltordnung NWO endlich durchzusetzen. Doch wir Bürger sind dabei, unsere reflexartige Gehorsams-Reaktion zu hinterfragen und zu ergründen. Mit diesem Akt der „Befreiung“ werden wir die Pläne der „Weltelite“ durchkreuzen.

Wollen wir unseren fatalen Gehorsams-Reflex einigermaßen verstehen, dann sollten wir die autobiographischen Aufzeichnungen von Rudolf Höß, dem ehemaligen Kommandanten von Auschwitz studieren. Sie sind ein hervorragendes psychologisches Anschauungsmaterial für dieses Problem. (1) Höß durchlebte in seiner Kindheit eine Erziehung nach streng religiösen und militärischen Grundsätzen und reagierte deshalb als Erwachsener mit uneingeschränktem Gehorsam. Da Politiker aller Couleur und deren „übergeordnete Einflüsterer“ jedoch gehorsame Untertanen bevorzugen, wurde dieses Problem nie gründlich erforscht und aufgearbeitet.

„Kadavergehorsam“ – eine Wortschöpfung und Denkweise der Jesuiten

Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuiten-Ordens, verfasste Mitte des 16. Jahrhunderts einen erhellenden Text, auf den das deutsche Wort „Kadavergehorsam“ zurückzuführen ist. In der vom Spanischen ins Lateinische übertragenen und von der Ordenskongregation 1558 veröffentlichten Fassung hieß es:

„Et sibi quisque persuadeat, quòd qui sub Obedientia vivunt, se ferri ac regi a divina Providentia per Superiores suos sinere debent perinde, ac si cadaver essent, quod quoquoversus ferri, et quacunque ratione tractari se sinit; vel similiter, atque senis baculus, qui, ubiqunque, et quaqunque in re velit eo uti, qui eum manu tenet, ei inservit.“

„Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass ein jeder von denen, die im Gehorsam leben, sich von der göttlichen Vorsehung mittels des Oberen führen und leiten lassen muss, als sei er ein toter Körper, der sich wohin auch immer bringen und auf welche Weise auch immer behandeln lässt, oder wie ein Stab eines alten Mannes, der dient, wo und wozu auch immer ihn der benutzen will.“ (2)

Lange Zeit vor Ignatius von Loyola hatte schon Franz von Assisi (1181/82 – 1226) die vollkommene und höchste Form des Gehorsams (perfecta et summa obedientia) gegenüber dem Vorgesetzten verglichen mit einem toten, entseelten Leib (corpus mortuum, corpus exanime), der sich ohne Widerstreben und ohne Murren hinbringen lässt, wo man will. (3)

Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß – „der im Kadavergehorsam Erzogene“

Die handschriftlichen Aufzeichnungen von Rudolf Höß „Meine Psyche. Werden, Leben und Vorleben“ – niedergeschrieben während der Krakauer Untersuchungshaft 1946 –ermöglichen dem Leser einen tiefen Einblick in die Abgründe menschlichen Verhaltens. Der Herausgeber der Autobiographie, Martin Broszat, schreibt in der Einleitung des Buches (4):

„Die im Sinne des Nationalsozialismus ‚idealen’ Kommandanten der Konzentrationslager waren letztlich nicht die persönlich brutalen, ausschweifenden und heruntergekommenen Kreaturen in der SS, sondern Höß und seinesgleichen. Ihre ‚aufopfernde Hingabe’ an den Dienst im Konzentrationslager und ihre nie rastende Tätigkeit machten das System der Lager funktionsfähig, dank ihrer ‚Gewissenhaftigkeit’ konnte als eine Einrichtung der Ordnung und Erziehung erscheinen, was ein Instrument des Terrors war. Und sie waren die geeignetsten Exekutionsbeamten jener Form des hygienischen Massenmordes, die es erlaubte, Tausende von Menschen zu töten, ohne das Gefühl des Mordes zu haben.“ (S. 21)

Rudolf Höß sei beseelt gewesen von „roboterhafter Pflichterfüllung“ an den Dienst im Konzentrationslager und jemand, der sich rücksichtslos durchsetzt, vor keinem Befehl zurückschreckte, aber dabei persönlich „anständig“ blieb. (S. 20f.) Er sei der im Kadavergehorsam Erzogene gewesen, der sich in langjährigen Schulungen durch seine Vorgesetzten einreden ließ, dass die Liquidierung Hunderttausender von Menschen bzw. die Ausmerzung „rassisch-biologischer Fremdkörper und Volksschädlinge“ ein Dienst für Volk und Vaterland beziehungsweise ein notwendiger Akt völkisch-nationaler „Schädlingsbekämpfung“ sei. (S. 22)

Höß selbst schreibt in seinen Aufzeichnungen: Der SS-Mann müsse ein „gläubiger Fanatiker“ der Weltanschauung des Nationalsozialismus sein und an Adolf Hitler glauben: „Nur durch Fanatiker, die gewillt sind, ihr Ich ganz aufzugeben für die Idee, könne eine Weltanschauung getragen und auf Dauer gehalten werden.“ (S. 114)

Als Heinrich Himmler, Reichsführer der Schutzstaffel (SS), Höß 1941 den Befehl gab, „in Auschwitz einen Platz zur Massenvernichtung vorzubereiten und diese Vernichtung durchzuführen“, reagierte Höß so, wie er es in der Kinderstube beim Vater gelernt hatte: „Ich stellte damals keine Überlegungen an – ich hatte den Befehl bekommen – und hatte ihn durchzuführen. Ob diese Massenvernichtung der Juden notwendig war oder nicht, darüber konnte ich mir kein Urteil erlauben, so weit konnte ich nicht sehen: Wenn der Führer selbst die ‚Endlösung der Judenfrage’ befohlen hatte, gab es für einen Nationalsozialisten keine Überlegungen, noch weniger für einen SS-Führer. ‚Führer befiel, wir folgen’ – war keinesfalls eine Phrase, kein Schlagwort für uns. Es war bitter ernst gemeint.“ (S. 186)

Als ihm nach seiner Verhaftung wiederholt gesagt wurde, er hätte ja diesen Befehl ablehnen oder „Himmler über den Haufen schießen“ können, widersprach Rudolf Höß und meinte: „Seine Person als RFSS (Reichsführer der SS) war unantastbar. Seine grundsätzlichen Befehle im Namen des Führers waren heilig. An denen gab es keine Überlegungen, keine Auslegungen, keine Deutungen. Bis zur letzten Konsequenz wurden sie durchgeführt und sei es durch bewusste Hingabe des Lebens, wie es nicht wenige SS-Führer im Krieg taten.“ (S. 187) Das war die Macht der Erziehung. Und Rudolf Höß war kein Einzelfall.

Die Atmosphäre im Elternhaus empfand Höß als tief religiös. Sein Vater sei ein fanatischer Katholik gewesen, der das Gelübde ablegte, seinen Sohn durch große Strenge zu einem Geistlichen zu erziehen. (S. 33) Aufgrund seiner religiösen Überzeugung sei der Vater ein entschiedener Gegner der Reichsregierung und deren Politik gewesen, war aber dennoch entschieden der Meinung, dass „trotz aller Gegnerschaft die Gesetze und Anordnungen des Staates unbedingt zu befolgen wären“. (S. 35)

Nun ist es eine Erkenntnis der wissenschaftlichen Psychologie, dass wir Menschen im späteren Leben im Großen und Ganzen nur das zur Verfügung haben, was wir im Laufe unserer Kindheit von den Erziehungspersonen mitbekommen haben. Bei Höß waren das religiöse und soldatische „Tugenden“ wie blinder Gehorsam, Pflichterfüllung und Nichthinterfragen von „höheren“ Anordnungen sowie die Eigenschaft, Probleme mit sich selbst abzumachen und keine Gefühle zu zeigen.

Eine Erziehung nach streng militärischen Grundsätzen

Zur Frage der Erziehung meinte Rudolf Höß selbst: „Ich wurde von meinem Vater nach strengen militärischen Grundsätzen erzogen.“(S. 33) Diese Erziehungsgrundsätze – davon war er überzeugt – seien ihm in Fleisch und Blut übergegangen: Wünsche oder Anordnungen der Eltern, Lehrer, Pfarrer hatte der kleine Rudolf unverzüglich durchzuführen beziehungsweise zu befolgen; was die Erwachsenen sagten, war immer richtig und nicht in Frage zu stellen; alle Aufträge der Eltern waren genau und gewissenhaft auszuführen, die Anordnungen und Wünsche des Vaters waren peinlichst zu befolgen. (S. 34f.) Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war diese Kasernenhof-Erziehung eine gängige Erziehungspraxis, die vom Kind absoluten Gehorsam einforderte und ihn für den späteren Soldatenberuf vorbereiten sollte.

So eine autoritäre Erziehung verunmöglicht es dem Kind, echte Elternliebe und Vertrauen (Urvertrauen) zum Mitmenschen zu entwickeln. Es kapselt sich stattdessen innerlich ab und bleibt mit seinen Sorgen allein. Das erging wohl auch Höß so, da er schrieb: „Obwohl mir doch beide Eltern sehr zugetan waren, konnte ich nie den Weg zu ihnen finden in all dem großen und kleinen Kummer, der so ein Jungenherz ab und zu mal bedrückt. Ich machte dies alles mit mir selbst ab. Mein einziger Vertrauter war mein Hans (Pony) – und der verstand mich, nach meiner Ansicht.“ (S. 36)

Auch wenn er seine Eltern sehr achtete und mit Verehrung zu ihnen aufsah, so brachte er doch keine echte Elternliebe für sie auf. Schon von frühester Jugend an lehnte er deshalb jeden Zärtlichkeitsbeweis stets ab – ganz zum Bedauern seiner Mutter. (S. 35) Er wurde Einzelgänger und Tierfreund. Seine zwei älteren Schwestern beschreibt Höß dagegen als „sehr anschmiegsam und stets um die Mutter“. Diese Schwestern seien ihm jedoch immer fremd geblieben, nie hätte er ein wärmeres Gefühl für sie aufbringen können. (S. 36)

Hannah Arendt über den „bürokratischen Kadavergehorsam“ Adolf Eichmanns

Adolf Eichmann war wie Rudolf Höß einer der größten Verbrecher jener Zeit und wie er „erschreckend normal“. Die politische Theoretikerin und Schriftstellerin Hannah Arendt gelangte in ihrem Bericht über den Jerusalemer Prozess gegen Eichmann 1961 (5) zur Überzeugung, „dass das bestimmende Motiv Eichmanns neben persönlichem Ehrgeiz in einer irregeleiteten Pflichterfüllung und einem bürokratischen Kadavergehorsam lag.“ (S. 25) Der Völkermord (Genozid) der Nazis war für sie deshalb ein „Verwaltungsmassenmord“. (S. 58)

Eichmann selbst schreibt in seinem Lebenslauf – ähnlich wie Höß: „Von Haus aus kannte ich keinen Hass gegen Juden, denn die ganze Erziehung durch meine Mutter und meinen Vater war streng christlich.“(S. 104) Nur eins hätte ihm ein schlechtes Gewissen bereitet: wenn er den Befehlen nicht nachgekommen wäre und Millionen von Männern, Frauen und Kindern nicht mit unermüdlichem Eifer und peinlichster Sorgfalt in den Tod transportiert hätte. (S. 98)

Dazu bemerkte Hanna Arendt: „Das Beunruhigende an der Person Eichmann war doch gerade, dass er war wie viele und dass diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind. Vom Standpunkt unserer Rechtsinstitutionen und an unseren moralischen Urteilsmaßstäben gemessen, war diese Normalität viel erschreckender als all die Gräuel zusammengenommen...“ (6) Nach Erscheinen ihres Buches 1964 wurde gegen die deutsch-amerikanische Professorin jüdischen Glaubens – vor allem auf Initiative jüdischer Organisationen – eine vernichtende publizistische Kampagne gestartet, die ihrer Auffassung nach darauf abzielte, sie mundtot zu machen. (S. 33)


"Wie konnten sich die Massen unter Hitler nur so dumm manipulieren lassen? Die Corona-Trottel von heute geben uns die Antwort!" (Kundgebung "Querdenken 621" zur Verteidigung der Grundrechte, Mannheim, 18. Juli 2020)

Ohne Not befolgen wir Befehle von „oben“ und können nicht „Nein!“ sagen.

Von der Vergangenheit zurück zur Gegenwart: Auch heute reagieren die meisten von uns aufgrund streng religiöser und/oder autoritärer Erziehung auf Befehle oder „Anweisungen“ von oben mit einem Gehorsamsreflex und können nicht „Nein!“ sagen: „Nein, ich gehe nicht in den Krieg, ich lasse meine Frau und meine Kinder nicht alleine zurück!“ oder „Nein, ich führe diese unmenschlichen oder widersinnigen Befehle nicht aus!“ Der erschreckende Gehorsamsreflex, den die meisten Mitbürger seit Monaten zeigen, ist ein beredtes Zeugnis.

Sollten Zeitgenossen der Meinung sein, dass die familiäre und schulische Erziehung heutzutage nicht mehr religiös und autoritär sei, dann ist das eine oberflächliche und unpsychologische persönliche Einschätzung. Noch heute herrscht in unseren Familien und Schulen – auch wenn sich Eltern und Lehrkräfte nach außen hin liberal und weltoffen geben – das religiös hergeleitete Prinzip des uneingeschränkten geistigen Gehorsams vor.

Durch diese Erziehung ist unser Gefühlsleben eingeschränkt: Wir „müssen“ gehorchen und können nicht „Nein!“ sagen. So wie wir in der Kinderstube und Schule folgen mussten, so folgen wir auch als Erwachsene. Für die Erziehung stellt sich deshalb die Frage, welche Werte und Tugenden wir unseren Kindern vermitteln sollten, damit sie lernen, mitmenschlich zu fühlen und zu handeln, um einmal den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und den blinden Gehorsam aufzugeben.

Vorbilder könnten die bereits erwähnten Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 oder auch der evangelische Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer sein, der am 9. April 1945 von den Nazis hingerichtet wurde. Bereits zwei Tage nach Hitlers Machtübernahme 1933 warnte er in einer Rundfunk-Rede davor, dass der „Führer“ zum „Verführer“ werden könnte. Im April 1933 erwog er unter dem Eindruck der beginnenden Judenverfolgung die Möglichkeit, „nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“. (7) Wie wir wissen, hat er es auch getan.


Fussnoten:

(1) Broszat, Martin (Hrsg.) (1994, 14. Auflage). Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß. München. Im Folgenden beziehe ich mich auf einen am 22.04.2015 veröffentlichten Artikel in NRhZ Online Nr. 507 „Psyche des Kommandanten Rudolf Höß“ und übernehme wesentliche Passagen daraus.
(2) https://de.wikipedia.org./wiki/Kadavergehorsam
(3) A.a.O.
(4) Broszat, Martin (Hrsg.) (1994, 14. Auflage). Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß. München.
(5) Arendt, Hanna (2013, 8. Auflage). Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. München. (Siehe auch Film „Hannah Arendt. Ihr Denken veränderte die Welt“)
(6) A.a.O., Text Buchdeckel.
(7) https://www.dietrich-bonhoeffer.net/


Dr. Rudolf Hänsel ist Diplom-Psychologe und Erziehungswissenschaftler




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