Montag, 12. November 2018

Paris: Der ewige Frieden?



Kriegstreiber feiern Frieden


Staats- und Regierungschefs gedenken in Paris an Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Macron und Trump für Aufrüstung


Von Hansgeorg Hermann, Paris

An die Schrecken des Ersten Weltkriegs, der vor 100 Jahren – am 11. November 1918 – mit dem Waffenstillstand im Wald von Compiègne (Nordwestfrankreich) zu Ende ging, haben am Sonntag in Paris 60 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt erinnert. Bei prasselndem Regen geriet die Feier auf den Champs Élysées zu einem Schaulaufen der Heuchler, die mit Militärformationen, Standarten und Fanfarenklang den rund 18,6 Millionen getöteten Soldaten und Zivilisten »ewige Treue« schworen, während in Syrien und im Jemen Menschen bombardiert und ganze Städte ausgelöscht werden.

Am Sonntag um 11 Uhr ertönten dann die Kirchenglocken des Landes, eine Reminiszenz an das »Friedensgeläut« vor 100 Jahren. In seiner Rede vor den unter einem Plastikdach am Triumphbogen versammelten Staats- und Regierungschefs – neben Trump waren unter anderem Wladimir Putin, Angela Merkel, Benjamin Netanjahu und Recep Tayyip Erdogan angereist – sah Macron für Europa und die Welt »eine neue Epoche heraufdämmern«. In der würde künftig »Dominanz« über andere Völker als »Irrtum« erkannt. Für die Freiheit und den Frieden werde »Frankreich immer der ideale Soldat sein«. Er beendete seine Ansprache mit dem Ruf »Vive la paix!« – »Es lebe der Frieden!«

Schon am Samstag hatte der französische Staatschef den US-Präsidenten im Élysée-Palast empfangen, wo es nicht um Frieden, sondern vor allem um Aufrüstung ging. Nachdem Macron in der vergangenen Woche mit seinem Plädoyer für eine »europäische Armee« den Unmut Trumps erregt hatte, zeigten sich nun beide der Meinung, dass die Europäer mehr Geld in das Droh- und Kriegspotential des nordatlantischen Militärbündnisses investieren sollten. In seinem am Sonntag veröffentlichten Fazit des Gesprächs erklärte Macron: »Ich teile die Ansicht des amerikanischen Präsidenten hinsichtlich der strategischen Kapazitäten Europas und zu einem Europa, das seinen Teil an der gemeinsamen Last in der NATO zu tragen hat.« Zur Freude Trumps, dem »gefiel, was er (Macron) zur Aufteilung der Last gesagt hat, wir wollen ein starkes Europa«. Und mehr Geld in der Kriegskasse, wie nicht nur die französische Linke zu Recht befürchtet. Mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Macron am Samstag vormittag eine neue Gedenkplatte in Compiègne eingeweiht, die eine kurz nach dem historischen Waffenstillstand eingelassene Tafel ersetzt, deren Inschrift für heute als zu martialisch empfunden wurde.

Im Ersten Weltkrieg wurden insgesamt rund 18,6 Millionen Menschen geopfert, unter ihnen 9,7 Millionen Soldaten und 8,9 Millionen Zivilisten. Allein in Frankreich ließen die Massaker 600.000 Witwen und fast eine Million Waisenkinder zurück. Rund 300.000 Soldaten wurden verstümmelt, mehr als 15.000 Männer erlitten durch das eingesetzte Giftgas irreparable Gesichtsverletzungen und beendeten ihr Leben im Verborgenen. Mehr als die Hälfte der Generation der 20- bis 25jährigen wurde ausgelöscht.
Der inzwischen seit sieben Jahren andauernde Krieg in Syrien forderte bisher geschätzte 350.000 Todesopfer. Rund zwölf Millionen Menschen mussten ihr Zuhause verlassen, das sind 65 Prozent der Bevölkerung. In den Konflikt sind neben den USA und Russland mehr als 50 Länder verwickelt, unter ihnen Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Saudi-Arabien, Marokko, Australien, Kanada und Jordanien.




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