Lehren
der deutschen Geschichte
Der 100. Jahrestag der
Novemberrevolution erinnert daran, welche tiefen Gegensätze zwischen
DDR und BRD auch in der Geschichtspolitik existierten. Der
ostdeutsche Staat sah sich zu Recht als Erbe und Fortsetzer der
revolutionären deutschen Arbeiterbewegung. Sie beendete am 9.
November 1918 die jahrhundertelange Herrschaft der Hohenzollern und
anderer feudaler Dynastien, brachte die Herrschaft des deutschen
Monopolkapitals und des Militarismus ins Wanken und stoppte das
Völkermorden des Ersten Weltkrieges. Der erste Versuch des deutschen
Imperialismus, die Weltherrschaft zu erobern, war gescheitert. Nur
durch das zunächst geheime Zusammenspiel von SPD und Militär konnte
die Revolution gestoppt und niedergeschlagen werden.
Heute ist erwiesen, daß
der Befehl zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am
15. Januar 1919 aus der SPD-Führung kam. Viele Revolutionäre von
1918 wie Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Bernard und Wilhelm Koenen
oder Jacob Walcher wirkten in der DDR an vorderster Stelle in Staat
und Gesellschaft. Für zahlreiche Künstler und Schriftsteller, die
als Kriegsgegner die Revolution begrüßt hatten, kam nur die DDR als
Arbeitsort in Frage: Von Bertolt Brecht und Johannes R. Becher über
Wieland Herzfelde und Anna Seghers bis zu Arnold Zweig, von John
Heartfield und Otto Nagel bis zu Karl Völker und all jenen, deren
Werke einst in der Sammlung proletarisch-revolutionärer Kunst der
Nationalgalerie im Otto-Nagel-Haus am Märkischen Ufer in Berlin zu
sehen waren. Ihre Arbeiten wanderten nach der Beseitigung der DDR ins
Depot.
Wachgehalten wurde die
Erinnerung an die Revolution durch DEFA-Filme wie „Das Lied der
Matrosen“ (1958) oder die beiden zum Wirken Karl Liebknechts
zwischen 1914 und 1919 von Günter Reisch („Solange Leben in mir
ist“ und „Trotz alledem“). Die Singebewegung entdeckte die
Kampflieder von 1918 und den folgenden Jahren der revolutionären
Nachkriegskrise neu. „Auf, auf zum Kampf“ war ebenso Allgemeingut
wie „Brüder, seht die rote Fahne“.
Die DDR hatte eine eigene
Kultur mit tiefen Wurzeln in den fortschrittlichen Traditionen der
deutschen Geschichte. Das ist ein Grund, warum sie zum Erstaunen oder
Entsetzen derjenigen, die sie seit 28 Jahren ausrotten möchten, die
für ihre Zerstörung und Verächtlichmachung riesige Geldsummen
aufwenden, ungezählte „Stasi“-Schmonzetten, mäßige Romane und
schlechte Filme produzieren, lebendig ist und bleiben wird. Aus
demselben Grund spielt die Novemberrevolution in der
BRD-Geschichtspolitik einschließlich der der SPD keine besondere
Rolle – vom Schulunterricht angefangen.
Der Umgang mit dem
angeblichen Ursprung „der“ Demokratie in Deutschland ist dort –
linke und demokratische Publizisten stets ausgenommen, hier sei nur
Sebastian Haffners „Verratene Revolution“ erwähnt – mehr als
zurückhaltend. Das gilt auch 2018. Die Spuren schrecken noch immer.
Das war vor vier Jahren anders. Der 100. Jahrestag des Datums, an dem
in Berlin der Erste Weltkrieg in Gang gesetzt wurde, wurde groß
begangen. Eine Flut von Publikationen ergoß sich in Buchhandlungen
und Bibliotheken. Hochgejubelt wurde ein Band mit dem Titel „Die
Schlafwandler“, mit dem der Begriff „imperialistischer Krieg“
zu Grabe getragen werden sollte. An solch einem, wollte der heute zum
ZDF-Moderator gemachte britischaustralische Historiker Christopher
Clark weismachen, ist niemand schuld, vor allem nie der deutsche
Imperialismus. Clark hat die „wissenschaftliche“ Begleitung zu
den Kriegen, an denen sich die BRD seit der Beseitigung der DDR
beteiligte, und für den dritten deutschen Anlauf zu einem „Platz
an der Sonne“ geschrieben.
Der Titel von Theodor
Plieviers dokumentarischem Roman von 1932 über die
Novemberrevolution, „Der Kaiser ging, die Generäle blieben“, muß
ergänzt werden: Der deutsche Imperialismus führt wieder Krieg und
rüstet für einen großen. Es ist möglich, das besagt 1918 trotz
aller Niederlagen, ihm sein blutiges Handwerk zu legen. Arnold
Schölzel
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