Samstag, 18. Juni 2022

DER TITANIC - PROPHET - Buchtipp von H.P

Klaus Schwab / Thierry Malleret: "COVID-19: DER GROSSE UMBRUCH"



DER TITANIC - PROPHET

Buchtipp von Harry Popow



Man möchte nicht in seiner Haut stecken. Da veröffentlichte der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, im Juli 2020 gemeinsam mit dem Autor Thierry Malleret ein Buch mit dem Titel "Covid-19: DER GROSSE UMBRUCH". Darin schreiben sie: "Es geht darum, die Welt weniger gespalten, weniger verschmutzend, weniger zerstörerisch, integrativer, gerechter und fairer zu machen, als wir sie in der Zeit vor der Pandemie hinter uns gelassen haben."

Handelt es sich um eine saftige Gesellschaftskritik, zu der allerdings bürgerliche Anhänger des Finanzkapitals kaum nennenswerte Aussagen treffen könnten? Oder kam den Autoren die Pandemie wie gerufen, um ihre weltverändernden Ideen zugunsten der Kapitalherrschaft in die Welt zu posaunen? Kürzer gesagt: Wurde die Pandemie für ihre eigene Programmatik vereinnahmt? Besser: Hilft dies, die Zukunft besser zu meistern?

Eine klare Aussage lässt sich nur treffen, wenn man sich der Mühe unterzieht, dieses 331-seitige Sachbuch gründlich zu lesen. Es enthält drei Hauptkapitel. Erstens, wie sich die Pandemie auf die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Geopolitik und auf die Umwelt und Technologie auswirkt. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf bestimmte Branchen und Unternehmen. Danach geht es um die Auswirkungen auf individueller Ebene.

Und nun? Seit der Drucklegung 2020 ist einiges passiert. Nachdem es den kriegerischen Übersee-Machthabern gemeinsam mit ihren Vasallen in Europa gelungen ist, den Volksmassen einen angriffslustigen Putin zu präsentieren, nachdem sie ihn ohne vorherige Verhandlungsbereitschaft zum Angreifer in der Ukraine gestempelt, provoziert haben? Unter diesen Umständen gewinnt die Idee einer grundlegenden Wende in den internationalen Beziehungen, Umbruch genannt, eine äußerst zugespitzte Kraft. Was ist passiert, dass plötzlich nicht die althergebrachten imperialistischen Aggressoren am Pranger stehen, sondern jene, die sich den Angriffsgelüsten der Westmächte zu widersetzen gezwungen sind?

Vorneweg sei festgehalten: Auch der Autor Klaus Schwab ist in die Falle gegangen. Er, der in seinem Buch den Stakeholder-Kapitalismus, mit dem eine neue Art des Kapitalismus vorgegaukelt werden soll mit sozialem Gefüge, dermaßen hochgejubelt hat und dabei die Pandemie als Verursacher des größten bisherigen Unglücks in der Weltgeschichte darzustellen versuchte? Real geht es dabei aber um die Errichtung einer von wenigen Milliardären ausgeübten totalitären und technokratischen Weltherrschaft, die eine noch höhere Arbeitslosigkeit, eine unfassbare Deindustrialisierung und ein wirtschaftliches Tief zur Folge hätte.
 
Am Scheideweg steht nicht die Pandemie contra Menschheit, sondern die westliche Kapital-Elite mit ihrer seit Jahrzehnten provozierten Schlacht um Gewinne und Landraub contra Großmächten wie Russland und China. Auf dem Spiel stehen die gesamte Menschheit auf diesem einzigartigen Planeten.

Sicher, so dumm sind die Völker auch nicht. Manche kluge Autoren bezeichneten den Autor als Schwätzer und Verleumder. Dem ist entgegenzuhalten: Nein, so einfach geht das nicht...

Der Analyst


Für Klaus Schwab und andere „Experten“ ist es ein Glück, dass ihnen die Pandemie den Vorstoß in eine angeblich neue Welt ermöglicht hat. Und so wird er in seinem Buch nicht müde, die „guten“ Folgen und die „Unglücksfälle“ aufzuzählen. Alles mit dem Ziel, die Menschen zu verunsichern, ihre Ängste zu schüren und ihre Bereitschaft, alles für den großen „Umbruch“ zu tun. Die folgenden Stichworte mögen den Blick dafür schärfen.
So betitelt er die Pandemie als „Krieg“, der die gesamte Menschheit bedroht. Damit ist bereits klar, dass die gesellschaftlichen Bedingungen, die bisherigen Kriege, die der Imperialismus zu verantworten hat, keine Rolle mehr spielen. Alles sei subjektiv lösbar, wenn man nur wolle.

Und unter diesem Aspekt wird wohl jeder Leser dem Autor zustimmen, wenn er mit Hilfe von Covid-19 sozusagen den Teufel an die Wand malt: Ob Krisen, soziale Unruhen, technologische Entwicklungen, geopolitische Umbrüche oder das Auftreten von Infektionskrankheiten - „alles passiert jetzt im Schnelldurchlauf“. Es herrsche die „Diktatur der Eile“.  (S.29/30). Kriege vernichten Kapital, „Pandemien tun dies nicht, denn sie würden „niedrigere Realzinsen verursachen, wodurch die Wirtschaftstätigkeit einbricht.“ (S. 42)

„Der Arbeitsmarkt wird sich zunehmend polarisieren zwischen gut bezahlter Arbeit und vielen Jobs, die von der Bildfläche verschwinden oder schlecht bezahlt und nicht sehr attraktiv sind.“  (S. 63) Er schreibt von der Verschärfung gesellschaftlicher Probleme in ärmeren Ländern: Armut, Ungleichheit, Korruption. (S. 87) Er warnt vor einem „Gegenschlag“ durch Ungerechtigkeiten. (S. 95/96)
Welchen Schluss zieht der Autor? „Existenzielle Krisen wie die Pandemie konfrontieren uns mit unseren eigenen Ängsten und Befürchtungen und bieten große Möglichkeiten zur Introspektion und Selbstreflexion. Sie zwingen uns, die Fragen zu stellen, auf die es wirklich ankommt.“ (S. 277)

Die Pandemie würde „einen Systemwandel beschleunigen.“ Rückzug aus der Globalisierung, zunehmende Entkopplung zwischen USA und China, Beschleunigung der Automatisierung, verstärkte Überwachung, zunehmender Nationalismus, wachsende Macht der Technologie, eine stärkere online-Präsenz von Unternehmen.(S. 19)


Über Ursachen und Visionen

„Die wesentlichen Gründe für den Glaubensverlust in unsere Gesellschaftsverträge sind Fragen sozialer Ungleichheit, die Unwirksamkeit der meisten Umverteilungsmaßnahmen, die Wahrnehmung von Ausgeschlossenheit und Ausgrenzung und ein allgemeines Gefühl der Ungerechtigkeit“ (S. 111) Deshalb der Ruf nach einem fairen Gesellschaftsvertrag.“ (S. 112)

Es sollten institutionelle Veränderungen in die Wege geleitet und politische Entscheidungen in Richtung einer gerechteren und „grüneren“ Zukunft getroffen werden. Schwab vergleicht dies mit dem radikalen Umdenken nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Folge internationale Organisationen wie die Bretton-Woods Institutionen, die Vereinten Nationen oder die Europäische Gemeinschaft gegründet wurden.

"...außer Kontrolle geratene Wirtschaftsmächte ohne Aufsicht (könnten) den Sozialstaat zerstören..." Es sei sicherzustellen, "dass bei Partnerschaften mit  Unternehmen unter Beteiligung öffentlicher Mittel nicht die Gewinnorientierung, sondern die öffentlichen Interessen im Vordergund stehen." (S. 105) Notwendig sei ein stärkeres staatliches Eingreifen. (S. 108) Und "Ohne einen globalen, strategischen ordnungspolitischen Rahmen kann es keine anhaltende Erholung geben." (S. 131)

"Je stärker die Weltpolitik von Nationalismus und Isolationismus durchdrungen wird, desto höher stehen die Chancen, das globale Ordnungspolitik ihre Bedeutung verliert und unwirksam wird." (S. 132)

Philosophische Frage, wie das Gemeinwohl maximiert werden kann: Können "Konflikte zwischen konkurrierenden Moraltheorien wirklich gelöst werden?" BIP-Wachstum um jeden Preis oder sich kümmern um schwächste Mitglieder "unserer Gemeinschaft"? Um welche Kompromisse geht es? (S. 259)

Allgemeinplatz: "Letztendlich ist es eine moralische Entscheidung, ob  den Werten des Individualismus oder denen, die das Schicksal der Gemeinschaft begünstigen, Vorrang eingeräumt wird."  (S. 262)
Fragt sich an dieser Stelle, welchen Stellenwert Klaus Schwab dem Kapitalismus, dem Finanzkapital einräumt?


Vorgegaukeltes „Neues“ Wirtschaften

Die Pandemie ist laut Schwab eine Gelegenheit, um Wirtschaft neu zu denken. Er und Malleret betonen in ihrem Buch, dass der "Stakeholder-Kapitalismus" in Zukunft immer wichtiger werde. Das heißt, dass Unternehmen nicht mehr nur daran interessiert sein sollten, ihre Profite zu maximieren, sondern auch anderen Gruppen bzw. Themen, den "stakeholdern", eine zentralere Rolle einzuräumen, etwa Nachhaltigkeit und Umweltschutz - aber auch den Beschäftigten. (S. 217)
Ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung nach der Pandemie ergebe sich die Schlußfolgerung, „dass Staaten im Interesse unserer Gesundheit und unseres kollektiven Wohlstands alles tun müssen, koste es was es wolle, damit sich die Wirtschaft nachhaltig erholt. (S. 49)

 „Die größte Grundursache von sozialen Unruhen ist Ungleichheit. Es gibt politische Instrumente zur Bekämpfung inakzeptabler  Ungleichheit und sie liegen häufig in den Händen der Regierungen.“

 Im Übrigen verweist der Autor auf akute Krisen in den letzten fünfhundert Jahren, die stets zur Stärkung der Staatsmacht beigetragen haben, was auch bei der Pandemie so zu sehen sei. „Historiker verweisen darauf, dass die steigenden Finanzressourcen der kapitalistischen Länder seit dem 18. Jahrhundert immer eng mit der notwendigen Austragung von Kriegen verbunden waren...“  (S.102)

Hier liegt der Hase im Pfeffer: Auf die Problematik Imperialismus und Kriegsgefahr der Machterweiterung wegen geht der Autor leider nicht näher ein. Er kann nicht, sonst müsste er sein Buch anders anlegen.

Klaus Schwab besteht auf eine verstärkte und „beinahe sofortige Regierungskontrolle über die Wirtschaft“, die übrigens bereits vorhanden sei. „Nur die Regierungen hatten die Macht , die Fähigkeit und die Reichweite, solche Entscheidungen zu treffen, ohne die eine wirtschaftliche Katastrophe und der vollständige gesellschaftliche Zusammenbruch eingetreten wären.“ (S.106)

Sehr hoch bewertet Klaus Schwab das ESG. Denn das weist auf die Unschuld des Kapitalismus hin. “Die grundlegenden Veränderungen, die sich unter den Makrokategorien vollzogen haben, haben in den letzten ca. zehn Jahren das Unternehmensumfeld tiefgreifend verändert. Sie haben dafür gesorgt, dass Stakeholder-Kapitalismus sowie Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Kriterien für die nachhaltige Wertschöpfung immer  relevanter werden. (ESG kann als Maßstab für den Stakeholder-Kapitalismus angesehen werden).“ Es gehe nicht mehr nur um „zügelloses Streben nach Gewinnmaximierung.“ Alle sollen „ihren Stakeholdern dienen, nicht nur ihren Aktionären.“ (S.219)

Alles im Allen: Auf den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit geht Schwab nicht ein, alles löst sich in Wohlgefallen auf, im Gegenteil, er schreibt nur von Schwächen und Fehlern, den Begriff „dialektischer Widerspruch“ kennt er nicht, denn das klingt nach Marxismus. Wie er generell diese Thematik auch nicht auf den Geschichtsverlauf anwendet.  Es ist wie es ist: Es geht um eine neue totalitäre Weltherrschaftsform.

Ins Blickfeld nimmt Schwab kurz die USA. Statt deren aggressive Aktivitäten des militärisch-industriellen Komplexes seit 1945, vor allem gegen Russland, anzugreifen, um das gegenwärtige Denken und Tun der Völker gegen Russland anzuprangern, greift er auf Nebenplätze zurück.

Das Vertrauen zum Dollar. Es gehe um eine vernünftige Wirtschaftspolitik Unhaltbare Verschuldung. Keine Sicherheit. Abkopplung der USA „von der globalen Geopolitik zugunsten einer autarken Binnenpolitik.(S.82/83) Geopolitische Instabilität. Grund: „...die progressive Schwerpunktverlagerung vom Westen in den Osten – ein Wandel, der Belastungen und in der Folge weltweite Unordnung erzeugt.“ (S.120) Rivalität und Konkurrenz zwischen USA und China wurde durch Pandemie verschärft. Orakeln wer Recht hat? (S. 138/139) Sichtweise der USA wurzelt in der „konkurrenzlosen Dominanz“ über den „Rest der Welt“ (S.140) Demnächst keine Alternative dazu. (S.144)

Versprechungen&Illusionen

Für einen Weg „in eine gerechtere, grüne Zukunft“ mit Verweis auf den Ausbau des Wohlfahrtsstaates der BRD und der EU. (S. 65) Für „ein grundlegendes Überdenken der Märkte und deren Rolle in unserer Wirtschaft und Gesellschaft...“ (S. 71) Es sei denkbar, „dass Regierungen in Zukunft versuchen werden, ihren Einfluss auf die Zentralbanken geltend zu machen“, um öffentliche Großprojekte zu finanzieren. (S. 76) In der Ära nach der Pandemie komme es „zu einer massiven Umverteilung des Reichtums, von den Reichen zu den Armen und „vom Kapital zur Arbeit.“ Dies wird als Beleg gesehen, dass die Akteure des "Great Reset" den Sozialismus bzw. Kommunismus ein führen wollen. Es werde der Tod des Neoliberalismus eingeläutet. (S. 89) Mehr staatliches Eingreifen als bisher. (S. 215)

„Da wir jetzt alle im selben Boot sitzen, muss sich die Menschheit um dieses eine Boot als Ganzes kümmern.“ Also doch: Es gibt kein OBEN und kein UNTEN mehr. WIR alle!! (S. 25) Also: Das wirtschaftliche Risiko bleibe nicht mehr auf den „wirtschaftlichen Bereich beschränkt.“

Mit anderen Worten: dieser bisher wohl ausschlaggebenste Bereich von Unterdrückung und Kriegen trage bei dieser großen Vernetzung in der Welt nicht mehr die Verantwortung?

Wer der Geschichte von Schwab und Malleret glaubt, wird sich ohnehin fragen, wozu man noch demonstrieren soll. Nachhaltigkeit und Umwelt, Wachstum und Globalisierung, viel zu kleine Löhne für die, „die die Gesellschaft am meisten braucht“ (S. 93) Wenn die Leute weniger Fleisch wollen, weniger Flüge und überhaupt weniger Konsum, dann soll das eben so sein, schon dem Klima zuliebe (S. 72).

Nach der Pandemie könne „die Gelegenheit genutzt werden, um institutionelle Veränderungen in die Wege zu leiten und politische Entscheidungen zu treffen, die die Volkswirtschaften auf einen neuen Weg in eine gerechtere, grüne Zukunft führen.“ (S. 65) Der Autor verweist dabei auf den Wohlfahrtsstaat BRD.

Bisher allerdings auch kein Wort zur Demokratie. Dafür nur Schlagwörter:  Beraten, abwägen, streiten, Kompromisse finden. Aber akzeptieren, dass mein Gegenüber das bessere Argument hat? Streit um Wahrheit und dialektische Widersprüche? Warum? Nicht nötig im Zeitalter der „großen“ Regierungen, „aufgeklärter Führung“ und einer „globalen Ordnungspolitik“, die neben UNO und WHO gleich das gesamte „zerbrochene Gefüge“ zum Verschwinden bringt, das nach 1945 entstanden ist? Hoch lebe das Weltwirtschaftsforum als Diktator.


Resümee

Eines ist klar: Es geht schlicht darum, um jeden Preis eine Revolution zu vermeiden sowie sich selbst (die Konzerne) an die Spitze jeder möglicherweise gefährlichen Bewegung und vor allem jeder „Reformdiskussion“ zu setzen. Es geht um ein demokratisch vorgegaukeltes  Diktat des in die Enge getriebenen Imperialismus. Der  nach wie vor unerbittliche Drang nach Gewinnmaximierung soll durch Reste  von menschlichen Gebaren maskiert werden.

Auch das muss gesagt werden: Rechtschreibung, Silbentrennung, überhaupt die Sprache: All das ist in der ganz neuartigen Welt nicht mehr nötig und wichtig. Im Gange ist eine große Transformation, des Great Reset. Geplant ist die Zerstörung der bestehenden Ordnung. Der Mensch soll zu einem Zwischending aus Lebewesen und Maschine herabgewürdigt und in Schach gehalten und dirigiert werden von so genannter 'künstlicher Intelligenz' (KI).

Sven Böttcher - als Advocatus Diaboli - rechnet vor, dass die Eliten nach dem Great Reset nur noch höchstens 40 Prozent der sonstigen Menschen werden „brauchen“ können. Und worin sonst sollte die Existenzberechtigung liegen als darin, von den Eliten gebraucht zu werden? Diese Überlegung kombiniert er mit der bewiesenen Tatsache, dass Menschen notorische CO2-Ausstoßer und somit gefährlich sind.

Das asoziale kapitalistische Modell benötigt nach Schwab eine Marketing-Kur. Die neue Diktatur könne mit ihren bürgerlichen „Qualitätsmedien“ auf Anordnung eine Panik wegen der Pandemie sowie – ungebrochen wie seit eh und je - eine Kriegs-Hysterie aus dem Ärmel schütteln. Wie zur Zeit im Jahre 2022 bereits im vollen Gange.  So lange, wie man den Titanic-Propheten in den USA und ihren kapitalen Mit-Schuldigen, den Vasallen in Europa das Steuer überlässt …


(Klaus-Schwab-Great-Reset-Pandemie-Plandemie-World-Economic-Forum-WEC-Weltwirtschaftsforum-Neue-Weltordnung-Cologny-Davos-Kritisches-Netzwerk-Neoliberalismus)


PRODUKTINFORMATION [TASCHENBUCH]

Autor: Klaus Schwab / Thierry Malleret: "COVID-19: DER GROSSE UMBRUCH", Seiten: 332, Maße: 10.9 x 1.2 x 18.3 cm, Format: Taschenbuch, Sprache: Deutsch, Erschienen: 25. September 2020, Herausgeber: Forum Publishing, ISBN-10: 2940631190, ISBN-13: 9782940631193











Donnerstag, 16. Juni 2022

Unter der Asche die Glut - Gedichte von Wolfgang Bittner

Unter der Asche die Glut


Von Wolfgang Bittner


Gedichte


Allitera Verlag

ISBN – 978-3-96233-348-5


Kontakt und Bestellungen: info@allitera.de



Totengräber


Sie lesen unsere Mails,

sie kennen unsere Kontakte,

sie lesen, dass wir sie

Verbrecher nennen.


Sie hören, worüber wir traurig sind,

sie hören, dass wir wütend sind,

sie hören, dass wir sie

gewissenlos nennen.


Sie kennen unsere Vorlieben,

sie kennen unsere Abneigungen,

unsere Krankheiten,

unseren Kontostand,

sie wissen, was wir kaufen,

sie wissen, wen wir lieben.


Sie sammeln und registrieren,

sie spitzeln und diffamieren,

sie zerstören Existenzen,

verantwortlich für Umsturz und Mord,

sie sind legal-illegal,

Hunderttausende.


Sie wissen, was sie tun,

sie kennen die Verfassung,

die sie missachten,

sie wissen, dass wir sie hassen,

aber sie machen, was sie wollen

und was geduldet wird.


Wolfgang Bittner lebt als Schriftsteller in Göttingen. Der promovierte Jurist erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen und ist Mitglied im PEN. Er schreibt für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, war freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen und veröffentlichte etwa 80 Bücher, darunter die Romane „Niemandsland“ und „Die Heimat“, „Der Krieg und der Goldene Westen“, den Erzählband „Am Yukon“ sowie die Gedichtbände „Der schmale Grat“ und „Südlich von mir“.


Dienstag, 14. Juni 2022

Die Wahrheit liegt in den Tatsachen - RotFuchs, Juni 2022

Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2022/RF-293-06-22.pdf



RotFuchs, Juni 2022


Die Wahrheit liegt in den Tatsachen


Was wir gegenwärtig mit dem Krieg in der Ukraine erleben, ist Teil eines größeren globalen Prozesses der sozial-ökonomischen und politischen Veränderungen weltweit. Rußland spielt dabei als eigenständige Großmacht und Bündnispartner der VR China eine wichtige Rolle. Die USA, die um ihren Platz als unumstrittener Welthegemon fürchten, gehen davon aus, daß, wenn es gelänge, Rußland zu eliminieren, dies eine substanzielle Schwächung auch der VR China nach sich ziehen würde.


Laut des unter der Regie des Pentagon (Dick Cheney) im März 1992 erarbeiteten „Defence Planing Guidance“-Konzepts (auch „NoRivals-Plan“) beabsichtigen die Vereinigten Staaten, „den (Wieder-)Aufstieg eines neuen Rivalen zu verhüten, sei es auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung der Größenordnung darstellt, wie früher die Sowjetunion.“ Dies erfordert, heißt es weiter, „daß wir (USA) versuchen müssen, zu verhüten, daß irgendeine feindliche Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen – unter gefestigter Kontrolle – ausreichen würden, eine Weltmachtposition zu schaffen“.


Die Ukraine wurde nach der Niederlage des Sozialismus in Europa und dem Zerfall der UdSSR zur Kampfarena in dieser globalen Auseinandersetzung auf- und ausgebaut sowie die inneren ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse entsprechend geformt.


Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den prowestlichen Behörden wurde mit Hilfe ausländischer Spezialisten, der Medien, Stiftungen so kanalisiert, daß bei den Wahlen regelmäßig mehr pro-westliche Kräfte mit Wurzeln in den faschistischen Bandera-Reihen an die Oberfläche kamen und unter Anleitung der ausländischen Agenturen die Politik bestimmten. Ein Teil, der für Führungspositionen rekrutiert wurde, stammt aus Kreisen, die noch bis 1953 an den antikommunistischen und antisowjetischen Kämpfen in der Westukraine, die besonders von den USA und Großbritannien unterstützt wurden, aktiv beteiligt waren.


Wichtig war, die Verschmelzung von Neonazis mit dem entstandenen oligarchischen Kapital zu gewährleisten. Die Bandera-Leute dienten, wie zu Beginn des Faschismus in Deutschland, als Stoßtrupp des Kapitals. Gleichzeitig wurden sowohl die staatlich-politischen Kräfte und Institutionen als auch die faschistischen Kräfte von der USA-Botschaft in Kiew mit dem Ziel angeleitet, koordiniert und auch kontrolliert, die Ukraine als politisch-ideologischen Stützpunkt und militärische Basis im Zentrum Osteuropa und als Aufmarschgebiet gegen Rußland und in Richtung Eurasien auf- und auszubauen. Das Ergebnis: Die Natur des gegenwärtigen ukrainischen Staates ist ein Bündnis aus Großkapital und höchster Staatsbürokratie, das sich auf kriminelle und faschistische Elemente unter der politischen und finanziellen Kontrolle der USA stützt.


Nach 2014 wurde begonnen, die russischsprachige Bevölkerung und die Angehörigen anderer Nationalitäten zu assimilieren, ihre Sprache aus Schulen, Ämtern und dem öffentlichen Leben zu verbannen. In den Regionen Donezk und Lugansk stießen diese Maßnahmen auf heftigen Widerstand. 2014 fand ein Referendum statt, bei dem 87 Prozent der Bürger für die Unabhängigkeit stimmten. So entstanden die Volksrepubliken Donezk und Lugansk.


Die Kiewer Regierung reagierte darauf mit ihrem achtjährigen Krieg gegen die russischsprachige Bevölkerung, dem abertausende Menschen zum Opfer fielen. Die Umsetzung der im März 2015 auf Initiative Rußlands unter Beteiligung Deutschlands und Frankreichs abgeschlossenen Minsker Vereinbarungen wurde abgelehnt.


Die USA, Großbritannien und andere NATOStaaten flankierten das mit der militärischen Ausbildung der ukrainischen Armee. Militärische Einrichtungen der NATO wurden installiert, darunter die berüchtigten Pentagon-Labors für die Entwicklung bakteriologischer Waffen.


Im Dezember 2017 beschloß die Trump-Administration, „defensive Waffen“ an die Ukraine zu liefern. Andere NATO-Staaten folgten. Die Ukraine nahm an Manövern der NATO teil. Im Juli 2021 war das Land „Gastgeber“ für das Manöver Sea Breeze im Schwarzen Meer, an dem 32 Staaten beteiligt waren.


Im November letzten Jahres wurden von US-Außenminister Antony Blinken und seinem ukrainischen Amtskollegen die „Charta USA – Ukraine über die strategische Partnerschaft“ unterzeichnet. Das Dokument bezieht sich ausdrücklich auf die Erklärung des Bukarester Summits von 2008, die beinhaltete, daß die Ukraine und Georgien Mitglied der NATO werden.


Mit dem schrittweisen Ausbau der Ukraine zu einer strategischen Basis, mit dem militärischen Einkreisen Rußlands und der parallel dazu einhergehenden wirtschaftlichen Blockade, mit erhöhtem internationalem politischem Druck auf Rußland und verleumderischer russophober Propaganda war die Ukraine zum größten Gefahrenherd für die Sicherheit ganz Europas geworden. Rußland war mit einem grundsätzlichen strategischen Wandel konfrontiert.


Im Dezember 2021 machte Rußland einen Vorschlag für Verhandlungen über die Nichterweiterung der NATO an die Vereinigten Staaten. Die Adressaten weigerten sich, konstruktiv zu antworten.


Im Januar 2021 hatte die Ukraine 150 000 Soldaten und Nazi-Bataillone im Donbass konzentriert. Kiew bereitete sich mit Unterstützung der USA darauf vor, im März 2022 die Kontrolle über den Donbass durch Krieg zu erreichen. Bei der Bewertung der inneren und äußeren Entwicklungen mußte Rußland auch die Erfahrungen berücksichtigen, die die Völker der Sowjetunion während des 20. Jahrhunderts gemacht haben. Dreimal haben jene, die auch heute den Ton angeben, versucht, das Land zu zerschlagen und aufzuteilen!


Schon im November 1917 beschlossen die Regierungen der Entente-Staaten auf einer Konferenz in Paris den Kampf gegen die siegreiche Revolution in Rußland. Am 23. Dezember 1917 wurde zwischen England und Frankreich ein Abkommen geschlossen, das die Durchführung einer antisowjetischen Intervention und die Aufteilung Rußlands vorsah. Es wurde vereinbart, von Rußland das Baltikum, die Ukraine, Zentralasien, Bessarabien und andere Territorien abzutrennen und sie in antirussische, koloniale Gebilde umzuwandeln.


Der Kaukasus, das Kuban- und das Dongebiet sollten zur englischen Einflußzone gehören. Die Ukraine, Bessarabien und die Krim zur französischen. Der Ferne Osten und Sibirien sollten zur Einflußsphäre der USA und Japans gemacht werden.


Charakteristisch war schon damals, daß sich alle imperialistischen Mächte in dem Bestreben einig waren, die Sowjetmacht zu vernichten. Bei der Umsetzung der Pläne verfolgte jede Macht ihre eigenen Ziele, versuchte ihre Konkurrenten auszuschalten, um von den reichsten Territorien selbst Besitz zu ergreifen. Nicht zu vergessen: Auch das kaiserliche Deutschland unternahm alle Anstrengungen, um die Sowjetrepublik zu beseitigen. Es besetzte die Ukraine, Belorußland, einen Teil Transkaukasiens, das Baltikum und die Krim. Durch Entente und Deutschland verlor Sowjetrußland seine wichtigsten Lebensmittel-, Rohstoff- und Brennstoffbasen. Die Sowjetrepublik war abgeschnitten von der Kohle des Donezbeckens, von den Erzgruben von Kriwoi Rog, vom Erdöl Bakus und von der Baumwolle Turkmenistans. Die Periode der Bürgerkriege und der ausländischen Intervention endete erst mit der Konferenz von Genua im April 1922.


Die internationalen Beziehungen der folgenden Jahre waren ebenfalls davon charakterisiert, einen wirksamen antisowjetischen Block der Imperialisten zu schmieden. Sie führten zum 2. Weltkrieg und seinen bekannten Folgen.

Prof. Dr. Anton Latzo


Auszug aus der Rede Anton Latzos zum 10. Kundschaftertreffen am23.4.22 in Strausberg


"Aufstand" - Theater - Ron Paul - LZ

 

Entnommen:  https://linkezeitung.de/2022/06/14/aus-verzweiflung-lassen-die-demokraten-das-aufstand-theater-wieder-aufleben/    

Aus Verzweiflung lassen die Demokraten das „Aufstand“-Theater wieder aufleben

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 14. JUNI 2022

von Ron Paul – http://www.antikrieg.com 

In dieser Woche haben die US-Benzinpreise mit durchschnittlich 5,00 Dollar pro Gallone einen neuen Rekord erreicht. Offiziell lag die Verbraucherpreisinflation im vergangenen Monat bei 8,6 Prozent im Vergleich zum Mai letzten Jahres. Das ist ein Höchststand seit vier Jahrzehnten. In Wirklichkeit ist die Inflation jedoch viel höher, wie jeder bestätigen kann, der für seinen Lebensunterhalt arbeitet.

Außenpolitisch sind die USA einem Atomkrieg mit Russland näher als je zuvor seit der Kubakrise. Die Politik der Biden-Administration scheint darauf hinauszulaufen, die Ukraine zu drängen, Russland bis auf den letzten Ukrainer zu bekämpfen. Sogar die Mainstream-Medien versuchen jetzt verzweifelt, ihre falsche Darstellung „Die Ukraine gewinnt“ zu korrigieren.

Nach den jüngsten Umfragen hat Präsident Biden eine rekordverdächtig niedrige Zustimmungsrate, und die Demokraten im Kongress müssen sich bei den Zwischenwahlen in knapp sechs Monaten auf eine herbe Niederlage gefasst machen. 83 Prozent der in diesem Monat von ABC News/Ipsos befragten Wähler nannten die Wirtschaft als äußerst oder sehr wichtiges Thema bei der Entscheidung, wie sie im November wählen werden.

Da in den Bereichen, über die sich die Amerikaner am meisten Sorgen machen, so viel schief läuft, haben die Demokraten aus irgendeinem Grund beschlossen, dass die Eintrittskarte zum Wahlerfolg im November darin besteht, das „Insurrection Theater“ in Form neuer Anhörungen zu den Ereignissen des 6. Januar 2021 wieder aufleben zu lassen.

Der Ausschuss des Repräsentantenhauses für den 6. Januar hat sogar den ehemaligen ABC-Nachrichtenchef James Goldston angeheuert, um eine Show aus den Anhörungen dieses Monats zur Hauptsendezeit zu machen. Das macht Sinn, denn wie alle Produktionen der Mainstream-Medien hatten auch diese Anhörungen nichts mit der Erforschung der Wahrheit hinter den Ereignissen des 6. Januar zu tun, sondern mit dem Versuch, noch mehr parteiische Wut und Angst zu schüren.

Was wir bei den Anhörungen nicht sehen werden, sind die 14.000 nicht freigegebenen Stunden der Aufnahmen der Überwachungskameras. Das Wenige, das wir bisher sehen konnten, hat mehr Fragen als Antworten zur offiziellen Darstellung der Ereignisse aufgeworfen. Wir werden auch nichts darüber erfahren, wie viele der „Aufständischen“ in Wirklichkeit Regierungsinformanten oder sogar Provokateure waren. Und ganz gewiss werden wir keine Antworten auf die Frage erhalten, warum die Polizei anscheinend die Türen öffnete und die Leute hereinließ.

Vielleicht liegt das daran, dass der Ausschuss vom 6. Januar eine Sternenkammer ist, in der die einzigen Republikaner – die äußerst unbeliebten Liz Cheney und Adam Kinzinger – von Nancy Pelosi handverlesen wurden.

Wie wir in den vergangenen zwei Jahren der Lügen und Täuschungen gesehen haben, kann das Schüren von Angst und Wut in der Politik sehr effektiv sein, und beide Parteien sind schuldig. Aber dieses Mal scheint es nicht zu funktionieren. Obwohl alle großen Fernsehsender mit Ausnahme von Fox News ihre Hauptsendezeiten vorverlegt haben, um die Anhörungen live zu übertragen, strömten die Amerikaner nicht in Scharen zu dieser Produktion.

Zwar verzeichneten die unterlegenen Sender MSNBC und CNN einen Anstieg der Zuschauerzahlen, doch die Produktion der Demokratischen Partei eroberte das US-Publikum kaum im Sturm. Wie The Daily Caller berichtete, hatte die Sendung ‚Capitol Assault Hearings‘ von CBS News laut TV Series Finale eine Gesamtzuschauerzahl von 3,36 und 780.000 in der Zielgruppe der 25-54-Jährigen.

Die Demokraten setzen darauf, dass der Verkauf von Angst und Wut im November ein Gewinn ist. Obwohl die Republikaner einen großen Teil der Schuld an der aktuellen Wirtschaftskrise tragen, wird die Behauptung, die Demokraten seien an allem schuld, wahrscheinlich große Gewinne einbringen.

In der Zwischenzeit will niemand darüber sprechen, wie uns die Fed unter Mitwirkung des Kongresses in die wirtschaftliche Katastrophe führt.

erschienen am 13. Juni 2022 auf > Ron Paul Institute for Peace and Prosperity > Artikel

http://www.antikrieg.com/aktuell/2022_06_13_ausverzweiflung.htm 



Samstag, 11. Juni 2022

...keine stabile Nachkriegsordnung - kommunisten.de

 

Entnommen: https://www.kommunisten.de/rubriken/analysen/8544-wieso-es-nach-dem-ende-des-krieges-um-die-ukraine-keine-stabile-nachkriegsordnung-geben-wird


Wieso es nach dem Ende des Krieges um die Ukraine keine stabile Nachkriegsordnung geben wird.

31.05.2022: Is this the big one? Ist dies der große Krach, der alles umwerfen wird, was sich an globalen Strukturen und Dynamiken seit dem Durchbruch des Neoliberalismus in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts etabliert hat? Der Krieg um die Ukraine könnte tatsächlich rückblickend als ein Epochenbruch, als ein Kipppunkt des globalen Krisenprozesses betrachtet werden, bei dessen Überschreiten das kriselnde spätkapitalistische Weltsystem in eine neue Krisenqualität überging.

Dass sich das kapitalistische Weltsystem in einer schweren Systemkrise befindet,[1] ist nach Dekaden der Ignoranz und Marginalisierung[2] wertkritischer Krisentheorie selbst in der deutschen Linken inzwischen allgemein akzeptiert, doch scheint der Charakter des Krisenprozesses immer noch unterbelichtet zu sein. Denn die spätkapitalistische Systemkrise ist kein punktuelles Ereignis, kein bloßer "großer Krach", sondern ein historischer Prozess, der sich über Jahrzehnte in Schüben entfaltet und dabei von der Peripherie in die Zentren des Weltsystems frisst. Die Schuldenkrisen der Dritten Welt, die in den 80ern, am Anfang des nun kollabierenden neoliberalen Zeitalters, standen und dort reihenweise Bürgerkriege und "gescheiterte Staaten" hinterließen, haben längst die Zentren des Weltsystems erfasst. Evident wird es etwa an den zunehmenden Stagflationstendenzen, die an die Stagflationsperiode in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts erinnern – und die damals dem Neoliberalismus erst zum Durchbruch verhalf.[3]

Die Systemkrise ist also kein "großer Kladderadatsch",[4] sondern ein in Schüben ablaufender, historischer Prozess zunehmender innerer und äußerer Widerspruchsentfaltung des Kapitals, das sich aufgrund konkurrenzvermittelter Rationalisierung seiner eigenen Substanz, der wertbildenden Arbeit in der Warenproduktion, entledigt und sowohl eine ökonomisch überflüssige Menschheit[5] als auch eine ökologisch verwüstete Welt hinterlässt.[6] Hierbei ist dieser historische Krisenprozess, der eben den Neoliberalismus als ein System der Krisenverzögerung hervorbrachte, durch Phasen der Latenz gekennzeichnet, die durch manifeste Krisenschübe in den Zentren unterbrochen werden: wie die Dot-Com-Blase 2000, die Immobilienblase 2008, den pandemiebedingten Krisenschub von 2020, und die nun mit dem Krieg einsetzenden Umbrüche.

Die Dialektik der Krise

Den an Intensität gewinnenden Krisenschüben, in denen die Krise manifest wird, geht somit eine lange latente Phase voraus, in der das aus dem Selbstwiderspruch des Kapitals resultierende Krisenpotenzial sich akkumuliert, zumeist in Gestalt ansteigender Schuldenberge oder Finanzmarktblasen,[7] die dem hyperproduktiven System durch kreditfinanzierte Nachfrage noch eine Art zombiehaftes Scheinleben[8] ermöglichen – und eben dieser Schuldenturmbau stößt aufgrund der gegenwärtigen Inflationsdynamik an seine inneren Grenzen.[9] Der quantitative Prozess, die Akkumulation von Schulden und das Aufsteigen von Spekulationsblasen, führt nach dem Überschreiten eines Kipppunkts zu einem qualitativen Umbruch, zum Ausbruch einer Schuldenkrise oder dem Platzen einer Schuldenblase, die dann auch öffentlich als "Krise" wahrgenommen werden.

Dieselbe materialistische Dialektik des Umschlags quantitativer Veränderungen in eine neue Qualität kann auch bei der kapitalistischen Klimakrise[10] konstatiert werden.[11] Hier ist es die quantitative Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die ab dem Überschreiten bestimmter Kipppunkte zu einer fundamentalen, qualitativen Veränderung des Klimasystems führt. (Die Gewöhnungseffekte zwischen den ökonomischen oder ökologischen Krisenschüben beförderten übrigens auch die Krisenignoranz, da die Folgen eines Krisenschubs in den Zentren oder der Peripherie sehr schnell in der geschichtslosen Öffentlichkeit zu einer neuen "Normalität" sedimentierten).

Die finanzmarktgetriebene neoliberale Variante des Kapitalismus, die sich in Reaktion auf die Stagflation und das Auslaufen des großen Nachkriegsbooms in den 70ern durchsetzte, hat den Kapitalismus sowohl in ökonomischer wie in ökologischer Hinsicht gewissermaßen "auf Pump" betrieben. Seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts steigt die globale Schuldenlast schneller als die Weltwirtschaftsleistung, was zu immer stärkeren Finanzmarktbeben in Form von Spekulationsblasen und Schuldenkrisen führte. Und auch ökologisch ging die neoliberale kapitalistische Globalisierung mit beständig steigenden CO2-Emissionen einher, die bislang nur um den Preis von ökonomischen Krisenschüben kurzfristig reduziert werden konnten. Und es sind eben die zunehmenden klimatischen und wirtschaftlichen Verwerfungen, die das System in seiner neoliberalen Ausformung immer instabiler machen.

Der neoliberale Schuldenturmbau, der die Grundlage dieser Ära bildet, kann nicht ad infinitum fortgesetzt werden. Dasselbe gilt für die fossile globale Weltverbrennungsmaschine,[12] die durch die neoliberale Globalisierung – die faktisch eine Globalisierung der Verschuldungsdynamik mittels Defizitkreisläufen ist – hervorgebracht wurde. Die quantitative Zunahme des Krisenpotenzials, die einen globalen Schuldenberg von 356 Prozent der Weltwirtschaftsleistung[13] und eine CO2-Konzentration von 419.82 ppm[14] hervorbrachte, führt den Kapitalismus an seine innere und äußere Schranke, zumindest an die Entwicklungsgrenze der neoliberalen Ära des Kapitals. Ein qualitativer Umschlag in eine andere Form kapitalistischer Krisenverarbeitung scheint unausweichlich (eine Überwindung der ökonomischen und ökologischen Krise des Kapitals ist im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaftsformation unmöglich).

Dieser dialektische Umschlag von Quantität zu Qualität vollzieht sich insbesondere hinsichtlich des Prozesses der Globalisierung, die in ihr Gegenteil umzuschlagen scheint. Gerade hier treten die Umrisse einer neuen Krisenphase deutlich hervor, die durch eine "Fragmentierung der Weltwirtschaft in geopolitische Blöcke" geprägt wäre, in denen auch "unterschiedliche Handels- und Technologiestandards, Zahlungssysteme und Währungsreserven" verwendet würden, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) im April 2022 in einem Beitrag warnte.[15] Schon Mitte März bezeichnete der IWF den Krieg als einen "schweren Schlag für die Weltwirtschaft", der nicht nur die "weltweite wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern" werde, sondern auch mit dem Risiko verstärkter Instabilität in peripheren Regionen wie Afrika oder Lateinamerika einherginge, die von zunehmender Ernährungsunsicherheit betroffen sein würden.[16]

De-Globalisierung

Die mit dem Krieg einhergehenden Sanktionen unterbrechen wichtige globale Handelsströme und führen zu rasanten Preissteigerungen nicht nur bei Energie, sonder auch bei Nahrungsmitteln, da Russland, Belarus und Ukraine zu den wichtigsten globalen Exporteuren von Getreide und Düngemitteln gehören.[17] Bei essenziellen Gütern, bei Nahrungsmitteln und fossilen Energieträgern, ist die kapitalistische Globalisierung faktisch schon zusammengebrochen. Die westlichen Sanktionen auf russische und belarussische Düngemittel dürften die landwirtschaftliche Produktion in vielen Ländern verringern.[18]

Aber es ist nicht nur die imperialistische Frontstellung zwischen Ost und West im Ukrainekrieg, die zur Preisexplosion beiträgt – längst greifen auch unbeteiligte Länder zu protektionistischen Maßnahmen, um Ernährungssicherheit und innenpolitische Stabilität zu gewährleisten. Aufgrund der massiv steigenden Preise und drohender Versorgungslücken erließ etwa Indonesien ein Exportverbot für Palmöl, was die Versorgungslage insbesondere im globalen Süden zusätzlich verschärfte, da der Krieg schon den Export von ukrainischem Sonnenblumenöl kollabieren ließ.[19] Ähnlich agierte Indien bei dem jüngst erlassenen Exportverbot für Weizen.[20]

Die Inflation und die Versorgungsengpässe, die schon vor dem Krieg aufgrund der Pandemiebekämpfung auftraten, gewinnen nun im Rahmen der schlagartig sich durchsetzenden De-Globalisierung an Wucht. Doch auch dieser große Knall, mit dem die globalen Waren- und Finanzströme erschüttert werden, kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Bestrebungen zur Revision der Globalisierung waren schon jahrelang virulent, vor allem in Gestalt des US-Präsidenten Donald Trump, der wie kein anderer die Widersprüche kapitalistischer Warenproduktion personifiziert. Trump wurde von Teilen der pauperisierten US-Mittelklasse gewählt und war angetreten, das deindustrialisierte und von einem gigantischen Handelsdefizit geplagte Amerika wieder "groß" zu machen – indem er Handelsschranken errichtete. Das Ziel des trumpschen Protektionismus: Eine Reindustrialisierung der Vereinigen Staaten.

Die während der neoliberalen Finanzialisierung ausgebildete Verschuldungsdynamik, die nach dem Auslaufen des großen fordistischen Nachkriegsbooms einsetzte und das Weltsystem zunehmend auf Pump laufen ließ,[21] entwickelte sich ja nicht gleichmäßig. Regionen mit starker Defizitbildung, wie etwa die USA oder Südeuropa, standen Ländern mit hohen Exportüberschüssen gegenüber. Dies führte zur Ausbildung von Defizitkreisläufen, die während der Globalisierung immer weiter an Gewicht gewannen und den Verlauf der Krisenschübe in den ersten beiden Dekaden des 21. Jahrhunderts prägten (Immobilienblase, Eurokrise). Die Globalisierung bildet somit offensichtlich nicht die Ursache des kapitalistischen Krisenprozesses mit seinen Verwerfungen, wie Finanzmarktblasen und Schuldenkrisen, sondern ist seine historische Verlaufsform.

Der größte, pazifische Defizitkreislauf zwischen den Vereinigten Staaten und China war dadurch gekennzeichnet, dass die zur neuen "Werkstatt der Welt" aufsteigende Volksrepublik gigantische Warenmengen über den Pazifik in die sich deindustrialisierenden USA exportierte und somit enorme Handelsüberschüsse ausbildete, während in die Gegenrichtung ein Finanzmarktstrom von Schuldverschreibungen der Vereinigten Staaten floss, sodass China zum größten Auslandsgläubiger Washingtons aufstieg.[22] Ein ähnlicher, kleinerer Defizitkreislauf bildete sich in der Periode von der Euroeinführung bis zur Eurokrise zwischen der BRD und der südlichen Peripherie der Eurozone aus.[23]

Die Globalisierung war somit nicht nur durch den Aufbau globaler Lieferketten geprägt, sie bestand auch aus einer korrespondierenden, durch Defizitkreisläufe realisierten Globalisierung der Verschuldungsdynamik, die, wie erwähnt, in den vergangenen Dekaden schneller anstieg als die Weltwirtschaftsleistung – und folglich als ein wichtiger Konjunkturmotor durch Generierung kreditfinanzierter Nachfrage fungierte. Die Globalisierung, die diese gigantischen globalen Ungleichgewichte hervorbrachte, war eine Systemreaktion, eine Flucht nach vorn vor den zunehmenden inneren Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise, die an ihrer eigenen Produktivitätsentfaltung erstickt.

Was sich nun global entfaltet, konnte anhand der Eurokrise in Ansätzen studiert werden: Solange die Schuldenberge wachsen und die Finanzmarktblasen im Aufstieg begriffen sind, scheinen alle beteiligten Staaten von diesem Wachstum auf Pump zu profitieren. Doch sobald die Blasen platzen, setzt der Kampf darum ein, wer die Krisenkosten zu tragen hat. In Europa hat bekanntlich Berlin die Krise genutzt, um die Krisenkosten in Gestalt der berüchtigten Schäubleschen Spardiktate auf Südeuropa abzuwälzen. Nun steht auf globaler Ebene der Zusammenbruch der viel größeren schuldenfinanzierten Defizitkonjunktur an, die zuletzt vor allem durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken am Leben erhalten wurde.

Der in der Finanzsphäre akkumulierte Wert, das "fiktive", nicht durch Verwertung von Arbeitskraft generierte Kapital, wird aufgrund eines fehlenden neuen Akkumulationsregimes in der Warenproduktion entwertet werden.[24] Die zunehmende Inflation, angesichts derer die bürgerliche Geldpolitik sich in einer Krisenfalle wiederfindet,[25] die nur den Weg in Inflation und/oder Rezession erlaubt, ist gerade Ausdruck der unweigerlich anstehenden Entwertung des Werts. Für viele Staaten, die zuvor an die Globalisierung vermittels Defizitkreisläufen und in Standortkonkurrenz gekettet waren, übersteigen die zunehmenden Krisenkosten die erodierenden Vorteile der Defizitkonjunkturen, sodass nationale und regionale Zentrifugaltendenzen überhandnehmen und den Kollaps der Globalisierung forcieren. Das ist ein krisenbedingter Widerspruch. Der Kapitalismus ist voll davon.

China als neuer Hegemon?

Es ist eben diese Erschöpfung des neoliberalen Schuldenturmbaus der vergangenen Dekaden, die die spätkapitalistischen Staatsmonster immer öfter in äußerer Expansion Zuflucht suchen lässt vor den eskalierenden inneren Widersprüchen. Die von einer hohen zweistelligen Inflation geplagte Türkei, die von Erdogan in immer neue imperialistische Eroberungsfeldzüge getrieben wird, bildet sozusagen nur die Blaupause für den manifesten Krisenimperialismus, der vielerorts um sich greift. Auch im Fall Russlands, das in den Monaten vor der Invasion der Ukraine etliche Aufstände und Unruhen in seinem postsowjetischen "Hinterhof" niederschlagen musste, ist diese krisenbedingte, neo-imperiale Flucht in den Krieg evident.[26]

Dieser kausale Zusammenhang zwischen Krise und Krieg manifestiert sich aber auch im expansiven Vorgehen des Westens im postsowjetischen Raum, der mit seiner Weigerung, Neutralitätsgarantien für die Ukraine zuzustimmen, den russischen Angriffskrieg im geopolitischen "Hinterhof" des Kremls eindeutig provozierte.

Für die USA ist der Kampf gegen Eurasien, wie es sich in der Allianz von China und Russland andeutet, ein Kampf um die Hegemonie und den US-Dollar in seiner Funktion als Weltleitwährung.[27] Die Vereinigten Staaten fungierten aufgrund ihres extremen Handelsdefizits gewissermaßen als ein Schwarzes Loch der Weltwirtschaft, das einen großen Teil der Überschussproduktion der hyperproduktiven spätkapitalistischen Industrie aufnahm. Mit der sich rasch beschleunigenden Inflation, die ja nicht nur durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken, sondern auch durch Ressourcenengpässe und die voll einsetzende Klimakrise befeuert wird,[28] steht nun dieses Vermögen Washingtons auf der Kippe, sich in der Weltleitwährung, im Wertmaß aller Warendinge, frei verschulden zu können.

Zugleich fällt für China, das gemeinsam mit Russland einen eurasischen Machtblock zu formen bestrebt ist, mit dem sich abzeichnenden Ende der US-Defizitkonjunktur ein wichtiger Anreiz weg, die US-Hegemonie zu tolerieren: Die extremen chinesischen Exportüberschüsse, die in den 90ern und zu Beginn des 21. Jahrhunderts maßgeblich zur nachholenden kapitalistischen Industrialisierung der Volksrepublik beitrugen, spielen schon seit dem Ausbruch der Immobilienkrise 2008 keine zentrale Rolle als Konjunkturtreiber – und sie dürften auch gegenüber den USA künftig rasch an Gewicht verlieren.

Und dennoch handelt es sich um einen Trugschluss, den derzeitigen globalen Umbruch als einen Übergang zu einem neuen Hegemonialsystem zu interpretieren, bei dem China gewissermaßen die USA "beerben" würde. Das Reich der Mitte scheint zwar dabei zu sein, die Vereinigten Staaten als die globale kapitalistische Hegemonialmacht abzulösen – doch zugleich ist dieser Umbruch im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise aufgrund der eskalierenden sozioökologischen Krise nicht mehr möglich. Die im 16. Jahrhundert beginnende Geschichte der globalen Expansion des kapitalistischen Weltsystems vollzieht sich in Hegemonialzyklen, wie sie etwa von Giovanni Arrighi in seinem faszinierenden Werk "Adam Smith in Beijing" beschrieben worden sind:[29] Eine aufstrebende Macht erringt eine dominierende Stellung innerhalb des Systems, nach einer gewissen Dominanzperiode geht diese Hegemonialmacht in den imperialen Abstieg über und wird schließlich von einem neuen Hegemon abgelöst.

Ein jeder Hegemonialzyklus hat nach Arrighi zwei Phasen: Zuerst findet eine Phase des imperialen Aufstiegs statt, die durch eine "materielle Expansion", also durch die Dominanz der warenproduzierenden Industrie der neuen Hegemonialmacht, geprägt ist. Nach dem Ausbruch einer – durch Überakkumulationsprozesse ausgelösten – ökonomischen "Signalkrise" setzt die Phase des imperialen Abstiegs ein, die mit einer finanziellen Expansion und der Dominanz der Finanzindustrie einhergeht und dem absteigenden Hegemon nochmals eine letzte ökonomische und imperiale Blütezeit beschert.

Und diese Abfolge kann sowohl im Fall Großbritanniens wie der USA eindeutig empirisch bestätigt werden. Das englische Empire, das im Rahmen der Industrialisierung im 18. Jahrhundert zur "Werkstatt der Welt" aufstieg, wandelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Weltfinanzzentrum, bevor es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von den ökonomisch aufsteigenden USA abgelöst wurde, die wiederum ihre "Signalkrise" während der Krisenphase der Stagflation in den 70ern erfuhren. Hiernach setzte die Deindustrialisierung und Finanzialisierung der USA ein, die zu einer ökonomischen Dominanz des Finanzsektors führte.

Zudem argumentiert Arrighi, dass der Wechsel zwischen zwei Hegemonialzyklen mit einer Verschuldung der absteigenden Hegemonialmacht bei dem aufsteigenden Hegemon einhergehe, wie es im Buch am Beispiel der zunehmenden ökonomischen Abhängigkeit Großbritanniens von den USA während des Ersten Weltkriegs dargelegt wurde. Großbritannien bildete während der Weltkriegsperiode ein riesiges Handelsdefizit gegenüber den USA aus, "die Munition und Nahrungsmittel im Wert von Milliarden von Dollar an die Alliierten lieferten, aber wenige Güter dafür erhielten." Ähnlich agierte übrigens auch Großbritannien in seiner Rolle als "Bankier" der antinapoleonischen Koalition rund hundert Jahre zuvor. Und genau dieses Abhängigkeitsverhältnis zwischen den absteigenden USA und dem aufsteigenden China wurde anhand des pazifischen Defizitkreislaufs beschrieben, bei dem chinesische Exportüberschüsse zur exportgetriebenen Industrialisierung Chinas und der Defizitbildung in den Vereinigten Staaten beitrugen.

So, what is wrong here? Was stimmt diesmal nicht, sodass ein neuer, chinesischer Hegemonialzyklus unmöglich ist? Wieso kann das 20. "amerikanische" Jahrhundert nicht vom "chinesischen" 21. Jahrhundert abgelöst werden? Zum einen hat China offensichtlich seine "Signalkrise", die den Übergang zu einem finanzmarktgetriebenen Wachstumsmodell markiert, schon 2008 hinter sich gebracht. Mit dem Platzen der Immobilienblasen in den USA und Europa gingen die extremen chinesischen Exportüberschüsse zurück (mit Ausnahme der USA), während die gigantischen Konjunkturpakete, die Peking damals zur Stützung der Wirtschaft auflegte, zu einer Transformation der chinesischen Konjunkturdynamik führten: der Export verlor an Gewicht, die kreditfinanzierte Bauwirtschaft, der Immobiliensektor bildeten fortan die zentralen Triebfedern des Wirtschaftswachstums.

Chinas Wachstum läuft somit ebenfalls auf Pump, die "Volksrepublik" ist ähnlich hoch verschuldet wie die absteigenden westlichen Zentren des Weltsystems (Mehr noch: auch der Aufstieg Chinas zur "Werkstatt der Welt" beruhte ja aufgrund der chinesischen Exportüberschüsse im Rahmen der besagten Defizitkreisläufe auf Verschuldungsprozessen in Westeuropa und den USA).[30] Und diese chinesische Defizitkonjunktur bringt noch weitaus größere Spekulationsexzesse hervor wie in den USA oder Westeuropa, was die Verwerfungen auf dem absurd aufgeblähten chinesischen Immobilienmarkt 2021 evident machten.[31]

Dieser Mangel eines neuen Akkumulationsregimes in der Warenproduktion, in dem sich die innere Schranke des Kapitals manifestiert, bildet den großen Unterschied zwischen China und den USA: Washington konnte nach dem 2. Weltkrieg, am Beginn seiner Hegemonie, auf zwei Dekaden der kommenden Kapitalexpansion im Rahmen des Fordismus aufbauen. China hingegen wirkt aufgrund seiner einstürzenden Schuldentürme in einem überschuldeten spätkapitalistischen Weltsystem, als ob es schon vor dem Erringen der Hegemonie im Abstieg befindlich wäre.

Ein weiteres Moment, dass eine chinesische Hegemonie im spätkapitalistischen Weltsystem in ökologischer Hinsicht unmöglich macht, beschrieb Arrighi in seinem besagten Werk als die historische Tendenz zur Progression innerhalb der Hegemonialzyklen: Das Territorium, die Bevölkerungszahl, wie auch das ökonomische Gewicht der Hegemonialmächte nehmen in der Geschichte des kapitalistischen Weltsystems zu. Von den wenigen Millionen Untertanen des britischen Empire, über Hunderte Millionen US-Bürger des kontinentartigen Hegemons USA, bis hin zu der letzten möglichen Steigerungsstufe des Milliardenstaates China. Hiermit werden aber auch die ökologischen Grenzen des kapitalistischen Weltsystems gesprengt,[32] da China bereits der größte Emittent von Treibhausgasen ist und die Klimakrise schon jetzt katastrophale Folgen nach sich zieht, die gerade auch die Volksrepublik verheeren.[33]

Ozeanien vs. Eurasien?

Der Zusammenbruch der globalen Defizitkonjunktur und die eskalierende Klimakrise stehen einer neuen, von Peking geformten "Weltordnung", einem chinesischen Hegemonialzyklus im Weg. Hegemonie bedeutet ja, dass die Stellung des Hegemons zumindest toleriert wird, da sie mit Vorteilen für die anderen Staaten in diesem Hegemonialsystem einhergeht. Im Fall der USA war es der lange fordistische Nachkriegsboom, sowie – ab den 80ern – die auf der Weltleitwährung Dollar beruhende Defizitkonjunktur, die Washington die Hegemonie ermöglichte. Chinas Aufstieg hingegen kann nicht mehr auf solch einem ökonomischen Fundament fußen.

Der historische Hegemonialzyklus des kapitalistischen Weltsystems wird somit überlagert von dem sozioökologischen Krisenprozess des Kapitals, er tritt mit ihm in Wechselwirkung und lässt Chinas hegemonialen Aufstieg und Zerfall ineinander übergehen. An die Stelle des US-Hegemonialsystems, das mit der Invasion des Irak ab 2003 in offene Auflösung überging, scheint nun eine globale Blockbildung zu treten, bei der sich in einer Realdystopie Eurasien (Russland und China) und Ozeanien (USA samt ihren atlantischen und pazifischen Bündnissystemen) in einem immerwährenden Konflikt befinden. Doch selbst diese Frontstellung, die an den – in der Ukraine in einen offenen Konflikt eskalierten – Kalten Krieg erinnert, dürfte instabil und unbeständig bleiben. Es ließe sich gar argumentieren, dass Washington und London als treibende Kräfte im Ukraine-Konflikt dabei auch das Ziel verfolgen, das erodierende westliche Bündnissystem durch eine gemeinsame Frontstellung gegen Moskau in den Schützengräben der östlichen Ukraine zusammenzuschweißen.

Der Zusammenbruch der Globalisierung ist gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch der obig dargelegten globalen Defizitkonjunktur, die das Weltsystem in der neoliberalen Epoche stabilisierte. Das ist der entscheidende Faktor, der den weiteren Krisenverlauf prägen wird. Der zuletzt mittels Gelddruckerei der Notenbanken aufrecht erhaltene Schuldenturmbau, der den manifesten Krisenausbruch in der neoliberalen Periode hinauszögerte, kollabiert gerade, ohne dass ein neues Akkumulationsregime absehbar wäre, was die Intensivierung der blinden Krisenkonkurrenz auf allen Ebenen kapitalistischer Vergesellschaftung zur Folge hat. Eine "Nachkriegsordnung" scheint aufgrund der zunehmenden Kriseneinschläge und der damit zunehmenden Krisenkonkurrenz kaum noch möglich.

Dies gilt auch für den Krisenimperialismus, der zwar Erinnerungen an das 19. Jahrhundert wachruft, aber von einer umgekehrten Entwicklungslogik angetrieben wird. Fand das erste imperialistische "Great Game" in einer Phase der globalen Expansion des Kapitals statt, in der immer neue periphere Regionen in das kapitalistische Weltsystem mittels Feuer und Schwert integriert worden sind, so findet dessen Reenactment im 21. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Kontraktion des Verwertungsprozesses statt, die immer mehr ökonomisch und ökologisch "verbrannte Erde" samt den korrespondieren "gescheiterten Staaten" hinterlässt.

In an nutshell: Da das Kapital sein auf Pump finanziertes Zombieleben nicht mehr fortsetzen kann, fallen die spätkapitalistischen Staatsmonster übereinander her, was auch alle derzeitigen Allianzen unbeständig werden lässt, da der krisenbedingte Konkurrenzdruck auch zwischen der EU und den USA, zwischen Peking und Moskau zunimmt. Dem Ganzen wohnt eine gewisse Zwangsläufigkeit inne, da das Streben nach Weltgeltung in der Weltkrise des Kapitals faktisch einem Kampf gegen den sozialen und ökonomischen Abstieg gleichkommt, einem Kampf auf der Titanic des in offenen Zerfall übergehenden spätkapitalistischen Weltsystems. Abschottung vor ökonomisch Überflüssigen, die Sicherung von Ressourcen bilden zentrale Momente dieses Krisenimperialismus, während die hierbei unterlegenen Mächte und Weltregionen in den Staatszerfall taumeln.

Dies wird gerade am Beispiel des Krieges um die Ukraine deutlich, wo ja beide Seiten faktisch bemüht sind, Tendenzen des staatlichen Zerfalls für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Moskau arbeitet daran, in den okkupierten russischsprachigen Regionen der Ukraine – nach dem Beispiel von Donezk und Lugansk – entsprechende "Volksrepubliken" zu gründen, um diese in die Russische Föderation eingliedern zu können. Die extreme Rechte der Ukraine, die derzeit die fanatische Speerspitze des ukrainischen Militärs bildet, sieht hingegen den Krieg als eine Chance, den staatlichen Zerfall Russlands zu beschleunigen, um in dessen Windschatten imperiale Ambitionen realisieren zu können.[34]

Es ist eine Taliban-Logik, die sich hier entfaltet, bei der – ähnlich der westlichen Militärhilfe für Afghanistans Gotteskrieger in den 80ern – eine extremistische Bewegung hochgerüstet wird, die im weiteren Krisenverlauf die Region destabilisieren und die ohnehin gegebenen anomischen Tendenzen im morschen ukrainischen Staatsapparat (der genauso korrupt ist wie derjenige Russlands) zur vollen Entfaltung bringen wird. Auch die derzeit rasch an Einfluss gewinnenden[35] Nazis der Ukraine folgen – ähnlich dem geschilderten Krisenimperialismus – nur oberflächlich ihrem historischen Vorbild. Angetreten, das übliche nationale Großreich in Staatsform zu erkämpfen, sind sie faktisch Subjekt der sich objektiv im Krisenverlauf entfaltenden anomischen Barbarei, also des rasch voranschreitenden Staatszerfalls.

Ein weiteres Moment der neuen Krisenphase, in der die äußeren und inneren Schranken des Kapitals in Wechselwirkung treten, wird ebenfalls während des Ukraine-Krieges deutlich erkennbar: Der rasch um sich greifende Mangel an Ressourcen und Nahrungsmitteln, der jetzt noch als eine Kriegsfolge verkauft werden kann, wird sich zu einem dauerhaften Phänomen wandeln.[36] Das spätkapitalistische globale Agrarsystem, das die natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen der Menschheit zum Träger von Wert zurichtete und deren Verbrennung zwecks uferloser Wertverwertung betreibt,[37] ist angesichts der eskalierenden Klimakrise und der kollabierenden Globalisierung außerstande, die Lebensmittelversorgung weiter Teile der Menschheit in der Peripherie des Weltsystems aufrecht zu erhalten – auch wenn dies in einem ressourcenschonenden postkapitalistischen System weiterhin trotz eskalierender Klimakrise immer noch möglich wäre.

Mit dem sich immer deutlicher abzeichnenden Zusammenbruch der globalen Defizitkonjunktur samt den geschilderten Defizitkreisläufen, mit der nun auch in den Zentren, dem Euro- wie Dollarraum, anstehenden Entwertung des Werts, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Stagflation sich ankündigt, dürften globale Versorgungsketten für Rohstoffe, Ressourcen und Grundnahrungsmittel ebenfalls zusammenbrechen oder zumindest stark beschädigt werden. Die für die neue Krisenqualität charakteristische Mangelkrise, die in der Peripherie bereits um sich greift,[38] ist somit Produkt der dargelegten eskalierenden Widersprüche, die dem Wachstumszwang des Kapitals innewohnen – und auch hier bildete der "Versorgungsengpass", unter dem etwa die deutsche Industrie stöhnt, im Pandemieverlauf nur den Vorschein dieser neuen Krisenqualität eines in offenen Zerfall übergehenden Weltsystems.

Der Charakter des neo-imperialistischen "Great Game" um die Ukraine hat sich seit 2014 – als der Westen intervenierte,[39] um die Bildung der von Putin propagierten "Eurasischen Union" zu verhindern – folglich gewandelt. Mit dem Kampf um die südlichen und südöstlichen Regionen der Ukraine, die der Kreml in sein morsches Imperium eingliedern will, findet nun auch ein archaisch anmutender Ressourcenkrieg statt. Diese Landstriche weisen die höchsten landwirtschaftlichen Erträge auf.[40] Moskau, das an der Modernisierung der russischen Wirtschaft scheiterte, weitet somit seine Strategie eines "Energieimperiums", bei der die weitgehende Kontrolle der "Wertschöpfungskette" von Energieträgern angestrebt wird, um weitere, "knappe" Ressourcen aus: um Grundnahrungsmittel. Russland will nicht nur eine atomar bewaffnete Gastankstelle, es will auch ein Getreidespeicher sein – gerade in Antizipation der Klimakrise.

Die russische Invasion der Ukraine verschafft somit einen Ausblick auf die kommende Krisenperiode, in der ein in Auflösung übergehendes kapitalistischen Weltsystem aufgrund der zunehmenden ökonomischen und ökologischen Einschläge keine feste Hegemonie oder Blockbildung mehr erlaubt, während offen kriegerische Auseinandersetzungen auch zwischen den sich zunehmend gegen die Peripherie abschottenden Großmächten um essenzielle Ressourcen zunehmen dürften. Gewissermaßen wird alles zum Öl werden – zumal der Krisenprozess sich ja nicht an die Verdinglichung im bürgerlichen Krisendiskurs hält und die einzelnen Momente dieser Dynamik, die in der öffentlichen Wahrnehmung schön säuberlich voneinander getrennt als "Wirtschaftskrise", "Klimakrise", "politische Instabilität" oder "Versorgungsengpässe" diskutiert werden, verstärkt miteinander in Wechselwirkung treten werden.

Ihren Fluchtpunkt hat diese neue Krisenqualität auf geopolitischer, "neo-imperialer" Ebene letztendlich im nuklearen Schlagabtausch, der mit zunehmender ökologischer wie ökonomischer Krisenintensität, mit immer neuen, heftigeren "Kriseneinschlägen", immer wahrscheinlicher wird.

Autoritäre Staatsformierung und Staatszerfall

Da die De-Globalisierung mit dem Zusammenbruch der globalen Defizitkonjunktur einhergeht, was den neoliberalen Schuldenberg der Entwertung zuführen wird, scheinen schwerste wirtschaftliche und soziale Verwerfungen, wie sie im neoliberalen Zeitalter weite Teile der Peripherie in Gestalt von Schuldenkrisen und Wirtschaftszusammenbrüchen verheerten, diesmal auch in den Zentren wahrscheinlich. Sollte den kapitalistischen Funktionseliten keine weitere Methode der Krisenverzögerung zur Verfügung stehen, würde der von der Peripherie in die Zentren seit den 80ern schubweise voranschreitende Krisenprozess somit bei seinem logischen Endpunkt ankommen. Nicht nur die unter einer absurden privaten wie staatlichen Schuldenlast stöhnenden USA stehen angesichts der notwendigen geldpolitischen Zinswende vor dem konjunkturellen Abgrund; es sind gerade exportfixierte Volkswirtschaften wie diejenige der BRD, die im hohen Ausmaß von der globalen Defizitkonjunktur vermittels ihrer Exportüberschüsse, die ja faktisch einen Schuldenexport darstellen, abhängig sind – und die nun von der De-Globalisierung besonders hart getroffen werden könnten.

Somit scheint auf den ersten Blick eine Tendenz, die sich schon in der Endphase des neoliberalen Zeitalters abzeichnete, zu einem zentralen Moment der neuen Krisenperiode zu avancieren: Der Staat als ökonomischer Akteur, der in den vergangenen Jahren mit Konjunkturpaketen und exzessiver Gelddruckerei im Rahmen der letzten großen Liquiditätsblase[41] das System stabilisierte, dürfte aufgrund der neuen Qualität des Krisenprozesses zur dominanten wirtschaftliche Größe aufsteigen. Generell agiert der kapitalistische Staat, der schon in seiner absolutistischen Frühform im Rahmen der europäischen "Ökonomie der Feuerwaffen" (Robert Kurz) als wichtigster Impulsgeber des Take-Off des Verwertungsprozesses fungierte, in Kriegs- und Krisenzeiten als zentraler ökonomischer Akteur. Der Staat ist keine Alternative zum Markt, wie es in der verkürzten Kapitalismuskritik oft erscheint, sondern notwendiges Korrektiv der blinden Marktdynamik, die tendenziell autodestruktiv ist. Sobald die der Kapitalverwertung eigenen Widersprüche das System durch Krise oder Krieg in seinen Grundfesten erschüttern, muss der Staat – der immer ein kapitalistischer Staat ist – intervenieren, um das System zu stabilisieren. Zuletzt etwa in der Krisen- und Kriegsperiode in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Auch derzeit werden angesichts von Klimakrise und Krieg in der veröffentlichten Meinung Stimmen laut, die den offenen Übergang zum Verzichtsdenken,[42] in den Staatskapitalismus, in die Kriegswirtschaft fordern.[43] Der Staat soll nicht nur die "Wirtschaft" durch Konjunkturprogramme, den Aufbau der neuen, "ökologischen" Infrastruktur und Gelddruckerei stützen, wie in der Endphase des Neoliberalismus; inzwischen scheint auch die kostspielige Grundlagenforschung, die Subventionierung von Konsum oder Produktion, und die Organisation von Warendistribution in Krisenschüben in Staatsregie denkbar zu sein. Strategische staatliche Weichenstellungen bei der Industrieentwicklung sind ohnehin schon Teil der bürgerlichen Politik, etwa in der BRD in Gestalt der Förderung von "Industriechampions", die mit staatlicher Rückendeckung die Weltmärkte erobern sollen (Auch hierbei folgt der Westen eigentlich nur China und Russland).[44] Absehbar sind auch, in Reaktion auf kommende Krisenschübe, abermalige Verstaatlichungen, insbesondere im maroden und krisenanfälligen spätkapitalistischen Infrastruktursektor.

Diese notwendige Rolle des Staates als "Krisenmanager" wird aber unterminiert durch die geschilderte Erschöpfung der finanzmarktgetriebenen Globalisierung der Defizitkonjunktur im neoliberalen Zeitalter, die angesichts schwindelerregender Schuldenberge, heiß gelaufener Finanzmärkte und einer rasch zunehmenden Inflation die Politik in eine Sackgasse, eine Krisenfalle treibt: Die kapitalistische Krisenpolitik müsste eigentlich einerseits die Zinsen senken, Geld drucken und die Wirtschaft durch Konjunkturprogramme stützen, um die konjunkturellen Folgen des Ukraine-Krieges zu minimieren, doch zugleich wäre es notwendig, die Zinsen anzuheben und einen konsequenten Austeritätskurs zu verfolgen, um der Inflation zumindest etwas Herr zu werden.

Diese sich immer deutlicher abzeichnende Krisenfalle,[45] die das Ende der kreditfinanzierten neoliberalen Verzögerung des manifesten Krisendurchbruchs in den Zentren markiert, wird nach ihrem Zuschnappen schwerste wirtschaftliche und soziale Verwerfungen nach sich ziehen – gerade auch in den Zentren, gerade auch in deren Mittelklassen. Mit dem Verelendungsschub wird die seit Dekaden ablaufende, graduelle Verrohung der bürgerlichen Metropolengesellschaften in offene Barbarisierung übergehen, angetrieben von einer eskalierenden, ins Anomische treibenden Krisenkonkurrenz auf allen Ebenen. Der krisenbedingte sozialpolitische Rückzug des Staates wird diesen auf seine ursprüngliche Rolle als Repressionsinstrument reduzieren. Der neue Krisenschub wird somit eine entsprechende staatliche Reaktion nach sich ziehen. Die autoritären staatlichen Bestrebungen, im Neoliberalismus in Form von Demokratieabbau und Ausbau des Überwachungsstaates präsent, werden offen zutage treten. Der rechte US-Präsident Trump war in dieser Hinsicht nur ein Vorspiel. Und auch in der Bundesrepublik dürfte das latent gärende, faschistische Potenzial erst dann gänzlich manifest werden, wenn die zivilisatorische Wirkung der hohen Außenhandelsüberschüsse, die Deutschlands Funktionseliten zur Rücksichtnahme auf die Auslandsmeinung nötigt, im Krisenverlauf wegfällt.

Gerade der Krieg um die Ukraine macht diese Wechselwirkung von Krisenschub, Verrohung und autoritärem Staatsreflex klar. Lukaschenko, einstmals als "letzter Diktator Europas" beschimpft, scheint eher der Vorläufer all jener autoritären Bestrebungen zu sein, die gerade in der EU, etwa in Ungarn oder Polen, in der Nato, insbesondere in Gestalt des islamofaschistischen Regimes in der Türkei, oder in der Ukraine selber um sich greifen, die bereits mit Verhaftungen von Oppositionellen und Parteiverboten auf Russlands Spuren wandelt.[46]

Es ist ein grundlegender Fehler, den Krieg in der Ukraine als einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur zu interpretieren, der eigentlich schon bei einem Blick auf die Zustände in Warschau, Budapest oder Ankara korrigiert werden könnte. Die neue Krisenphase dürfte folglich eher durch den orwellschen Kampf autoritärer oder faschistischer Regime um Ressourcen geprägt sein als durch eine Neuauflage des "Kalten Krieges".

Und dennoch handelt es sich bei dieser Tendenz zu autoritärer, in letzter Konsequenz offen faschistischer Krisenverwaltung um ein Oberflächenphänomen, das nur äußerlich an den Faschismus des 20. Jahrhunderts anknüpft. Die totale und totalitäre Mobilisierung während des Zweiten Weltkriegs ermöglichte den fordistischen Nachkriegsboom, da es nach dem Kriegsende faktisch keine Demobilisierung gab und die Massenproduktion von Tanks in die Automobilmachung der kapitalistischen Nachkriegsgesellschaften überging; doch ein ähnliches Akkumulationsregime, bei dem massenhaft Lohnarbeit in der Warenproduktion verwertet würde, ist diesmal nicht in Sicht. Da ist nur noch der Abgrund der totalen Überschuldung in der einsetzenden Klimakatastrophe, was der objektiven Funktion des Faschismus als einer terroristischen Krisenform kapitalistischer Herrschaft eine andere Verlaufsform verschafft. Das schon immer gegebene Moment des Faschismus als Herrschaft der Rackets, also konkurrierender Beutegemeinschaften, wie es die Kritische Theorie hellsichtig konstatierte, wird in der gegenwärtigen Systemkrise dominant.

Die autoritäre Formierung des Staates, der zunehmend zur Beute von Rackets wird, geht somit mit dessen innerer Erosion einher, was gerade in der Bundesrepublik in Ansätzen schon sich entfaltet: gerade hinsichtlich der zunehmenden rechtsextremen Umtriebe[47] im Staatsapparat.[48]

In der Ukraine ist dieser Prozess schon viel weiter vorangeschritten, wo die Oligarchenherrschaft nach dem Regierungssturz und dem Ausbruch des Bürgerkrieges bereits in offene rechtsextreme Milizbildung überging,[49] die im Vorfeld des Krieges offen den ukrainischen Staat herausfordern konnte.[50]

Der desaströse russische Invasionsverlauf legte überdies offen, wie weit die staatlichen Erosionstendenzen auch innerhalb der russischen Staatsoligarchie vorangeschritten sind, da selbst die für die Machtprojektion des Kremls essenzielle Armee hiervon voll erfasst wurde. Die Spaltung innerhalb der deutschen Rechten, die sich im Ukraine-Krieg nicht eindeutig hinter den ukrainischen Nazis oder dem russischen Präfaschismus positionieren kann, verweist gerade auf die Allgegenwart dieser autoritär-anomischen Tendenzen in diesem Konflikt.[51]

Ein Paradebeispiel für die Fragilität autoritärer Herrschaft im Kapitalismus und das Umschlagen von Diktatur in Anomie bietet der Arabische Frühling, in dessen Verlauf monolithisch scheinende Diktaturen wie diejenigen in Syrien und Libyen kollabierten und die ihnen innewohnenden Zentrifugalkräfte freisetzten. Autoritäre Strukturen sind kein Zeichen der inneren Stärkte des kapitalistischen Systems, das die Optimierung der Selbstausbeutung der Lohnabhängigen im Rahmen der kapitalistischen Demokratie präferiert, sondern dessen Krisenform, die bei Weitem nicht so effizient den Verwertungsprozess organisieren kann wie der übliche veröffentlichte Diskurs in den Zentren des Weltsystems über Wege zur Wachstumsoptimierung und Steigerung – der aber ein gewisses Maß an sozialer Stabilität benötigt, um dessen ideologische Grundlagen zu gewährleisten.

Amok oder Emanzipation

Die Ära offen autoritärer Krisenverwaltung, die sich inzwischen etwa in der öffentlich artikulierten Präferenz westlicher Oligarchen für Rechtspopulisten ankündigt,[52] wird also auch innenpolitisch keine dekadenlange Nachkriegsordnung mit sich bringen können, wie sie zumindest in den Zentren in der neoliberalen Ära allen schleichenden Erosionsprozessen und den zunehmenden Widersprüchen zum Trotz herrschte. Die klimatischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Kriseneinschläge kommen immer häufiger, weshalb eine Stabilisierung, die eine neue historische Periode der Krisenverwaltung einläuten würde, selbst mittels autoritärer, diktatorischer Methoden kaum wahrscheinlich ist. Zumal, wie schon erwähnt, die unterschiedlichen Momente des Krisenprozesses immer stärker in Wechselwirkung treten, sodass etwa die Klimakrise einen wachsenden ökonomischen und sozialen Fallout aufweisen wird.

Die Zeit der Monster, wie Gramsci die Durchbruchskrise zum Fordismus in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts bezeichnete, scheint nicht mehr enden zu können.

Es ließe sich gar argumentieren, dass – mit dem Krisenimperialismus und dem ins Anomische strebenden Faschismus als offenem Todeskult[53] – in der Niedergangsphase des Kapitals Momente seiner Expansionsdynamik noch einmal kurz aufscheinen, sich überschneiden, in Wechselwirkung treten – ganz im Sinne einer dialektischen Negation der Negation, sodass vertraut scheinende Phänomene auf einer höheren Stufe der kapitalistischen Widerspruchsentwicklung einer umgekehrten, von der Kontraktion des Verwertungsprozesses angetriebenen Entwicklungslogik folgen. Es sind bluttriefende frühkapitalistische Mementos aus der Aufstiegsphase des Kapitals, die das in Agonie übergehende Weltsystem nochmals auf die Menschheit loslässt. Selbst der Söldner, der derzeit in den neo-imperialistischen Verteilungs- und Zusammenbruchskriegen wieder ein Comeback feiert, ist ein Produkt des Frühkapitalismus, als die ersten "Soldempfänger" massenhaft im 30-jährigen Krieg als Keimform des Lohnabhängigen aufkamen und die Bevölkerung terrorisierten.

Ohne emanzipatorische Überwindung des Kapitals in seinem fetischistischen Blindflug in die Weltzerstörung[54] hat die Krise ihren letzten Fluchtpunkt in der Panik, in der durch eskalierende Krisenkonkurrenz ausgelösten Kappung aller libidinösen Bindungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern, als deren Vorschein der individuelle Amoklauf[55] bereits regelmäßig auftritt.

Neben dem globalen Atomkrieg, der im Krisenimperialismus mit wachsender Krisenintensität zu einer immer größeren Bedrohung wird, ist es die Klimakrise, die als größter Produzent von Panik fungierten dürfte: Konkret die sich immer deutlicher abzeichnende Unbewohnbarkeit weiter Teile des globalen Südens,[56] die allen, selbst den brutalsten, offen terroristischen Formen der Krisenverwaltung objektive Grenzen setzt. Dies würde den Übergang in den blanken Zivilisationszusammenbruch markieren.

Aus diesem inzwischen doch offen auf der Hand liegenden Systemdrang zur Selbstzerstörung erwächst die Überlebensnotwendigkeit der emanzipatorischen Überwindung des Kapitals, die quasi den letzten Sachzwang bildet, mit dem das kapitalistische Sachzwangregime in Geschichte überführt werden muss. Der Kampf um die Systemtransformation müsste somit zentrales Moment linker Praxis sein, anstatt sich im Jubelpersertum für Nato oder Putin zu verlieren, das derzeit angesichts des Ukraine-Krieges weite Teile der deutschen Linken praktizieren.

Anmerkungen:

[1] https://oxiblog.de/die-mythen-der-krise/
[2] http://www.konicz.info/?p=4136
[3] https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/wirtschaft/theorie/stagflation-inflationsrate-6794.html
[4]4 https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Kladderadatsch
[5] https://www.heise.de/tp/features/Freihandel-und-Fluechtlinge-3336741.html
[6] https://www.mandelbaum.at/buch.php?id=962
[7] https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/wirtschaft/weltfinanzsystem-finanzmaerkte-notenbanken-6360.html
[8] https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/kultur/film/george_andrew_romero_zombie_4234.html
[9] https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/wirtschaft/theorie/stagflation-inflationsrate-6794.html
[10] https://www.mandelbaum.at/buecher/tomasz-konicz/klimakiller-kapital/
[11] https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/politik/theorie/die-klimakrise-und-die-aeusseren-grenzen-des-kapitals-6832.html
[12] https://www.lunapark21.net/das-kapital-als-weltverbrennungsmaschine/
[13] https://carnegieendowment.org/chinafinancialmarkets/86397
[14] https://www.co2.earth/daily-co2
[15] https://www.imf.org/en/News/Articles/2022/04/14/sp041422-curtain-raiser-sm2022
[16] https://www.spiegel.de/wirtschaft/iwf-ukrainekrieg-kann-weltwirtschaftsordnung-fundamental-aendern-a-af821a51-222d-42d2-9038-d29180574e3d
[17] http://www.konicz.info/?p=4876
[18] https://www.dw.com/en/high-fertilizer-costs-threaten-farmers-amid-sanctions-on-russia/a-61163444
[19] https://www.reuters.com/business/indonesia-seeks-balance-international-local-palm-oil-demand-official-2022-05-11/
[20] https://twitter.com/spectatorindex/status/1525327269707022336
[21] https://www.heise.de/tp/features/Die-Urspruenge-der-gegenwaertigen-Wirtschaftskrise-4285127.html
[22] http://www.konicz.info/?p=1409
[23] https://www.heise.de/tp/features/Der-Aufstieg-des-deutschen-Europa-3370752.html
[24] https://lowerclassmag.com/2021/04/13/oekonomie-im-zuckerrausch-weltfinanzsystem-in-einer-gigantischen-liquiditaetsblase/
[25] https://www.heise.de/tp/features/Politik-in-der-Krisenfalle-3390890.html
[26] https://www.untergrund-blättle.ch/politik/europa/russland-ukraine-krise-konflikt-neoimperialismus-6830.html
[27] https://www.ft.com/content/e5735375-75df-4859-bbf0-ae22e4fe2ff6
[28] http://www.konicz.info/?p=4389
[29] https://www.versobooks.com/books/347-adam-smith-in-beijing
[30] https://www.heise.de/tp/features/Wachstum-der-Schuldenberge-3762292.html
[31] http://www.konicz.info/?p=4643
[32] https://oxiblog.de/klimakrise-und-china/
[33] https://www.buzzfeednews.com/article/kirstenchilstrom/china-flooding-photos
[34] https://www.youtube.com/watch?v=DOBntnuYCMA&t=5s
[35] https://unherd.com/2022/03/the-truth-about-ukraines-nazi-militias/
[36] http://www.konicz.info/?p=4566
[37] https://www.streifzuege.org/2021/das-globale-agrarsystem-wahnsinn-mit-methode/
[38] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/sri-lanka-ausnahmezustand-101.html
[39] https://www.heise.de/tp/features/Ost-oder-West-3363061.html
[40] https://ipad.fas.usda.gov/rssiws/al/crop_production_maps/Ukraine/Ukraine_wheat.jpg
[41] https://lowerclassmag.com/2021/04/13/oekonomie-im-zuckerrausch-weltfinanzsystem-in-einer-gigantischen-liquiditaetsblase/
[42] https://www.ft.com/content/d8e565b0-c769-46cc-9be3-4ed9a806d8e8
[43] https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ukraine-krieg-und-gas-dann-eben-kriegswirtschaft-aber-richtig-kolumne-a-532bb9fa-15e4-4b9b-8e50-d6e082a93f04
[44] https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-05/nationale-industriestrategie-2030-peter-altmaier-industriepolitik-faq
[45] https://www.heise.de/tp/features/Politik-in-der-Krisenfalle-3390890.html
[4]6 http://www.konicz.info/?p=4832
[47] https://www.heise.de/tp/features/Braun-von-KSK-bis-USK-4355668.html
[48] https://www.heise.de/tp/features/Inflation-der-Einzelfaelle-4259590.html
[49] https://www.streifzuege.org/2014/oligarchie-und-staatszerfall/
[50] https://consortiumnews.com/2022/03/04/how-zelensky-made-peace-with-neo-nazis/
[51] https://www.endstation-rechts.de/news/die-deutsche-rechte-und-ihr-umgang-mit-dem-krieg-der-ukraine
[52] https://winfuture.de/news,129707.html
[53] https://www.heise.de/tp/features/Der-alte-Todesdrang-der-Neuen-Rechten-4509009.html
[54] https://www.heise.de/tp/features/Die-subjektlose-Herrschaft-des-Kapitals-4406088.html
[55] https://www.heise.de/tp/features/Fluchtpunkt-Amok-3263142.html
[56] https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/extremwetter-und-klimaforschung-klimakrise-macht-hitzewellen-in-indien-100-mal-wahrscheinlicher-a-aa4a67a0-96f2-4be0-911f-a83f33abcaec


übernommen von : konicz.info, 24.05.2022
http://www.konicz.info/?p=4892

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Freitag, 10. Juni 2022

Sand im Getriebe... Rainer Rupp - LZ

 

Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/06/10/sand-im-getriebe-der-ukrainischen-propagandamaschine/


Sand im Getriebe der ukrainischen Propagandamaschine



VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 10. JUNI 2022


von Rainer Rupp – https://pressefreiheit.rtde.tech

Die normative Kraft des Faktischen in Gestalt der unausweichlichen Niederlage der Ukraine: Wie das System der Negativauslese für Spitzenjobs in Politik und Medien die westliche Kriegshysterie und Unterwerfung unter das US-Diktat begünstigt.

Die Ideologie des Neoliberalismus hat in den letzten 30 Jahren wie ein Virus alle Lebensbereiche der westlichen Gesellschaften durchdrungen und erfüllt damit das Kriterium des Totalitarismus. Als Nebeneffekt dieser totalitären Gesellschaftsideologie ist es bei der Auswahl von Führungspersönlichkeiten egal in welchen gesellschaftlichen Bereichen zu einer Entwicklung gekommen, die einer Negativauslese den Vorrang gibt: Nur noch die miesesten, korruptesten und professionell unfähigsten Jasager, aber dafür die größten Schaumschläger kommen in die Top-Positionen. Wer daran zweifelt, schaue sich doch nur einmal die Regierungsvertreter in den westlichen Staaten an und welche Knalltüten sich an der Spitze solch geheiligter, aber alles andere als demokratische gewählter Institutionen wie EU, NATO oder Europäischer Zentralbank (EZB) tummeln.

Wenn man sich umschaut, könnte man glauben, dass sich in den Ländern des NATO-Imperiums ein Politiker erst durch nachweisliche Unfähigkeit und/oder starke kriminelle Energie für ein hohes Regierungsamt qualifiziert. Aber warum ist das die Voraussetzung für eine politische Karriere? Weil das US-geführte neoliberale System der „regelbasierten Weltordnung“ mit integren Menschen nichts anfangen kann, denn die sind nicht oder nur weniger gut erpressbar. Aber wer sollte sie denn erpressen? Das sind die Leute, die Kurt Tucholsky meinte, als er von den Politikern schrieb: „Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei waren sie nur an der Regierung.“ Für wen genau die Politiker die Regierung stellen, lässt Tucholsky unausgesprochen.

Mit geschlossenen Augen durch die Krise – Selten gab es so wenig befähigtes politisches Personal
Aber ganz gewiss ist es nicht das Volk, das die Macht hat, denn auch hier gilt mit mathematischer Präzision die alte politische Gleichung aus bürgerlichen Demokratien, nämlich: Geld = Macht, und sehr viel Geld = sehr viel Macht. Und sehr viel Geld haben nur 0,01 Prozent der Bevölkerung. Und dennoch gaukeln uns Westpolitiker und -medien ständig vor, wir lebten in einer Demokratie.

Weil wir in einer doch so hervorragenden Demokratie leben, ist die große Mehrheit der neoliberalen deutschen Eliten, also die Schlimmsten der Schlimmen aus allen Gesellschaftsbereichen, ohne das gegen Krieg eingestellte deutsche Volk zu fragen, freudig auf den Kriegstross der US-Amerikaner in Richtung Russland aufgesprungen. Als willige Helfer waren vor allen anderen die Grünen bereit, den Wünschen Washingtons mit deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine nachzukommen, um dort „die Russen auszubluten“. Genau das hatte US-Kriegsminister Lloyd Austin bei seinem Besuch in Kiew unvorsichtigerweise als das wahre Kriegsziel von USA/NATO benannt.

In den ersten zwei, drei Monaten glaubten sich die selbstgerechten westlichen „Eliten“ auf dem richtigen Dampfer, denn die Medien überschlugen sich mit Schlagzeilen in diesem Stil:

„Die Ukraine gewinnt“, „Die Ukraine gewinnt“, „Die Ukraine gewinnt“, „Die Russen haben Nachschubprobleme“, „Die Russen haben riesige Verluste“, „Den Russen gehen die Raketen aus“, „Die Russen müssen sich vor einem Angriff der Ukraine zurückziehen“, „Die Ukraine ist stärker als angenommen“, „Putin muss und wird diesen Krieg verlieren“.

Solange solche Schlagzeilen die Medien und den politischen Diskurs im Westen bestimmten, hatten die herrschenden Kriegstreiber in der Berliner Regierung das gute Gefühl, in diesem neuen Krieg gegen Russland endlich mal auf der Gewinnerseite zu stehen. Aber sie hätten sich besser an die warnenden Worte erinnert, die schon vor über hundert Jahren der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck ausgesprochen hatte, nämlich auf keinen Fall einen Krieg gegen Russland zu unternehmen.

Das Recht und der Krieg
Nach dem dritten Monat der russischen Sonderoperation in der Ukraine begann die normative Kraft des Faktischen, sich langsam gegen das vom Washingtoner Imperium der Lügen genährte Gespinst aus Fake-Siegesmeldung aus Kiew durchzusetzen.

Selbst sogenannte Sesselstrategen, die in den TV-Nachrichten und Talkshows vor wenigen Wochen noch den Sieg der Ukraine als gegeben ansahen, sorgen sich nun über einen bevorstehenden Zusammenbruch der ukrainischen Streitkräfte, da deren Zersetzungsprozess tatsächlich nicht mehr zu übersehen ist. Entsprechend mehren sich in NATO-Kreisen die Rufe nach einem Waffenstillstand mit den Russen. Ein solches Ansinnen wird von der Selenskij-Propagandafilm-Truppe in Kiew jedoch strikt abgelehnt, weil das Filmskript vom Produzenten in Washington noch nicht entsprechend umgeschrieben worden ist und auch Regisseur Boris Johnson in London seiner Schauspieltruppe in Kiew noch keine neuen Anweisungen gegeben hat.

In Berlin scheint die Realität jedoch noch nicht angekommen zu sein. Hier herrscht sowohl zwischen den Parteien als auch innerhalb der Parteien weiter ein Wettbewerb, wer der härtere Kriegstreiber gegen die Russen ist. Dagegen hat man in Paris und Rom bereits angefangen darüber nachzudenken, wie es in Europa weitergehen soll, wenn – wie jetzt absehbar ist – Russland gewinnt. Alles deutet darauf hin, dass die Ukraine in ihrer postsowjetischen Form nicht länger existieren wird. Die Regionen, und damit ist nicht nur der Donbass gemeint, die seit Jahrhunderten Urbestandteil Russlands waren, werden nach allem, was seit dem Maidan-Putsch 2014 geschehen ist, nicht mehr unter der Knute des Kiew-Regimes leben wollen.

Narrativwechsel: In US-Medien kippt die Meinung zum möglichen Ausgang des Ukraine-Kriegs
Bei der Gründung der Sowjetunion hatte Lenin diese bereits teilweise industrialisierten urrussischen Regionen der neuen Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik zugeschlagen. Ziel war es gewesen, der neuen Teilrepublik bessere wirtschaftliche Entwicklungschancen zu geben, indem ein ausgewogeneres Verhältnis zum von rückständiger Landwirtschaft geprägten riesigen Westteil der Ukraine geschaffen worden war. Für die Russen hatte es damals keine Rolle gespielt, ob sie in der Russischen oder Ukrainischen Sowjetrepublik leben und arbeiten. Das war lediglich eine Verwaltungsfrage gewesen. Das änderte sich nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 und der Unabhängigkeit der Ukraine, die ohne Volksabstimmung die urrussischen Gebiete einfach behielt.

Dramatische Züge nahm die Lage der Russen in der Ukraine erst nach dem von den USA über viele Jahre mit fünf Milliarden Dollar vorbereiteten Nazi-Putsch im Jahre 2014 an. Mit den nachfolgend in Kiew erlassenen antirussischen Gesetzen wurde den in der Ukraine lebenden Russen die Benutzung ihrer Sprache, ihrer Kultur, ihrer Bücher und Zeitungen und alle äußeren Zeichen ihrer Verbundenheit mit Russland verboten. Es waren die freiwilligen Nazi-Bataillone, die diese Gesetze mit brutaler Gewalt und Willkür im Donbass, aber auch in Mariupol und Odessa oft mit Mord und Totschlag durch setzten. So kam es zu dem Aufstand im Donbass und der Abtrennung der zwei selbst erklärten Volksrepubliken.

Aktuell finden in zwei der von der russischen Armee befreiten urrussischen Regionen, Cherson und Saporoschje, politische Veränderungen statt, die auch nach einem Waffenstillstand oder einem Friedensvertrag mit einer wie auch immer aussehenden Restukraine mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr rückgängig gemacht werden können, weil die lokale Bevölkerung bei einem Referendum dagegen wäre. Denn Russland hat nicht nur überlegenes militärisches Potenzial zu bieten, sondern auch viel Soft Power, erst recht im Vergleich zu dem seit Jahren kaputten Staat Ukraine, in dem der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung um ein Vielfaches unter dem in Russland liegt.

Wie sieht die Zukunft der von Russland kontrollierten Regionen der Ukraine aus?
Aktuell baut Russland in den Regionen Cherson und Saporoschje laut lokaler Quellen bereits eine vollwertige zivil-militärische Verwaltung auf, u. a. mit der Umstellung des Zahlungsverkehrs auf Rubel, der Anbindung ans russische Fernsehen und Internet sowie der Umstellung der SIM-Karten auf russische Mobilfunkbetreiber. Russische Autokennzeichen werden ausgegeben, Symbole der ukrainischen Staatlichkeit werden entfernt, und ein beschleunigtes Verfahren bei der Beantragung russischer Pässe wurde auf den Weg gebracht. Alles deutet darauf hin, dass Russland es mit diesem Territorium ernst meint und beabsichtigt, dort für lange Zeit zu bleiben. Im Gegensatz zu den von Russland kontrollierten Bezirken in der Region Charkow, wo bisher nichts dergleichen bisher beobachtet wurde.

Zugleich bekommt Wladimir Selenskij von allen Seiten, aus dem In- und Ausland, erstmals richtigen Gegenwind zu spüren. Die jüngsten Vorstöße der russischen Armee und die wahnsinnigen Befehle, bis zum letzten Mann in den vom russischem Militär eingekesselten Regionen zu kämpfen, erinnern nicht nur an Nazi-Durchhalteparolen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges, sondern sie haben auch von der ukrainischen Gesellschaft in Form von Toten und Verwundeten und zerstörte Infrastruktur einen hohen Tribut gefordert. Insgesamt stellen die jüngsten Entwicklungen einen nicht mehr zu leugnenden schweren Rückschlag für die vom Westen unterstützte Regierung dar.

Gleichzeitig scheint der von den Medien hochgespielte angebliche nationale Konsens in der Ukraine verflogen zu sein, dass sich alle politischen Gruppierungen hinter der siegreichen ukrainischen Armee versammeln müssten, anstatt Kritik an den Entscheidungen von Präsident Selenskij zu üben. Offensichtlich stecken Selenskij und seine Produktionsteam in Kiew jetzt in großen Schwierigkeiten. Immer schriller klingen die vorgetragenen Beschwörungen der ukrainischen Einheit. Immer drängender werden die oft mit unflätigen Worten begleiteten Forderungen nach noch mehr westlichen Waffen.

„Kann Selenskij überhaupt noch Weisungen erteilen?“ – Lawrow kontert ukrainischen Journalisten
Auch in den Ohren seiner einstigen Bewunderer klingt Selenskij mit seinen oft irren, realitätsfernen Erklärungen zunehmend hohl. Vor dem Hintergrund des absehbaren Zusammenbruchs von Armee und Gesellschaft wir für alle deutlich: Selenskij ist kein Staatsmann, sondern ein Schauspieler in einer Rolle, bei der er das Skript vergessen hat und seine Souffleure in London und Washington selbst ratlos sind. Die von Kiew unter aktiver angloamerikanischer Mithilfe in Gang gesetzte Propagandamaschine war anfangs enorm effektiv. Ihr Mantra lautete:

„Wir werden angegriffen, der kollektive Westen unterstützt uns, denn wir sind das Bollwerk, das Europa vor den Barbaren schützt. Gemeinsam haben wir uns behauptet, und mit westlicher Hilfe werden wir den Feind zum Rückzug zwingen und den Donbass und die Krim zurückerobern.“

Die Lesemaschine hat längst angefangen zu stottern, und angesichts der tagesaktuellen Entwicklungen kommt immer mehr Sand ins Getriebe. Dies hat auch damit zu tun, dass die einfachen ukrainischen Soldaten inzwischen verstanden haben, dass sogar das im Stil der Waffen-SS bewunderte, als besonders hart und mutig geltende Nazi-Bataillon Asow im gleichnamigen Stahlwerk in Mariupol nur als Kanonenfutter eingesetzt wurde, mit der die Propagandamaschine gefüttert wurde.

Wenn aber die gefeierten Asow-Helden nicht wie befohlen bis zum letzten Mann im Stahlwerk in Mariupol kämpfen wollten, warum sollen das die einfachen Soldaten tun, die oft von der Straße weg zwangsrekrutiert, in Uniformen gesteckt und nach kurzem Schießtraining an die Front in den Kampfeinsatz gegen die professionellen Soldaten des Gegners geschickt wurden? So lässt sich sicher erklären, dass kurz nach dem Fall von Mariupol auch die Front im Donbass ins Bröckeln geriet. Angesichts drohender Einkesselungen ziehen sich Kiews Soldaten jetzt immer häufiger zurück, geben kampflos ganze Städte und Dörfer auf oder ergeben sich oft in Kompaniestärke den Russen, die ihnen Essen, Behandlung ihrer Wunden, Benachrichtigung ihrer Familien und ein sicheres Überleben dieses Wahnsinns bieten.

Was unsere politischen „Eliten“ in Berlin betrifft, so ist es gefährlich, von ihnen auf Vernunft basierende Entscheidungen zu erwarten. Alles ist möglich. Erkenntnisse, die seit Jahrzehnten ein solides Fundament für die Sicherheitspolitik Deutschlands gebildet hatten, egal unter welcher Regierung, werden kurzum über Bord geworfen, um durch konfuses Blabla ersetzt zu werden.

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein – Briten im Dienst von „Asow“
Noch vor weniger als zehn Jahren hatte man in Berlin verstanden und das auch immer wieder betont, dass „es ohne Russland keine Sicherheit in Europa gibt. Und gegen Russland erst recht nicht“. Diese Formel wurde jetzt durch „Die Ukraine muss gewinnen“ ersetzt.

Zugleich scheinen sich Deutschlands Eliten in Politik und Medien weiter krankhaft der Realität zu verweigern, dass die insgesamt sechs EU-Sanktionspakete gegen Russland alle Rohrkrepierer waren. Vor allen anderen hat sich Deutschland damit selbst fortwährend ins Knie geschossen. In der deutschen Bevölkerung ist diese Erkenntnis längst angekommen, und die Menschen reiben sich verwundert die Augen und fragen, warum sie es sind, die hauptsächlich unter diesen gegen Russland gerichteten Sanktionen leiden. Und sie leiden wirklich und sie werden noch viel schlimmer leiden, wenn die deutsche Bundesregierung ihre wahnsinnigen Sanktions- und grünen Reset-Pläne weiterverfolgt.

Russland hat alles, was Deutschland und andere Industrienation zum Funktionieren brauchen. Es ist wahrscheinlich das autarkste Land der Welt, selbst im Bereich Landwirtschaft und Lebensmittel gehört es zu den weltgrößten Exporteuren. Zu versuchen, den Export dieser überall auf der Welt begehrten, nicht im Überfluss vorhandenen, sehr wettbewerbsfähigen russischen Rohstoffe einzuschränken oder gar zu stoppen, ist mit Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen zu vergleichen.

Milliardenschwere Hilfe für deutsche Firmen, die wegen Russland-Sanktionen leiden
Aber selbst wenn diese Erkenntnis auch im politischen Berlin demnächst ankommen würde, dass nämlich Russland ganz gut ohne EU und ohne Deutschland auskommen kann, aber Deutschland nicht ohne Russland, so ist es doch zweifelhaft, dass Berlin daraus die einzig richtige Schlussfolgerung zieht. Diese wäre: sich zur Rettung Deutschlands sofort aus der EU- und NATO-Umklammerung zu lösen, aus deren Sanktionsregimen gegen Russland auszusteigen und wieder normale diplomatischen Beziehungen zu Russland aufzunehmen.

Dazu aber müssten wir an der Spitze unseres Staates kluge und durchsetzungsfähige Patrioten haben. Selbst in der Opposition gibt es die nur vereinzelt. Stattdessen haben wir eine Negativauslese aus Versagern in den Top-Positionen, die sich als Eliten aufspielen und die unter US-Aufsicht fest in das neoliberale Netzwerk von Washingtons „regelbasierter Weltordnung“ eingebunden sind. Diesem Netz kann man durch politischen Selbstmord entkommen. So rast der führerlose Zug Deutschland weiter auf die eingestürzte Brücke zu; die Bremsen sind defekt, und eine Weiche, um den Zug in eine andere Richtung zu lenken, gibt es nicht.

https://pressefreiheit.rtde.tech/meinung/140650-sand-im-getriebe-ukrainischen-propagandamaschine/