Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29382
Zur Debatte um die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar 2025
Ist die Entscheidung wirklich so schwer?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
Die Frage – ob und wenn ja – welcher Partei bei der vorgezogenen
Bundestagswahl am 23. Februar 2025 der Vorzug gegeben werden sollte,
bewegt viele engagierte Menschen. Im NachDenkSeiten-Gesprächskreis Köln
hat es dazu eine Veranstaltung mit dem Schwerpunkt Frieden gegeben. Und
auch die Duisburger Freidenker haben im Rahmen ihrer monatlichen
Sonntagsmatinee "Marx in Marxloh" dazu einen Vortrag organisiert, bei
der die Frage kontrovers diskutiert werden konnte. Im Freidenkerverband
Niedersachsen wurde der Frage nachgegangen, ob die AfD eine
Wahlalternative ist. Das scheint den stellvertretenden
Freidenker-Bundesvorsitzenden Klaus Hartmann dazu bewogen zu haben,
seinerseits eine Betrachtung zur Bundestagswahl zu veröffentlichen. Sein
Titel: "Wählen? Aber wen?" In engagierten Kreisen – vor allem der
Friedensbewegung – dürfte Klarheit bestehen, dass SPD, Grüne, FDP und
CDU/CSU wegen ihrer Kriegsgeilheit nicht wählbar sind. Es sind – auch
weil die DKP nicht antritt – nicht viele Parteien, die als
Wahlalternative übrig bleiben. Der folgende Artikel soll in Kürze
beleuchten, wie es um die Wählbarkeit steht.
Bei der Entscheidung, welcher Partei der Vorzug gegeben werden sollte,
muss mit Sicherheit das Thema Frieden im Mittelpunkt stehen. Denn
Frieden ist die Voraussetzung für alles andere. Dabei ist ein
wesentlicher Punkt: wie steht es um die Nähe dieser Parteien zur NATO
und den mit ihr verbundenen Kräften des kriegstreiberischen
Großkapitals. Möglicherweise ist es erhellend, in diesem Zusammenhang
zwei Fragen zu beantworten: Wie sieht es mit dem Bedienen von –
NATO-konformen – Feindbildern aus? Und: Welche Parteien wollen
Deutschland zu einem neutralen und damit friedlich(er)en Staat machen?
Betrachtet werden sollen hier vier Parteien.
BSW
Im Bündnis Sahra Wagenknecht gehört es offensichtlich zum "guten Ton",
die NATO-konformen Feindbilder zu bedienen. Systematisch ist vom
"völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands" die Rede. Das gilt auch
für die BSW-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen – in ihrem Buch "Die
NATO" gleich zweimal an hervorgehobener Stelle. Im Wahlprogramm heißt
es: "Wir verurteilen den russischen Angriff auf die Ukraine aufs
Schärfste." Immerhin heißt es im gleichen Absatz: "In der Ukraine tobt
ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den Vereinigten
Staaten..." Sahra Wagenknecht nennt den russischen Präsidenten einen
Verbrecher. Und die (jetzt gestürzte) Regierung unter Führung des
gewählten syrischen Präsidenten Assad wird von ihr als "Regime"
abqualifiziert – und die Hamas undifferenziert als Terrororganisation.
In einem Gespräch von Sahra Wagenknecht mit dem BSW-Kandidaten Michael
Lüders begrüßt dieser vorbehaltlos die Beseitigung des syrischen
Präsidenten Assad und damit den Regime-Change im Sinne des US-Imperiums.
Gedeckt von den neuen Machthabern (al qaida in neuem Gewand) dringt von
Norden die Türkei, von Süden Israel auf syrisches Gebiet vor.
Zum Thema Neutralität Deutschlands ist im Wahlprogramm des BSW nichts zu
lesen – demgemäß auch nichts zum Austritt aus der kriminellen
Vereinigung namens NATO und nichts über die Verbannung ausländischen
Militärs von deutschem Boden. Lediglich eine vage Andeutung in dieser
Richtung gibt es mit dem Satz: "Statt eines Machtinstruments für
geopolitische Ziele brauchen wir ein defensiv ausgerichtetes
Verteidigungsbündnis, das die Grundsätze der UN-Charta achtet, Abrüstung
anstrebt, statt zu Aufrüstung zu verpflichten, und in dem sich die
Mitglieder auf Augenhöhe begegnen." Die Vokabel "neutral" im Sinne einer
staatlichen Neutralität kommt im Wahlprogramm des BSW nicht vor –
stattdessen der propagandistische Begriff der "Klimaneutralität" im
Sinne der von Kräften des Großkapitals verfolgten Strategie des "Green
New Deal".
DIE LINKE.
Im Wahlprogramm heißt es gemäß NATO-Sprech das Feindbild Russland
bedienend: "Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands
auf die Ukraine. Er muss unverzüglich beendet werden, die russischen
Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen." Bezogen auf Syrien heißt
es dort: "Das Ende der Assad-Diktatur in Syrien ist ein Signal der
Hoffnung." Damit begrüßt auch die Linke den Regime-Change im Sinne des
US-Imperiums. Bezogen auf Israel wird vom "menschenverachtenden Terror
der Hamas" gesprochen. Schon 2011 hat der heutige Parteivorsitzende Jan
van Aken im Bundestag NATO-kompatibel das Feindbild Gaddafi bedient,
indem er sagte: "Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische
Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle einig." Die
mörderische Zerstörung des aufblühenden Libyen durch die NATO nahm ihren
Lauf.
Die Vokabel "neutral" im Sinne einer staatlichen Neutralität kommt auch
im Wahlprogramm der Linken nicht vor – stattdessen wie beim BSW vielfach
der propagandistische Begriff der "Klimaneutralität". Aber im Gegensatz
zum BSW wird die NATO klar benannt: „Die Linke strebt eine kooperative
Sicherheitspolitik in Europa an. Die NATO, ein Relikt des Kalten
Krieges, ist dafür nicht geeignet: Denn sie ist keine Wertegemeinschaft,
sondern ein reines Militärbündnis zur Durchsetzung nationaler und
wirtschaftlicher Interessen... Unser Ziel ist eine
Sicherheitsarchitektur in Europa, die auf den Prinzipien der friedlichen
Koexistenz und den Vereinbarungen der KSZE beruht und alle Länder des
Kontinents einbezieht. Eine solche Sicherheitsarchitektur macht die NATO
überflüssig und ermöglicht eine Außenpolitik der internationalen
Kooperation anstelle von wirtschaftlicher und militärischer Konkurrenz.“
AfD
Formulierungen, die das Feindbild Russland bedienen, kommen im
Bundestagswahlprogramm der AfD nicht vor. Im Gegenteil heißt es: "Zur
Wiederherstellung des ungestörten Handels mit Russland gehören die
sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie die
Instandsetzung der Nord Stream-Leitungen." Oder: "Eine Osterweiterung
der EU und der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) lehnen wir ab." Oder
auf einem Flugblatt zur Bundestagswahl: "Ziel ist eine neutrale Ukraine
außerhalb von NATO und EU sowie die Wiederherstellung ungestörter
Handelsbeziehungen mit Russland." Bezüglich Nahost heißt es: "Der Weg
zum Frieden im Nahen Osten führt nicht über Terror, Krieg oder
internationale Einmischung... Ziel ist ein gerechter Frieden, der auf
Völkerrecht, Gleichberechtigung und gegenseitiger Anerkennung beruht."
Worauf sich der Begriff "Terror" bezieht, bleibt offen.
Die Forderung nach Neutralität Deutschlands gibt es im
Bundestagswahlprogramm der AfD nicht. Aber immerhin fordert sie die
Neutralität der Ukraine. Zwar heißt es im Wahlprogramm "Bis zum Aufbau
eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses"
bleibe "die Mitgliedschaft in der NATO" zentrales Element "unserer
Sicherheitsstrategie.". Das wird aber im Grundsatzprogramm der AfD
zusätzlich relativiert: "Die Mitgliedschaft in der Nato entspricht den
außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, soweit sich
die Nato auf ihre Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränkt." Partei-
und Fraktionschef Tino Chrupalla bekräftigt dies im Interview mit der
Tageszeitung "Die Welt" mit folgenden Worten: "Bislang ist Europa
gezwungen, die Interessen Amerikas umzusetzen, das lehnen wir ab. Die
NATO ist aktuell kein Verteidigungsbündnis. Eine
Verteidigungsgemeinschaft muss die Interessen aller europäischen Länder
akzeptieren und respektieren – also auch die Interessen von Russland.
Wenn die NATO das nicht sicherstellen kann, muss sich Deutschland
überlegen, inwieweit dieses Bündnis für uns noch nutzbringend ist." Die
Klima-Propaganda wird von der AfD nicht mitgetragen. Sie spricht von
einer "ideologiegetriebenen Klimapolitik."
Frank Braun, Vorsitzender des Freidenker-Landesverbands Niedersachsen,
kommt zu dem Resümee: "So ist die AfD heute, ob einem das passt oder
nicht, diejenige politische Kraft, welche die Friedensfrage mit der
sozialen Frage noch am deutlichsten in einen ursächlichen Zusammenhang
bringt, so daß gerade für die sozial Schwächeren erkennbar wird: Weitere
Milliarden für den NATO-Krieg in der Ukraine macht uns arm und kann
sogar unseren Untergang bedeuten. Ein Erfolg der AfD bei den
Bundestagswahlen kann das herrschende Altparteienkartell vor allem in
Sachen 'Kriegstüchtigkeit' schwächen. Ich kann davon ausgehen, dass dies
die Hoffnung einiger Freidenker hier in Niedersachsen ist."
dieBasis
Die Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis) hat in Sachen
Feindbilder und Neutralität Deutschlands eine eindeutige Position. In
ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 heißt es: "Die Partei
dieBasis wendet sich gegen das Schüren von Feindbildern. Feindbilder
dienen der psychologischen Vorbereitung auf Kriege." Dazu wird
ausgeführt: "Deshalb sind Formulierungen, in denen z.B. in Zusammenhang
mit dem Krieg in der Ukraine NATO-konform vom 'brutalen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands' bzw. 'Putins' oder gemäß
israelischer Propaganda vom 'islamistischen Terror der Hamas' gesprochen
wird, zu verurteilen. Es muss darum gehen, aktiv am Abbau derartiger
Feindbilder mitzuwirken. " Dazu gehöre auch, dass in den Schulen die
Indoktrination durch die Bundeswehr unterbleibt.
Zur Neutralität wird ausgeführt: "Die Partei dieBasis setzt sich dafür
ein, dass Deutschland neutral wird. Deshalb befürwortet sie die
Forderung nach Kündigung des Vertrags über den Aufenthalt ausländischer
Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (auch
Truppenstationierungsvertrag genannt) und den Austritt Deutschlands und
der anderen NATO-Mitglieder in Europa aus der NATO." Es wird dann
dargelegt, was damit verbunden ist und wie es umzusetzen ist: "Gemäß
2+4-Vertrag ist Deutschland seit 1990 innen- und außenpolitisch
souverän. Demgemäß sind NATO-Austritt (mit 1-Jahres-Frist) und Kündigung
des Stationierungsvertrags (mit 2-Jahres-Frist) möglich. Damit würde
die Kriegsmaschinerie von USA und NATO innerhalb von zwei Jahren aus
Deutschland verschwinden - darunter die US-Atomwaffen, militärische
Einrichtungen wie EUCOM, AFRICOM, die US-Kriegsdrehscheibe Ramstein
sowie das 2021 reaktivierte 56. Feldartillerie-Kommando der USA in
Mainz-Kastel, über das wie in den 1980er-Jahren Raketen zum Einsatz
gebracht werden können, die Moskau in wenigen Minuten erreichen und
'enthaupten' können (heute u.a. Dark-Eagle-Hyperschallraketen). Auch die
für 2026 angekündigte Stationierung von US-Mittelstreckenraketen wäre
verunmöglicht." Der Begriff Neutralität kommt in Zusammenhang mit der
Klima-Thematik im Programm der Partei dieBasis nicht vor. Im Gegenteil:
es wird von der Operation „Klima“ – wie auch der Operation „Corona“ –
als einer Form von Krieg gegen die Menschen gesprochen, gegen die es
einzuschreiten gelte.
Weiteres zum Thema:
Bundestagswahl 2025: Unterschiedliche Meinungen im Freidenkerverband
Frank Braun (Vorsitzender des Freidenker-Landesverbands Niedersachsen), 4. Februar 2025
https://www.niedersachsen.freidenker.org/cms/bundestagswahl-25-unterschiedliche-meinungen-im-freidenkerverband/
Wählen? Aber wen?
Klaus Hartmann (stellv. Freidenker-Bundesvorsitzender), 4. Februar 2025
https://www.freidenker.org/?p=20898
Das Wahlprogramm der AfD – Frieden mit Russland – Klimapolitik beenden – Mehr Demokratie
Eugen Hardt, 27. Januar 2025
https://linkezeitung.de/2025/01/27/das-wahlprogramm-der-afd/
https://www.niedersachsen.freidenker.org/cms/das-wahlprogramm-der-afd/
Eine Option zu den Bundestagswahlen: AfD ist Wahlalternative!
tibursein, 31. Dezember 2024
https://www.niedersachsen.freidenker.org/cms/eine-option-zu-den-bundestagswahlen-afd-ist-wahlalternative/
Im ZDF-Jahresrückblick mit Markus Lanz am 19.12.2024 – Wagenknecht nennt Putin erneut "Verbrecher"
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, NRhZ 840 vom 21. Dezember 2024
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29356
Interview in der Tageszeitung "Die Welt" vom 16. Dezember 2024 – Wer
spricht hier so distanziert zu NATO, EU und Kanzlerkandidat Merz?
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, NRhZ 840 vom 17. Dezember 2024
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29345
Dezember 2024: Syrien in die Knie gezwungen – Die Wagenknecht-Saat ist aufgegangen
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, NRhZ 840 vom 11. Dezember 2024
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29333
Was ist los mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht?
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, NRhZ 832 vom 28. Juni 2024
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29151
https://www.freidenker.org/?p=19477
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen