Lieber Harry,
hab Dank für deine kluge Einschätzung der sogenannten Neuverfilmung von
Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen". Die gestern im Fernsehen gelaufene
BRD-Adaption ist nach meiner Einschätzung als Gegenentwurf zu der
hervorragenden DEFA-Fassung konzipiert worden, à la "Jetzt wollen wir
mal zeigen, was der Apitz wirklich geschrieben hat". Und so wird vor
allem unterschlagen, dass in Buchenwald die Kommunisten als
Funktionshäftlinge, wie die Kapos bei der SS hießen, unendlich viele
Menschenleben retteten und für Tausende das Überleben der Gräuel möglich
machten, wofür auch der Kampf um das Leben des Kindes steht. Und dass
es auch ein Film ist, der die Selbstbefreiung des KZ vor Eintreffen der
US-amerikanischen Truppen bezweifeln soll, versteht sich. Schwerpunkt
des Films ist das Aufzeigen des Leidens im KZ, was ja nicht zu
verkennen ist, geht aber an der Aussage des Buches von Apitz vorbei,
der vor allem die illegale Lagerorganisation der Kommunisten in den
Mittelpunkt gestellt hatte. So gesehen kann man sagen, die Filmfassung
des BRD-Regisseurs Philipp Kadelbach nutzt lediglich Teile des
Apitz-Buches, unterschlägt aber das Grundanliegen des Autors, nämlich
dem Heroismus der Kommunisten ein Denkmal zu setzen - ganz im Sinne des
hierzulande herrschenden Antikommunismus. Da fragt man sich, was der
Regisseur unter der "heutigen Sichtsweise" versteht.
Die gestern nachfolgende halbstündige Dokumentation "Buchenwald -
Heldenmythos und Lagerwirklichkeit" kleidet die ganze antikommunistische
Grundhaltung in die niederträchtige Frage, ob die Funktionshäftlinge
nicht doch gemeinsame Sache mit der SS gemacht hätten. Erbärmlicher geht
es nimmer.
Hanna Fleiss
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