08.04.2014 / Schwerpunkt / Seite 3, junge welt
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Nein zum Militäreinsatz
Offener Brief an die Fraktion der Partei Die Linke im Deutschen
Bundestag. Den Abgeordneten wurden am Wochenende noch mehr Gründe zur
Ablehnung genannt
Start zur »Armee im Einsatz«: Der damalige
Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) am 29. Mai 1992 bei deutschen
Soldaten in Kambodscha
Foto: Martin Athenstädt/ picture-alliance/ dpa
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Vor der Abstimmung in der Bundestagsfraktion Die Linke am Montag
über ihre Haltung zum geplanten Marineeinsatz der Bundeswehr im
Mittelmeer wandten sich zahlreiche Initiativen, Parteigliederungen und
Persönlichkeiten an die Abgeordneten. Sie verlangten wie z. B. der
Kreisvorstand Die Linke in der Städteregion Aachen oder der
Kreisvorstand Bochum ein Nein der Abgeordneten und lehnten eine
Einzelfallprüfung von Bundeswehreinsätzen ab. In einem Positionspapier
der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, Sahra Wagenknecht,
Alexander Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander
Ulrich, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema
Movassat, Hubertus Zdebel, Azize Tank und Katrin Werner vom Montag wird
der Fraktion eine klare Absage empfohlen. Wir dokumentieren einen
offenen Brief, der bis Montagmittag von mehr als 260 Menschen
unterzeichnet wurde, an die Bundestagsfraktion.
Ein Antrag der Bundesregierung, einen Marineeinsatz betreffend, habe
eine Kontroverse in der Fraktion der Partei Die Linke über deren
Abstimmungsverhalten ausgelöst, heißt es in Medienberichten. Die Rede
ist auch von einem Brief ihres früheren verteidigungspolitischen
Sprechers Paul Schäfer, der der Fraktion im Deutschen Bundestag
»dringend nahe« legt, diesen Antrag der Bundesregierung auf keinen Fall
abzulehnen und sogar ein Ja zu prüfen, in dem es um die Entsendung eines
Kriegsschiffes zur Absicherung der Vernichtung syrischer Chemiewaffen
durch ein US-amerikanisches Spezialschiff geht. Schäfer verweist darauf,
daß es hier mitnichten darum ginge, »unseren Antimilitarismus
aufzuweichen, sondern darum, unsere abrüstungs- und friedenspolitische
Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Diese Glaubwürdigkeit (…) würde
Schaden nehmen, wenn wir uns indifferent verhalten, von einem überhaupt
nicht nachvollziehbaren Nein ganz zu schweigen.«
Zunächst einmal: Die Bundesrepublik Deutschland ist in das Programm zur
Vernichtung syrischer Chemiewaffen involviert; praktisch und finanziell.
Das ist gut so. Daß nun der bisherige deutsche Beitrag um eine
militärische Komponente erweitert werden soll, ist scheinbar
folgerichtig – in Anbetracht der Aufkündigung der diesbezüglichen
Kooperation im Rahmen des NATO-Rußland-Rates durch die NATO. Doch genau
in diesem Kontext erhält diese Komponente ihr spezifisches Gewicht:
Niemand kann in dieser Situation die Garantie dafür übernehmen, daß die
BRD durch diesen Einsatz nicht in kriegerische Handlungen hinein gezogen
wird. Da ist die durchaus angespannte Situation zwischen Rußland und
der NATO. Da tauchen auf YouTube Mitschnitte von Gesprächen auf, in
denen führende türkische Politiker, Militärs und Geheimdienstleute über
die Schaffung eines Anlasses zu einem Krieg gegen Syrien beraten. Und im
NATO-Staat Türkei stehen deutsche »Patriot«-Raketen nebst
Bundeswehrbedienung. Hinzu kommt: Niemand hat die Gewähr, daß der
Einsatz der Bundesmarine nicht der Entlastung der US-Navy für andere
Aufgaben, z.B. im Schwarzen Meer, dient.
Warum also soll ein Nein nicht nachvollziehbar sein? Die Glaubwürdigkeit
der Linken als Friedenspartei wird deswegen kaum jemand in Frage
stellen. Hätten zum Beispiel 1990 genügend Parlamentarier nein gesagt
zum Einsatz von deutschen Minenabwehrkräften im Kontext mit dem Zweiten
Golfkrieg, nein gesagt zur Stationierung des
Flugabwehrraketengeschwaders Zwei in Diyarbakir 1991 – natürlich rein
defensive Maßnahmen –, hätten genügend Bundestagsabgeordnete es 1992
abgelehnt, Bundeswehrsanitäter nach Kambodscha zu entsenden – natürlich
aus rein humanitären Gründen –, so würden diese erstmaligen
Auslandseinsätze der Bundeswehr heute nicht als Türöffner für spätere
Pro-Kriegsentscheidungen Deutschlands bewertet. Die SPD stimmte damals
zu. Später folgten die Grünen. Die wiederum fordern Die Linke auf, es
ihnen endlich gleich zu tun und umschreiben dies mit der Forderung, die
Partei solle ihre Außen- und Sicherheitspolitik ändern.
Wir fordern: Die friedenspolitischen Grundsätze der Partei Die Linke
müssen unangetastet bleiben: Sie lehnt Auslandseinsätze der Bundeswehr
ab und setzt einzig auf zivile Lösungen von Konflikten.
Niemand soll der Partei Die Linke zukünftig vorwerfen können, die
Zustimmung zu einem Militäreinsatz der deutschen Marine sei der Beginn
weiterer Zustimmungen der Linken zu Auslands- und Kriegseinsätzen
gewesen.
Daher legen wir Euch dringend nahe, den Antrag der Bundesregierung abzulehnen.
Unterzeichnet unter anderem von:
Konstantin Wecker, Eckard Spoo, Monty Schädel, Heinrich Fink,
Heidrun Hegewald, Gina Pietsch, Renate Richter, Manfred Wekwerth,
Klaus-Detlef Haas, Rolf Biebl, Angelika Haas, Kurt Gutmann, Roland
Hemmo, Moritz Mebel, Hermann Klenner, Laura von Wimmersperg, Martin
Hantke, Wolfgang Zimmermann, Ellen Brombacher, Harald Schindel, Ida
Schillen, Tobias Pflüger, Ali Al Dailami, Artur Pech, Barbara Borchardt,
Susanne Schaper, Angelika Kraft-Dlangamandla, Ruth Firmenich, Ralf
Michalowski, Sabine Wils, Birgit Schwebs, Özlem Alev Demirel, Ingo
Boxhammer, Michael Bruns, Klaus Bartl, Kurt Giesmann, Heidemarie Hinkel,
Torben Schultz, Thomas Hecker, Ullrich Georgi, Gretchen Binus, Werner
Binus, Kristian Glaser, Saskia Mestern, Till Petersen, Olaf Walther,
Horst Adam, Ingeborg Pardon, Annegret Sloot, Hans-Jörg Schraml, Wolfgang
Klinger, Dieter Becker, Michael Rosenow, Gizem Koçkaya, Vera Rosenow,
Petra Rosenow, Tim Engels, Marianne Linke, Thies Gleiss, Ralph Hartmann,
Helmut Semmelmann, Brigitte Semmelmann, Nicole Fritsche, Jürgen Aust,
Carsten Schulz, Bernd Kolkwitz, Carla O’Gallchobhair, Christoph Nitsch,
Reinhard Mosner, Rolf Kammer, Helmut Müller, Uwe Hiksch, Gerhard
Armanski, Melanie Rott, Wolfgang Dockhorn, Uwe Scheer Eberhard Schinck,
Gregor Schirmer, Hans Bauer, Judith Benda, Winfried Schubert, Rim Farha,
Dieter Popp, Lösing, Friedrich Rabe, Heinz W. Hammer.
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