Textauszüge aus Berliner Zeitung,
14.04.2014
Russland und Deutschland
Es geht nicht um die Krim
Von Rolf Hochhuth
Was soll die Ukraine in der EU?
Wollte Kalifornien dem Warschauer Pakt beitreten? Rolf Hochhuth
verlässt den Posten des Mahners nicht. Der Dramatiker greift nun die
Politik des Westens gegenüber Russland scharf an. Gerade Deutschland
müsste hier historisches Bewusstsein zeigen.
...Doch durchaus geblieben ist die
deutsche Instinktlosigkeit, den USA zu parieren, wenn die ihre
Interessen vertreten, die niemals die unseren sein können. Einfach
deshalb nicht, weil die Russen unsere allernächsten Nachbarn sind,
nicht aber die Amerikas. Und weil nicht USA-Truppen vor 70 Jahren zur
Krim stiefelten, sondern deutsche. Stalin sagte damals trostlos zu
Churchill, weil die Invasion der Briten und Amerikaner in Frankreich
drei Jahre auf sich warten ließ: „Die Rote Armee verliert am Tag
10000 Mann !“
...Helmut Schmidt, noch mit 94 der
klügste BRD-Politiker, hat durchschaut, was in Wahrheit gespielt
wird: Nicht um die Krim geht es momentan, diese Insel ist nur der
sichtbarste Ausdruck dessen, was seit Jahrzehnten von der
westeuropäischen Vormundschaftsbehörde Pentagon angezielt wird:
„Die Idee, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen, stammt
aus den USA. Nach den Reden einiger amerikanischer Zeitungen sind
dafür menschenrechtliche Gesichtspunkte ausschlaggebend, (...) aber
es sind imperiale Motive, die dahinterstehen. Wir Deutschen haben
angesichts unserer Geschichte im 20. Jahrhundert gute Gründe, mit
eigener Beteiligung an militärischen Interventionen zurückhaltend
zu sein. Bisweilen hört man, wir müssten uns aus Solidarität im
Nato-Bündnis an militärischen Interventionen beteiligen. Das
Argument passt besser in die Nibelungensage als in die heutige
Wirklichkeit. Denn das nordatlantische Bündnis war und ist ein
Verteidigungsbündnis, nicht etwa ein Bündnis zur Umgestaltung der
Welt.“
...Doch die USA können trotzdem ruhig
schlafen: Sie wissen ja, was wir Europäer, mit denen sie seit dem
Kalten Krieg Blinde Kuh spielen, erst vor zwei Jahren erfahren haben.
Und was sie sogar dem allertreuesten ihrer Partner, Konrad Adenauer,
stets verschwiegen haben: Dass Kreml und Weißes Haus seit 1952 ein
Geheimabkommen haben, demzufolge, sollte doch der Kalte Krieg in
einen heißen ausarten, garantiert in Russland und Amerika keine
Fensterscheibe kaputtgeht, sondern „lediglich“ Polen und Germany
weggemacht werden: Der ungeheuerlichste Verrat an einem Verbündeten,
von dem je erfahren hat, wer noch Geschichte liest...
...So musste Michail Gorbatschow
gegenüber dem Bild-Chefredaktuer Kai Diekmann resümieren, und damit
ist hier hoffentlich genug gesagt, was uns Deutsche endlich zur
kritischen Selbstbefragung hinsichtlich unserer noch andauernden
Betrugspolitik gegen Russland anregen sollte. Gorbatschow sagte:
„Kohl, US-Außenminister James Baker und andere sicherten mir zu,
dass die Nato sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen würde. Daran
haben sich die Amerikaner nicht gehalten, und den Deutschen war es
gleichgültig. Vielleicht haben sie sich sogar die Hände gerieben,
wie toll man die Russen über den Tisch gezogen hat. Was hat es
gebracht? Nur, dass die Russen westlichen Versprechungen nun nicht
mehr trauen.“
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