Ist die Assad-Regierung von kollektivem Wahnsinn umnachtet? Obamas Drohung nicht ernst genommen? Von Jürgen Rose
Jürgen Rose, Jahrgang 1958, war Oberstleutnant der Bundeswehr und ist im Januar 2010 in den Ruhestand getreten, nachdem er Anfang 2007 durch sein erfolgreiches Ersuchen, aus Gewissensgründen von seinen Aufgaben hinsichtlich des Afghanistankonfliktes entbunden zu werden, öffentlich bekannt wurde. Seit 1997 hat er als Vorstandsmitglied des pazifistischen Arbeitskreises "Darmstädter Signal" politik- und bundeswehrkritische Beiträge in verschiedenen Medien (u.a. auch in der NRhZ) veröffentlicht und wurde deshalb strafversetzt. Seine Analyse des offenbar in den nächsten Tagen bevorstehenden Luftangriffs der USA und Frankreichs auf Syrien erscheint uns so wichtig, dass wir sie zusammen mit dem Interview des Internetportals "Muslim-Markt" mit Sebastian Bahlo vom "Frankfurter Solidaritätskomitee für Syrien" bereits vor der nächsten NRhZ-Ausgabe veröffentlichen.
Jürgen Rose – 2009 auf einer Kundgebung in München
NRhZ-Archiv
1. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit steht fest, daß
auf dem syrischen Bürgerkriegsschauplatz mehrfach chemische Kampfstoffe
eingesetzt worden sind, so auch am 21. August in Siedlungen der
syrischen Region Ghouta bei Damaskus.
2. Es existiert bislang keinerlei Beweis dafür, daß Truppen des Assad-Regimes die Urheber dieses Einsatzes am 21. August waren.
3. Dagegen liegen mehrfache Beweise für den Einsatz chemischer
Kampfstoffe durch die Anti-Assad-Guerilla in mehreren zurückliegenden
Fällen vor, so wurden einige von deren Kriegsverbrechern in der Türkei
mit Kampfstoffbehältern geschnappt. Alles spricht daher dafür, daß die
tief in den syrischen Bürgerkrieg involvierten westlichen Alliierten der
Anti-Assad-Guerilla logistische und technische Unterstützung für die
Herstellung und den bisher erfolgten Einsatz chemischer Kampfstoffe auf
dem syrischen Bürgerkriegsschauplatz geleistet haben, wofür es auch jede
Menge Indizien gibt. Derartige "False-Flag-Operations" sind aus der
Kriegsgeschichte hinlänglich bekannt und belegt - schon der GRÖFAZ hatte
den Sender Gleiwitz von KZ-Häftlingen in polnischen Uniformen angreifen
lassen und dann kackfrech behauptet: "Ab 5 Uhr fünfundvierzig wird
zurückgeschossen!"
4. Seit den fünf abgestimmten Sarin-Gas-Anschlägen durch die
Ōmu-Shinrikyō-Sekte am 20. März 1995 in Tokio ist nachgewiesen, daß es
möglich ist, in jeder Hinterhofgarage chemische Kampfstoffe
zusammenzumixen und anschließend zum Einsatz zu bringen. Es gibt Belege
dafür, daß genau dies durch die Assad-Gegner geschehen ist.
5. Seit Beginn des Bürgerkrieges wird versucht, den
Regierungstruppen Massaker anzulasten, die diese nachweislich nicht
begangen haben, so z. B. das von Hula.
6. Wie zu Recht von kompetenter Seite festgestellt, müßte die
Assad-Regierung von kollektivem Wahnsinn umnachtet sein, wenn sie nach
der eindeutigen Drohung Obamas von 2012 chemische Waffen eingesetzt
hätte, zumal sich die Regierungstruppen ohnehin ganz klar auf der
Siegerstraße befinden, nachdem sie von der verbündeten Hizbollah wirksam
unterstützt werden - warum, zum Teufel, sollte das Regime im Moment des
Sieges kollektiven Selbstmord begehen (wollen)?
7. Der Bürgerkrieg in Syrien wurde von Beginn an mit allen Mitteln
von westlichen Regierungen befeuert - mit Waffenlieferungen über
nahöstliche Verbündete, verdeckten Einsätzen von Special Forces,
Ausrüstungslieferungen etc.. Nichtsdestoweniger ist dieser synthetische
Krieg vom Scheitern bedroht - und jetzt, wo die Niederlage drohte,
fingen die Regierungskriminellen in London, Washington und Paris an,
Foul zu spielen.
8. Sämtliche Angriffskriege der NATO rsp. westlicher Staaten seit
Jugoslawien 1999 folgten immer demselben Muster: Am Anfang geschah ein
angebliches Massaker (Racak 1999), immer starben angeblich Tausende
unschuldiger Zivilisten oder drohten massakriert zu werden (Libyen
2011), immer sieht sich die "westliche Wertegemeinschaft" gezwungen, die
angeblichen Täter zu bombardieren, also noch mehr Menschen zu töten, um
eine vorgeblich von einer "humanitären Katastrophe" bedrohte
Bevölkerung zu "schützen" (man nennt das RtoP, Responsibility to
Protect).
9. Wenn das konventionelle Massaker nicht ausreicht, um die
Angriffskriegsbegeisterung der Massen zu erzeugen, wird gerne zur
Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen gegriffen, um diese anzuheizen
(Irak 2003).
10. Ohne ein einschlägiges Mandat des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen (oder einen vorangegangenen Angriff Syriens auf einen
anderen Staat) bleibt jede militärische Gewaltanwendung ein
völkerrechtswidriger Akt der Aggression und damit ein völkerrechtliches
Verbrechen. Hinzuzufügen ist, daß der Sicherheitsrat selbst an die
Charta der VN gebunden ist und keine satzungswidrigen Freibriefe zur
militärischen Gewaltanwendung ausstellen darf.
11. Der momentan geplante Luftangriff auf Syrien, von dem die
Mehrheit des britischen Parlaments am Abend des 28.8. erfreulicherweise
zurück gepfiffen hat, wird absehbar erhebliche menschliche Verluste,
auch unter unbeteiligten Zivilisten in Gestalt sogenannter
Kollateralschäden zur Folge haben. Die Opfer der verbrecherischen
Chemiewaffeneinsätze werden davon nicht wieder lebendig werden. Rache
und Vergeltung, noch dazu verübt durch diejenigen, die selbst bis zur
Halskrause im Sumpf des Völkerrechtsverbrechens stecken, kann niemals
Maxime einer verantwortlichen internationalen Politik sein.
12. Sollte die Türkei sich an einem völkerrechtswidrigen Angriff
auf Syrien beteiligen, so müßten die Einheiten der Bundeswehr umgehend
zurückgezogen werden, da sie sonst selbst Teilnehmer an einem
völkerrechtlichen Verbrechen der Aggression wären. Darüber hinaus ist es
die Rechtspflicht der Bundesregierung, den Aggressoren jegliche
Unterstützungsleistungen zur Durchführung ihres Aggressionsverbrechens
zu verweigern (Nutzung deutschen Luftraums, Führungsgefechtsstände
etc.). (PK)
Online-Flyer Nr. 421 vom 31.08.2013
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