„Lob
des Kommunismus“ – Wolfgang Beutin, Hermann Klenner, Eckart Spoo
(Hg.)
Buchtipp
von Harry Popow
Kommunismus?
Man denke noch an Gesine Lötzsch, die es gewagt hatte, laut zu
denken und nach Wegen zum Kommunismus zu fragen. Und nun ist ein
neuer Störenfried auf dem Markt. „Lob des Kommunismus. Alte und
neue Weckrufe für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen“,
herausgegeben von Wolfgang Beutin, Hermann Klenner und Eckart Spoo.
Dass dabei die Kapitalelite Wutausbrüche bekommt, da gegen
vernünftige Argumente nicht anzukommen ist, wenn man vom
hochgeputschten Vorwurf mancher Fehlentwicklungen mal absieht und die
eigene Blutspur verwischen will – das ist ja nicht anders zu
erwarten. Doch auch unter Linken gab es Irritationen.
Wer
der Suche nach Alternativen von vornherein ein im Interesse weiterer
Ausbeutung und des gierigen Profitstrebens eine Absage erteilt, der
macht sich mitschuldig am Abgleiten der Menschheit in ein Nichts.
Nicht zu Unrecht fragte Dietrich Eichholtz in der „jungen welt“
vom 02.08.2013 (siehe „Neuordnung der Welt, Sieg ohne Frieden, Teil
II und Schluss): „...Steht
uns eine Welt ohne Sozialismus bevor – eine ausgelieferte Welt, die
den Kalten Krieg für die ihr gemäße Existenzform hält und die
drängenden Menschheitsprobleme (Klima-katastrophe, Umwelt- und
Energiekatastrophe, Armut, Hunger und Seuchen) zu bewältigen nicht
in der Lage ist?“ Und Hans Modrow, in der „jungen welt“ vom
27.28. Juli 2013 nach der Perspektive der EU befragt, sagt: „Die EU
soll Militärmacht sein und der Antikommunismus die Weltanschauung,
die man verbreitet. Das ist keine Perspektive im Interesse der
Menschen.“ Der soziale Zerfall sei somit vorprogrammiert.
Eine
zukunftsträchtige Gesellschaft? Tausendmal ja! Gäbe es auch nur
einen einzigen Hoffnungsschimmer, die Kluft zwischen Arm und Reich
aus der Welt zu schaffen, gäbe es die endgültige Chance, jegliche
kleineren und größeren Kriege von vornherein nicht zuzulassen, gäbe
es die Möglichkeit, dem Terror, der Gewalt, der Korruption, dem
Fremdenhass den Nährboden für immer zu entziehen – niemand hätte
(außer den Profitjägern)etwas dagegen, nach echten
gesellschaftlichen Alternativen zu suchen.
Warum?
Weil eine auf Volkseigentum begründete Ordnung – anders
strukturiert als das unter dem massiven ökonomischen und ideelllen
Druck (sprich Klassenkampf) des Großkapitals untergegangene System
des Sozialismus in den Ostblockländern – korrigierbar ist,
korrigierbarer als die Versuche, das Heutige mit Rettungsschirmen,
Trostpflästerchen und etwaigen Reparaturen über Wasser zu halten.
Das Kapital wütet in der Krise und weist alle geistigen Strömungen
zu einer veränderten Welt verständlicherweise mit aller Macht
zurück.
Auf
200 Seiten lassen die Herausgeber 104 Philosophen, Theologen,
Dichter, Publizisten, Theoretiker, Historiker – keinesfalls alles
Kommunisten – sowie Politiker der Arbeiterbewegung der vergangenen
Jahrhunderte zu Wort kommen, die den humanen Gedanken des
menschlichen Miteinanders zu einem der erstrebenswertesten Ziele
menschlichen Tuns auf dieser einzigartigen Erde erklärt haben. Sie
provozieren die Mächtigen, sie versuchen, das mitunter schläfrige
Dasein mancher satter Bürger zu wecken, sie erinnern an die
kulturellen Traditionen in der Welt, an die großen Denker. Es sind
Texte, die durchaus als geistige Angriffe auf die heutige Diktatur
des Geldes und der Inhumanität, als eine Bedrohung für die
Welt-Drahtzieher des Kapitals zu verstehen sind. So stellt Hermann
Klenner im Geleitwort folgendes fest: Der Gedanke des Kommunismus
löse bei „fanatisierten Antikommunisten ein ihrem limitierten
Horizont gemäßes Echo aus. Dass der Kommunismus tabu sei, darf
gedacht werden, dass er aber vernünftig sein könnte, „darf
niemand denken oder gar aussprechen. (…) Und „wer gegen dieses
Tabu verstößt, hat mit heftigen öffentlichen Angriffen und
Distanzierungen zu rechnen“. (S. 5)
Mit
keinerlei „Berufsverbot“ mehr haben dagegen die großen Denker
seit der Antike zu rechnen. So meint Platon (347 v.u.Z.) zu dem
grundlegenden Problem von Arm und Reich: „In einem Gemeinwesen, in
dem Reichtum und Armut fremd sind, wird auch die beste Gesittung zu
finden sein, denn weder Frevelmut noch Ungerechtigkeit kommen da
auf.“ (S. 7) Thomas Morus (1478-1535) ergänzt: „Überall dort,
wo es Privateigentum gibt und als Maßstab für alles nur das Geld
gilt, gibt es keine Gerechtigkeit...“ (S. 20) Auf Ursachen des
Zwiespalts zwischen oben und unten geht Thomas Müntzer ein: „Die
Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann feind wird. Die
Ursache des Aufstands wollen sie nicht beseitigen. Wie kann es dann
auf die Dauer gut werden?“ Heinrich Heine fasst Müntzers Denken so
zusammen: „Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk.“
(S.23) Nebenbei sei hinzugefügt, dass nach Marx unter Privateigentum
jenes zu verstehen ist, dass über Produktionsmittel verfügt.
Auf
den Individualismus, auf den sich die bürgerliche Ideologie als
Frontstellung gegen den Kollektivismus so gerne bezieht, geht u.a.
Oscar Wilde (1854-1900) ein und schreibt den folgenden schönen Satz:
„Die wahre Vollkommenheit des Menschen liegt nicht in dem, was er
hat, sondern in dem, was er ist.“ Das Privateigentum vernichte den
wahren Individualismus. „Die Persönlichkeit des Menschen ist so
völlig von seinem Besitz aufgesogen worden, daß das englische
Gesetz stets einen Angriff gegen das Eigentum eines Menschen weit
strenger geahndet hat als einen Angriff gegen seine Person.“ (S.
106)
Ob
Denkangebote von Jean-Jacques Rousseau, Gotthold Ephraim Lessing,
Maximilien de Robespierre, Friedrich Hölderlin, Johann Gottfried
Seume, Heinrich Heine, Ludwig Börne, Wilhelm Weitling, Karl Marx,
Friedrich Engels, Bettina von Arnim, Ferdinand Lassalle, Alexander
Iwanowitsch Herzen, August Bebel, Oscar Wilde, Franz Mehring, Wilhelm
und Karl Liebknecht, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Martin Andersen
Nexö, Alexandra Kollontai, Henri Barbusse, Wladimir Iljitsch Lenin,
Kurt Tucholsky, Antonio Gramsci, Hermann Hesse, Bertold Brecht,
Sigmund Freud, Dschawaharlal Nehru, Thomas und Heinrich Mann, Albert
Einstein oder Manfred Wekwerth, um nur eine winzige Auswahl der in
diesem Buch zitierten Größen zu nennen – sie sind Perlen in der
Literatur, Kunst und Politik. Sie reißen den Kapitalmächtigen die
Masken vom Gesicht, sie deuten Lösungswege aus dem Dilemma der
Unterdrückungsmaschinerie an, sie schüren das Feuer der Hoffnung
auf eine menschenwürdige Welt.
Bei
aller Bejahung der fortwährenden Entwicklung hin zum
Sozialismus/Kommunismus erinnert der Schweizer Kunsthistoriker,
Philosoph und Theologe Konrad Farner (1903-1974) an das “zuschanden“
gewordene Bild des Kommunismus durch theoretische Verkrustungen und
Verflachungen, durch Ausartungen und Willkür und er fragt, ob „sich
Weg und Ziel grundsätzlich noch auf derselben Ebene“ befunden
hätten. Er sagt voraus, dass dieser Kommunismus „nur durch
intensive Arbeit zahlreicher Generationen unter vielen Rückschlägen
und nicht ohne falsche Experimente erreicht werden kann“...(S. 175)
Eckart
Spoo, einer der drei Herausgeber dieser anspruchsvollen kulturellen
Leistung, polemisiert in seinen Nachbemerkungen gegen die weltweite
Meinung, der Sozialismus sei „out“. „Der übermächtige
Kapitalismus, der mit Boykott, Wettrüsten und anderen unfriedlichen
Methoden seit Jahrzehnten daran mitgewirkt hatte, diese Staaten zu
destabilisieren, schien nun endgültig über die ganze Erde zu
herrschen.“ (S. 191) Mahnend schreibt er auf Seite 195: „In der
Auseinandersetzung zwischen Menschenrecht und Kapitalmacht (…) wird
es immer auf Menschen ankommen, die sich nicht einschüchtern
lassen... (…) Ihnen solle das Buch helfen zu wissen, „dass viele
berühmte Dichter und Denker auf ihrer Seite stehen“. (S. 195) Das
Buch verstehe sich nicht als Beitrag irgendeiner Partei. Einige
Autoren lebten lange vor der Gründung politischer Parteien, so Spoo.
Er zitiert abschließend Pablo Picasso, der 1956 erklärte, „dass
ich zum Kommunismus gekommen bin wie zu einer Quelle und dass mein
ganzes Schaffen mich dahin geführt hat“.
Aktuell
passt besonders folgender Ausspruch von Lenin in die heutige Zeit:
„Die Menschen waren in der Politik immer die einfältigen Opfer von
Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie
nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen und
politischen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen
dieser oder jener Klassen zu finden.“ (S. 124)
Wem
sollte man diese lobenswerte Fundgrube streitbarer gedanklicher
Vorlagen als Alternativen zum Imperialismus – die in einem zweiten
Buch mit Autoren wie zum Beispiel Pablo Neruda, Lion Feuchtwanger
oder Maxim Gorki, um nur einige wenige zu nennen, seine Fortsetzung
finden soll - empfehlen? Den Widersachern des Humanismus etwa? Den
Fanatikern des Ewiggestrigen? Den eigentlichen Bremsern jeglichen
Menschheitsfortschritts? Möge diese Anthologie allerdings jenen in
die Hände kommen und mit Vergnügen von ihnen gelesen werden, die
sich von der rückständigen und armseligen Verteufelung des
„Unwortes“ Kommunismus nicht beirren, nicht geistig knebeln
lassen, die dem menschlichen Miteinander endlich eine Chance geben
wollen. Die „Platons“ lassen grüßen...
Wolfgang
Beutin, Hermann Klenner, Eckart Spoo (Hg.): „Lob des Kommunismus.
Alte und neue Weckrufe für eine Gesellschaft der Freien und
Gleichen“, Taschenbuch:
200 Seiten, Verlag: Ossietzky; Auflage: 1 (März 2013), Sprache:
Deutsch, ISBN-10: 3944545028, ISBN-13: 978-3-944545-02-8, mit
Zeichnungen von Thomas J. Richter, Preis: 20.00 Euro.
Zu
den Herausgebern:
Wolfgang
Beutin,
geboren 1934 in Bremen; Studium der Germanistik und Geschichte in
Hamburg und Saarbrücken; 1961 und 1963 in Hamburg Staatsexamen und
Promotion; 1971-1999 Hochschuldozent in Hamburg; Gastprofessur und
Gastdozenturen in Göttingen, Oldenburg und Lüneburg; seit 1996 bis
heute Privatdozent an der Universität Bremen; Verfasser
wissenschaftlicher und belletristischer Schriften.
Prof.
Dr. jur. habil. Hermann Klenner,
Mitglied der Leibnitz-Sozietät der Wissenschaften (zuvor der
Akademie der Wissenschaften der DDR). Zu seinen Veröffentlichungen
zählen u.a. Marxismus und Menschenrechte (1982); Vom Recht der Natur
zur Natur des Rechts (1984).
Eckart
Spoo:
1962 bis 1997 Redakteur der Frankfurter Rundschau, Gründer der
Zeitschrift Ossietzky. Herausgeber oder Mitherausgeber
gesellschaftskritischer Bücher.
Erstveröffentlichung
in der Neuen Rheinischen Zeitung
Mehr
über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com
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