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„Größeres Amerika“ gegen lästiges Europa: Trump will tauschen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 11. JANUAR 2025 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Rainer Rupp – https://rtnewsde.com
Trumps Pläne, Grönland zu kaufen und den Panama-Kanal wieder unter
US-Kontrolle zu bringen, sind laut Scott Ritter eng verknüpft mit seiner
Absicht, die kriegstreiberische NATO aufzulösen und gegen Frieden und
Stabilität in Europa einzutauschen.
Scott Ritter braucht nicht erst vorgestellt zu werden. Es sollte aber an
dieser Stelle daran erinnert werden, dass er seit Jahren gute und
vielfach enge Beziehungen zu den Leuten hat, mit denen Trump in seiner
zweiten Amtszeit den rüstungs-industriellen Lobbyismus und die im
zuarbeitenden neokonservativen Kriegsdienstleiter in den Think-Tanks
entmachten will. Ihnen wirft er vor, gegen die Interessen der
Bevölkerung aus den USA einen Staat in permanentem Kriegszustand gemacht
zu haben, denn solange Krieg geführt wird, können diese Kreise gut
verdienen nach dem Motto, eine Hand wäscht die andere.
Warum Trump die Kontrolle über Grönland will
Diesen Aspekt in Trumps Plänen hat Scott Ritter in seinem jüngsten
Artikel auf Substack dargelegt. Dabei hat er unterstrichen, dass Donald
Trump das neue Jahr mit einem starken Wählermandat für Veränderung
begonnen hat, und zwar auf der Basis seiner deklamierten Doktrin:
„Frieden durch Stärke“. Im Gegensatz zu der Interpretation europäischer
Trump-Hasser bedeutet diese Doktrin laut Ritter jedoch nicht noch mehr
US-Kriege rund um die Welt, sondern das Gegenteil. Denn Trump strebe
eine der größten Veränderungen der Neuzeit an: Die Trennung der
Vereinigten Staaten von der Militärallianz NATO, die – so Ritter – heute
keinen anderen Zweck mehr erfüllt, als eine Atmosphäre der
Konfrontation mit Russland zu fördern, was weder in Trumps noch im
Interesse der US-Bevölkerung sei.
Die Frage ist jedoch, ob Trumps politisches Mandat stark genug ist, um
diese Trennung zwischen USA und NATO-Europa tatsächlich herbeizuführen,
und ob in Trumps Mantra „Frieden durch Stärke“ letztlich die Elemente
des „Friedens“ diejenigen der „Stärke“ überwiegen werden.
Vor der breiten amerikanischen Öffentlichkeit hat Trump bei der letzten
Wahl ein eindeutiges Mandat für den Frieden bekommen. Aber ob er das
gegen die Kriegstreiber im Kongress durchsetzen kann, ist eine andere
Frage. Denn im Senat und im Repräsentantenhaus hat Trumps eigene Partei
zwar die Mehrheit, aber viele Abgeordnete der Republikaner stecken tief
in den Taschen der neokonservativen Vertreter der Rüstungs- und
Sicherheitsberatungsindustrie und sind damit entschiedene Gegner von
Trumps Plänen.
Laut Ritter plant Trump, die USA von globalen, weit entfernten
Krisenherden zu entkoppeln, auch wenn diese auf der
sicherheitspolitischen Prioritätenliste des Establishments obenauf
stehen. Stattdessen wolle Trump eine neue Außenpolitik durchsetzen, die
darauf abzielt, die Dominanz der USA in den geografisch nahen Regionen
zu festigen, in denen strategische Interessen der USA direkt und hautnah
betroffen sind. Diese Überlegung stecke auch hinter Trumps Plan der
territorialen Erweiterung der USA um Grönland, Kanada und um den
Panamakanal.
Um dieses umfassende Ziel zu erreichen, so Ritter, müssten Trump und
sein Team für Außen- und Sicherheitspolitik sich gegen die seit
Jahrzehnten etablierten Politikimperative stellen, die die nationalen
Sicherheitsinteressen der USA bis heute definieren. In seinem Bestreben,
den Konflikt in der Ukraine zu beenden, ohne dass die dem Krieg
zugrunde liegenden Ziele der USA und ihrer westlichen Verbündeten –
nämlich die strategische Niederlage Russlands – weiter entfernt denn je
sind, könnte Trump die Tür für eine mögliche Normalisierung der
Beziehungen zwischen Russland und den USA öffnen und Washington
erlauben, sich ohne Gesichtsverlust aus dem desaströsen
Ukraine-Abenteuer seines Vorgängers zurückzuziehen. Frei nach dem Motto:
Das ist nicht mein Krieg, ich war von Anfang an dagegen, es ist eine
Katastrophe und ich werde keinen einzigen US-Dollar Steuergeld weiter
daran verschwenden. Implizit wird dies auch zu einer Normalisierung
zwischen Russland und Europa führen, unterstreicht Ritter. Allerdings
geht das nicht mit den aktuell in Europa herrschenden Eliten.
Der Prozess zur Beendigung des Ukrainekriegs müsse aus zwei Schritten
bestehen. Zunächst müsse Trump eine Formulierung für die Beendigung des
Konflikts finden, die gleichzeitig die Realität des russischen Sieges
über den Kollektiven Westen anerkennt. Dies bedeutet, dass Russland die
Mehrheit dessen bekommen muss, was es in Bezug auf den Ukrainekonflikt
anstrebt. Ritter beschreibt, dass Trump diese Vereinbarung als einen
großen persönlichen Sieg darstellen kann, da er sich ja als jemand
positioniert hat, der diesen Konflikt von Anfang an weder gewollt noch
gefördert hat, und die guten Bedingungen für den Frieden überhaupt erst
geschaffen hat.
Trumps Griff nach Grönland – hat die Aufteilung Europas begonnen?
Der nächste Schritt, den Ritter als den schwierigsten bezeichnet, ist
die Trennung der USA von der NATO. Der Ukrainekonflikt habe, so Ritter,
die Realität unterstrichen, dass die NATO der Nachkriegszeit eine
Organisation ohne zwingenden Zweck ist. Was einst ein defensives Bündnis
war, um Westeuropa vor sowjetischer Expansion zu schützen, ist jetzt
ein Werkzeug für genau die Art von US-geführter Auslandspolitik, von der
Trump sich zu distanzieren versuche.
Ritter hob jedoch hervor, dass die politischen und wirtschaftlichen
Eliten Europas, die dafür verantwortlich sind, dass die NATO sich als
Instrument des amerikanischen Imperiums neu definiert hat, nicht bereit
sein würden, Trumps strategischer Vision so einfach zu folgen. Dann
allerdings könnten sich die europäischen NATO-Staaten mit geringeren
US-Investitionen (denkt er hier auch an Sanktionen wie höhere Zölle?) in
ihren Ländern konfrontiert sehen. Zugleich werden sich die
EU-Kriegstreiber auch vor dem Problem sehen, zur Rechtfertigung höherer
Militärausgaben Russland zu einem noch größeren Bedrohungsmonster
aufzubauen, während zur selben Zeit Trump durch seine Friedensinitiative
in der Ukraine die angebliche „russische Bedrohung“ demontiert.
Ritter prognostiziert zudem, dass Europa die finanziellen Lasten einer
solchen Neuordnung nicht tragen kann und jeder Versuch, eine massive
neue europäische Armee zu bilden, die eine erfundene russische Bedrohung
konfrontieren soll, eine Umverteilung begrenzter finanzieller
Ressourcen von den sozialen und infrastrukturellen Investitionen
erfordert, die die europäische Bevölkerung gegen ihre Regierungen auf
die Straßen bringen wird.
Trumps Ziel, so Ritter, sei es daher, keinen direkten Angriff gegen die
NATO zu führen, sondern sie nach und nach für die Europäer politisch und
ökonomisch unhaltbar zu machen. Wenn wir uns diesbezüglich Trumps
Forderung nach einer 150-prozentigen Erhöhung des Anteils der
Militärausgaben am BIP von 2 Prozent auf unglaubliche 5 Prozent
anschauen – ein neu gesetztes Ziel, das keines der EU-Kernländer ohne
politische Tumulte und Volksaufstände erreichen kann – dann könnte man
darin bereits ein Element von Trumps Anti-NATO-Strategie erkennen.
Ritter betont, dass es Trump nicht gelingen werde, die europäischen
pro-NATO-Eliten dazu zu bringen, kampflos seinem Vorhaben zuzustimmen.
Denn dafür müssten sie ihre jahrzehntelange Politik, die Russland als
existenzielle Bedrohung darstellte, rückgängig machen. Außerdem müsste
er auch noch den US-Kongress von der Notwendigkeit einer Trennung der
USA von der transatlantischen Allianz überzeugen. Diese Verbindung ist
aber seit fast 80 Jahren Kern der amerikanischen Sicherheits- und
Wirtschaftspolitik. Nur wenn die Europäer unzweifelhaft zu einer
schweren politischen und militärischen Belastung für die USA würden,
könnte Trump die Trennung gelingen; etwa indem er sich an die
US-Bevölkerung wendet und die Europäer als Schnorrer und
Trittbrettfahrer beschuldigt, die nicht genug für ihre eigene Sicherheit
täten und von den amerikanischen Steuerzahlern erwarten würden, die
Hauptlast der Verteidigungskosten für Europa zu tragen und zugleich
moralisch überheblich über die Amerikaner lästern.
Aus Ritter Sicht sind die Länder Europas bereits seit geraumer Zeit in
eine Phase politischer und wirtschaftlicher Turbulenzen eingetreten, die
nur noch stärker werden können. Vor diesem Hintergrund würden die tief
miteinander verfilzten transatlantischen Eliten verzweifelt versuchen,
ihre Machtpositionen gegen eine unumkehrbare geopolitische Realität zu
verteidigen. Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich seien
die traditionellen Kernländer der europäischen politischen,
wirtschaftlichen und militärischen Macht. Ihr irreversibler Niedergang
werde zu weiteren innenpolitischen Rückschlägen führen und schließlich
den gegenwärtig herrschenden Eliten zum Verhängnis werden.
Laut Ritter hat Trump nichts Geringeres vor, als die seit 1945
gewachsenen Nachkriegs-Machtstrukturen in Europa aufzulösen, nicht um
den europäischen Kontinent zu zerstören, sondern um die Kriegstreiber im
US-Kongress zu schwächen, indem er ihnen die europäischen Partner
wegnimmt. Trump habe im November vergangenen Jahres von den Wählern ein
starkes Mandat zur Trockenlegung des Washingtoner Sumpfs erhalten. Der
bestehe aus einer einzigartigen Symbiose von Politikern und Vertretern
der Rüstungsindustrie und Sicherheitsdienstleister sowie „Denkfabriken“.
Trump selbst hat davon gesprochen, wie diese Symbiose aus den USA eine
einzige Kriegswirtschaft gemacht hat, die ohne ständig neue Konflikte
nicht überleben könne, die von nicht gewählten Beamten gefördert werden,
deren Karrieren und Gehälter mit jedem neuen Krieg lukrativer werden.
Dazu zitierte Ritter Trump, der in einer Videoerklärung vom März 2023
das amerikanische Außenpolitik-Establishment als die wahre Bedrohung für
die Vereinigten Staaten darstellte. Er tat das, indem er betonte, dass
diese Establishment-Institutionen die Welt sogar in Konflikte mit einem
nuklear bewaffneten Russland ziehen wollen, indem sie die Lüge
verbreiten, dass Russland die größte Bedrohung für die USA sei. Trump
betonte stattdessen, dass die größte Bedrohung für die westliche
Zivilisation nicht Russland sei, sondern die USA selbst und einige der
schrecklichsten Amerika- Hasser im US-Kongress sitzen, wo sie das
amerikanische Volk repräsentieren.
Rainer Rupp: Wäre ein anständiger US-Präsident eine Chance für Europa?
Trump versprach als US-Präsident das gesamte globalistische
neokonservative Establishment zu zerstören, das „uns ständig in endlose
Kriege hineinzieht“. Er fügte hinzu, dass die Rolle der NATO neu
überdacht werden muss und das Außenministerium, die
Verteidigungsbürokratie und die Nachrichtendienste ebenfalls
überarbeitet werden müssten.
Ritter schließt seinen Artikel damit, dass Trump darauf abzuzielen
scheine, das US-Militär rundum aus Asien, aus dem Mittleren Osten und
aus Europa abzuziehen. In Europa wolle er die NATO gegen Frieden und
Stabilität eintauschen. Im Gegenzug will er in der westlichen Hemisphäre
eine neue Art von „Monroe-Doktrin“ etablieren. Damit würde die USA als
unangefochtene Vormacht über den amerikanischen Doppelkontinent von
Alaska bis Feuerland herrschen.
Laut Ritter werden Trumps Erfolgschancen für diese erdrutschartigen
Veränderungen von der Bereitschaft im US-Kongress abhängen, den
vorgeschlagenen Erwerb von Grönland, die Einverleibung von Kanada, die
Wiedererlangung der Kontrolle über den Panamakanal, sowie das
Versprechen amerikanischer Dominanz über den nord- und südamerikanischen
Kontinent als fairen Austausch für den Verlust Europas zu akzeptieren.
Das Gelingen dieses Vorhabens setzt allerdings eine massive
Umstrukturierung der US-amerikanischen geopolitischen Prioritäten
voraus, die zwangsläufig die vorherige Entmachtung der neokonservativen
Machteliten zugunsten einer neuen „Establishment“-Elite erfordert.
Die derzeit noch herrschenden, in der Gesellschaft tief verwurzelten
Eliten, also der „Tiefe Staat“ in Washington, werden nicht ohne Kampf
das Feld räumen. Solange das der Fall ist, wird der „Tiefe Staat“ sich
als Hindernis bei der schnellen Beendigung des Ukrainekonflikts
erweisen. Erschwerend für Trump sei, dass Russland bereits Trumps Design
eines schnellen Waffenstillstands den Riegel vorgeschoben habe. Daher
erwartet Ritter, dass es wahrscheinlich sechs Monate bis zu einem Jahr
dauern wird, bis der Ukrainekonflikt auf für Russland zu akzeptablen
Bedingungen ein beendet werden kann.
Ritter rät Trump, nach seinem Amtsantritt schon frühzeitig und
realistisch mit den Russen zu interagieren, um den Kampf in kürzester
Zeit zu beenden. Erst danach könne er den Prozess beginnen, die USA von
der dysfunktionalen NATO zu trennen. Wie mit jeder langjährigen
Beziehung werde auch diese Scheidung Zeit in Anspruch nehmen. Doch die
Auflösung der NATO sei praktisch unausweichlich, sobald der
Ukrainekonflikt abgeschlossen ist. Dann könnte Trump die Verhandlungen
seinen Unterhändlern überlassen und sich seinen neuen Eroberungen für
ein „Größeres Amerika“ widmen. Dies, so Ritter, gebe natürlich dem
Begriff „Make America Great Again“ eine ganz neue Bedeutung.
(Hinweis zu Scott Ritter: Dieser wird am 24. März 2025 in Berlin bei der
vom Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV) organisierten
Konferenz: „Frieden mit Russland: Die wichtigste und dringendste Aufgabe
unserer Zeit“ zu diesem Thema sprechen.
Informationen zu dieser Konferenz und ein Spendenaufruf zur
Kostendeckung wird es zeitnah auf diesen Seiten geben, gez. Rainer Rupp)
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