Sonntag, 4. Februar 2024

Zionismus - Staatsdoktrin Israels - RotFuchs Februar 2024

 Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2024/RF-312-02-24.pdf


Zionismus – Staatsdoktrin Israels

Aus marxistisch/leninistischer Sicht ist der „Zionismus eine chauvinistische Ideologie, das weitverzweigte Organisationssystem und die rassistische, expansionistische politische Praxis der jüdischen Bourgeoisie, die einen Teil des internationalen Monopolkapitals bildet.“1 Auf der XXX. UN-Vollversammlung verurteilte eine Mehrheit der Staaten in der Resolution 3379 den Zionismus als eine Form des Rassismus und der rassistischen Diskriminierung. (10. November 1975) Mit dem Verschwinden der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers nahm die UN-Generalversammlung diese Resolution mit der Resolution 46/86 am 16. Dezember 1991 mit 111 zu 25 Stimmen bei 13 Enthaltungen zurück. Kein arabisches Land stimmte für diese Rücknahme. Der Zionismus entstand als kleinbürgerliche Reaktion auf den Antisemitismus und reicht bis in das 19. Jahrhundert. Er suggeriert eine Zukunfts- und Erlösungserwartung. Durch Theodor Herzl (1860-1904), ein jüdisch-österreichischer Journalist, wurde der Zionismus zu einem politischen Programm ausgebaut. Der Zionismus entwickelte sich zu einem reaktionären Konzept mit dem Ziel, jüdische Menschen vom Klassenkampf abzulenken. Bereits auf dem ersten Zionistenkongreß im August 1897 in Basel forderten die Zionisten die Schaffung eines Nationalstaates auf dem arabischen Territorium Palästinas. Mit dieser 1 Wörterbuch der Außenpolitik und des Völkerrechts, Dietz Verlag Berlin 1980, S. 703 Konzeption ordnete sich der Zionismus in die politischen, ökonomischen und strategischen Interessen des Imperialismus ein. Das drückte sich besonders deutlich in der Zusammenarbeit mit den britischen Imperialisten aus. Mit der Balfour-Deklaration (Arthur James Balfour, britischer Außenminister) vom 2. November 1917 unterstützten die Briten die Ziele jüdischer großkapitalistischer Kreise von 1897. Die damalige britische Regierung traf eine langfristige strategische Entscheidung gegen die in Palästina herrschenden Osmanen und die arabische Bevölkerung. Der Brief war an Baron Lionel Walter Rothschild, reicher britischer Bankier und Zionistenführer, gerichtet. Die Balfour-Deklaration wurde nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1920 in den Friedensvertrag mit der Türkei aufgenommen. Auf dem Zionistenkongreß in New York, Mai 1942, wurden die Errichtung des zionistischen Staates Israel und der Aufbau einer eigenen Armee auf dem Territorium Palästinas beschlossen. Es erfolgte die Einordnung des Zionismus in die Pläne des US-Imperialismus für den Nahen Osten. Nach der Gründung des Staates Israel 1948 wurde der Zionismus zur Staatsdoktrin erhoben. Die Hauptziele der USA und der anderen imperialistischen Mächte bestanden in der Verhinderung der Entstehung von Befreiungsbewegungen und in der Sicherstellung des Zugriffs auf Rohstoffe, andere Ressourcen (Erdöl und Erdgas) und Handelswege in der Region. Es ging natürlich gleichzeitig um die Verhinderung einer Zusammenarbeit arabischer Staaten mit sozialistischen Ländern. Israel spielt bis heute eine wichtige Rolle als unsinkbarer Flugzeugträger im Weltherrschaftsanspruch des Imperialismus unter Führung der USA. Seit dem 7. Oktober kämpft die Hamas gegen israelische Unterdrückung. Die USA sind die Hauptunterstützer Israels in diesem Krieg. Sie schirmen den Gaza-Streifen mit Kriegsschiffen im Mittelmeer ab und liefern gleichzeitig Waffen und Munition zur Zerstörung Gazas und der Vernichtung der Bevölkerung. Auf der internationalen politischen Bühne sichert der US-Außenminister, Antony Blinken (Sohn jüdischer Eltern), daß Israel einen Krieg gegen die Palästinenser führen und Lebensgrundlagen zerstören kann. Der Imperialismus zeigt sein wahres Gesicht. „Südafrika hat Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen vorgeworfen. In der Klage, die am Freitag in Den Haag eingereicht wurde, werde zudem verlangt, Israel aufzufordern, die Angriffe im Gazastreifen zu stoppen, teilte der Gerichtshof mit. Das Vorgehen der israelischen Streitkräfte habe ,einen völkermörderischen Charakter‘…“ 2

Dr. Ulrich Sommerfeld  

2 https://www.zeit.de/politik/ ausland/2023-12/gaza-krieg-israel-suedafrikainternationaler-gerichtshof

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Ergänzend zwei hochaktuelle Buchtipps von Harry Popow
Entnommen:
https://das-blaettchen.de/2012/04/der-ruf-der-kassandra-11884.html
15. Jahrgang | Nummer 9 | 30. April 2012

Der Ruf der Kassandra

von Harry Popow
Evelyn Hecht-Galinski nimmt den Staat Israel in den Fokus. Sie bestreitet nicht dessen Existenzberechtigung. Sie empört sich über das Unrecht, das von ihm ausgeht. Sie entlarvt in ihrem neuesten Buch das völkerrechtswidrige Tun Israels gegenüber den Palästinensern. Sie sticht zu, wenn es nötig ist, sie analysiert genau, sie betrachtet die Konflikte komplex, sie schlägt einen Bogen zur Mitverantwortung der nur zuschauenden Welt, besonders der Deutschen. Sie wehrt sich entschieden gegen den Vorwurf des Antisemitismus. Sie attackiert kleinkarierte Wadenbeißer, die unter der vorgegebenen „Staatsräson“ sich den Israelis anbiedern. Und sie wirft dies schmähliche Gebaren nahezu allen etablierten deutschen Parteien vor. Lob und Dank, begleitet von Herzenswärme, findet sie für Gleichgesinnte, die im Namen des Völkerrechts und der Humanität an der Seite Palästinas stehen, die mit Recht Widerstand leisten, ohne auch deren Fehler zu übersehen und kleinzureden.
Hecht-Galinski ist Deutsche mit jüdischer Herkunft, Tochter des einstigen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski (1912-1992). Ihr Motiv: „Ich habe mir das Lebensmotiv meines Vaters zu eigen gemacht: ‚Ich habe Auschwitz nicht überlebt, um zu neuem Unrecht zu schweigen.’“
Leuchten wir näher in ihren Text hinein. Mit welcher Herzenswärme, mit wieviel verinnerlichter Menschlichkeit die unabhängige parteilose Bürgerin das Leid der Palästinenser beschreibt – das geht sehr nahe. Es gehe um einen Konflikt, schreibt sie, „der eigentlich gar keiner zu sein bräuchte, da Israel ganz relaxt in den anerkannten Grenzen von 1967 völkerrechtskonform in Frieden mit seinen Nachbarn existieren könnte.“ Sie liefert die Zahlen: Zwischen 1967 und 1994 wurden etwa 140.000 Palästinenser vertrieben, indem ihnen das Aufenthaltsrecht entzogen wurde. 14.000 Einwohnern Ostjerusalems ging es ebenso. Die Siedler – über 300.000 – kontrollieren bereits 42 Prozent des Palästinensergebietes. 2.700 neue Wohneinheiten seien geplant. Man spreche vom „größten Freiluftgefängnis der Welt“. Nicht zu vergessen die „über 10.000 palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen – unter ihnen auch Frauen, Kinder und alte Menschen.“ Seit 1967 wurden 700.000 Menschen verhaftet, die zum Teil bis heute auf ihre Gerichtsverfahren warten. Warentransporte würden nur nach „Lust und Laune“ nach Gaza gelassen. Gewährleistet seien weder Strom noch Wasser, noch medizinische Versorgung. 40.000 Kinder seien nicht eingeschult worden, da Schulen wegen fehlenden Baumaterials nicht gebaut werden konnten. „1,5 Millionen eingeschlossene Palästinenser im Gaza-Streifen und 1.400 Tote bei der ‚Operation Gegossenes Blut’ klagen uns an“, schreibt die Autorin Die Unterschiede zwischen palästinensischen Dörfern und den jüdischen Siedlungen: Wellblechhütten, Zelte, Geröllstraßen und Schlamm. Daneben: Geteerte Straßen, Blumenbeete und Palmenhaine.
Israel, so charakterisiert die deutsch-jüdische Querdenkerin den Staat, sei heute keinesfalls das arme kleine, von Feinden umzingelte Land. Im Gegenteil, es gehöre zu den hochgerüsteten Militärmächten, die sich nicht scheuen, anderen Staaten mit einem Präventivschlag – auch atomar – zu drohen. Israel existiere seit 63 Jahren auf ehemaligem palästinensischem und seit 44 Jahren auf unrechtmäßig dazugeraubtem Land. Es halte dieses Land widerrechtlich besetzt und den Palästinensern entziehe es seine grundlegenden Rechte, seine Freiheit und Unabhängigkeit. Das gehöre vor das Haager Kriegstribunal, so Evelyn Hecht-Galinski. Israel schaffe Tatsachen mit der „Abrissbirne“, man siedele und baue weiter, die „ethnische Säuberung“ halte an. Über 50.000 neue Wohnungen – natürlich nur für jüdische Käufer und Mieter. Palästinenser bräuchten keine Wohnungen. Für sie wurden seit 1967 nur zirka 600 Appartements gebaut, obwohl mindestens 40.000 gebraucht werden. Eine weitere Enthüllung: Israel sei ein Meister im Tarnen und Verschleiern, wenn es zum Beispiel um das Atomprogramm in Dimona gehe, meint die Autorin. Israel findet Unterstützung von AIPAC, der größten Israel-Lobby in den USA. Jahresbudget: 70 Millionen US-Dollar. Die Autorin warnt vor einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Iran. Und sie lässt keinen Zweifel: Dieser Angriffskrieg wäre nur möglich auch durch die Waffenlieferungen der Schutzmacht USA. Dem deutschen Verteidigungsminister hält sie vor, folgende Aussage von Kanzlerin Merkel ungenügend als unzutreffend entkräftet zu haben: Merkel habe geäußert, die Sicherheit Israels sei als deutsche Staatsräson zu betrachten und Deutschland sei im Ernstfall bereit Israel, wenn es den Iran angreifen sollte, zu unterstützen. Und wer klage die Hamas einseitig als schuldig an? Verwechsele die Kanzlerin da nicht Ursache und Wirkung? Die vollständige Blockade Gazas sei die Ursache, die Wirkung die Kassam-Raketen. Das Grundgesetz sei mit der so proklamierten Staatsräson nicht vereinbar. Weiter: Die würdigste Form der Holocaust-Erinnerung: Sich das Recht nehmen als Deutsche, aktuelle Verbrechen anzuprangern. Die scharfsichtige Autorin polemisiert, es gehe nicht darum, einseitig und parteiisch zu sein, sondern um Recht und Unrecht. Mit der angeblichen „Selbstverteidigung“ Israels, verhöhne es die Völker. Wenn Politiker Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen, dann geißelt Hecht-Galinski deren „vorauseilenden Gehorsam“. Auf den Vorwurf, jede Israel-Kritik sei als Antisemitismus zu bewerten äußert Evelyn Hecht-Galinski: „Ich bemerke auch immer mehr, dass diese schleichende Politik der Verdummung in Deutschland ihre Wirkung zeigt. Die Bevölkerung weiß immer weniger über die wirklichen Zusammenhänge dieser politischen Intrigen Bescheid.“
Und sie scheut sich auch nicht, die Ursachen ohne Wenn und Aber beim Namen zu nennen: Sie kreidet die Verlogenheit der gesamten westlichen Politik in dieser Region an, die „primär von Wirtschaftinteressen bestimmt ist“. Sie warnt, durch die Menschen- und Völkerrechtsverletzungen sowie die Kriegsdrohungen und Angriffe, die man dem jüdischen Staat durchgehen lasse, „wird die internationale Politik massiv in Gefahr gebracht“.
Ihre Sprache: Locker, sehr persönlich, sehr emotional, überaus engagiert, teilweise mit Wut im Bauch – warum nicht? Es überwiegen kurze Sätze mit hoher Anschaulichkeit. Dafür sorgen unter anderem die immer wiederkehrenden bohrenden Fragen – an die Politik, an die Bürger, an sich selbst. Im Nachwort stellt Gilad Atzmon fest, die Humanistin Evelyn Hecht-Galinski erhebe ihre unschätzbare Stimme nicht als Einzelperson, sondern geselle „sich zu der wachsenden Zahl von Juden, die sich von ‚Stammesdenken’, Chauvinisnus, Überlegenheitsdünkel und Auserwählten verabschiedet haben.“
Wer ihr Buch gelesen hat, wird es bereichert zur Seite legen – erkenntnismäßig, gefühlsmäßig. Und wiederholt hineinsehen müssen, wenn „Anstalten“ wieder einmal die Wahrheit auf den Kopf stellen. Ganz gewiss wird die Lektüre der Schrift dieser mutigen und politisch hellwachen Kassandra für Anbeter der „Heiligen Kühe“, für Politiker mit „vorauseilendem Gehorsam“, wie die Autorin schreibt, kein wahrer Genuß sein.
Evelyn Hecht-Galinski: Das elfte Gebot: Israel darf alles, Palmyra Verlag, Heidelberg 2012, 224 S., 17,90 Euro


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Entnommen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19063&css=print

"Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina“ von Petra Wild

"Tränen des Vaterlandes" Anno 1636

Buchtipp von Harry Popow


„Tränen des Vaterlandes" …so der Titel eines Antikriegsgedichtes, geschrieben von Andreas Gryphius unter dem einschneidenden Eindruck des Dreißigjährigen Krieges von 1618 bis 1648. Darin heisst es:



Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschändt, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret.



Lesenswertes Palästina-Buch der

Autorin Petra Wild
http://www.mediashop.at
"Tränen des Vaterlandes" …so die Überschrift dieser Rezension zu einer Anklageschrift, die sich dem Völker-morden gegenüber den Palästinensern widmet. Über 300 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg, nach den Gräueln der Weltkriege nun dies: Es geht nicht ab mit nur dreißig Jahren – seit 65 Jahren (seit dem 8. Mai 1948) währt der Würgegriff israelischer Politik gegenüber den Palästinensern innerhalb der Grenzen Israels und in den 1967 besetzten Gebieten. Jenen, die unter dem Deckmantel des Zionismus und der Bibel aus ihren angestammten Landstrichen gewaltsam aus ihren Häusern, Dörfern und ihrem Land vertrieben, gelyncht, ausgehungert und ermordet, die enteignet und ihrer wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen beraubt wurden, deren Geschichte ausgelöscht werden soll, die systematisch diskriminiert werden.
 
"Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina. Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat“, so der Titel eines politischen Sachbuches von Petra Wild. Geboren 1963 in Aarbergen/Hessen, studierte sie arabische Sprache und Islamwissenschaften in Jerusalem, Leipzig, Damaskus und Berlin. Sie arbeitet als freiberufliche Publizistin vor allem zur Palästina-Frage und zur Arabischen Revolution.
 
Wie bereits Evelyn Hecht-Galinski in ihrem Buch „Das Elfte Gebot: Israel darf alles“ sowie antizionistische und fortschrittliche kritische Juden Israels, Publizisten und Palästina-Unterstützer aller Herren Länder, so beschreibt auch Petra Wild die unter unmenschlichen Bedingungen hausenden Palästinenser in der Grünen Linie, in der Westbank, im Gaza-Streifen und in Ost-Jerusalem. So heißt es zum Beispiel auf Seite 47: „Während die jüdisch-israelische Bevölkerung insgesamt denselben Lebensstandard hat wie jene der westlichen kapitalistischen Länder, leben die palästinensischen Staatsbürger Israels unter Dritte-Welt-Verhältnissen.“ Angeführt werden u.a. eine schlechtere Gesundheitsversorgung, eine höhere Säuglingssterblichkeit, eine schlechtere Bezahlung, eine Benachteiligung bei Serviceleistungen, ein Leben unter der Armutsgrenze, ein Ausgeschlossensein aus dem öffentlichen Nahverkehrsnetz. Die Palästinenser werden „als nicht zum Lande gehörend, als unzivilisiert, rückständig, primitiv, faul, dreckig, dumm, gewalttätig und fanatisch dargestellt“. (S. 74) Sie seien gesichtslose Feinde, Terroristen. (S.78) Alle Maßnahmen, so die Autorin, zielen darauf ab, den Willen der Palästinenser zu brechen und ihnen die Hoffnung zu rauben. Dazu zählen Erschwernisse des täglichen Lebens, Schikanen, Kollektivstrafen, gewaltsames Niederschlagen von Demonstrationen, hohe Haftstrafen, die Zerstörung von Häusern und ganzen Stadtvierteln, Wasserentzug, Zerstörung der Olivenbäume, Psychoterror, gezieltes Morden an Widerstandskämpfern sowie Kriege und Massaker gegen die Zivilbevölkerung. „Die Projektion des Hasses auf die Palästinenser ermöglicht die Bewahrung des selbstgerechten israelischen zionistischen Selbstbildes als moralisch rein und dient als zusammenhaltende Kraft in der jüdisch-israelischen Gesellschaft.“ (S. 78) Bei allem offensichtlichen Landraub – es gäbe keine Massenvertreibungen, keine großen militärischen Aufgebote, es ist vielmehr ein schleichender Prozess, so Petra Wilde. (S. 137)
 
Auf den 240 Seiten und in zwölf Kapiteln spiegelt sich anhand von konkreten Beispielen und bewegenden persönlichen Schicksalen, Zitaten und Kommentaren das Leben eines Volkes wider, das seit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 um seine Rechte kämpft. Es geht um die Ghettoisierungspolitik in der Westbank, die ethnische Säuberung des Jordantals, die Gewalt der kolonialen Siedler sowie die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung und die Zerstörung der historischen Stadt Jerusalem. Petra Wild kommt es insbesondere darauf an, neue Aspekte der Willkürakte des Staates Israel hervorzuheben. Es geht nicht nur um eine Neuauflage der in Afrika einst berüchtigten Apartheid, nicht nur um die ethnische Säuberung, nicht nur um schleichenden Genozid, sondern zusammenfassend um den zionistischen Siedlerkolonialismus. Er strebt danach, so Petra Wild in der Einleitung, „die einheimische Bevölkerung durch eine eingewanderte Siedlerbevölkerung vollständig zu ersetzen“. (S. 9)
 
Anfangs geht die Autorin gründlich auf den Ursprung des Konfliktes ein. Sie definiert den Siedlerkolonialismus als eine spezifische Form des Kolonialismus, der auf dem Raub des Landes und der Ressourcen durch Siedler besteht. Zur Legitimation bediene man sich eines ausgeprägten Rassismus, motiviert durch „die Einteilung der Menschen in höhere, zum Herrschen bestimmte und niedere, ihnen unterworfene Rassen“. (S. 12) Der Zionismus, der als Aushängeschild für die Alleinherrschaft der Juden benutzt wird, schreibt Wilde, entstand Ende des 19. Jahrhunderts im europäischen jüdischen Kleinbürgertum. Er definierte Judentum nicht mehr nur als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk bzw. Nation. „Da die Zionisten die Prämisse der Antisemiten übernahmen, dass Juden und Nicht-Juden nicht zusammenleben könnten, sahen sie die Lösung (…) in der Gründung eines eigenen Nationalstaates außerhalb Europas.“ (S. 12) Ihren Anspruch auf das Land Palästina, das damals zum Osmanischen Reich gehörte, begründeten die zionistischen Siedler damit, „dass sie nicht in ein neues Land kämen (…), sondern nach einem verlängerten Auslandsaufenthalt einfach nach Hause zurückkehrten; die Einheimischen wären die eigentlichen Fremden“. (S. 13) Man greife in der israelischen Geschichtsschreibung auf eine sich ergebende fundamentalistische Bibelauslegung zurück, „der zufolge Palästina das Land der Juden und nur der Juden war und nun – 3.000 Jahre später – wieder ist“. (S. 34) Welche sind die Hauptursachen für die Zuspitzung der Konflikte, der Auseindersetzungen zwischen Kolonialisten und Kolonisierten? Darauf gibt die Autorin folgende Antwort: Es seien „immer der Kampf um Land und Ressourcen“. (S.205)
 
Obwohl unterschiedliche Bevölkerungsteile in Israel leben, definiert sich der Staat als Staat der Juden, also als Staat einer übernationalen Religionsgemeinschaft. Allerdings schließe die „religiös-ethnische Definition des Staates anstelle einer territorialen (…) die Integration und Gleichberechtigung nicht-jüdischer Bevölkerungsteile strukturell aus“, schreibt die Autorin. (S. 22) Sie verweist auf zahlreiche Tricks und Verschleierungen des Staates Israel, die es ihm ermöglichen, sich aus Gesetzen mit eindeutigem Apartheidcharakter herauszuhalten. Man lagere beispielsweise staatliche Funktionen an internationale zionistische Organisationen aus. So würde eine Arbeitsteilung bestehen und das demokratische Image in der westlichen Welt gewahrt bleiben. (S. 40) Der Kern der zionistischen Politik in Palästina sei die fortgesetzte „Judaisierung“, die als Hauptideologie Vorrang vor den formalen Bekenntnissen zur Demokratie habe. (S.55) Der koloniale Blick auf die einheimische Bevölkerung werde von oben her durch die ideologischen Staatsapparate, Politiker, Militärs und Rabbiner verbreitet. Zudem bediene sich das religiöse Recht einer Herrenmenschen-Rhetorik, die sie mit den Heiligen Schriften begründet. (S.76) Außer Acht dürfe nicht gelassen werden, dass die eigene Leidensgeschichte der Juden zu einer stark ausgeprägten Selbstgerechtigkeit der Siedlerbevölkerung führe. (S.77) Verwiesen wird auf Seite 82 auf einen seit dem Krieg gegen den Gazastreifen verschärften Rassismus, sodass kritische Israelis vor einem heraufziehenden Faschismus warnen, (S. 82) wobei der Kolonialismus seinem Wesen nach zum Faschismus neigt. (S. 88)
 
Welche Lichtblicke öffnet uns diese Anklageschrift? Im Gespräch ist eine Ein-Staat-Lösung. Im Vordergrund stünden die Erlangung der Rechte der einheimischen Bevölkerung. Das Konzept ziele darauf ab, „den kolonialen Charakter des gegenwärtigen Staates Israel aufzuheben“ und den Nationalismus zurückzudrängen, um so die Möglichkeit für ein gleichberechtigtes Zusammenleben zu eröffnen. (S. 215) Das setze die Überwindung des Zionismus voraus. (S. 217) Von „Innen“, das wird klar, ist durch Verhandlungen keine Lösung zu erwarten. Daran hat die zionistische Seite kein Interesse. Da der Staat Israel in der schlimmsten Krise seiner Geschichte stecke, sei die arabische antiimperialistische Einheit sowie u.a. die Schwächung der USA in der Region und die Entwicklung einer starken internationalen Solidaritätsbewegung vonnöten, so die Autorin auf Seite 222. Von entscheidender Bedeutung sei der revolutionäre Prozess in der arabischen Welt. Interessant ist in diesem Zusammenhang folgende Bemerkung des israelischen Historikers Moshe Zuckermann (junge welt vom 26./27. Januar 2013): Der Zionismus rechtfertige „die Abneigung des jüdischen Kleinbürgers gegen seinen nichtjüdischen Konkurrenten und erlaubt es ihm zugleich, (…) gegen die Verfolgung Stellung zu nehmen, ohne sich gegen das kapitalistische System zu wenden, das ihm gewisse Vorteile sichert“. Damit wäre auch dies ausgesprochen: Nichts geht, ohne den Machtanspruch der herrschenden Elite in den Fokus zu nehmen.


Petra Wild: „Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina. Der zionistische Siedlerkolonialismus in Wort und Tat“, 2013, Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien, ISBN 978-3-85371-355-6, br., 240 Seiten, 15,90 Euro, mit Landkarten.

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

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