“Drang nach Osten”: Deutschland hat die Lehren seiner Kriege gegen Russland vergessen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 6. FEBRUAR 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Wiktorija Nikiforowa – https://meinungsfreiheit.rtde.life
Bild: Der Reichstag in Berlin am 30. April 1945 – Iwan Schagin / RIA Nowosti
Jeder Expansionsversuch in die Ukraine endet für Deutschland mit einer
schmählichen Niederlage, dem Ruin und nationaler Demütigung. Zwei Mal in
einem Jahrhundert hat es der deutsche Imperialismus versucht, der
dritte Versuch läuft aktuell. Wird Russland den Deutschen ein drittes
Mal vergeben?
Deutsche Massenmedien berichten, dass Deutschland bereits am 16. Februar
anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz ein bilaterales
Sicherheitsabkommen mit der Ukraine abschließen könnte. Gleichzeitig
häufen sich die Nachrichten über das Hineinpumpen von Geld in den
deutschen militärisch-industriellen Komplex und den Übergang zu einem
militaristischen Ansatz in der Berliner Politik. Das Land rüstet in
rasantem Tempo auf, und der populärste Politiker ist derzeit der
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius – so etwas hat es dort seit
Hitlers Zeiten nicht mehr gegeben.
Als Nachbarn sehen wir es deutlich: Die Deutschen sind wieder
hingerissen von dem Traum, uns die Ukraine zu entreißen. Genau wie vor
hundert Jahren.
Im Jahr 1918 besetzten die deutschen Truppen die Ukraine, veranstalteten
eilig ein “Casting” und ernannten den zaristischen General und reichen
Großgrundbesitzer Pawel Skoropadski zum Hetman. Sie beschlagnahmten den
gesamten Weizen – die Selbstbedienung mit ukrainischem Getreide war das
wichtigste wirtschaftliche Motiv der Besatzung – und begannen mit dem
Aufkauf von Ländereien.
Der Versuch, die Ukraine von Russland zu reißen – ein großes Verbrechen der Menschheitsgeschichte
Die einheimische Bevölkerung war empört, es kam zu endlosen Aufständen –
und zahllosen Massakern. Die Menschen starben massenhaft und flohen aus
diesem unglücklichen Land, während der deutsche Kaiser Wilhelm dem
Hetman “Sicherheit” und andere Annehmlichkeiten zusagte.
Der erste Versuch, die Ukraine von Russland zu reißen, scheiterte. Die
Deutschen mussten ihre Truppen zurückziehen, verloren bald den Krieg und
eigene Gebiete, der Kaiser wurde vom Thron gestürzt. Die “Weimarer
Zeit” begann – das reichste Land Europas hungerte, fror und litt unter
einer ungeheuren Inflation. Deutsche Frauen begannen, sich massenhaft zu
verkaufen, eine Prostituierte konnte man für eine Tafel Schokolade
kaufen.
Unter Hitler unternahmen die Deutschen einen neuen Versuch. Von 1941 bis
1944 existierte das Reichskommissariat Ukraine. Diesmal verzichtete man
auf die Einsetzung eines Hetmans, doch davon abgesehen verlief alles
ähnlich wie ein Vierteljahrhundert zuvor: Landwirtschaftliche
Erzeugnisse und gesunde Arbeitskräfte wurden ohne Scham und Rücksicht
aus der Ukraine nach Deutschland verbracht. Die empörte Bevölkerung ging
zum Partisanenkrieg über. Dagegen wurde mit beispielloser Grausamkeit
vorgegangen. Während der knapp drei Jahre als Reichskommissariat verlor
die Ukraine etwa ein Drittel ihrer Bevölkerung.
Die zweite Besatzung endete wie die erste: Die Deutschen wurden verjagt,
verloren anschließend auch diesen Krieg und wieder eigenes Land. Wieder
einmal wurde ein besiegtes und entehrtes Deutschland in Kälte, Hunger
und Armut gestürzt. Deutsche Frauen gingen wieder anschaffen, und der
Preis war derselbe: eine Tafel Schokolade.
Das hat schon System, finden Sie nicht auch? Aber die sturen Teutonen
haben sich jetzt entschieden, die zweimal augenscheinlich gewordenen
historischen Gesetzmäßigkeiten zu ignorieren und zum dritten Mal Land-
und Ressourcenraub im Osten zu versuchen. Im Grunde genommen geht
Deutschland heute wieder seiner traditionellen imperialen Linie nach –
es knechtet Slawen und kolonialisiert deren Land, bekämpft Russland und
schöpft Erzeugnisse der ukrainischen Landwirtschaft sowie die wenigen
dort noch verbliebenen Arbeitskräfte ab. Die Mittel haben sich leicht
verändert, die Ziele und Absichten keineswegs.
Kiesewetter redselig: Europa muss Lithium-Vorkommen in Donezk und Lugansk erobern
Was in der Ukraine seit 2013 geschieht, ist eine neue schleichende
Besatzung, diesmal in Zusammenarbeit mit den USA. Jetzt muss man sich in
Washington, D.C. allerdings langsam von dem vergifteten Thema “Ukraine”
distanzieren – es hat dem dort amtierenden Präsidenten keine schnellen
Siege gebracht. Also müssen die Deutschen (samt ihrer übrigen
europäischen Vasallen) den Krieg mit Russland nun allein
weiterfinanzieren und das deutsch-US-amerikanische Marionettenregime in
Kiew allein weiter aufrüsten. Kampfpanzer wurden bereits geliefert,
derzeit wird über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern debattiert.
Das bundesdeutsche Verteidigungsministerium hat einen längst vergessenen
Begriff aus der Mottenkiste geholt: Deutschland solle “kriegstüchtig”
werden, heißt es wieder. Das letzte Mal, als dieser Begriff in der
deutschen Propaganda verwendet wurde, hieß der großdeutsche Kanzler
Adolf Hitler. Seitdem hatte man sich davor gedrückt, aber heute ist der
Revanchismus offensichtlich nicht mehr aufzuhalten.
Die Militarisierung hat zweifelsohne einen wirtschaftlichen Sinn. Die
Deutschen beobachten, wie erfolgreich die militärisch-industriellen
Komplexe der USA und Russlands sind und erkennen, dass die
Rüstungsgüterproduktion ein Wachstumsmotor für die stagnierende
Volkswirtschaft sein könnte. Anders als die USA oder Russland haben sie
jedoch keine eigenen Ressourcen – Energie, Stahl, sonstige Grundstoffe –
für die Förderung des militärisch-industriellen Komplexes. Heutige
Politiker in Berlin stehen also vor einem Problem, das schon Hitler
bekannt war. Und wieder sieht man dieselbe Lösung wie Hitler: Russland
hat die Ressourcen – na: dann sollten wir uns darauf stürzen. Wieder in
Mode ist also auch der “Drang nach Osten”.
Ich frage mich, ob die Deutschen wissen, welche Gefühle sie jetzt bei
den Russen geweckt haben? Da ist ein Politiker Norbert Röttgen, der vom
Bundeskanzler Olaf Scholz das Eingeständnis verlangt, dass “die Ukraine
wichtiger ist als Russland”. Und er solle der Ukraine dringend die
Taurus-Marschflugkörper liefern, mit denen man so bequem russische
Städte beschießen kann. Was zum Teufel denkt er sich dabei?
Die Beutegierigen – Ein Blick auf das Berliner Kriegskabinett
Die Russen sind eigentlich ein sehr freundliches Volk. Wir hegen keinen
Groll gegen die Ukrainer: Ja, wir befinden uns im Krieg mit ihnen, aber
wir kämpfen ehrlich und verstehen sehr gut, was sie antreibt. Wir haben
hier einen Streit unter Slawen – wenn wir ihn aus der Welt schaffen,
werden wir mit Sicherheit wieder in Frieden leben.
Wir lassen uns dabei auch nicht von den Eskapaden einiger unserer
slawischen “Brüder” irritieren, weil wir wissen, dass die völlig vom
Westen abhängig sind.
Im Prinzip gibt es auch keine Bitterkeit gegenüber den USA. Ja, sie sind
eine Supermacht, und wir sind eine Supermacht, wir spielen auf einem
großen Schachbrett namens Erde. Hybride Kriege, Spezialoperationen,
Naher Osten, Ukraine. Die Aussicht auf eine gegenseitige Vernichtung
hält beide Seiten zurück und verhindert, dass die Emotionen hochkochen.
Aber die Deutschen werden anders behandelt. Es gibt kein Land auf der
Welt, das sich gegenüber Russland so oft und so stark schuldig gemacht
hat. Die abscheulichen Verbrechen, die die Deutschen in unserem Land
begangen haben, sind so zahlreich, dass sie sich kaum noch zählen
lassen. Das Blut von Millionen von Menschen, die von Deutschen getötet
wurden, schreit noch immer zum Himmel und der Schrei lässt das Blut
jedes Russen hochkochen. Das kann nicht vergessen werden, und jeder, der
es versucht, wird ein Verräter an uns sein.
Haben wir uns an den Deutschen jemals für ihre Verbrechen gerächt? Nein,
unser Militär hat eine unerhörte Milde gezeigt. Hätten wir einfach –
Auge um Auge, Zahn um Zahn – das wiederholt, was die Deutschen bei uns
getan haben, gäbe es heute kein Deutschland mehr.
“Kleine Nazis in niederen Funktionen” – “Berliner Zeitung” in Trauer um KZ-Mörder
Aber wir haben keine Vergeltung geübt. Unsere Soldaten versorgten stattdessen die Zivilbevölkerung mit Brot und Eintopf.
Stalin (“Die Hitler kommen und vergehen, das deutsche Volk bleibt
bestehen”) verhinderte, dass die Briten und US-Amerikaner ihren
Morgenthau-Plan der völligen Zerstörung Deutschlands verwirklichen
konnten – die Angelsachsen wollten das Land in mehrere kleine
deindustrialisierte Stücke aufteilen und die Deutschen zum Aussterben
verurteilen.
Gorbatschow erlaubte den Deutschen die Wiedervereinigung – übrigens
waren die Briten und US-Amerikaner damals auch dagegen, Gorbatschow
überzeugte sie, letztlich zuzustimmen. Wir haben den Deutschen ihr Land
in einem Stück zurückgegeben, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten –
weder materielle Vorteile noch Sicherheitsgarantien. Es war eine für
Russen typische große Geste des guten Willens: “Lasst uns das alte
vergessen und in Freundschaft miteinander leben.”
Deutschland ist das Land, das seine heutige Existenz Russland zu
verdanken hat. Daran sollten deutsche Politiker denken. Jeder
Expansionsversuch in die Ukraine endet für Deutschland mit einer
schmählichen Niederlage, dem Ruin und einer Demütigung.
Das Land, das Bismarck 1870 zusammengefügt hat, steht wieder einmal am
Rande des Zerfalls und der Zerstörung. Wird Russland Deutschland auch
dieses Mal retten? Eine gute Frage.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst am 5. Februar 2024 auf ria.ru erschienen.
https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/195158-deutschland-hat-lehren-seiner-kriege-vergessen/
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