Dienstag, 14. Januar 2020

Maxim Gorki: Plädoyer für den Kommunismus - Sascha´s Welt



Sascha's Welt: "Die Unwissenheit läßt die Völker nicht nur in Schlaffheit versinken, sondern erstickt in ihnen selbst das Gefühl der Menschlichkeit." (Helvétius)

Maxim Gorki: Plädoyer für den Kommunismus.



Veröffentlicht am 14. Januar 2020von sascha313


Wir alle, die wir in der DDR aufwuchsen, haben in der einen oder anderen Weise mit der Kultur, der Literatur und insgesamt mit der fortschrittlichen Denkweise des Kommunismus Bekanntschaft gemacht. Selbst diejenigen, die sich ganz und gar „unpolitisch“ verhielten, mußten nach und nach eingestehen, daß der Sozialismus einzig und allein dem Wohle der Menschen dient. Außenstehende, kritische Beobachter, höhnisch Grinsende (wenn etwas mal nicht so gelang) gab es in der ganze Zeit. Und Feinde hatten wir nicht wenige, vor allem im Westen – aber auch ein paar im eignen Land, in der DDR. Das humanistische Menschenbild des Sozialismus ließ den Gedanken einer Revanche oder Rache gegenüber der menschenverachtenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht zu. Und so halfen uns die sowjetischen Kommunisten auch anch 1945, dem vergifteten Denken, braunen Sumpf des Faschismus zu entkommen und eine neue sozialistische Ordnung aufzubauen, die auch heute noch als beispielhaft für die Menschheit zu bezeichnen ist. Maxim Gorki schrieb in seinem Buch „Die Mutter“, welche Gedanken einen Kommunisten in jener Zeit bewegten…

Aus: Maxim Gorki „Die Mutter“



Jetzt erhob sich Pawel, und es wurde plötzlich still. Die Mutter beugte sich mit dem ganzen Körper vor. Pawel be­gann ruhig:

„Als Parteimitglied erkenne ich nur das Gericht meiner Partei an und werde nicht zu meiner Verteidigung sprechen, sondern dem Wunsch meiner Genossen, die eben­falls auf eine Verteidigung verzichtet haben, entsprechen und versuchen, Ihnen das zu erklären, was Sie nicht verstanden haben. Der Staatsanwalt hat unsere Kundgebung unter der Fahne der Sozialdemokratie eine Auflehnung gegen die Staatsgewalt genannt und uns die ganze Zeit als Rebellen gegen den Zaren betrachtet. Ich muß erklären, daß die Selbst­herrschaft in unseren Augen nicht die einzige Kette ist, die dieses Land fesselt, sie ist nur die erste und nächste Kette, von der wir das Volk befreien müssen…“

Die Stille wurde tiefer, während seine feste Stimme er­klang, die den Raum zu weiten schien; Pawel rückte gleich­sam weit von den Menschen fort und wurde dabei noch deut­licher sichtbar. In die Richter kam eine schwerfällige Unruhe. Der Adels­marschall flüsterte dem Richter mit dem schlaffen Gesicht etwas zu, der nickte und wandte sich an den Alten, dem gleichzeitig von der anderen Seite der kranke Richter etwas ins Ohr sagte. Der Alte drehte sich in seinem Sessel nach rechts und nach links und sagte etwas zu Pawel, aber seine Stimme ging in dem gleichmäßigen, breiten Redestrom Wlas­sows unter.

„Wir sind Sozialisten. Das besagt, daß wir Feinde des Privateigentums sind, welches die Menschen entzweit, sie gegeneinander bewaffnet und unversöhnliche Interessengegen­sätze schafft, das im Bemühen, diese Feindschaft zu verber­gen oder zu rechtfertigen, lügt und alle durch Lüge, Heuche­lei und Bosheit demoralisiert. 
Wir sagen: Eine Gesellschaft, die den Menschen nur als Mittel zu ihrer Bereicherung ansieht, ist gegen die Menschen gerichtet, sie ist uns feindlich, wir können uns mit ihrer heuchlerischen, lügen­haften Moral nicht aussöhnen. Ihr Zynismus und die Grau­samkeit ihres Verhaltens der einzelnen Persönlichkeit gegen­über sind uns verhaßt, wir wollen und werden gegen alle Formen physischer und moralischer Knechtung der Menschen durch eine solche Gesellschaft kämpfen, gegen alle Methoden, die den Menschen der Habgier zuliebe zermalmen.

Wir Arbeiter sind diejenigen, durch deren Arbeit alles geschaffen wird, von Riesenmaschinen bis zum Kinderspielzeug, wir sind diejenigen, die man des Rechtes beraubt hat, für ihre Men­schenwürde zu kämpfen, uns will und kann jeder in ein blo­ßes Werkzeug verwandeln, um seine Zwecke zu erreichen. Wir wollen jetzt soviel Freiheit haben, daß wir durch sie die Möglichkeit erhalten, mit der Zeit alle Macht zu erobern. Unsere Losung ist einfach: Nieder mit dem Privateigentum, alle Produktionsmittel dem Volk, alle Macht – dem Volk, die Arbeit – eine Pflicht für alle! Sie sehen, wir sind keine Rebellen!“

Pawel lächelte verächtlich, fuhr sich langsam mit der Hand durch das Haar, und das Feuer in seinen blauen Augen flammte heller auf. „Ich bitte Sie, nur zur Sache zu sprechen!“ sagte der Vor­sitzende vernehmlich und laut. Er hatte sich Pawel zuge­wandt und blickte ihn an, und der Mutter war es, als brenne in seinem linken, trüben Auge ein böses, gieriges Feuer. Und alle Richter betrachteten ihren Sohn so, als wenn ihre Augen an seinem Gesicht klebten, sich an seinem Körper festsogen, nach seinem Blut dürsteten, um damit ihre verbrauchten Leiber neu zu beleben. Er aber stand aufrecht, fest und stark in seiner ganzen Größe da, streckte die Hand nach ihnen aus und sagte nicht laut, aber deutlich:

„Wir sind Revolutionäre und werden es so lange bleiben, wie die einen nur befehlen, die anderen nur arbeiten. Wir sind gegen die Gesellschaft, deren Interessen zu verteidigen man Ihnen anbefohlen hat, wir sind unversöhnliche Feinde dieser Gesellschaft und Ihre auch, und eine Aussöhnung zwischen uns ist uns so lange unmöglich, bis wir gesiegt haben. Siegen werden wir, die Arbeiter. Ihre Auftraggeber sind durchaus nicht so stark, wie Sie glauben.

Dasselbe Eigentum, für dessen Anhäufung und Erhaltung Sie Millionen geknechteter Menschen hinopfern, dieselbe Kraft, die Ihnen Macht über uns gibt, erregt unter Ihnen feindselige Reibungen, zermürbt Sie physisch und moralisch. Das Eigentum erfordert zu seinem Schutz allzu große Anstrengungen, und im Grunde genommen sind Sie alle, unsere Gebieter, mehr Sklaven als wir. Sie sind geistig versklavt, wir nur körperlich. Sie können dem Druck der Vorurteile und der Gewohnheiten nicht entrinnen, einem Druck, der Sie geistig getötet hat; uns hindert nichts, innerlich frei zu sein.

Das Gift, mit dem Sie uns vergiften, ist schwächer als das Gegengift, das Sie, ohne es zu wollen, in unser Bewußtsein träufeln … Das wächst, entwickelt sich un­aufhaltsam, entzündet sich immer schneller und reißt alles Beste, alles geistig Gesunde selbst aus Ihren Reihen mit sich fort. Blicken Sie nur um sich – Sie haben schon keine Leute mehr, die mit Ideen für Ihre Macht kämpfen könnten. Sie haben alle Argumente, die Sie vor dem Ansturm der histori­schen Gerechtigkeit schützen können, restlos verausgabt. Sie vermögen im Reich der Ideen nichts Neues zu schaffen, Sie sind geistig unfruchtbar.

Unsere Ideen dagegen wachsen und flammen immer heller auf, sie ergreifen die Volksmassen und organisieren sie zum Freiheitskampf. Das Bewußtsein von der großen Rolle des Arbeiters vereinigt sämtliche Arbeiter der ganzen Welt zu einem Ganzen – Sie können diesen Pro­zeß der Erneuerung des Lebens durch nichts aufhalten, außer durch Grausamkeit und Zynismus. Aber dieser Zynismus springt in die Augen, diese Grausamkeit erbittert. Und die Hände, die uns heute würgen, werden bald brüderlich die unseren drücken. Ihre Energie ist die mechanische Energie des zinstragenden Goldes. Sie vereinigt Sie in Gruppen, die berufen sind, einander zu vernichten; unsere Energie ist die lebendige Kraft der stetig zunehmenden Erkenntnis von der Solidarität aller Arbeiter.

Alles, was Sie tun, ist ein Ver­brechen, denn es ist darauf gerichtet, die Menschen zu Skla­ven zu machen. Unsere Arbeit dagegen befreit die Welt von den Gespenstern und Ungeheuern, die von Ihrer Lüge, Ihrer Bosheit, Ihrer Habgier gezeugt wurden und das Volk in Schrecken hielten. Sie haben den Menschen vom Leben losge­rissen und ihn zugrunde gerichtet. Der Sozialismus vereint die von Ihnen zerstörte Welt zu einem großen, einigen Gan­zen, und das – wird kommen!“

Pawel hielt einen Augenblick inne und wiederholte leise, aber kraftvoller:



Das – wird kommen!“

Die Richter flüsterten miteinander, schnitten sonderbare Grimassen und schauten mit ihren gierigen Augen Pawel unverwandt an; die Mutter aber fühlte, daß sie seinen ge­schmeidigen, starken Körper mit ihren Blicken beschmutz­ten, daß sie ihn um seine Gesundheit, Kraft und Frische be­neideten. Die Angeklagten hörten die Rede ihres Genossen aufmerksam an; ihre Gesichter waren blaß, die Augen blitz­ten freudig. Die Mutter verschlang die Worte ihre Sohnes, und sie prägten sich wohlgeordnet ihrem Gedächtnis ein. Der Alte unterbrach Pawel ein paarmal, erklärte ihm etwas, einmal lächelte er sogar traurig. Pawel hörte ihn schweigend an und sprach dann wieder hart, aber ruhig weiter und er­zwang sich Gehör, bezwang den Willen der Richter durch seinen Willen. Endlich aber schrie der Alte laut und streckte die Hand gegen Pawel aus. Als Antwort ertönte wieder Pawels Stimme, diesmal mit einem Anflug von Spott:

„Ich schließe. Ich wollte Sie persönlich nicht kränken, im Gegen­teil – da ich nun einmal unfreiwillig bei der Komödie, die Sie Gericht nennen, zugegen bin, fühle ich fast Mitleid mit Ihnen. Sie sind doch immerhin Menschen, und es tut uns stets leid, Menschen zu sehen, die zwar Feinde unserer Ziele sind, aber in so schimpflicher Weise gezwungen werden, der Ge­walt Dienste zu leisten, und dermaßen das Bewußtsein ihrer Menschenwürde verloren haben.“

Quelle:
Maxim Gorki: „Die Mutter“, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1974, S.366-369.

pdfimage  Maxim Gorki – Plädoyer für den Kommunismus
Siehe auch:
Maxim Gorki: Warum sind wir für den Sozialismus?
Er wurde ermordet…

(Eine ähnliche Rede hielt auch der aufrechte Kommunist Erich Honecker vor dem Schandgericht in Berlin-Moabit.)
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