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https://www.nachdenkseiten.de/?p=57859
Die gegenwärtige deutsche Politik ist kaum mehr zu ertragen, rational nachzuvollziehen schon gar nicht. Gerade „verwarnen“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Iran wegen der Nichteinhaltung des Atomabkommens.[1] Aber wenn deswegen jemand verwarnt werden müsste, dann wären es die USA, die das Atomabkommen einseitig gekündigt und damit den Bau einer iranischen Atombombe heraufbeschworen haben. Stattdessen wurde auf Druck der US-Regierung ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist und zwangsläufig zu einer Verschärfung der Sanktionen im Sinne der USA führen wird.
Wie bekannt wurde, drohten die USA damit, Zölle auf europäische Autos zu erheben (im Gespräch waren 25 Prozent), wenn die Europäer nicht spuren würden.[2] Die Erpressung zeigte umgehend Wirkung: Am 14. Januar verkündete der deutsche Außenminister Heiko Maas zusammen mit seinem französischen und dem britischen Kollegen die Auslösung des Schlichtungsmechanismus‘ – ein „strategischer Fehler“, wie der iranische Außenminister Javad Zarif erklärte. Denn der Iran ist nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und den gescheiterten Verhandlungen über eine Aufhebung der laufenden Sanktionen nicht mehr bereit, die ursprünglich vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen.
Der Spiegel zitierte dazu den FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai, der die Ansicht vertrat: „Gleichgültig, was im Hintergrund abgelaufen ist, zeigt der Vorgang, wie dramatisch schlecht die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland sind.“ Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sprach von „Erpressbarkeit“ der Bundesregierung „auf offener Bühne“. Daraufhin kam ein Dementi des Bundesaußenministers: Die Entscheidung zur Auslösung des Schlichtungsverfahrens sei bereits vor der Sanktionsdrohung der USA getroffen worden.[3] „Wenig glaubhaft“, erklärte Djir-Sarai. Noch weniger glaubhaft ist Maas‘ beschwichtigende Einlassung, man wolle das Atomabkommen in letzter Minute noch retten, doch mit der Einleitung des Schlichtungsverfahrens kann es endgültig als aufgelöst gelten.
Drohungen, Erpressung und Sanktionen, nicht nur gegen Länder wie Iran, Russland, Syrien oder Venezuela, sondern auch gegen „Bündnispartner“ wie Deutschland. So haben die USA den Weiterbau von Nord Stream 2 erst einmal verhindert, indem sie die beteiligten Firmen mit Sanktionen bedrohen. Dazu wurde sogar ein Gesetz erlassen, das rückwirkende Strafmaßnahmen vorsieht.[4]
Ein Skandal sondergleichen, ein unglaublicher Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und ein Beispiel für mangelnde Souveränität sowie auch hier für die Durchsetzung von US-Interessen mit brachialer Gewalt. Angeblich begibt sich Deutschland durch die mit Nord Stream 2 beabsichtigten Gaslieferungen in eine Energieabhängigkeit von Russland. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn Russland ist auf die Einnahmen aus den Lieferungen ebenso angewiesen, wie Deutschland auf seine Energiesicherheit, die anders nicht gewährleistet werden kann. De facto geht es um den Absatz von Fracking-Gas aus den USA (Terminals werden bereits gebaut) und um Durchleitungsgebühren für die Ukraine und Polen auf Kosten des deutschen Verbrauchers.[5]
Was ist das für eine Politik, die in Vasallenschaft der USA entgegen dem Mehrheitswillen der Bevölkerung exekutiert wird? Die deutsche Regierung muss Folge leisten, sonst drohen Strafmaßnahmen. Das zeigt sich auch bei der drastischen Erhöhung des Militäretats. Zwar gäbe es nach wie vor einen gewissen Spielraum für eine selbstbestimmte Politik, wie 2003 bei der Verweigerung der Teilnahme am Irak-Krieg durch die Regierung Schröder deutlich wurde, aber die Willfährigkeit gegenüber den Vorgaben aus Washington hat unter der Regierung Merkel ihren Zenit erreicht. Deutschland beteiligt sich an der Aggressions- und Sanktionspolitik der USA und nimmt dafür sogar erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Kauf. Zurzeit spekulieren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und andere US-affine Politiker über den Einsatz deutschen Militärs in Libyen.[6]
Deutschland ist auch die Drehscheibe der Truppenverlegungen für das im April und Mai 2020 von den USA mit der von ihr geführten NATO vorgesehene Manöver „Defender 2020“.[7] Dass dieses gegen Russland gerichtete Großmanöver, an dem die Bundeswehr beteiligt ist, nichts mit Verteidigung zu tun hat, liegt auf der Hand. Die empörende Bösartigkeit dieser Aktion besteht über die akute Gefährdung der europäischen Sicherheit hinaus darin, dass sie exakt 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an den russischen Grenzen stattfindet.
Nichts ist zu Ende, es beginnt immer wieder von Neuem. Was sich vor unseren Augen abspielt, ist schändlich und eine Tragödie. Aber noch immer finden sich zu wenige, die sich dem widersetzen.
Von Wolfgang Bittner erschien 2017 „Die Eroberung Europas durch die USA – Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“, im März 2019 der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ und im September 2019 „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“.
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