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Diese Wirtschaft tötet
Die geschichtliche Zäsur,
für die der 9. November 1989 steht, bedeutet eine Rückwende in eine
Ära der weltweiten Konterrevolution. Im Tingeltangel der
imperialistischen Medien, die damals ihren eigenen Leistungen bei der
„Befreiung“ Ostdeutschlands Beifall klatschten, ging ein Ereignis
unter, das mehr noch als der 9. November zeigte, was weltweit
bevorstand: Am Morgen des 16. November 1989 fand man in der
Universität (Universidad Centroamericana – UCA) des
zentralamerikanischen Staates El Salvador die Jesuiten und
Wissenschaftler Ignacio Ellacuría (Rektor der UCA), Segundo Montes,
Ignacio Martín-Baró, Joaquín López y López, Juan Ramón Moreno
und Amando López erschossen im Garten liegend. Mit ihnen wurde auch
die Köchin Elba Ramos und ihre Tochter Celina ermordet, die in
dieser Nacht bei ihnen Schutz gesucht hatten.
Die Täter sind bekannt:
Es handelte sich um die militärische Spezialeinheit Batallón
Atlácatl, die drei Tage zuvor ein Training bei US-Streitkräften
erhalten hatte. Die 20 namentlich bekannten salvadorianischen
Soldaten führten die Nachtsichtgeräte ihrer US-Trainer mit sich –
angeblich ohne deren Wissen. Niemand wurde bis heute für die Mordtat
bestraft. Auf der Grabplatte der in der Bevölkerung El Salvadors
hochverehrten „Märtyrer der UCA“ steht der Grund für den Mord.
Es ist ein Zitat aus einem Grundsatzpapier des Jesuitenordens aus dem
Jahr 1975: „Was heißt heute Jesuit, Gefährte Jesu sein? Sich
unter dem Kreuz im entscheidenden Kampf unserer Zeit einzusetzen: im
Kampf für den Glauben, der den Kampf für die Gerechtigkeit mit
einschließt.“
Der am 16. November 1989
ermordete Ignacio Ellacuría war wie die anderen ein Vertreter der
„Theologie der Befreiung“. Er hatte es sich zur Aufgabe gestellt,
inmitten des Elends, in dem die Mehrheit der Bevölkerung ganz
Lateinamerikas lebt, für gesellschaftliche Veränderung und
Gerechtigkeit einzutreten. Das war sein und seiner Glaubensgenossen
Todesurteil. Damals leitete in Rom ein polnischer Papst, Johannes
Paul II., die katholische Kirche. Ihm wird zu Recht ein bedeutender
Anteil an der Erosion des Sozialismus in seinem Heimatland und den
anderen Ländern Zentral- und Osteuropas zugeschrieben. Seine
Verabredung dazu mit dem damaligen USPräsidenten Ronald Reagan ist
inzwischen dokumentiert. Er war ein Gegner der „Theologie der
Befreiung“ ebenso wie sein Nachfolger, der deutsche Papst Benedikt
XVI.
Der jetzige Papst
Franziskus dagegen ist nicht nur Jesuit, sondern selbst ein Theologe
der Befreiung. Es ist kein Zufall, daß er vor zwei Jahren die
Einberufung der „AmazonienSynode“ anordnete, die vom 6. bis zum
27. Oktober in Rom stattfand. Ihr Hauptgegenstand war ein Brennpunkt
der Verbrechen des heutigen Kapitalismus: das fortgesetzte
Abschlachten der Ureinwohner im AmazonasBecken im Auftrag
internationaler Rohstoffkonzerne und der globalen Agrarindustrie.
Der österreichische
„RotFuchs“-Autor Georg Oberkofler hat für das vorliegende Heft
die Vorbereitungsdokumente dieser Synode untersucht (siehe Seiten
17–20). Unausgesprochen stand über ihr der FranziskusSatz: „Diese
Wirtschaft tötet.“ Wenn der November-„RotFuchs“ erscheint,
liegt die Landtagswahl in Thüringen erst wenige Tage zurück. Ein
Fazit der Wahlen des Jahres 2019 kann daher noch nicht gezogen
werden. Eins steht allerdings fest: Eine linke Partei, die nicht in
der Lage ist, dem internationalen und internationalistischen Konzept
des Papstes im Kampf gegen Armut und Mord an Armen auch nur
ansatzweise zu folgen, muß nicht nach Ursachen für Wahlverluste
suchen.
Die Debakel der
Linkspartei bei den Wahlen zum EU-Parlament am 26. Mai sowie in
Sachsen und Brandenburg am 1. September haben auch damit zu tun, daß
es unvorstellbar geworden ist, aus ihren Reihen einen Satz zu hören,
der etwa lauten könnte: „Kapitalismus tötet.“ Ihre Vertreter
ziehen es vor, die DDR, den ersten deutschen Friedensstaat, als
„Unrechtsstaat“ zu kriminalisieren. Sie wirken mit am
Propagandanebel, der zum 30. Jahrestag des 9. November 1989 wieder
reichlich produziert wird. Sie helfen so dabei, dahinter auch 2019
die Märtyrer der UCA verschwinden zu lassen. Arnold Schölzel
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