Im Angriffsmodus
Die ökonomische und militärische »Exportwalze«: Friedensgutachten 2017 offenbart die Hybris deutscher Außenpolitik
Von Anselm Lenz
Wenn deutsche Truppen für den Frieden in die Welt ziehen, kann das nichts Gutes bedeuten. Der gebetsmühlenartig beschworene Pazifismus führender Politiker in der Bundesrepublik steht im krassen Widerspruch zur Realität deutscher Aufrüstung und der Anzahl an Kriegen mit aktiver deutscher Beteiligung. Das legt das neue Friedensgutachten für das Jahr 2017 nahe.
Der Report, der jährlich von fünf Forschungseinrichtungen herausgegeben wird, offenbart die Ordnung des Kapitalismus im Zerfallsprozess und eine von Deutschland dominierte EU. Der Bericht wurde am Dienstag in Berlin vorgestellt. Angeblich sei die US-Hegemonie durch die Regierung Donald Trumps auf dem Rückzug, meint Friedensforscher Peter Rudolph. Der Krieg in Syrien stehe »für einen verheerenden Zustand der internationalen Beziehungen«, erklärten die fünf Herausgeber Bruno Schoch, Andreas Heinemann-Grüder, Corinna Hauswedell, Jochen Hippler und Margret Johannsen. Gleichzeitig sind sich die Friedens- und Konfliktforscher nicht einig, inwiefern der mögliche Wegfall der USA als globale Macht für die Bestrebungen auf der Ebene der Europäischen Union kriegerisch oder friedenspolitisch nutzbar gemacht werden könnte, um zu einer »multipolaren Weltordnung« zu gelangen. Man ist im allgemeinen pessimistisch – und das hat Gründe.
Der seit sechs Jahren andauernde »Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung« in Syrien – inzwischen nichts anderes als ein Stellvertreterkrieg der Großmächte – habe bislang »eine halbe Million Todesopfer« gefordert. Die »Zerstörung der Infrastruktur und der Lebensgrundlagen trieben über die Hälfte der Bevölkerung des Landes in die Flucht«, mehr als zehn Millionen Menschen. Die Unterstützung der Oppositionsmilizen insbesondere durch westliche Staaten sei ein Fiasko und einer der Hauptgründe für die Situation. Die Forscher führten zudem die fortgesetzten Brüche mit der UN-Charta seit dem Ende der Sowjetunion in ihrer Stellungnahme aus: »Militärische Gewalt ohne Mandat ist illegal.«
Angesichts der fortschreitenden Entblößung der EU als imperiales Projekt Deutschlands, die Rhetorik der Stärke im Zuge des Austritts der Briten aus der EU, Frank-Walter Steinmeiers Artikel im Diplomatenblatt Foreign Affairs – in dem er die BRD im Juli 2016 unter dem Schlagwort »Der starke Mann Europas« zur Großmacht ausrief – erschienen die Forderungen nach »friedenssichernder« Aufrüstung in einem eindeutig kriegerischen Licht. In der US-Forderung an die Vasallenstaaten, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in Aufrüstung zu investieren, unterscheiden sich der neue und der alte Präsident der USA nur in der Art und Weise des Vortrags. Bereits Ende 2016 hatten Merkel und von der Leyen beiläufig das größte Aufrüstungsvorhaben der BRD seit der Wiederbewaffnung 1954 verkündet. »Dabei wird es nicht um 300 Millionen Euro gehen«, euphemisierte die Bundeskanzlerin das milliardenschwere Rüstungsprogramm – zum »Wohle Europas«.
Die Forscher nennen in ihrem Bericht nicht nur die direkte Beteiligung der Bundeswehr in Kriegseinsätzen, sondern exemplarisch die Bereitstellung deutscher Waffen für Saudi-Arabien und dessen Aggression im Jemen. Generell scheint die deutsche »Exportwalze« nicht nur ökonomisch zu verstehen, sondern auch militärisch abbildbar zu sein.
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